Steigst du noch auf oder machst du schon Karriere?
Karriere? Nein, danke!
Karrieremachen war lange Teil des beruflichen Selbstverständnisses. Damit verbunden war der Glaube an das Versprechen „Zeige Leistung und du steigst auf!“. Also leisteten die Menschen Überstunden, arbeiteten abends, an Wochenenden und im Urlaub, zeigten immer wieder Einsatz oder pendelten stundenlang. Um Karriere zu machen, organisierte man trotz privater Belastung das Leben um die Arbeit herum und war bereit, sich zu entgrenzen.
Dieses Leistungsversprechen wird von den Organisationen nicht eingehalten. Leistung und deren Erbringer werden zu selten erkannt. Und selbst wenn, ist Erfolg kein Kriterium für Karriere. Die ist tatsächlich stark vom Zufall abhängig. „B-Vitamin“, bunte Folien, Lautstärke, das Zurückhalten von Kritik, Ähnlichkeitsfaktoren und nicht zuletzt Vollzeit und Anwesenheit führen öfter zu Karriere als Leistung.
Ideengeber und Innovatoren gelten zudem gemeinhin als Störenfriede. Warnende haben fix den Stempel des Bremsers. Im Falle, dass sie im Nachhinein Recht haben, sind es unbeliebte Besserwisser. Karriere haben die anderen gemacht. Gerade die heute ins Berufsleben tretende Generation hat gesehen, dass das Engagement ihrer Eltern vielfach ins Leere lief und sind nicht mehr bereit, „die Extrameile zu gehen“.
Leistungsmessung ist notwendig!
Leistung und Erfolg – ob auf individueller oder kollektiver Ebene – werden in Organisationen kaum objektiv gemessen. Es fehlt an Kriterien. Vielfältige Zielesysteme und Beurteilungsrichtlinien sollten Abhilfe schaffen und sind dank hoher Subjektivität und Beurteilungsfehlern in der Realität meist nur lästige Alibifunktion. Deutliches Zeichen für deren Fehlfunktion sind die ausgeprägten Gender-, Hierarchie- und Teilzeit-Gefälle bei Beurteilung und Prämien.
Auch wenn ein Vergleich auf individueller Ebene Nachteile haben kann und die Beurteilung der Teamleistung schwierig ist, lohnt es sich zu versuchen, beruflichen Erfolg objektiv zu messen. Das damit verbundene Gefühl von Gerechtigkeit ist der einzige Weg, das Leistungsversprechen in die heutige Zeit zu tragen und den Aufstieg wieder erstrebenswert zu machen. Aber genau dagegen wehren sich viele Personalvertretungen. Die Einstellung „Alle sind gleich“ erscheint nicht mehr zeitgemäß, wenn in Mitarbeiterbefragungen immer wieder unfaire Karriereentscheidungen und mangelnde Konsequenzen für Leistungsschwache angemahnt werden.
New Work: Wenn Karriere keinen Sinn macht
Aber selbst, wenn es gelingt, Karriere durch Leistung wieder zu beleben, wandelt sich unter dem Stichwort New Work die Arbeitswelt massiv. Damit verbunden ist zum Beispiel die Abschaffung von Hierarchien. Flache Strukturen sollen die notwendige Geschwindigkeit bei sich schnell wandelnden Rahmenbedingungen sicherstellen. Das reduziert zwangsweise die klassischen Aufstiegsoptionen. Es braucht Alternativen.
New Work stellt aber auch die Frage, was den Menschen wirklich, wirklich wichtig ist. Viele geben eine Antwort ohne Bezug zu ihrer Arbeit. Die Menschen definieren sich nicht mehr allein über Job, Karriere und berufliche Statussymbole. Selbst die Amtsbezeichnungen der Beamten verlieren ihre Bedeutung. Auch hier braucht es mehr Angebote als die klassische Karriereleiter.
Geht´s auch ohne Führung?
Kein Wunder, dass mir Personaler immer wieder berichten, dass die Jüngeren keine Lust auf Karriere haben – vor allem, wenn sie dafür führen sollen. Grund ist ein althergebrachtes Verständnis von Führungspersonal, das jederzeit parat steht, ohne Rücksicht auf Familie und Gesundheit performt und Personalentwicklung neben der Obersachbearbeitung mal ebenso mitmacht. Dass die Menschen hier die Sinnfrage stellen und dankend ablehnen, ist nicht verwunderlich. Wenn Karriere nur über Führung geht, haben viele Organisationen ein Problem.
Führung muss daher grundsätzlich neu gedacht werden. Nur dann werden die Menschen wieder gerne führen wollen. Zentral ist die Überlegung, wann Führung tatsächlich einen Mehrwert hat. Ist das Team mit der Führungskraft erfolgreicher als ohne? Sind die Teammitglieder zufrieden und bleiben beim Arbeitgeber? Stellt die erste Frage unsere Hierarchien in Frage, ist die zweite gerade im Fachkräftemangel elementar. Fachkarrieren aber auch Führen auf Probe auf allen Ebenen sowie die gesichtsverlustfreie Abgabe von Führungsverantwortung kommen dazu.
Wir brauchen ein neues Karriere-Verständnis
Um es deutlich zu sagen: Arbeit macht für die Menschen grundsätzlich immer noch Sinn! Sie sind weiterhin bereit, Verantwortung zu übernehmen, wollen sich weiterentwickeln und führen gerne. Dafür wollen sie sich aber nicht mehr entgrenzen, die Familie und die Freizeit hintanstellen oder die Gesundheit riskieren. Die klassischen Karrieremodelle mit Aufstieg und dem deutlichen Mehr an Arbeit sind Old Work.
Wenn wir Karriere allgemein als Verbesserung der persönlichen Situation verstehen, erweitern sich die Optionen und es hilft zu verstehen, dass ein klassischer Aufstieg für viele Menschen eben keine solche darstellt. „Karrieremachen“ bedeutet dann zum Beispiel auch, auf der Basis einer gewissen finanziellen Sicherheit, Leben und Arbeit besser miteinander zu verbinden. Sabbaticals, Workation, Freizeit durch mehr Urlaubstage, 4-Tage-Woche und maximale Flexibilität bei Arbeitszeit und Arbeitsort sind dann sehr gute Karriere-Optionen, die neben dem klassischen Aufstieg angeboten werden können. Unter New Work Gesichtspunkten genau der richtige Ansatz. „Sich verbessern“ kann aber auch die Möglichkeit sein, die Arbeit mit Blick auf die eigenen Fähigkeiten und Jobanforderungen aktiv zu gestalten. Mehr von dem tun, was man gerne und gut macht, verspricht das Job Crafting.
Ob Fachkarriere, Flexibilisierung der Arbeit oder Job Crafting – alle diese persönlichen Verbesserungen funktionieren nur mit einer Veränderung unseres Mindsets: Das sind keine negativ belegten „Sidesteps“, sondern Teile einer sehr attraktiven und großartigen Karriere.
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