Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Geltung des § 15 Abs. 2 KSchG bei Entlassung von DO-Angestellten nach Beamtenrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Der nachwirkende Kündigungsschutz ehemaliger Personalratsmitglieder nach § 15 Abs. 2 Satz 2 KSchG greift nicht ein, wenn ein auf Probe beschäftigter Dienstordnungs-Angestellter eines Sozialversicherungsträgers, für dessen Dienstverhältnis nach der Dienstordnung die Vorschriften für Bundesbeamte auf Probe gelten, wegen mangelnder Bewährung nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 Bundesbeamtengesetz (BBG) entlassen wird.

 

Normenkette

KSchG § 15 Abs. 2 S. 2; BGB § 611; BBG § 31 Abs. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 30.01.1985; Aktenzeichen 3 Sa 760/84)

ArbG Bochum (Urteil vom 09.03.1984; Aktenzeichen 1 Ca 780/83)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 30. Januar 1985 – 3 Sa 760/84 – aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen !

 

Tatbestand

Zwischen den Parteien besteht Streit, ob das zwischen ihnen begründete Dienstverhältnis durch die mit Schreiben der beklagten Berufsgenossenschaft vom 5. Dezember 1983 erklärte „Entlassung” beendet worden ist.

Die beklagte Bergbau-Berufsgenossenschaft ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sie beschäftigt etwa 200 Arbeitnehmer, darunter Angestellte und dienstordnungsmäßige Angestellte.

Der 1956 geborene Kläger wurde von der Beklagten von 1974 bis 1977 im Verwaltungsdienst ausgebildet und nach seiner Abschlußprüfung bis 1981 im Verwaltungsdienst als Angestellter beschäftigt. Ende 1981 schloß die Beklagte mit dem Kläger einen schriftlichen Vertrag ab, nach dem er als dienstordnungsmäßiger Angestellter, Verwaltungsinspektor z.A., unter Bezugnahme auf die Dienstordnung der Beklagten und die Richtlinien für den berufsgenossenschaftlichen Dienst der gewerblichen Berufsgenossenschaften und der See-Berufsgenossenschaft mit einer auf den 30. November 1983 befristeten Probezeit beschäftigt wurde.

Bei der Beklagten besteht ein Personalrat, dessen Ersatzmitglied der Kläger im Jahre 1983 war. In dieser Eigenschaft nahm der Kläger ab März 1983 an neun Sitzungen des Personalrates für verhinderte Personalratsmitglieder teil, zuletzt am 1. Dezember 1983.

Mit Schreiben vom 5. Dezember 1983, dem Kläger zugestellt am 9. Dezember 1983, sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger die „Entlassung” zum 31. März 1984 aus. In diesem Schreiben heißt es u.a.:

„Die Entlassung beruht auf § 6 Abs. 3 der Richtlinien für den berufsgenossenschaftlichen Dienst sowie § 3 Abs. 1 der Dienstordnung der Bergbau-Berufsgenossenschaft i.V.m. § 31 Abs. 1 Nr. 2 BBG.

Die Entlassung ist notwendig, weil die Übertragung einer im Stellenplan aufgeführten Stelle auf Herrn H. an seiner mangelnden Bewährung scheitert (§ 6 der ca. Richtlinien). Es fehlt insoweit an der Eignung.

Diese Feststellung basiert auf dem mit Herrn H mehrfach ausführlich erörterten Vorgang um Veröffentlichungen in der Dezemberausgabe 1982 der Schülerzeitschrift „Schülerecho”, deren verantwortlicher Redakteur er war. …”

Der zuvor angehörte Personalrat bei der Beklagten hatte sich mit Schreiben vom 29. November 1983 gegen die beabsichtigte „Entlassung” des Klägers mit der Begründung gewandt, der Kläger erfülle die laufbahnrechtlichen Eignungsvoraussetzungen für die dienstordnungsmäßige Anstellung auf Lebenszeit.

Mit seiner am 30. Dezember 1983 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Rechtsunwirksamkeit der Entlassung geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, die Entlassung sei bereits nach § 15 KSchG unwirksam. Im übrigen sei ein Entlassungsgrund nicht gegeben.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, daß das Dienstverhältnis zwischen den Parteien durch die Entlassung vom 5. Dezember 1983 zum 31. März 1984 nicht aufgelöst ist,
  2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, § 15 Abs. 2 KSchG sei nicht einschlägig, da gemäß § 3 der Dienstordnung auf das Dienstverhältnis des Klägers das Bundesbeamtengesetz anzuwenden sei. Der Kläger sei wie ein Beamter zu behandeln. Die Entlassung des Klägers richte sich nach § 6 Abs. 3 der Richtlinien für den berufsgenossenschaftlichen Dienst, die entsprechend § 31 Abs. 1 Nr. 2 BBG gefaßt seien.

