Entscheidungsstichwort (Thema)
Krasse finanzielle Überforderung des Bürgen
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 01.12.2006) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 1.12.2006 verkündete Urteil der 20. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. wie folgt teilweise abgeändert:
Die Beklagte zu 2) wird neben den Beklagten zu 1) und 3) als Gesamtschuldnerin verurteilt, an die Klägerin insgesamt 227.505,59 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Diskontsatz bzw. Basiszinssatz seit dem 28.4.1999 zu zahlen, wovon auf die Beklagte zu 2) 189.177,99 EUR nebst Zinsen in vorgenannter Höhe entfallen.
Im Übrigen wird bzw. bleibt die Klage abgewiesen und wird die weitergehende Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte zu 1) trägt vorab die Kosten seiner Säumnis. Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 4) zu tragen. Die Beklagten zu 1), 2) und 3) tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin mit Ausnahme der Kosten der Beweisaufnahme haben die Beklagten zu 1), 2) und 3) als Gesamtschuldner 50 % und der Beklagte zu 1) allein 24 % sowie die Klägerin 26 % zu tragen. Von den Kosten der Beweisaufnahme haben die Beklagte zu 2) und die Beklagte zu 3) 61 % als Gesamtschuldner sowie die Klägerin 39 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten zu 1) bis 3) dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, die keiner Änderung oder Ergänzung bedürfen, wird zunächst gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
Das LG hat mit dem Schlussurteil die auf Zahlung aufgrund von Bürgschaften gerichtete Klage - unter Stattgabe im Übrigen - hinsichtlich der Beklagten zu 2) mit der Begründung abgewiesen, dass deren Bürgschaft vom 11.8.1995 wegen krasser finanzieller Überforderung nach § 138 BGB nichtig sei, wobei andere Sicherheiten ihr Haftungsrisiko nicht in rechtlich gesicherter Weise auf ein vertretbares Maß beschränkten. Hinsichtlich des Beklagten zu 4) wurde die Klageabweisung darauf gestützt, dass ihm nach § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BGB ein Anspruch gegen die Klägerin auf Herausgabe seiner Bürgschaft vom 25.3.1996 wegen Zweckverfehlung aufgrund Nichterweiterung des Kreditlimits der Hauptschuldnerin Fa. A zustehe.
Gegen das ihr am 15.12.2006 zugestellte Urteil des LG hat die Klägerin am 15.1.2007 fristgerecht Berufung eingelegt und diese am 16.4.2007 (Montag) innerhalb der bis zum 15.4.2007 verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet.
Nach Ansicht der Klägerin seien zunächst einige Anmerkungen bzw. Korrekturen zu den "tatsächlichen Feststellungen" zu machen. Im Hinblick auf die Beklagte zu 2) sei mangels einer krassen finanziellen Überforderung von der Wirksamkeit der Bürgschaft auszugehen, da die Beklagte zu 2) nicht nur über Arbeitseinkommen verfüge, sondern auch Eigentümerin des mit einer erstrangigen Hypothekenvormerkung zugunsten der Klägerin belasteten Grundstücks in O1/L1 sei, dessen damaliger Wert sich gemäß der Schätzung vom 20.9.1994 auf 70 Mio. Drachmen (= 450.000 DM), bei sofortigem Verkauf auf 60 Mio. Drachmen (= 385.000 DM) belaufen habe; dieser Wert habe sich inzwischen verdrei- bis verfünffacht. Im Hinblick auf den Beklagten zu 4) habe das LG dessen Schreiben vom 27.9.1996 und 10.1.1997, die erst nach der Konkurseröffnung über das Vermögen der Hauptschuldnerin verfasst worden seien, und die Aussage des Zeugen Z1, die einen erhöhten Sicherungsbedarf für den bereits gewährten Kredit bestätigt habe, fehlerhaft gewertet und zu Unrecht eine Zweckverfehlung angenommen. Auch sei in dem Krediterhöhungsantrag der Hauptschuldnerin vom 25.5.1995 keine Rede von einer Besicherung durch den Beklagten zu 4).
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Klägerin wird auf die Schriftsätze vom 16.4.2007 (Bl. 914-924 d.A.) und 7.10.2008 (Bl. 964 f. d.A.) verwiesen.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des LG Frankfurt/M. vom 1.12.2006 abzuändern und die Beklagten zu 2) und 4) gesamtschuldnerisch neben den Beklagten zu 1) und 3) zu verurteilen, an die Klägerin 227.505,59 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem jeweiligen Diskontsatz seit dem 1.10.1996 zu zahlen, und zwar die Beklagte zu 2) i.H.v. 189.177,99 EUR zzgl. Zinsen und der Beklagte zu 4) i.H.v. 153.387,56 EUR zzgl. Zinsen.
Die Beklagten zu 2) und 4) beantragen, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Beklagten zu 2) und 4) verteidigen die Entscheidung des LG unter Hinweis auf die Richtigkeit des Tatbestands mangels entsprechenden Berichtigungsantrags der Klägerin. Zum Wert der Immobilie der Beklagten zu 2) wird darauf verwiesen, dass es der Klägerin seit über 10 Jahren nicht gelungen sei, die Immobilie zu verwerten und ihre v...