Keine Angst vor Trendwort Quiet Quitting

Ein Trend-Thema aus den USA treibt Personalverantwortliche um. Suchen wirklich immer mehr Beschäftigte ihr Glück darin, möglichst wenig zu arbeiten? Eine Studie der DEBA zeigt, dass die Sachlage in Deutschland anders ist und gibt Hinweise darauf, wie man die Beziehung zu Beschäftigten positiv gestalten kann.

Eine ketzerische Frage: Kann es sein, dass sich die halbe Personalwelt von einem Magazinartikel und einem Karrierecoach verrückt machen lässt, nur weil dieser einen neuen Begriff in die Welt setzt? Die Antwortet lautet "Ja", sonst stünde hier dieser Text nicht. Bis März 2022 gab es den Begriff "Quiet Quitting" noch gar nicht.

Brian Creely, der Betreiber eines Youtube-Kanals mit dem schönen Namen "A life after layoff" (Ein Leben nach der Kündigung) hatte ihn in die Welt gesetzt. Dabei ist es mindestens die zweite Begriffserfindung zum selben Thema. Creely bezieht sich nämlich auf einen Artikel der Journalistin Aki Ito im Business Insider mit dem Titel "My company is not my family", in dem sie berichtet, wie ausgelöst durch Corona ein Umdenken bei vielen Beschäftigten in den USA stattfände. Man habe angeblich in der Pandemie den Wert des Privatlebens erkannt und wolle deshalb die Work-Life-Balance neu justieren.

Ito nennt das vermeintlich neue Phänomen dabei noch "coasting culture". Ausgehend von anonymen Gesprächen wird der Versuch von Beschäftigten beschrieben, den eigenen Arbeitsaufwand sukzessive auf ein absolutes Minimum herunterzufahren. Wohlgemerkt, alles als Resultat der sogenannten "Great Resignation", einer angeblichen Kündigungswelle durch Beschäftigte in Folge von Corona. Ich will hier gar nicht weiter auf die US-Zahlen eingehen, die eine so übertriebene Interpretation meiner Ansicht nach nicht hergeben, sondern will mal ein paar Zahlen aus Deutschland unter diesem Gesichtspunkt anschauen, die das Markt- und Meinungsforschungsunternehmen Civey kürzlich für uns erhoben hat.

Arbeitgeber in Deutschland stehen gut da

Wir haben eine Stichprobe von 2.500 abhängig Beschäftigten in Deutschland befragen lassen und dabei mal ganz einfach angefangen. Wir wollten wissen, wie gut die Beschäftigten das allgemeine Ansehen Ihres Arbeitgebers einschätzen. Dabei gaben 56 Prozent an, das Ansehen Ihres Arbeitgebers sei eher gut oder sogar sehr gut, ein knappes Viertel war unentschlossen und nur 17,2 Prozent attestierten ihrem Arbeitgeber ein schlechtes oder sehr schlechtes Image.

Die eigentlich spannende Frage für uns war aber: "Würden Sie sich heute nochmals bei Ihrem Arbeitgeber bewerben?" Und siehe da: 43,6 Prozent würden das auf jeden Fall wieder tun, weitere 21,8 Prozent "eher ja". Zusammen also 65,4 Prozent - fast zwei Drittel – die Arbeitgeber und letztlich auch ihrer Arbeit gegenüber positiv eingestellt sind. Negativ sind demgegenüber 23,5 Prozent eingestellt, 11,1 Prozent konnten sich nicht klar entscheiden.

Zu diesen Zahlen kann man jetzt zwei Perspektiven einnehmen, wie jede Münze eben ihre zwei Seiten hat. Einerseits sehen wir, dass sich die Unternehmen im Schnitt eines Drittels ihrer Beschäftigten nicht sicher sein können. Dass Menschen sich nicht noch einmal bewerben würden, muss dabei nicht zwangsläufig bedeuten, dass sie morgen ihren Job kündigen. Wir alle haben die anekdotische Evidenz im eigenen Umfeld, wie Menschen bis zur Pensionierung nur über den Job meckern und doch nie was daran ändern. Umgekehrt ist es auch nicht so, dass alle von den 65,4 Prozent, die sich wieder bewerben würden, nicht eines Tages doch woanders ein besseres Angebot bekommen und weg sind. Als erstes Fazit lässt sich aber festhalten: Die Arbeitgeber in Deutschland stehen ganz gut da und können auf eine gewisse Stabilität in ihrer Belegschaft zählen.

Warum gehen Leute?

Der Rummel um "Quiet Quitting" hat auch damit zu tun, dass der Begriff negative Fantasien beflügelt und allerlei Assoziationen hervorruft. Man vermutet eine Abwärtsspirale der Leistung von der Arbeitsreduktion über "Dienst nach Vorschrift" und die "innere Kündigung" bis zum finalen Ausstieg. Noch dazu entsteht der Eindruck, dass Arbeitgeber diesem "neuen Trend" hilflos ausgeliefert sind, weil viele Menschen gleichzeitig angeblich eine grundsätzliche Veränderung ihrer Lebenseinstellung erleben und realisieren würden. Privatleben ist nun alles, die Arbeit zählt nichts mehr – ist das wirklich so?