Das Arbeitsgericht hat unter Abweisung des Weiterbeschäftigungsverlangens festgestellt, daß das Anstellungsverhältnis des Klägers durch die Entlassung nicht beendet worden sei.

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

Das Landesarbeitsgericht hat die Entlassungsmitteilung der Beklagten vom 5. Dezember 1983 als ordentliche Kündigung aufgefaßt und diese an der Vorschrift des § 15 Abs. 2 Satz 2 KSchG scheitern lassen. Hiergegen wendet sich die Revision mit Recht.

Nach § 15 Abs. 2 Satz 2 KSchG ist die Kündigung eines früheren Personalratsmitglieds innerhalb eines Jahres nach Beendigung seiner Amtszeit unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Diesen nachwirkenden besonderen Kündigungsschutz ehemaliger Personalratsmitglieder genoß auch der Kläger im Zeitpunkt des Zugangs der Entlassungsmitteilung der Beklagten. Insoweit ist dem Landesarbeitsgericht zuzustimmen. Daß der Kläger dem Personalrat nicht als ordentliches Mitglied, sondern nur als Ersatzmitglied angehört hatte, ändert hieran nichts. Auch Ersatzmitglieder des Personalrats, die stellvertretend für ein zeitweilig verhindertes ordentliches Personalratsmitglied dem Personalrat angehören und Aufgaben eines Mitglieds des Personalrats wahrgenommen haben, genießen nach Beendigung des Vertretungsfalles den nachwirkenden Kündigungsschutz des § 15 Abs. 2 Satz 2 KSchG (vgl. BAG Urteil vom 6. September 1979 – 2 AZR 548/77 – AP Nr. 7 zu § 15 KSchG 1969). Der Kläger hatte seit März 1983 als Ersatzmitglied an Personalratssitzungen teilgenommen, zuletzt noch am 1. Dezember 1983, so daß die Entlassungsmitteilung der Beklagten in den Nachwirkungszeitraum des § 15 Abs. 2 Satz 2 KSchG fiel, in dem der Kläger ordentlich nicht gekündigt werden konnte.

Der Schutz des § 15 Abs. 2 Satz 2 KSchG besteht jedoch nur gegenüber ordentlichen Kündigungen durch den Arbeitgeber. Er greift nicht ein, wenn das Arbeitsverhältnis eines ehemaligen Personalratsmitglieds auf andere Weise als durch ordentliche Kündigung beendet wird. Um einen solchen Fall handelt es sich hier. Die Entlassungsmitteilung der Beklagten vom 5. Dezember 1983 ist entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts keine ordentliche Kündigung im Sinne der genannten Vorschrift.

Der Kläger ist von der beklagten Bergbau-Berufsgenossenschaft dienstordnungsmäßig auf Probe angestellt worden. Sein Arbeitsverhältnis richtet sich deshalb gemäß § 690 Abs. 2 RVO nach der Dienstordnung der Beklagten vom 24. Juni 1976, die auch eine dienstordnungsmäßige Anstellung von auf Probe beschäftigten Angestellten vorsieht und deren Rechtsverhältnisse regelt. Diese Dienstordnung enthält keine eigenständige Kündigungsregelung. Vielmehr verweist sie in ihrem § 12 Abs. 2 in vollem Umfang auf die gesetzlichen Vorschriften für Bundesbeamte auf Probe, die für die Rechtsverhältnisse der auf Probe beschäftigten Dienstordnungs-Angestellten gelten sollen. Bundesbeamte auf Probe können nur unter bestimmten, gesetzlich festgelegten Voraussetzungen entlassen werden. Zu diesen gesetzlichen Entlassungsgründen gehört nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 Bundesbeamtengesetz (BBG) auch die mangelnde Bewährung (Eignung, Befähigung, fachliche Leistung), auf die die Beklagte die Entlassung des Klägers stützt.

