Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung
Orientierungssatz
- Die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht verlangt von den Parteien eines Arbeitsverhältnisses, gegenseitig auf die Rechtsgüter und die Interessen der jeweils anderen Vertragspartei Rücksicht zu nehmen. Dementsprechend hat der Arbeitnehmer seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben billigerweise verlangt werden kann. Dabei ergibt sich der konkrete Inhalt dieser Pflicht aus dem jeweiligen Arbeitsverhältnis. Bei Arbeitnehmern in leitenden Positionen eines Betriebs oder Arbeitnehmern, die mit ihrer Tätigkeit besondere Pflichten übernommen haben, hat deren Stellung unmittelbar Einfluss auf die vertragliche Pflichtenstruktur.
- Ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer muss sich so verhalten, dass er bald wieder gesund wird und an seinen Arbeitsplatz zurückkehren kann. Er hat alles zu unterlassen, was seine Genesung verzögern könnte. Er hat insoweit auf die schützenswerten Interessen des Arbeitgebers, die sich aus der Verpflichtung zur Entgeltfortzahlung ergeben, Rücksicht zu nehmen. Eine schwerwiegende Verletzung dieser Rücksichtnahmepflicht kann eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund an sich rechtfertigen.
- Ein pflichtwidriges Verhalten eines Arbeitnehmers kann vorliegen, wenn er bei bescheinigter Arbeitsunfähigkeit den Heilungserfolg durch gesundheitswidriges Verhalten gefährdet. Dies ist nicht nur der Fall, wenn er nebenher bei einem anderen Arbeitgeber arbeitet, sondern kann auch gegeben sein, wenn er Freizeitaktivitäten nachgeht, die mit der Arbeitsunfähigkeit nur schwer in Einklang zu bringen sind (hier: Skireise nach Zermatt während einer Arbeitsunfähigkeit).
- Die Verletzung der vertraglichen Rücksichtnahmepflicht kann umso schwerer wiegen als der Arbeitnehmer auf Grund seiner beruflichen Tätigkeit in besonderem Maße dazu verpflichtet ist, das Vertrauen Außenstehender in die von ihm zu erbringende Arbeitsleistung und die korrekte Aufgabenerledigung seines Arbeitgebers nicht zu erschüttern (hier: ärztlicher Gutachter des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen für Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen).
Normenkette
BGB § 626; LPVG Rheinland-Pfalz § 82 Abs. 3, § 92 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. Oktober 2004 – 4 Sa 491/04 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung.
Der am 11. Mai 1954 geborene Kläger ist seit dem 1. Juli 1992 beim Beklagten, einer Körperschaft öffentlichen Rechts, als beratender Arzt (Neurologie und Psychiatrie) für Krankenkassen und als ärztlicher Gutachter für Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen beschäftigt. Der verheiratete Kläger ist zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet.
Er ist mit einem Grad der Behinderung von 100 auf Grund einer Diabetes mit Folgeerscheinungen schwerbehindert. Sein Schwerbehindertenausweis trägt das Merkmal G… (gehbehindert). In der Vergangenheit sind beim Kläger die Nieren und die Bauchspeicheldrüse transplantiert worden.
Dem Arbeitsverhältnis liegt der Arbeitsvertrag vom 27. April/15. Mai 1992 zugrunde. Dessen § 2 bestimmt, dass sich das Arbeitsverhältnis nach dem Manteltarifvertrag für Beschäftigte (Angestellte, Arbeiterinnen, Arbeiter) der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) und des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen (MDS) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen (im Folgenden: MDK-T) richtet. § 22 MDK-T enthält Regelungen zur Dauer der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Nach § 34 MDK-T sind Arbeitnehmer nach 15 Jahren Beschäftigungszeit (§ 14 MDK-T) und der Vollendung des 40. Lebensjahres ordentlich unkündbar.
In der Zeit vom 8. September 2003 bis 16. Januar 2004 war der Kläger wegen einer Meningoenzephalitis (Hirnhautentzündung mit Auswirkungen auf die Gehirnsubstanz) arbeitsunfähig krank geschrieben. Anfang Dezember 2003 bat die Vorgesetzte den Kläger, an einer Weiterbildung am 8. Januar 2004 in A… teilzunehmen. Der Kläger lehnte dies unter Hinweis auf krankheitsbedingte Konzentrationsschwierigkeiten ab.
Ab dem 27. Dezember 2003 befand sich der Kläger in einem bis zum 3. Januar 2004 geplanten Skiurlaub in Zermatt (Schweiz). Er hatte hiervon seine Krankenkasse unterrichtet und ihr auch eine so genannte Unbedenklichkeitsbescheinigung seines behandelnden Arztes zugeleitet. Am 29. Dezember stürzte der Kläger während eines Skikurses. Er brach sich das Schien- und Wadenbein, was zu einer Verlängerung seiner Arbeitsunfähigkeit führte. Der Kläger behauptet, er sei seit 15. März 2004 wieder arbeitsfähig.
Der Geschäftsführer des Beklagten war jedenfalls am 6. Januar 2004 über den Skiunfall des Klägers informiert worden. Am 8. Januar 2004 ging die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Zeitraum vom 7. Januar 2004 bis voraussichtlich 31. Januar 2004 beim Beklagten ein. Gleichfalls am 8. Januar 2004 beantragte der Beklagte beim Integrationsamt die Zustimmung zur fristlosen, vorsorglich fristgerechten Kündigung. Mit Schreiben vom 13. Januar 2004 hörte der Beklagte den bei ihm gebildeten Personalrat zur außerordentlichen Kündigung des Klägers an und beantragte vorsorglich die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung. Der Personalrat stimmte der ordentlichen Kündigung am 15. Januar 2004 zu; zur außerordentlichen Kündigung gab er keine Stellungnahme ab. Das Integrationsamt stimmte mit Bescheid vom 22. Januar 2004, dem Beklagten am 22. Januar 2004 per Fax zugegangen, der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Klägers zu. Gleichzeitig war der Beklagte telefonisch über die Zustimmung informiert worden. Der Kläger legte gegen den Bescheid Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2005 zurückgewiesen worden ist.
