Ghosten Sie noch oder herrscht schon Great Resignation?

Das vergangene Jahr hat einige neue Begriffe hervorgebracht. Vor allem aus den USA schwappen die dazugehörigen Trends der Arbeitswelt nach Deutschland. Für Führungskräfte und Personaler ist es wichtig, die Buzzwords richtig einzuordnen. Denn diese Trends werden spätestens 2023 auch in Behörden, Ämtern und Organisationen des öffentlichen Dienstes in der Realität ankommen.

Ghosting

Wurden Sie schon mal geghostet? Der Begriff stammt eigentlich aus dem Online-Dating: Nach einem ersten Kontakt ist plötzlich Ruhe. Keine Antwort mehr, untergetaucht, verschwunden.

Wie ein Geist verhalten sich aber vor allem seit Jahren Arbeitgeber. Mit viel Tam Tam stehen diese auf Messen, engagieren Headhunter und schalten Stellenanzeigen. Der Erstkontakt des Kandidaten funktioniert meist super: Ein freundliches Gespräch oder die Eingangsbestätigung der Bewerbung. Danach: Stille. Niemand erreichbar, kein Rückruf, keine E-Mail. Nichts. Ghosting ist leider ein Phänomen, dass auch im öffentlichen Dienst seit Jahrzehnten massenhaft vorkommt. Schon allein die Länge der Auswahlprozesse von gerne bis zu sechs Monaten führt beim Bewerber zum Gefühl, geghostet zu werden.

Neu ist nun aber, dass die Bewerber dank Fachkräftemangel den Spieß umdrehen. Sie lassen die Sachbearbeiter Personalgewinnung am langen Arm verhungern. Die Kandidaten schicken nicht wie versprochen die fehlenden Unterlagen ein und schwänzen zunehmend das Vorstellungsgespräch. Besonders unfein: So manch Azubi und inzwischen auch Fachkraft haben den Arbeitsvertrag zwar unterschrieben, erscheinen aber am ersten Arbeitstag einfach nicht und ghosten ihren Arbeitgeber. Stellen Sie sich darauf ein! Um Überraschungen zu vermeiden, kommunizieren Sie auch nach der Zusage engmaschig.

Great Resignation

Der auch gern als der „Big Quit“ bezeichnete Trend bezeichnet das massenhafte Kündigen von Arbeitnehmern. Die „Great Resignation“ begann nicht zufällig mit der Corona-Pandemie in den USA. Viele Menschen hinterfragten in der Isolation ihr aktuelles Beschäftigungsverhältnis und kamen zu dem Schluss: Lohnt sich nicht, macht keinen Sinn und keinen Spaß.

Vor allem gering entlohnte Teilzeitjobs wurden an den Nagel gehängt. Betroffen sind ganze Branchen wie Gastronomie und Logistik. Kommt Ihnen das bekannt vor? Richtig, auch in Deutschland kehrten viele Kellner, Köche und Aushilfen nach der Pandemie nicht zurück in den Beruf.

Ich prognostiziere eine weitere Zunahme der Kündigungen in ganzen Branchen. Die Great Resignation im Bereich der Pflege erleben wir schon heute. Der so genannte Pflexit hat seine Gründe in maximaler Belastung bei gleichzeitig geringer Wertschätzung. Weiter wird es mit dem mittleren Dienst bei Polizei und Verwaltung gehen. Weil man mit dem Gehalt gerade in Großstädten kaum zurechtkommt. Auch haben ganze Jahrgänge der dualen Studiengänge in der Verwaltung nach fünf Jahren den öffentlichen Dienst schon wieder verlassen. Hier fehlt es an Flexibilität, welche Sicherheit nicht mehr ausgleichen kann. Wir werden uns in Unternehmen und Behörden darauf einstellen müssen, dass in einigen Berufen gar nicht so schnell rekrutiert werden kann, wie gekündigt wird.