Ich mache andere Erfahrungen, und auch die Daten zeigen ein deutlich differenzierteres Bild. Wir haben in unserer Studie mit Civey die Beschäftigten gefragt, aus welchen Gründen in ihrem Unternehmen die Kolleginnen und Kollegen ausscheiden. Dabei entfiel die häufigste Nennung mit 38 Prozent auf den demografischen Faktor: Die Leute gehen schlicht in Rente! Knapp darauf folgt das liebe Geld. 37,3 Prozent vermuten, dass die Kolleginnen und Kollegen anderswo mehr Geld bekommen. Weitere relevante Faktoren: Fehlender Spaß bei der Arbeit (24,8 Prozent), mangelnde Weiterentwicklungsperspektiven (23,3 Prozent) und schwierige Vorgesetzte (23,1 Prozent).

Alles Dinge, die wir kennen und die zum Arbeitsalltag zwangsläufig dazugehören. Wie bringen wir das jetzt in Einklang mit Quiet Quitting?  Eine Abwärtsspirale bis zur Kündigung lässt sich jedenfalls aus diesen Daten nicht herleiten. Viel eher ist es so, dass die Gründe für Kündigungen mit nicht erfüllten Erwartungen zu tun haben. Erwartungen sind aber genau das, was "Quiet Quitting" gar nicht hat. Dort geht es ja eben gerade nicht darum, Im Job oder in der Firma etwas zu erreichen, sondern dem Aufwand zu reduzieren. Man könnte sogar so weit gehen und sagen: Wer Quiet Quitting beim aktuellen Arbeitgeber optimieren kann, hat überhaupt keinen Grund, zu wechseln.

Was ist ein guter Arbeitgeber? Auf die Beziehung kommt es an

Man kann der Diskussion um Quiet Quitting durchaus etwas Positives abgewinnen. Denn die Sorge davor, verlassen zu werden, ist angesichts von Fachkräftemangel, Demografie und Verrentungswelle überaus berechtigt. Aber der Blick muss dorthin gehen, wo Menschen tatsächlich wegwollen, weil sie sich in ihren Bedürfnissen und Erwartungen nicht widergespiegelt fühlen, wo sie am Arbeitgeber, seinen Versprechungen und seinen Absichten zweifeln.

In unserer Studie haben wir gefragt: "Woran erkennt man Ihrer Meinung nach am ehesten, ob ein Unternehmen ein guter Arbeitgeber ist? Die Ergebnisse sind eindeutig. Den Spitzenplatz mit 59,3 Prozent Nennungen hält der "faire Umgang mit Beschäftigten". Dazu kommt mit 55,6 Prozent ein ähnlich hoher Wert für ein "positives Arbeitsklima". Und auf Platz drei im Ranking landet mit 43,9 Prozent die Aussage "hält auch in Krisen zu Beschäftigten".

Alle drei Merkmale spiegeln einen Beziehungsaspekt wider. Es geht um Loyalität, füreinander da sein. Es geht nicht in erster Linie um individuellen persönlichen Nutzen. Interessant ist hier beispielsweise das Thema Geld. Nur 20,9 Prozent nennen "ein besseres Gehalt als beim Wettbewerb" als Merkmal eines guten Arbeitgebers. Und auch der Faktor "Einbeziehung bei Entscheidungen" scheint mir vielfach überschätzt, in unserer Studie nannten dieses Kriterium gerade einmal 18,3 Prozent. Wenn wir alle Daten in der Zusammenschau betrachten, dann sehen wir sehr klar: Mitarbeiterbindung ist eine Frage von Zugehörigkeit und Respekt, es ist eine Kulturfrage. Und wir können darüber hinaus festhalten, dass das als Quiet Quitting beschriebene "Konzept" oder Mindset bei weitem nicht repräsentativ für Belegschaften in Deutschland sein dürfte.

Wie erkennt man einen guten Arbeitgeber?_Quiet Quitting

"Loud joining" statt "Quiet Quitting"

Prof. Kanning hat hier bereits eine viel bessere Definition des Schlagwortes Quiet Quitting geliefert, als die Urheber selbst es offensichtlich konnten oder wollten. Es handelt sich Mitnichten um einen neuen Trend, sondern um eine bestimmte Einstellung zur Arbeit, die es bei manchen Menschen gibt, die es auch schon immer gab, und die nicht weit verbreitet ist.

Wir sollten uns durch einen solchen vermeintlichen Trend nicht irritieren lassen und auch nicht zu viel darüber reden. Warum nicht über das Gegenteil nachdenken? Warum reden wir nicht über das Konzept des – Sie verzeihen mir die Wortspielerei - "loud joining"? Über die Möglichkeiten, die eine wertschätzende Arbeitswelt bietet für Selbstentfaltung, persönliche Entwicklung, Produktivität und Wertschöpfung? Über die Begeisterung, die entsteht, wenn Menschen in einer gemeinsamen Anstrengung Ziele erreichen. Noch dazu welche, die sinnvoll und gesellschaftsförderlich sind. Die Basis dafür haben die meisten Unternehmen in einer funktionierenden Beziehung zu ihren Beschäftigten.


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