Leitsatz (amtlich)

1. Werden über die Teilnehmer einer Veranstaltung in einer Presseveröffentlichung unwahre ehrenrührige Tatsachen geäußert (hier: aus dem Kreis der Teilnehmer seien Gewalttaten gegen Polizeibeamte verübt worden), verletzt dies nicht ohne weiteres die Rechte der Personenvereinigung, welche die Kundgebung veranstaltet hat (hier: eine politische Partei), auch wenn es sich um Anhänger der Vereinigung handelt. Vielmehr ist dies nur dann der Fall, wenn der Leser das Verhalten der Teilnehmer mit der Personenvereinigung identifiziert und diese damit unmittelbar betroffen ist.

2. Wir die Personenvereinigung als solche nicht direkt benannt bzw. angesprochen, kann dies in der Regel nur angenommen werden, wenn eine Tätigkeit für die Personenvereingiung Gegenstand der Äußerung ist oder es sich um Führungspersönlichkeiten der Vereinigung handelt, ggf. auch aufgrund der Zahl der Personen.

3. MIt der Begründung, der Leser sehe den Veranstalter als mitverantwortlich für das Verhalten der Teilnehmer an, kann eine Verletzung der Rechte des Veranstalters (der Personenvereinigung) nur bejaht werden, wenn eine solche Behauptung zumindest verdeckt aufgestellt oder dem Leser als unabweisbare Schlussfolgerung nahe gelegt wird

 

Normenkette

BGB § 1004 Abs. 1 S. 2, § 823 Abs. 2; StGB §§ 186, 193; GG Art. 5 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 18.10.2012; Aktenzeichen 11 O 152/12)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Stuttgart vom 18.10.2012 (Az.: 11 O 152/12) abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: bis 10.000 EUR

 

Gründe

I. Die Klägerin, Bundesverband einer politischen Partei, macht gegen die Beklagte, Verlegerin u.a. der Tageszeitung "B", Ansprüche auf Unterlassung und Berichtigung wegen des nachfolgend wiedergegebenen Artikels geltend, welcher in der Ausgabe für B-W vom 10.4.2012 erschien:

Sie sieht in den Äußerungen "Während der Kundgebungen (80 Teilnehmer, u.a. in G), wurden die Beamten mit Flaschen, Eiern und Böllern bombardiert" und "Die N-Chaoten beschädigten auch zwei Kabelschächte am G Bahnhof, 15.000 EUR Schaden" unwahre, sie in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzende Tatsachenbehauptungen.

Die Beklagte hält die geltend gemachten Ansprüche nicht für gegeben. Die Klägerin sei insbesondere nicht aktiv legitimiert, weil durch die beanstandeten Äußerungen nicht unmittelbar betroffen und in eigenen Rechten verletzt.

1. Im Übrigen wird für die Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens in erster Instanz einschließlich der Antragstellung auf die tatsächlichen Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung verwiesen, § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO.

2. Das LG hat unter Abweisung der weiter gehenden Klage die Beklagte verurteilt, es unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, die Äußerungen

"während der Kundgebungen der N, u.a. auch in G, im April 2012 seien Polizeibeamte mit Flaschen, Eiern und Böllern bombardiert worden, wenn dabei nicht mitgeteilt wird, dass diese aus den Reihen der Gegendemonstranten beworfen wurden" (Tenor Ziff. 1. a) sowie

"N-Chaoten hätten im April 2012 auch zwei Kabelschächte am G Bahnhof, 15.000 EUR Schaden, beschädigt" (Tenor Ziff. 1. b) zu behaupten und/oder zu verbreiten.

Ferner hat es die Beklagte zur Veröffentlichung folgender Richtigstellung verurteilt (Tenor Ziff. 2):

"Richtigstellung: In unserer Zeitung "B" vom 10.4.2012 haben wir in dem Beitrag "Polizeihund beißt Demonstrant in Jacke" fälschlich behauptet, N-Chaoten hätten zwei Kabelschächte beschädigt. Dies ist falsch. Unbekannte haben zwei Kabelschächte am G Bahnhof beschädigt. Die Redaktion."

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Die Klage sei zulässig.

Die Klägerin sei nach § 3 PartG, § 50 ZPO parteifähig.

Die Unterlassungsanträge seien auch hinreichend bestimmt. Der Beklagten sei erkennbar, in welchen konkreten Teilen die von ihr tatsächlich gemachten bzw. verdeckten Äußerungen enthalten seien, welche sie künftig nicht wiederholen dürfe. Für die Zulässigkeit der Klage sei es unerheblich, dass die Klägerin die Sätze nicht wörtlich übernommen, sondern zum besseren Verständnis mit weiteren Angaben versehen habe.

Die in der mündlichen Verhandlung vorgenommene Änderung des Klagantrags Ziff. 2 sei nach § 264 Nr. 2 ZPO nicht an die Voraussetzungen des § 263 ZPO gebunden. Bei dem Antrag auf Richtigstellung handle es sich gegenüber dem Widerruf um ein Weniger. Tatsächlich habe die Klägerin entgegen der Überschrift "Widerruf" von Anfang an eine "Richtigstellung" verlangt.

Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Unterlassung gem. Ziff. 1. a) des Tenors nach § 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 186 StGB zu.

Die Aussage "Während der Kundgebungen (80 Teilnehmer, u.a. auch in G), wurden die Beamten mit Flaschen, Eiern und Böll...

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