Mit Schreiben vom 23. Januar 2004, dem Kläger am 23. Januar 2004 zugegangen, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers außerordentlich fristlos zum 26. Januar 2004.
Der Kläger hat mit seiner Kündigungsschutzklage die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht und seine Weiterbeschäftigung begehrt. Er hat die Auffassung vertreten, er habe seine arbeitsvertraglichen Pflichten während seiner Arbeitsunfähigkeit nicht verletzt. Die gesundheitlichen Einschränkungen auf Grund seiner Hirnhautentzündung seien allein neuropsychologischer Art gewesen. Er habe seine hohe Konzentration erfordernde Arbeit im medizinischen Dienst des Beklagten nicht ausüben können. Eigentliche körperliche Probleme habe er nicht gehabt. Das Krankheitsbild habe es nicht verboten, Ski zu fahren. Sein Arzt habe keine Einwendungen gehabt, Sport sei vielmehr sogar wünschenswert gewesen. Er habe sich auch nicht genesungswidrig verhalten. Der Heilungsprozess der Meningoenzephalitis sei nicht verlängert worden. Der Unfall sei nicht auf die aktuelle Erkrankung, sondern alleine auf eine nicht ausgelöste Skibindung zurückzuführen. Hinsichtlich der Veranstaltung vom 8. Januar 2004 habe er Bedenken geäußert, ob er zu einer achtstündigen Fortbildung und einer Autorückfahrt von 150 km in der Lage sein würde. Da der Beklagte die Kündigung zunächst maßgeblich auf einen eigenmächtigen Urlaubsantritt gestützt habe, sei zu berücksichtigen, dass er arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei und deshalb keinen Urlaub habe beantragen müssen. Er habe geglaubt, es genüge, wenn er den Auslandsaufenthalt allein der Krankenkasse mitteile. Im Übrigen hätte der Beklagte vor dem Ausspruch der Kündigung ihn zunächst abmahnen müssen. Die Interessenabwägung müsse zu seinen Gunsten ausfallen, er habe seine Aufgaben bislang gewissenhaft und sorgfältig ausgeführt. Schließlich bestreite er die ordnungsgemäße Anhörung des Personalrats. Dem Personalrat seien Kündigungsgründe mitgeteilt worden, die keine seien und auf die der Beklagte die Kündigung selbst nicht mehr stütze.
Der Kläger hat beantragt:
1. festzustellen, dass die von dem Beklagten mit Schreiben vom 22. Januar 2004 ausgesprochene fristlose Kündigung, zugegangen am 23. Januar 2004, unwirksam ist.
2. den Beklagten zu verurteilen, ihn zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.
Zur Begründung seines Klageabweisungsantrages hat der Beklagte vorgetragen: Das verantwortungslose Verhalten des Klägers habe zu massiven Schwierigkeiten bei der Innen- und Außendarstellung geführt. Die Glaubwürdigkeit des Medizinischen Dienstes gegenüber den Krankenkassen und den Versicherten sei nicht mehr gewährleistet, wenn ein solches Verhalten hingenommen werde. Es zeuge von einer hohen Verantwortungslosigkeit des Klägers. Dieser müsse bei seinem eigenen Handeln die gleichen Maßstäbe ansetzen, die er auch in seiner täglichen Arbeit bei der Begutachtung von Arbeitnehmern nach den Begutachtungsrichtlinien zu Grunde läge. Noch im Dezember 2003 habe er auf die Bitte um Teilnahme an einer wichtigen Fortbildungsveranstaltung im Januar 2004 erklärt, er sei wegen Konzentrationsproblemen nicht in der Lage, ein Kraftfahrzeug zu steuern. Es sei ausgeschlossen, dass er kurze Zeit später gesundheitlich in der Lage gewesen sei, eine Sportart wie das Skifahren auszuüben, da seine Reaktionsschnelligkeit auf Grund der Erkrankung vermindert und die Konzentration geschwächt gewesen sei. Es sei zu bestreiten, dass die den Kläger behandelnden Ärzte das Skifahren als unbedenklich angesehen hätten und dass der Kläger sie überhaupt hiervon unterrichtet habe. Zumindest habe er durch sein Verhalten schuldhaft seine Genesung verzögert. Auf Grund seiner jahrelangen Erfahrung als Skifahrer habe er die aus dem Skifahren resultierenden Gefahren bei mangelnder optimaler körperlicher und geistiger Fitness einschätzen können. Zudem sei er auch verpflichtet gewesen, während der bestehenden Arbeitsunfähigkeit ihm, dem Beklagten, den Auslandsaufenthalt anzuzeigen. Der Personalrat sei ordnungsgemäß unterrichtet worden.
