Entscheidungsstichwort (Thema)
Unberechtigte Abnehmerverwarnung
Leitsatz (amtlich)
Selbst wenn es erforderlich sein sollte, unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit die Rechtswidrigkeit einer unberechtigten Schutzrechtsverwarnung als Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb anders zu bestimmen, als es bisher in der Rechtsprechung geschehen ist, ist die Rechtswidrigkeit jedenfalls dann zu bejahen, wenn der Abmahnung ein falscher Sachverhalt zugrunde liegt.
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 15.11.2002; Aktenzeichen 315 O 307/01) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 15, vom 15.11.2002 wird zurückgewiesen, soweit der Rechtsstreit nicht übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch eine Sicherheitsleistung von 500.000 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
und beschlossen:
Der Streitwert wird für die Berufungsinstanz auf 511.292 Euro (1 Mio. DM) festgesetzt. Er ermäßigt sich mit der Erledigungserklärung der Parteien auf 460.163 Euro (900.000 DM).
Tatbestand
Die Beklagte vertreibt über ein selektives Vertriebssystem Kosmetika angesehener Marken, an denen sie Rechte besitzt. Den angeschlossenen Fachhandelsgeschäften ist vertraglich untersagt, die Markenware an Wiederverkäufer außerhalb des Vertriebssystems zu verkaufen. Die Beklagte bringt eine zehnstellige Codenummer auf der Ware an, mit deren Hilfe sie durch Testkäufe außerhalb ihres Vertriebssystems feststellen will, an wen sie die Ware geliefert hat und insb., ob ihr Markenrecht erschöpft ist, ob die Ware also innerhalb oder außerhalb der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraumes i.S.d. § 24 Abs. 1 MarkenG (im Folgenden: Europa) in den Verkehr gebracht worden ist.
Die Klägerin vertreibt von der Beklagten stammende Markenware an Einzelhändler, die nicht zum Vertriebssystem der Beklagten gehören. Sie lieferte solche Ware, die zuvor von der Beklagten in Europa auf den Markt gebracht worden war, an die Firmen F., Düsseldorf, und B., Hamburg. Die Beklagte mahnte beide Firmen ab und erwirkte gegen letztere eine einstweilige Verfügung, weil es sich, wie sie anhand ihres Codierungssystems festzustellen geglaubt hatte, um von ihr nicht in Europa auf den Markt gebrachte Ware handele. Dabei wusste sie nicht, dass die Klägerin die Ware geliefert hatte.
Die Klägerin sah sich dadurch in ihren Rechten verletzt und hat beantragt,
I. der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmittel zu verbieten, Ansprüche gegen Abnehmer der Firma B. Trading GmbH wegen des Handelns mit angeblich nicht erschöpfter Ware geltend zu machen, wenn die Waren, auf die sich die geltend gemachten Ansprüche beziehen, tatsächlich von der Firma L. GmbH, mit ihr verbundenen Unternehmen oder mit ihrer Zustimmung innerhalb der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraumes in den Verkehr gebracht worden sind;
II. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft über den Umfang aller Handlungen gem. Ziff. I. zu erteilen, und zwar unter Angabe von Namen und Anschriften der abgemahnten Unternehmen;
III. festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin allen Schaden ersetzen muss, der dieser durch Handlungen gem. Ziff. I. bereits entstanden ist oder künftig entstehen wird.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das LG, auf dessen Entscheidung zur Vervollständigung des Tatbestandes Bezug genommen wird, hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Hiergegen wendet sich diese mit ihrer Berufung, die sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet hat.
Nachdem die Beklagte die verlangte Auskunft erteilt hat, haben die Parteien den Rechtsstreit zum Antrag zu II. übereinstimmend für erledigt erklärt.
Die Beklagte macht Rechtsausführungen und beantragt, das Urteil des LG abzuändern und die Klage im noch rechtshängigen Umfang abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen, und verteidigt die angefochtene Entscheidung mit Rechtsgründen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien mit ihren Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
1. Der Unterlassungsantrag ist zulässig, denn er ist hinreichend bestimmt i.S.d. § 253 Nr. 2 S. 2 ZPO.
Die Beklagte meint, der Antrag sei nicht hinreichend bestimmt, weil sie selbst nicht erkennen könne, ob sich eine etwaige Abmahnung gegen einen Abnehmer gerade der Klägerin richten würde. Die Bestimmtheit eines Antrages hängt aber nicht von den Erkenntnismöglichkeiten der Beklagten ab.
Gleichwohl muss ein Unterlassungsschuldner wissen, was ihm verboten ist, während die Beklagte nicht wissen kann, ob sie gerade einen Kunden der Klägerin zu Unrecht abmahnt. Diese Ungewissheit, die - wie bereits bemerkt - nicht zur Unbestimmtheit des Antrages führt, kann nicht zu Lasten der Klägerin gehen, den...