Führung braucht eine (R)Evolution!
Viel prasselt auf Führungskräfte aktuell ein: Der Fachkräftemangel verlangt einige Anstrengungen, die Generation Z will nicht mehr so richtig mitziehen, Quiet Quitting ist ein zunehmendes Phänomen, Homeoffice kollidiert mit Dienstaufsicht und dann sind da noch die neuen Arbeitswelten unter dem Stichwort New Work.
Das Personalmanagement reagiert mit immer neuen Methodenkästen. So richtig helfen tut das alles nicht. Der Grund ist, dass Führung zwar dezent angepasst, aber nicht wirklich weiterentwickelt wird. Während sich die Arbeitswelt ändert, bleibt das Verständnis von Führung gleich. Wir brauchen nicht weniger als eine (R)Evolution!
Ist das Führung oder kann das weg?
Trotz zahlreicher Kongresse zu New Work und neuer Begrifflichkeiten wie digital Leadership, ist „Führung“ immer noch Ausdruck eines Denkens in Hierarchien: Führung oben, Geführte unten. Das zeigt sich in Freigabeprozessen in der eAkte, in der cc-Kultur beim E-Mail-Verkehr oder den wöchentlichen Team-Jour Fixen. Die Führungskraft ist die Obersachbearbeitung, die die Vermerke frei gibt. Mal gerade so, dass der Papst nicht cc gesetzt wird, damit auch Führungskräfte aller Hierarchieebenen informiert sind. Wehe, man vergisst da jemanden, auch wenn diese cc-Kultur im Grunde nichts anderes ist als die Abschaffung von Verantwortung: Alle haben es gesehen, niemand übernimmt Führung. Homeoffice ist ja ganz nett, aber bitte nur maximal 50 Prozent, weil die Führungskraft sonst keine Kontrolle ausüben kann. Am sichtbarsten wird aber, dass sich an unserer Führungskultur nichts geändert hat, an den wöchentlichen Jour Fixen. Die Führungskraft sammelt alle ein und lässt sich von jedem erzählen, was es Neues gibt. Durchaus effektiv - für die Führungskraft. Alle anderen Teammitglieder langweilen sich vor und nach ihrem kurzen Input und ärgern sich über diese krasse Zeitverschwendung. Es fragt sich, wer ist hier für wen da?
Wir müssen weg von der Organigramm-Führung zu Führung mit Impact. Fachvorgesetzte, Ausbilder, Einarbeitungspaten oder einfach nur erfahrende Kollegen führen tatsächlich oft so viel mehr als die eigentlich im Stellenplan vorgesehene Führungskraft. Die Trennung von fachlicher und disziplinarer Führung gehört abgeschafft. Will man Führung wirklich neu denken, muss man sie darüber hinaus grundsätzlich in Frage stellen: Braucht es die Führungskraft tatsächlich? Oder kann das Team auch ohne? Tatsächlich können viele ohne sogar besser. Vielfach stören Führungskräfte, bremsen und sind bewiesenermaßen Grund Nr. 1 für Kündigungen.
Fokus: Erfolgreiche Führung
Es braucht ein komplett neues Führungsverständnis mit dem Fokus auf erfolgreiche Führung. Aber wann ist Führung erfolgreich?
Darauf gibt es zwei Antworten. Erstens, wenn das Team mit Führungskraft besser performt als ohne. Das kann man – über einen gewissen Zeitverlauf – messen. Führungskräfte, denen ständig die Leute davonlaufen, deren Teams hohe Krankheitsquoten aufweisen oder bei Personalvertretung und Behördenleitung „bekannt“ sind, darf es dann nicht mehr geben. Okay, das gilt heute auch bereits, aber wenn wir ehrlich sind, nur theoretisch.
Die Auswirkungen dieses neuen Ansatzes von Führung mit dem Fokus auf Erfolg sind massiv, denn er zerlegt unsere pyramidalen Hierarchien: Führungspositionen werden nicht nach Sachgebieten, Referaten und Abteilungen installiert, sondern danach, ob Führung tatsächlich Sinn macht. Und dies auch nur auf Zeit: Braucht das Team den Support nicht mehr und nimmt Fahrt im Sinne eines selbstorganisierten Teams auf, dann tritt die Führungskraft zurück und übernimmt andere Themen.
Agile Führung
Führung wird agil: fachlich, auf Zeit, projektbezogen und durchaus auch als Vorschlag aus dem Team heraus. Die Konsequenz ist ein neues Karrieremodell. Aufstieg durch Übernahme von disziplinarer Führung – ob man das eigentlich will, oder nicht – fällt genauso weg wie die Aufwertungen von Stellen je nach Führungsspanne. An deren Stelle treten Fachkarrieren, wie es sie schon vielfach in der IT gibt. Ein klarer Auftrag an die Tarifvertragsparteien.
Auch wird Führen auf Probe deutlich ausgeweitet. Die Menschen sollen ausprobieren dürfen und Erfahrungen sammeln. Wenn jemand erkennt, dass Führung nichts für sie oder ihn ist, haben doch alle gewonnen! Dass die Rückkehr aus der Führung heute in der Realität immer noch einem Gesichtsverlust gleichkommt und die Person nicht selten „verräumt“ wird, zeigt, dass wir dringend diese Veränderung des Führungsverständnisses brauchen.
Wenn Führung Freude macht
Die zweite Seite erfolgreicher Führung ist, wenn sich das Team wohl fühlt. Das erreicht man mit Wertschätzung und Unterstützung, Personalentwicklung und Förderung, Wir-Gefühl und Zusammenhalt. Auch diese Seite von guter Führung kann man messen: Empfiehlst du deine Führungskraft weiter? Ja? Nein? Warum? Neben der Weiterempfehlungsquote und der Performance des Teams sind Fluktuation, Krankheitsrate sowie Anzahl der Innovationen aus dem Team und Weiterentwicklung der Geführten zukünftig Grundlage für die Beurteilung der Führungskräfte. Trauen Sie sich! Das ist allemal besser, als die Erfüllungsquote der jährlichen Mitarbeitergespräche oder die Anzahl der Führungsfortbildungen als Kriterium anzulegen.
Organisationen definieren in ihren Grundsätzen für Führung und Zusammenarbeit eine Art von Führung, die für alle gilt. Dabei ist es kein Geheimnis, dass die Menschen unterschiedlich geführt werden wollen. Der eine braucht tägliche Anleitung und Feedback, die andere kann sehr gut ohne jeglichen Führungskontakt arbeiten. Führung ist seit jeher ein Aushandlungsprozess zwischen Bedürfnissen des Teams und dem Führungsverständnis der Führungskraft. Man sagt nicht umsonst, dass sich Mitarbeiter und Führungskraft gegenseitig erziehen. Wieso glauben Personalabteilungen, es besser zu wissen? Schmeißt die starren Hochglanz-Führungskonzepte und Checklisten weg und führt lieber Seminare ein mit dem Titel: „So erziehe ich mir meine Führungskraft richtig“. Denn leider haben die Menschen unter dem alten Führungsverständnis in unseren Organisationen verlernt, ihre Bedürfnisse zu artikulieren. Dabei ist doch genau das New Work!
Die Ansprüche der in das Berufsleben tretenden Generation Z, die Digitalisierung, Homeoffice und New Work: Wenn wir unsere Organisationen wirklich fit für die Zukunft machen wollen, müssen wir Führung revolutionieren. Probieren Sie es aus! Ich bin überzeugt, dass nicht nur die Beschäftigten zufriedener sind, sondern Führung auch den Führungskräften so wieder Spaß macht.
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