Das Arbeitsgericht hat nach den Klageanträgen erkannt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
A. Das Landesarbeitsgericht hat seine, die Klage abweisende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Kläger sei zwar ordentlich nicht mehr kündbar. Durch sein außerdienstliches Verhalten habe er jedoch nachhaltige Zweifel an der glaubwürdigen Ausübung seiner Tätigkeit als medizinischer Gutachter bei der Beklagten begründet. Trotz Schwerbehinderung und mehrerer Organtransplantationen sowie einer aktuellen Hirnhautentzündung habe er sich dennoch in der Lage gesehen, im hochalpinen Gelände einen Urlaub zu verbringen und sich mit einer neuen Skiausrüstung an einem Skikurs zu beteiligen. Als fachkundiger Mediziner habe er wissen müssen, dass es nicht nur auf körperliche Fitness ankomme, sondern auch auf geistige Wach- und Regsamkeit, um einem komplexen Bewegungsablauf wie dem Skifahren Herr zu werden. Als Angehöriger des öffentlichen Dienstes unterliege er besonderen Verhaltenspflichten auch im außerdienstlichen Bereich. Gerade in seiner Funktion als Gutachter für Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sei es absolut untragbar, während einer bestehenden Hirnhautentzündung und Krankschreibung eine zwar nicht als gefährlich anzusehende, aber immerhin unfallträchtige Sportart auszuüben und gleichzeitig zu erklären, nicht in der Lage zu sein, eine Fortbildungsveranstaltung zu besuchen. Mit diesem Verhalten erwecke der Kläger den bösen Anschein, die Anforderungen, die er selbst kraft seiner Aufgabe an andere stelle, für sich nicht gelten lassen zu wollen. Die der Krankenkasse hinterlassene Unbedenklichkeitsbescheinigung zeige nur, dass der ihn behandelnde Arzt damit einverstanden gewesen sei, zum Zwecke eines Urlaubs seinen Aufenthaltsort kurzfristig zu verlegen. Der Verstoß gegen die an das Amt des Klägers zu richtenden Anforderungen sei derart gravierend, dass eine vorherige Abmahnung nicht erforderlich gewesen sei. Auch die Interessenabwägung rechtfertige keine andere Beurteilung. Die Beteiligung des Personalrats sei ordnungsgemäß erfolgt. Soweit der Beklagte dem Personalrat als Kündigungsgrund eine eigenmächtige Urlaubsnahme des Klägers benannt habe, handele es sich lediglich um eine rechtliche Bewertung des tatsächlichen Verhaltens des Klägers. Daneben seien aber auch die nachhaltige Störung des Ansehens des Beklagten und Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Klägers in seiner Funktion als Gutachter angeführt worden. Das gelte auch für den Antrag beim Integrationsamt.
B. Der Senat folgt dem Landesarbeitsgericht im Ergebnis. Die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 23. Januar 2004 hat das Arbeitsverhältnis des Klägers rechtswirksam zum 26. Januar 2004 beendet.
Die Revision rügt zu Unrecht eine Verletzung von § 34 MDK-T, § 626 Abs. 1 BGB.
I. Das Landesarbeitsgericht hat für den in § 34 Abs. 1 MDK-T verwandten Begriff des wichtigen Grundes zutreffend den Maßstab des § 626 Abs. 1 BGB angewandt. Benutzen die Tarifpartner einen gesetzlichen Begriff, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sie diesen in seiner allgemeinen Bedeutung gebrauchen (Senat 17. September 1998 – 2 AZR 419/97 – AP BGB § 626 Nr. 148 = EzA BGB § 626 Unkündbarkeit Nr. 3; 29. August 1991 – 2 AZR 59/91 – AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 58 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 82). Anhaltspunkte, dass die Tarifpartner des MDK-T den Begriff des wichtigen Grundes in § 34 MDK-T anders verstehen wollten, sind nicht ersichtlich.
II. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, die vom Kläger unternommene Urlaubsreise nach Zermatt und das Skifahren während der Arbeitsunfähigkeit rechtfertigten eine außerordentliche Kündigung gem. § 626 Abs. 1 BGB, § 34 MDK-T an sich.
1. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Da der Begriff des wichtigen Grundes ein unbestimmter Rechtsbegriff ist, kann seine Anwendung durch die Tatsachengerichte im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände, die für oder gegen eine außerordentliche Kündigung sprechen, widerspruchsfrei beachtet hat (st. Rspr. Senat zuletzt 7. Juli 2005 – 2 AZR 581/04 – NJW 2006, 530, 540; 25. März 2004 – 2 AZR 341/03 – AP BGB § 626 Nr. 189 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 6; 15. November 2001 – 2 AZR 605/00 – BAGE 99, 331; 13. April 2000 – 2 AZR 259/99 – BAGE 94, 228; 14. Juni 1997 – 2 AZR 526/96 – BAGE 86, 95). Ebenfalls ist die Prüfung, ob auf Grund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vor Ausspruch einer Kündigung eine Abmahnung erforderlich ist, weitgehend eine Aufgabe der Tatsacheninstanz und unterliegt nur einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfung (zuletzt 15. November 2001 – 2 AZR 605/00 – und 7. Juli 2005 – 2 AZR 581/04 – aaO).
2. Unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabs lässt sich kein Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts erkennen.
a) Eine schwere, regelmäßig schuldhafte Vertragspflichtverletzung kann eine außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund an sich rechtfertigen. Dabei kann ein wichtiger Grund an sich nicht nur in einer erheblichen Verletzung der vertraglichen Hauptleistungspflichten liegen. Auch die erhebliche Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten, insbesondere eine Verletzung der vertraglichen Rücksichtnahmepflichten iSv. § 241 Abs. 2 BGB, die dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks dienen (Stahlhacke/Preis/Vossen Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 9. Aufl. Rn. 661), kann ein wichtiger Grund an sich zur außerordentlichen Kündigung sein. Die vertragliche Rücksichtnahmepflicht verlangt von den Parteien eines Arbeitsverhältnisses, gegenseitig auf die Rechtsgüter und die Interessen der jeweils anderen Vertragspartei Rücksicht zu nehmen (Senat 24. Juni 2004 – 2 AZR 63/03 – AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 49 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 65). Der Arbeitnehmer hat seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebes nach Treu und Glauben billigerweise verlangt werden kann. Dabei ergibt sich der konkrete Inhalt aus dem jeweiligen Arbeitsverhältnis (vgl. Schaub/Linck Arbeitsrechts-Handbuch 11. Aufl. § 53 Rn. 1). Insbesondere bei Arbeitnehmern in einer leitenden Position im Betrieb oder Arbeitnehmern, die mit ihrer Tätigkeit spezifische Vertragspflichten übernommen haben, hat deren Stellung unmittelbaren Einfluss auf die vertragliche Pflichtenstruktur (vgl. BAG 7. September 1995 – 8 AZR 828/93 – BAGE 81, 15; 11. März 1999 – 2 AZR 507/98 – AP BGB § 626 Nr. 149 = EzA BGB § 626 nF Nr. 176; Stahlhacke/Preis/Vossen aaO Rn. 663). Dies gilt umso mehr, wenn berechtigte Belange des Arbeitgebers erheblich gestört werden, weil das Verhalten des Arbeitnehmers geeignet ist, den Ruf des Arbeitgebers im Geschäftsverkehr zu gefährden (ErfK-Ascheid 6. Aufl. § 1 KSchG Rn. 290; Senat 6. November 2003 – 2 AZR 631/02 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 39 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 2; 20. August 1997 – 2 AZR 620/96 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 27 = EzA BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7).
b) Der Kläger hat durch den Skiurlaub während der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit seine arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht schwer verletzt.
aa) Ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer muss sich so verhalten, dass er bald wieder gesund wird und an seinen Arbeitsplatz zurückkehren kann. Er hat alles zu unterlassen, was seine Genesung verzögern könnte. Der erkrankte Arbeitnehmer hat insoweit auf die schützenswerten Interessen des Arbeitgebers, die sich ua. aus der Verpflichtung zur Entgeltfortzahlung ergeben, Rücksicht zu nehmen. Eine schwerwiegende Verletzung dieser Rücksichtnahmepflicht kann nach der Rechtsprechung des BAG eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund an sich rechtfertigen (11. November 1965 – 2 AZR 69/65 – AP ArbKrankhG § 1 Nr. 40 = EzA ArbKranhG § 1 Nr. 16; 13. November 1979 – 6 AZR 934/77 – AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 5 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 6; 26. August 1993 – 2 AZR 154/93 – BAGE 74, 127; ErfK-Müller-Glöge 6. Aufl. § 626 BGB Rn. 244; Stahlhacke/Preis/Vossen Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 9. Aufl. Rn. 712).
Deshalb kann ein pflichtwidriges Verhalten vorliegen, wenn ein Arbeitnehmer bei bescheinigter Arbeitsunfähigkeit den Heilungserfolg durch gesundheitswidriges Verhalten gefährdet. Damit verstößt er nicht nur gegen eine Leistungspflicht, sondern zerstört insbesondere auch das Vertrauen des Arbeitgebers in seine Redlichkeit (Senat 26. August 1993 – 2 AZR 154/93 – BAGE 74, 127; 13. November 1979 – 6 AZR 934/77 – AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 5 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 6; 11. November 1965 – 2 AZR 69/65 – AP ArbKrankhG § 1 Nr. 40 = EzA ArbKrankhG § 1 Nr. 16; LAG Berlin 3. August 1998 – 9 TaBV 4/98 – LAGE KSchG § 15 Nr. 17; KR-Fischermeier 7. Aufl. § 626 BGB Rn. 429; KR-Etzel 7. Aufl. § 1 KSchG Rn. 481, 484; APS-Dörner 2. Aufl. § 1 KSchG Rn. 320 und § 626 BGB Rn. 244; Lepke Kündigung bei Krankheit 11. Aufl. Rn. 426 ff.). Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer während der Krankheit nebenher bei einem anderen Arbeitgeber arbeitet (Senat 26. August 1993 – 2 AZR 154/93 – aaO), sondern kann auch gegeben sein, wenn er Freizeitaktivitäten nachgeht, die mit der Arbeitsunfähigkeit nur schwer in Einklang zu bringen sind (BAG 27. April 1994 – 5 AZR 747/93 (A) – BAGE 76, 306, 314).
(1) Davon ist das Landesarbeitsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgegangen. Der als Arzt ausgebildete Kläger musste in besonderem Maße dafür sensibilisiert sein, dass sein “Kurzaufenthalt” in der Schweiz verbunden mit einem Skikurs nicht mit seiner auf einer Hirnhautentzündung beruhenden Arbeitsunfähigkeit in Einklang zu bringen war, sondern vielmehr ein erhebliches Fehlverhalten beinhaltete. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn ein Skiurlaub – der hier in Frage stehenden Art und Dauer – ausdrücklich ärztlicherseits angeraten war. Dies hat der Kläger aber nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts weder eindeutig behauptet noch reicht hierfür allein die vorliegende Unbedenklichkeitsbescheinigung aus.