Dem Landesarbeitsgericht ist zuzugeben, daß die Entlassung eines Dienstordnungs-Angestellten nach dieser beamtenrechtlichen Vorschrift in ihren äußeren Merkmalen und in ihrer Wirkung auf das Dienstverhältnis einer ordentlichen fristgemäßen Kündigung entspricht. Da Dienstordnungs-Angestellte trotz der weitgehend öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung ihrer Anstellungsverhältnisse weder Beamte sind noch sonst einen öffentlich-rechtlichen Status haben, sondern zu ihrer Anstellungskörperschaft in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis stehen (vgl. statt aller: BAGE 31, 381, 383 ff.; 39, 76 = AP Nr. 49 und 53 zu § 611 BGB Dienstordnungs-Angestellte; BAG Urteil vom 6. November 1985 – 4 AZR 107/84 – AP Nr. 61 zu § 611 BGB Dienstordnungs-Angestellte, auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt), ist ihre Entlassung ebenso wie eine Kündigung eine einseitige rechtsgestaltende Willenserklärung, die darauf gerichtet ist, ein privatrechtliches Dienstverhältnis für die Zukunft zu beenden. Die Entlassung eines auf Probe beschäftigten Dienstordnungs-Angestellten nach § 31 BBG trägt auch insoweit die Merkmale einer ordentlichen fristgemäßen Kündigung, als bei ihr bestimmte Fristen einzuhalten sind, deren Länge sich nach der Dauer der Beschäftigung richtet (§ 31 Abs. 3 BBG). Bei einer Beschäftigungszeit von mindestens einem Jahr – wie im vorliegenden Falle – beträgt die Frist sechs Wochen zum Schluß eines Kalendervierteljahres; sie entspricht damit der für Angestellte geltenden gesetzlichen Kündigungsfrist (§ 622 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Trotz dieser übereinstimmenden Merkmale und Wirkungen ist die Entlassung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen aber nicht ohne weiteres in jeder Beziehung einer Kündigung gleichzusetzen. Das hat das Bundesarbeitsgericht bereits für den Fall der Dienstentlassung eines Dienstordnungs-Angestellten entschieden und ausgesprochen, daß im Recht der Dienstordnungs-Angestellten die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund und die disziplinäre fristlose Dienstentlassung aufgrund der Dienstordnung zwei voneinander scharf zu trennende Rechtsinstitute sind, weil sie sich in ihrer Funktion – die Dienstentlassung ist Dienststrafe, die außerordentliche Kündigung dagegen nicht – wesentlich unterscheiden (BAG Urteile vom 26. Mai 1966 – 2 AZR 339/65 – und vom 3. Februar 1972 – 2 AZR 170/71 – AP Nr. 23 und 32 zu § 611 BGB Dienstordnungs-Angestellte).

Die Entlassung eines Probebeamten wegen mangelnder Bewährung nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 BBG ist zwar keine Disziplinarstrafe. Ihre Bedeutung erschöpft sich aber auch nicht nur in der Beendigung des Dienstverhältnisses des Probebeamten. Sie enthält zugleich die Wertung, daß der Probebeamte sich während der Probezeit nicht als tauglich zur dauernden Ausübung eines Amts seiner Laufbahn erwiesen hat und damit die Entscheidung des Dienstherrn, daß die Umwandlung des Probebeamtenverhältnisses in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit abgelehnt wird. Dabei sind die Ablehnung der Übernahme in ein Lebenszeitbeamtenverhältnis und die Entlassung aus dem Probebeamtenverhältnis derart miteinander verknüpft, daß die Entlassung die zwangsläufige Folge der ablehnenden Übernahmeentscheidung des Dienstherrn ist. Der Dienstherr muß sich am Ende der Probezeit, deren Dauer sich nach den laufbahnrechtlichen Vorschriften richtet, ein Urteil darüber bilden, ob sich der Probebeamte während der Probezeit bewährt hat, ob er also nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung die Gewähr dauerhafter ordnungsmäßiger Ausübung eines Amtes seiner Laufbahn bietet und ob ihm deshalb ein solches Amt auf Dauer übertragen werden kann. Hat sich der Probebeamte nicht bewährt und scheidet demzufolge seine Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit aus, so bleibt dem Dienstherrn keine andere Wahl als die Entlassung. Eine Fortsetzung des Beamtenverhältnisses auf Probe trotz Ablehnung der Umwandlung in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit wegen mangelnder Bewährung ist rechtlich nicht zulässig. Nur für den Fall, daß die Bewährung bis zum Ablauf der Probezeit noch nicht festgestellt werden kann, ist eine Verlängerung der Probezeit um höchstens zwei Jahre möglich, wobei die Probezeit insgesamt fünf Jahre nicht übersteigen darf (vgl. § 7 Abs. 3 Satz 2 BundeslaufbahnverordnungBLV –). Gemäß § 9 Abs. 2 BBG ist spätestens nach fünf Jahren ein Beamtenverhältnis auf Probe in ein solches auf Lebenszeit umzuwandeln, wenn der Beamte hierfür die beamtenrechtlichen Voraussetzungen erfüllt. Der Probebeamte erwirbt also, wenn er nicht entlassen wird, nach Ablauf von fünf Jahren einen Anspruch auf Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit (Plog/Wiedow/Beck, Kommentar zum Bundesbeamtengesetz, § 9 Rz 21, 22). Das unterstreicht den Übergangscharakter des Beamtenverhältnisses auf Probe. Es ist nach Ablauf der Probezeit entweder umzuwandeln oder zu beenden. Eine dritte Möglichkeit, nämlich die, das bisherige Rechtsverhältnis unverändert aufrechtzuerhalten, gibt es nicht. Das zeigt zugleich den wesentlichen Unterschied zwischen der Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe mangels Bewährung und der ordentlichen Kündigung eines Dienstverhältnisses. Während die Kündigung ein sonst unter den bisherigen Bedingungen fortbestehendes Dienstverhältnis beendet, verhindert die Entlassung des Probebeamten wegen mangelnder Bewährung in der Probezeit nicht nur die Aufrechterhaltung des durch Zweckerreichung ohnehin sinnleer gewordenen Beamtenverhältnisses auf Probe, sondern zugleich die sonst rechtlich gebotene Übernahme des Probebeamten in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit mit wesentlich stärkeren Rechten und Sicherheiten. Der eine Kündigung erwägende Arbeitgeber muß sich entscheiden, ob er das Arbeitsverhältnis mit dem betreffenden Arbeitnehmer zu den bisherigen Bedingungen fortsetzen will oder nicht; der die Entlassung eines Probebeamten mangels Bewährung erwägende Dienstherr muß entscheiden, ob er die Umwandlung des Beamtenverhältnisses auf Probe in ein solches auf Lebenszeit verantworten kann.

