BGH: Auslegung der Gemeinschaftsordnung geht Anpassung vor

Die – gegebenenfalls ergänzende – Auslegung der Gemeinschaftsordnung hat Vorrang vor einer Anpassung gemäß § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG.

Hintergrund: Unklarheit über Kostentragung

Die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft verlangen von einem Teileigentümer, einer Änderung der Gemeinschaftsordnung zuzustimmen. Dessen Teileigentumseinheit stand bis 2006 als Sauna mit Dusche allen Wohnungseigentümern zur Verfügung. Seitdem werden die Räume als Lager genutzt.

In der Gemeinschaftsordnung ist vorgesehen, dass diverse näher bezeichnete Betriebskosten von den Eigentümern nach Flächenanteilen getragen werden. Weiter heißt es: „Räume für Sauna/Solarium/Fitness sind an vorstehenden Kosten nicht zu beteiligen“.

Nachdem es zwischen 2007 und 2012 zu widersprüchlichen Urteilen darüber gekommen war, ob die Teileigentumseinheit auch nach der Schließung der Sauna von den Betriebskosten befreit ist, verlangen nun die übrigen Eigentümer von dem Teileigentümer, folgender Änderung der Gemeinschaftsordnung zuzustimmen:

„Die Räume für Sauna/Solarium/Fitness sind an vorstehenden Kosten nicht zu beteiligen, wenn, solange und soweit die Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft, in deren Sondereigentum sie stehen, sie der Gemeinschaft auch tatsächlich zur Nutzung für diese Zwecke zur Verfügung stellen.“

Hilfsweise verlangen sie die Feststellung, dass die Regelung in der Gemeinschaftsordnung so zu verstehen ist, dass die Räume „Sauna/Solarium/Fitness“ nur dann, nur so lange und nur insoweit von der Kostenbeteiligung befreit sind, wie sie auch tatsächlich allen Mitgliedern der Eigentümergemeinschaft für eine solche Nutzung zur Verfügung gestellt werden.

Entscheidung: Auslegung vor Anpassung

Die Eigentümer können vom Teileigentümer der ehemaligen Sauna nicht verlangen, einer Änderung der Gemeinschaftsordnung zuzustimmen. 

Nach § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG kann jeder Wohnungseigentümer eine vom Gesetz abweichende Vereinbarung oder die Anpassung einer Vereinbarung verlangen, soweit ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, unbillig erscheint. Zweck der Regelung ist die Beseitigung unbilliger Härten bei dem die Änderung verlangenden Wohnungseigentümer, die diesem bei einem Festhalten an der bisherigen Regelung entstünden.

Für die verlangte Anpassung der Gemeinschaftsordnung ist hier aber deshalb kein Raum, weil bereits eine Auslegung der Gemeinschaftsordnung ergibt, dass die Kostenbefreiung nur gilt, wenn und solange die Teileigentumseinheit der Gemeinschaft aufgrund einer Nutzungsvereinbarung als Raum für „Sauna/Solarium/Fitness“ tatsächlich zur Verfügung steht. Die (gegebenenfalls ergänzende) Auslegung der Gemeinschaftsordnung hat Vorrang vor einer Anpassung nach § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG.

Hingegen hat der hilfsweise gestellte Feststellungantrag Erfolg. Wegen der unterschiedlichen Urteile zur Frage, ob die Kostenbefreiung weiter gilt, haben die Eigentümer ein rechtliches Interesse an der Feststellung, wie die umstrittene Regelung in der Gemeinschaftsordnung zu verstehen ist.

(BGH, Urteil v. 13.5.2016, V ZR 152/15)

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