(2) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, beim Skifahren komme es nicht nur auf körperliche Fitness, sondern auch auf eine geistige Wach- und Regsamkeit an, um dem komplexen Bewegungsablauf des Skifahrens zu genügen und sowohl die eigene Gefährdung als auch diejenige anderer Skifahrer zu jedem Zeitpunkt zu vermeiden, hält sich im Rahmen des nicht überprüfbaren Beurteilungsspielraums der Tatsacheninstanz. Dies gilt umso mehr als der Kläger vor der Abreise selbst noch erhebliche Konzentrationsschwächen auf Grund seiner Erkrankung ausdrücklich angegeben hatte.
bb) Die erhebliche Verletzung der vertraglichen Rücksichtnahmepflicht wiegt hier umso schwerer als der Kläger auf Grund seines beruflichen Aufgabenfeldes in besonderem Maße dazu verpflichtet war, das Vertrauen Außenstehender in die von ihm geleistete Arbeit und die korrekte Aufgabenerledigung seines Arbeitgebers nicht zu erschüttern. Durch sein Verhalten hat der Kläger den Anschein gesetzt, trotz der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit nicht alles zu unterlassen, was einer Genesung abträglich sein könnte. Damit hat er zu erkennen gegeben, dass er die Maßstäbe seiner täglichen Arbeit bei der Begutachtung von Arbeitnehmern, an deren bescheinigter Arbeitsunfähigkeit Zweifel bestehen, offensichtlich für sich selbst nicht zur Anwendung bringen will. Hierdurch werden die Interessen und das Ansehen des Beklagten wesentlich beeinträchtigt. Das Vertrauen der Krankenkassen, die den Beklagten tragen und finanzieren (§ 278 Abs. 1 und § 281 Abs. 1 SGB V), und der Arbeitgeber, die gegenüber den Krankenkassen einen Anspruch auf Einholung eines Gutachtens beim Beklagten nach § 275 Abs. 1a SGB V haben, in die Objektivität, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit der Gutachtertätigkeit kann hierdurch erheblich erschüttert werden. Dies kann zu einer erheblichen Rufschädigung des Beklagten führen.
(1) Der Medizinische Dienst der Krankenkassen und damit der Beklagte ist als Dienstleister für die Krankenversicherungen konzipiert (vgl. Hauck/Noftz-Gerlach SGB V Stand Oktober 2005 § 275 Rn. 9).
Nach § 275 Abs. 1 Nr. 3b SGB V sind die Krankenkassen auf Verlangen des Arbeitgebers verpflichtet, zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (Medizinischer Dienst) einzuholen. Der Arbeitgeber hat einen Anspruch gegen die Krankenkasse auf Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme des Medizinischen Dienstes zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit (§ 275 Abs. 1a Satz 3 SGB V).
(2) Die Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen bei Erkrankungen im Inland stellt für den Arbeitgeber eines gesetzlich versicherten Arbeitnehmers eine der wenigen Möglichkeiten dar, die Arbeitsunfähigkeit durch einen anderen als den den Arbeitnehmer behandelnden Arzt untersuchen zu lassen, wenn sich Zweifel an seiner Arbeitsunfähigkeit auftun. Er selbst kann nicht vom Arbeitnehmer verlangen, sich von einem Arzt, der das Vertrauen des Arbeitgebers genießt, untersuchen zu lassen (ErfK-Dörner 6. Aufl. § 5 EFZG Rn. 25; Kunz/Wedde EFZR 2. Aufl. § 5 EFZG Rn. 39; differenzierend Schmitt EFZG 5. Aufl. § 5 Rn. 93 f.; Geyer/Knorr/Krasney Entgeltfortzahlung Krankengeld Mutterschaftsgeld Stand September 2005 § 5 EFZG Rn. 47).
(3) Gutachter des Medizinischen Dienstes, die auf Grund von Zweifeln an einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auf Verlangen eines Arbeitgebers tätig werden, stehen deshalb in einer besonderen Verantwortung. Dies gilt umso mehr, als sie nach § 275 Abs. 5 Satz 1 SGB V bei der Wahrnehmung ihrer medizinischen Aufgaben nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen sind. Ihnen obliegt es, im Rahmen einer gewissenhaften Überprüfung des Gesundheitszustandes des arbeitsunfähig geschriebenen Arbeitnehmers zu klären, ob tatsächlich eine Arbeitsunfähigkeit vorliegt oder ob der die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellende Arzt seiner “besonderen Sorgfaltspflicht” bei der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit nicht nachgekommen ist (Nr. 10 der Richtlinien über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung vom 3. September 1991 ?AU-Richtlinien?). Insbesondere die “Richtlinien über die Zusammenarbeit der Krankenkassen mit den Medizinischen Diensten der Krankenversicherung” vom 27. August 1990 (MDKRL) sehen in Nr. 3.1.3.2 Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit neben den in § 275 Abs. 1a SGB V aufgeführten Fällen dann vor, wenn ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers im Hinblick auf das bescheinigte Krankheitsbild vorliegt.
(4) Dem Kläger als Gutachter, der seit 1992 diese Tätigkeit ausübt, musste deshalb in besonderem Maße das Konfliktfeld zwischen Arbeitsunfähigkeit und einem diesbezüglichen Fehlverhalten eines Arbeitnehmers bewusst sein. Wenn er aber selbst durch sein Verhalten erhebliche Zweifel daran aufkommen lässt, ob er die sein berufliches Handeln maßgeblich bestimmenden Richtlinien ausreichend verinnerlicht hat, wird damit zwangsläufig auch das Bild des Beklagten als einer neutralen und objektiven Gutachtersstelle beschädigt. Arbeitgeber und die den Beklagten tragenden Krankenkassen werden dem Verhalten eines solchen medizinischen Gutachters mit Unverständnis begegnen.
