Prof. Dr. Reinhard Vossen
Rz. 134
Nach § 8 Abs. 5 Satz 2 TzBfG verringert sich die Arbeitszeit in dem vom Arbeitnehmer gewünschten Umfang, sofern sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Verringerung der Arbeitszeit nicht nach § 8 Abs. 3 Satz 1 TzBfG geeinigt haben und der Arbeitgeber die Arbeitszeitverringerung nicht spätestens 1 Monat vor ihrem gewünschten Beginn in Textform – bis 31.12.2019: schriftlich – abgelehnt hat. Die Verringerung geschieht kraft gesetzlicher Fiktion. Dabei spielt es keine Rolle, ob die beantragte Arbeitszeitverringerung rechtsmissbräuchlich ist. Die Fiktion nach § 8 Abs. 5 Satz 2 TzBfG tritt nicht ein, wenn die Erörterung nach § 8 Abs. 3 Satz 1 TzBfG unterblieben ist oder das Verringerungsverlangen des Arbeitnehmers nach § 8 Abs. 2 Satz 1 TzBfG nicht bestimmt genug war oder nicht unter Einhaltung der von dieser Norm geforderten 3-Monats-Frist gestellt worden ist.
Rz. 135
Voraussetzung für die Zustimmungsfiktion nach § 8 Abs. 5 Satz 2 TzBfG ist nach dem Gesetzeswortlaut, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer keine Einigung erzielt haben und der Arbeitgeber die Ablehnung überhaupt nicht, nicht rechtzeitig und/oder nicht formgerecht erklärt hat. Der Arbeitgeber muss also im Falle der Nichteinigung zur Vermeidung der Zustimmungsfiktion seine Ablehnung nochmals form- und fristgerecht in Textform (§ 126b BGB) – bis 31.12.2019: schriftlich- formulieren. Das dient vor allem der Transparenz. Der Arbeitnehmer muss Gewissheit haben, ob die Zustimmungsfiktion des § 8 Abs. 5 Satz 2 TzBfG eintritt.
Wurde zwischen den Parteien eine Einigung erzielt, ist eine Äußerung des Arbeitgebers nicht mehr erforderlich ("und"), um die Fiktionswirkung zu verhindern. Dies gilt unabhängig davon, ob die Einigung dem ursprünglichen Verlangen des Arbeitnehmers entspricht.
Rz. 136
Die Fiktionswirkung setzt weiterhin voraus, dass die materiellen Voraussetzungen der Arbeitszeitverringerung vorliegen, d. h.: Das Arbeitsverhältnis hat länger als 6 Monate bestanden; der Arbeitgeber beschäftigt in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmer; das Verringerungsverlangen wird von § 8 TzBfG erfasst; die Sperrfrist des § 8 Abs. 6 TzBfG greift nicht; der Arbeitnehmer hat die 3-monatige Antragsfrist gewahrt.
Rz. 137
Die gesetzliche Fiktion entspricht in ihrer rechtlichen Qualität der ausdrücklichen Zustimmung des Arbeitgebers zur gewünschten Arbeitszeitverringerung. Der Arbeitgeber muss sich so behandeln lassen, als ob er der angetragenen Vertragsänderung zugestimmt hätte.
Rz. 138
Die gesetzliche Fiktion führt dazu, dass sich die Arbeitszeit mit dem ersten Tag, an dem die Frist zur Mitteilung nach § 8 Abs. 5 Satz 1 TzBfG abgelaufen ist, in dem gewünschten Umfang verringert, unabhängig von etwaigen entgegenstehenden betrieblichen Gründen. Die Änderung des Arbeitsvertrags wird fingiert.
Rz. 139
Der Arbeitgeber ist nach § 3 Satz 1 NachwG i. d. F. von Art. 1 Nr. 3a des Gesetzes vom 20.7.2022 seit dem 1.8.2022 in jedem Fall verpflichtet, spätestens an dem Tag, an dem die durch Fiktion bewirkte Änderung der Dauer der Arbeitszeit wirksam wird (bis 31.7.2022 gem. § 3 Satz 1 NachwG a. F.: bis spätestens 1 Monat nach der Änderung), diese dem Arbeitnehmer schriftlich (§ 126 Abs. 1 BGB) mitzuteilen. Kommt der Arbeitgeber dem nicht nach, ist es für den Arbeitnehmer zu Beweiszwecken ratsam, die fehlende bzw. nicht rechtzeitige Ablehnung des Arbeitgebers und die daraus folgende fingierte Verringerung der Arbeitszeit (vgl. § 8 Abs. 5 Satz 2 TzBfG) in einem Bestätigungsschreiben an den Arbeitgeber schriftlich festzuhalten. Bei einem schriftlichen Arbeitsvertrag, der für gewöhnlich zumindest Regelungen hinsichtlich des Arbeitszeitumfangs enthalten wird, ist der Arbeitgeber aufgrund der eingetretenen Fiktion eigentlich verpflichtet, den Arbeitsvertrag der geänderten Arbeitszeit anzupassen. Die verringerte Arbeitszeit gilt bereits mit Eintritt der Fiktion, nicht erst mit einer tatsächlichen schriftlichen Änderung oder der Beifügung eines Vertragsanhangs.
Um aber eine etwaige gerichtliche Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber um eine reine Formalie – die Anpassung des geänderten Arbeitszeitumfangs – zu verhindern, ist es für den Arbeitnehmer ratsam, in dem Bestätigungsschreiben an den Arbeitgeber nicht nur den geänderten Umfang der Arbeitszeit, sondern auch die veränderten Gehaltsansprüche in Folge der Verringerung der Arbeitszeit zu beziffern und darauf hinzuweisen, dass er – soweit der Arbeitgeber keine Bestätigung der erfolgten Änderung abgibt – dieses Schreiben zu Beweiszwecken als Anlage zu den Vertragsunterlagen zu nehmen gedenkt. Sichergestellt werden sollte, dass auch der Zugang des Schreibens dokumentiert wird. Dies kann durch Quittierung der persönlichen Übergabe des Schreibens oder durch Einschreiben/Rückschein erfolgen.
Der Wortlaut des bisherigen § 3 Satz 1 NachwG ist mit Wirkung vom 1.1.2025 in § 3 Abs. 1 NachwG i. d. F. des Gesetzes vom 23.10.2024 aufgenommen und gleichzeitig geändert worden. Außerdem ist in § 3 Nac...