Quiet Quitting

Dieser Begriff wird oft mit der inneren Kündigung verwechselt. Hier geht es aber nicht um das gedankliche Abschalten in Bezug auf Arbeitgeber und Aufgabe sowie den Dienst nach Vorschrift. Im Gegenteil bedeutet Quiet Quitting, dass der Job Spaß macht, das Kollegenverhältnis stimmt und die Bezahlung für ein gutes Leben reicht.

Allerdings mangelt es diesen, meist jüngeren Arbeitnehmern und Beamten an der Bereitschaft, „die Extrameile zu gehen“. Überstunden? Nein danke! Führung? Tue ich mir nicht an! An der Einstellung des Quiet Quittings zerschellen die althergebrachten Karrieremodelle hierarchischer Organisationen: Sei stets verfügbar, arbeite härter, leiste mehr und du machst Karriere.

Heute wollen die Menschen diesen Preis nicht mehr bezahlen und Karriere ist auch kein Lebensziel mehr. Beim Quiet Quittting geht es genau darum: Der Arbeitgeber bekommt, wofür er bezahlt! Basta! Und eigentlich ist das auch okay. Gefährlich wird es, wenn Organisationen weiter den alten Vorstellungen der leistungswilligen Nachwuchskräfte anhängen. Konflikte sind dann vorprogrammiert.

Quiet Firing

Der Begriff „amtsangemessener Einsatz“ wird meist dann genutzt, wenn der Konflikt schon eine ganze Zeit schwelt und die Frage gestellt wird, ob das Abstellgleis des Beamten seiner Einwertung entspricht. Auch andere Arbeitgeber scheuen den offenen Konflikt mit in Ungnade gefallenen Beschäftigten und deren Personalvertretungen. Statt die Menschen zu entlassen, bedeutet Quiet Firing, ihnen das Arbeiten so unangenehm wie möglich zu machen, bis sie endlich selbst kündigen.

Quiet Firing ist alles andere als nur eine Maßnahme, um die Abfindung zu sparen. Unter dem Begriff des Mobbings sind das Übertragen maximal langweiliger Aufgaben, die Versetzung an einen unattraktiven Arbeitsplatz, das absichtliche Vorenthalten von Informationen, das persönliche Schneiden, Diskriminierung, Schikanierung und weitere Maßnahmen, die die Betroffenen zur Eigenkündigung treiben sollen, rechtswidrig.

Dass dies so oft vorzukommen scheint, dass sich mit Quiet Firing ein neuer Begriff etabliert, ist erschreckend. Ich persönlich finde da die Gegenbewegung des Quiet Quittings nur konsequent.

Blind Signing

Der fünfte und letzte Begriff wird inspiriert von einer zu schnellen Unterschrift unter einem Arbeitsvertrag. Bereits nach wenigen Tagen stellen Arbeitgeber, neuer Beschäftigter oder beide fest: Es passt nicht. Die Folge ist Frühfluktuation.

Selbst wenn Arbeitgeber und Beschäftigter sich ausgiebig gegenseitig geprüft haben, kann diese Situation auftreten. Zum Beispiel weil die Personalmarketing der Organisation eher Wunschdenken und nicht Tatsachen entspricht. So scheitern die Versprechen der Arbeitgebermarke an der Realität des ersten Arbeitstages. Auch fehlende Einarbeitung oder kulturelle und strukturelle Rahmenbedingungen können dazu führen, dass der neue Kollege überhaupt nicht so wirken kann, wie gedacht.

Leider passiert das gar nicht so selten, denn 2/3 der Jobwechsler suchen schon innerhalb der ersten drei Monate wieder nach Stellenanzeigen. Hat man früher einfach ausgehalten, bedeutet Fachkräftemangel heute, auch ohne neue Anstellung schnell wieder hinzuschmeißen. Eine solche Frühfluktuation ist für Arbeitgeber und Mitarbeiter gleichsam frustrierend, teuer, aufwändig und beschädigt die Reputation. Um dies zu vermeiden, plädiere ich für mehr Ehrlichkeit im Employer Branding, einen Recruitingprozess, der echte Einblicke in die Realität der Organisation ermöglicht und ein umfassendes Onboarding.