(5) Um Missbräuche bei der Attestierung von Arbeitsunfähigkeit zu vermeiden bzw. aufzudecken, ist gerade der Beklagte darauf angewiesen, nach außen glaubwürdig auftreten zu können. Medizinische Mitarbeiter, die diesem berechtigten Vertragsinteresse des Arbeitgebers zuwiderhandeln, beeinträchtigen somit ihre Vertragspflichten erheblich.
3. Revisionsrechtlich relevante Aufklärungsrügen hat der Kläger nicht erhoben.
a) Die Zulassung verspäteten Vorbringens durch das Landesarbeitsgericht kann in der Revision nicht mehr gerügt werden (BAG 20. April 1983 – 4 AZR 497/80 – BAGE 42, 244). Es kann deshalb dahinstehen, ob das in der Revisionsbegründung gerügte Vorbringen des Beklagten aus dem Schriftsatz vom 20. September 2004 überhaupt verspätet war.
b) Eine revisionsrechtlich bedeutsame Verletzung der Hinweispflicht durch das Landesarbeitsgericht (§ 139 ZPO) hat der Revisionskläger nicht dargetan. Insbesondere hat das Berufungsgericht seine Pflicht nicht dadurch verletzt, dass es, ohne vorher deutlich darauf hingewiesen zu haben, darauf abgestellt hat, dass der Kläger einen Skikurs besucht hat. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt (S. 12 des Urteils), allein der Umstand, dass der Kläger einen Skikurs besucht habe, zeige, dass er selbst nicht von unbeschränkten Kenntnissen und Fertigkeiten ausgegangen sei. Dies entspricht dem eigenen Vorbringen des Klägers, wonach er den Skikurs besucht hat, um eine Gefährdung wegen unerkannt schwieriger Pisten auszuschließen. Damit räumt der Kläger ein, das Gelände in Zermatt tatsächlich nicht ausreichend gekannt zu haben. Insofern kann nicht erkannt werden, dass das Landesarbeitsgericht seine gerichtliche Hinweispflicht verletzt hat.
4. Das Landesarbeitsgericht ist auch in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass es vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung keiner Abmahnung bedurft habe. Zwar ist eine Abmahnung bei einem steuerbaren Verhalten grundsätzlich erforderlich. Bei schweren Pflichtverletzungen gilt dies aber nur, wenn der Arbeitnehmer mit vertretbaren Gründen annehmen konnte, sein Verhalten sei nicht vertragswidrig oder werde vom Arbeitgeber zumindest nicht als erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Verhalten angesehen (Senat 10. Oktober 2002 – 2 AZR 418/01 – EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 1; 21. Juni 2001 – 2 AZR 325/00 – AP BAT § 54 Nr. 5 = EzA BGB § 626 nF Nr. 189; 21. Juni 2000 – 2 AZR 30/00 – EzA BGB § 626 Unkündbarkeit Nr. 7; 8. Juni 2000 – 2 AZR 638/99 – BAGE 95, 78; 11. März 1999 – 2 AZR 507/98 – AP BGB § 626 nF Nr. 149 = EzA BGB § 626 Nr. 176; 4. Juni 1997 – 2 AZR 526/96 – BAGE 86, 95).
Einen solchen Fall hat das Landesarbeitsgericht vorliegend anerkannt. In Folge des erheblichen Fehlverhaltens des Klägers sei ein dauerhafter Verlust des für die Beschäftigung des Klägers notwendigen Vertrauens eingetreten. Damit hält sich die Bewertung des Landesarbeitsgerichts im Rahmen seiner revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Entscheidungskompetenz. Kein Arbeitgeber, der erfährt, dass ein bei ihm beschäftigter, arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer während der Arbeitsunfähigkeit einem Skikurs während eines einwöchigen Aufenthalts nachgeht, wird dies dulden, solange er zur Entgeltfortzahlung verpflichtet ist. Letzteres war beim Beklagten wegen der 26-wöchigen Entgeltfortzahlungspflicht aber gerade der Fall (§ 22 Abs. 1 MDK-T).
5. Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung weist keinen revisiblen Fehler auf. Der Kläger hat insofern auch keine relevanten Rügen erhoben.
a) Im Revisionsverfahren kann die durch das Berufungsgericht vorgenommene Interessenabwägung nur darauf überprüft werden, ob bei der Zumutbarkeitsprüfung alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalls gewürdigt worden sind. Die Bewertung der für und gegen die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung sprechenden Umstände liegt weitgehend im Beurteilungsspielraum der Tatsacheninstanz und kann vom Revisionsgericht nicht durch seine eigene Wertung ersetzt werden (st. Rspr. Senat, vgl. 21. Juni 2001 – 2 AZR 325/00 – AP BAT § 54 Nr. 5 = EzA BGB § 626 nF Nr. 189; 8. Juni 2000 – 2 AZR 638/99 – BAGE 95, 78; 29. Januar 1999 – 2 AZR 665/98 – BAGE 90, 367).
b) Das Landesarbeitsgericht hat alle wesentlichen für und gegen eine Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung des Klägers sprechenden Aspekte berücksichtigt und vertretbar abgewogen.
aa) Insbesondere hat es zu Gunsten des Klägers seine Schwerbehinderung mit einem Grad von 100, die Unterhaltspflichten für zwei Kinder sowie den Umstand, dass er auf Grund seines Alters vorrausichtlich eine andere adäquate Beschäftigung in seinem Beruf nicht mehr werde finden können, berücksichtigt. Auch wenn das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang keine ausdrücklichen Ausführungen zur langjährigen Beschäftigung des Klägers beim Beklagten gemacht hat, ist davon auszugehen, dass es diesen Umstand gleichwohl in seine Erwägungen einbezogen hat, weil es die Beschäftigungsdauer im Tatbestand zur Kenntnis genommen hat (5. April 2001 – 2 AZR 159/00 – AP BGB § 626 nF Nr. 171 = EzA B § 626 Nr. 187; 16. März 2000 – 2 AZR 75/99 – AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 114 = EzA BGB 626 nF Nr. 179).
bb) Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist, dass das Landesarbeitsgericht die tarifliche ordentliche Unkündbarkeit des Klägers im Rahmen der Interessenabwägung nicht weiter zu seinen Gunsten gewertet hat.
(1) Die Unkündbarkeit hat auf die Interessenabwägung keinen weiteren Einfluss, wenn ein Kündigungssachverhalt vorliegt, der – wie hier – so schwerwiegend ist, dass auch einem tariflich ordentlich kündbaren Arbeitnehmer fristlos hätte gekündigt werden können. Dies ergibt sich schon aus der Unabdingbarkeit des § 626 Abs. 1 BGB. Auch in diesen Fällen muss die Vertrauensgrundlage dermaßen schwer gestört sein, dass jede weitere Zusammenarbeit für den Arbeitgeber unzumutbar ist und es auf die Frage, wie lange das Arbeitsverhältnis noch dauerhaft – fiktiv – bestehen könnte, nicht ankommt (Senat 10. Oktober 2002 – 2 AZR 418/01 – EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 1; 18. Oktober 2000 – 2 AZR 627/99 – BAGE 96, 65; 13. April 2000 – 2 AZR 259/99 – BAGE 94, 228; Bröhl in FS Schaub S. 55, 60; ders. Die außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist S. 130 und 148; Preis/Hamacher in FS zum 50-jährigen Bestehen der Arbeitsgerichtsbarkeit in Rheinland-Pfalz S. 245, 266; Schwerdtner in FS Kissel S. 1077, 1089 f.). Eine außerordentliche fristlose Kündigung ist – auch ohne Gewährung einer Auslauffrist – stets dann gerechtfertigt, wenn es dem Arbeitgeber – wie hier – nicht einmal mehr zumutbar ist, den tariflich unkündbaren Arbeitnehmer nur bis zum Ablauf der “fiktiven” Kündigungsfrist der ordentlichen Beendigungskündigung des Arbeitsverhältnisses weiterzubeschäftigen (Senat 10. Oktober 2002 – 2 AZR 418/00 – EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 1; 15. November 2001 – 2 AZR 605/00 – BAGE 99, 331).
(2) Es ist deshalb revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht die Vertragspflichtverletzung des Klägers angesichts des vom Kläger gezeigten Verhaltens als so schwerwiegend angesehen hat, dass es das Interesse des Beklagten, das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung zu beenden als überwiegend bewertet hat. Daran vermag auch die Einmaligkeit des Vorfalls nichts zu ändern (vgl. hierzu Senat 21. April 2005 – 2 AZR 255/04 – AP SGB IX § 91 Nr. 4 = EzA SGB IX § 91 Nr. 1, auch Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
III. Die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB ist eingehalten. Zwar hat das Landesarbeitsgericht hierzu keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen. Der unstreitige Sachverhalt lässt jedoch eine eigene Prüfung des Senats zu (§ 563 ZPO).
Der Beklagte hat auch nach dem Vortrag des Klägers frühestens am 2. Januar 2004 von dem Skiunfall des Klägers erfahren. Die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB wäre deshalb frühestens am 16. Januar 2004 abgelaufen. Unter dem 8. Januar 2004 hatte der Beklagte beim Integrationsamt die Zustimmung zur fristlosen Kündigung beantragt. Mit Bescheid vom 22. Januar 2004 stimmte das Integrationsamt der außerordentlichen Kündigung zu und teilte dies dem Beklagten noch am selben Tag telefonisch mit. Zudem lag die Entscheidung per Fax beim Beklagten vor. Der Beklagte hat daraufhin das Arbeitsverhältnis am 23. Januar 2004 und damit unverzüglich nach Erteilung der Zustimmung iSd. § 91 Abs. 5 SGB IX gekündigt (Senat 21. April 2005 – 2 AZR 255/04 – AP SGB IX § 91 Nr. 4 = EzA SGB IX § 91 Nr. 1; 12. Mai 2005 – 2 AZR 159/04 – AP SGB IX Nr. 5 = EzA SGB IX Nr. 2).
IV. Die Kündigung ist schließlich nicht aus anderen Gründen unwirksam.
1. Die Zustimmung des Integrationsamtes nach § 91 SGB IX lag im Kündigungszeitpunkt vor (vgl. hierzu Senat 12. Mai 2005 – 2 AZR 159/04 – AP SGB IX Nr. 5 = EzA SGB IX Nr. 3; 15. November 1990 – 2 AZR 255/90 – AP SchwbG 1986 § 21 Nr. 6 = EzA SchwbG 1986 § 21 Nr. 3).
2. Eine Unwirksamkeit der Kündigung folgt auch nicht aus § 82 Abs. 3 LPVG Rheinland-Pfalz.
a) Nach § 82 Abs. 3 LPVG Rheinland-Pfalz ist der Personalrat vor einer außerordentlichen Kündigung anzuhören. Dabei hat die Leiterin oder der Leiter der Dienststelle die beabsichtigte Maßnahme zu begründen (§ 82 Abs. 3 Satz 2 LPVG Rheinland-Pfalz). Hat der Personalrat Bedenken, so hat er sie unter Angabe der Gründe der Leiterin oder dem Leiter der Dienststelle unverzüglich, spätestens innerhalb von vier Werktagen, schriftlich mitzuteilen (§ 82 Abs. 3 Satz 3 LPVG Rheinland-Pfalz).
b) Das Beteiligungsverfahren ist – wie das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat – nicht mit solchen Fehlern behaftet, die eine Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge haben.
aa) Da der Beklagte eine außerordentliche fristlose Kündigung beabsichtigt und ausgesprochen hat, war das Anhörungsverfahren nach § 82 Abs. 3 LPVG und kein Mitbestimmungsverfahren (§ 82 Abs. 1 iVm § 83 LPVG Rheinland-Pfalz) durchzuführen.
bb) Das Anhörungsverfahren war vor dem Ausspruch der Kündigung abgeschlossen. Der Personalrat hatte mit Schreiben vom 15. Januar 2004 der vorsorglichen ordentlichen Kündigung des Beklagten zugestimmt und zur außerordentlichen Kündigung keine Stellung genommen. Selbst wenn hierin keine abschließende Stellungnahme zur außerordentlichen Kündigung liegen würde, war die Stellungnahmefrist von 4 Werktagen im Kündigungszeitpunkt abgelaufen (§ 82 Abs. 3 Satz 3 LPVG Rheinland-Pfalz).
cc) Der Personalrat ist auch ausreichend über die Kündigungsvorwürfe unterrichtet worden. Soweit die Revision rügt, der Personalrat sei nicht über die “wahren” Kündigungsgründe informiert worden, der Beklagte habe vielmehr nur auf die angebliche Selbstbeurlaubung sowie die Ausübung einer Risikosportart verwiesen, wird nicht beachtet, dass der Beklagte in der Personalratsanhörung vom 13. Januar 2004 ausgeführt hat, der Kläger sei für den Beklagten in keiner Weise mehr tragbar und er habe als jahrelanger Gutachter mit entsprechender Erfahrung in der Begutachtung von Arbeitsunfähigkeit jede Glaubwürdigkeit in der Innen- als auch Außenwirkung verloren und könne deshalb nicht weiterbeschäftigt werden. Damit hat der Beklagte das Verhalten des Klägers als groben Verstoß gegen seine Rücksichtnahmepflichten deutlich herausgestellt und als Kündigungsgrund hinreichend benannt.
V. Der Senat konnte den Rechtsstreit auch abschließend entscheiden, selbst wenn die Zustimmung des Integrationsamts zur außerordentlichen Kündigung noch nicht bestandskräftig ist. Letzte zweitinstanzliche Feststellungen fehlen hierzu. Insbesondere liegen keine Feststellungen vor, ob der Kläger gegen den Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2005 Klage erhoben hat. Selbst wenn der Kläger Klage vor dem Verwaltungsgericht gegen den Zustimmungsbescheid des Integrationsamts erhoben haben sollte, steht es im pflichtgemäßen Ermessen der Gerichte für Arbeitssachen, ob sie den Kündigungsschutzrechtsstreit aussetzen oder nicht, wenn noch ein verwaltungsgerichtlicher Rechtsstreit anhängig ist (Senat 26. September 1991 – 2 AZR 132/91 – AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 28 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 10; 17. Juni 2003 – 2 AZR 245/02 – BAGE 106, 293; APS/Vossen 2. Aufl. § 85 SGB IX Rn. 39; aA KR-Etzel 7. Aufl. §§ 85 – 90 SGB IX Rn. 145, wonach der Kündigungsschutzprozess gem. § 148 ZPO bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Anerkennungsantrag auszusetzen ist). Gegenüber dem vorrangigen Zweck einer Aussetzung – einander widersprechende Entscheidungen zu verhindern – sind der Nachteil einer langen Verfahrensdauer und die daraus für die Parteien entstehenden Folgen abzuwägen. Dabei kommt bei Bestandsschutzstreitigkeiten dem gesetzlich geregelten Beschleunigungsgrundsatz von § 9 Abs. 1, § 64 Abs. 8 und § 61a ArbGG eine besondere Bedeutung zu (Senat 26. September 1991 – 2 AZR 132/91 – aaO). Auf Grund dessen hat das Interesse der Parteien an der Verhinderung einander widersprechender Entscheidungen grundsätzlich zurückzutreten. Dem Kläger steht ggf. der Restitutionsgrund des § 580 Nr. 7b ZPO analog zur Seite, falls er später vor dem Verwaltungsgericht obsiegen sollte (BAG 15. August 1984 – 7 AZR 558/82 – AP SchwbG § 12 Nr. 13 = EzA ZPO § 580 Nr. 2).
VI. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Unterschriften
Rost, Schmitz-Scholemann, Eylert, G. Lücke, Jan Eulen
Fundstellen
DB 2006, 2183 |
DStR 2006, 2320 |
DStR 2006, 807 |
FA 2006, 125 |
FA 2006, 347 |
ZTR 2007, 105 |
AP, 0 |
AuA 2007, 314 |
EzA-SD 2006, 13 |
EzA-SD 2006, 3 |
EzA |
KrV 2007, 158 |
NZA-RR 2006, 636 |
PERSONAL 2006, 54 |
ZMV 2006, 152 |
ArbRB 2006, 65 |
SPA 2006, 7 |
SPA 2007, 5 |
sis 2006, 365 |