Der aufgezeigte Unterschied zwischen einer Entlassung der hier in Rede stehenden Art und einer ordentlichen Kündigung würde sich bei einer Gleichstellung beider Rechtsinstitute im Rahmen des § 15 Abs. 2 KSchG besonders gravierend auswirken. Bei einem an sich ordentlich kündbaren Arbeitnehmer, der Mitglied der Personalvertretung wird, mutet das Gesetz dem Arbeitgeber nur zu, im Interesse einer unabhängigen Amtsführung der Personalvertretung auf die Ausübung seines ordentlichen Kündigungsrechts trotz Vorliegens eines die Kündigung sozial rechtfertigenden personen-, verhaltens- oder betriebsbezogenen Grundes im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG zu verzichten und das Arbeitsverhältnis zu den bisherigen vertraglichen Bedingungen fortzusetzen. Bei einem Personalratsmitglied, das nur nach beamtenrechtlichen Grundsätzen entlassen werden könnte, würde dem Dienstherrn durch das Verbot einer Entlassung nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 BBG sogar zugemutet, einen nur auf Probe angestellten Beschäftigten trotz Nichtbewährung in der Probezeit in ein Dienstverhältnis auf Lebenszeit mit allen beamtenrechtlichen Sicherungen zu übernehmen.

Diese unterschiedlichen Auswirkungen sprechen bereits gegen eine Einbeziehung der Entlassung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen in den Anwendungsbereich des § 15 Abs. 2 KSchG. Hinzu kommt aber entscheidend, daß der Schutzzweck dieser Vorschrift eine solche Einbeziehung nicht gebietet.

Der besondere Kündigungsschutz des § 15 Abs. 2 KSchG bezieht sich nur auf diejenigen Mitglieder und ehemaligen Mitglieder der Personalvertretung, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, wie sich auch aus der korrespondierenden Vorschrift des § 47 Abs. 1 BPersVG ergibt. Für beamtete Mitglieder der Personalvertretung sieht das Gesetz keinen entsprechenden besonderen Entlassungsschutz vor. Daraus muß geschlossen werden, daß der Gesetzgeber die durch das Beamtenrecht bereits gegebene Absicherung der Rechtsstellung des Beamten und damit auch des Probebeamten als ausreichend ansah, dem mit § 15 Abs. 2 KSchG verfolgten Zweck zu genügen, nämlich zu gewährleisten, daß die Mitglieder der Personalvertretung unabhängig und ohne Sorge um ihren Arbeitsplatz ihr Amt wahrnehmen und die Interessen der Beschäftigten gegenüber dem Dienststellenleiter ohne Furcht vor Repressalien vertreten können (vgl. BAG Urteil vom 9. November 1977 – 5 AZR 175/76 – AP Nr. 3 zu § 15 KSchG 1969, zu 1 a der Gründe). Der Beamte auf Lebenszeit kann gegen seinen Willen ohnehin nur wegen eines Verhaltens entlassen werden, das auch beim Bestehen eines Arbeitsverhältnisses einen wichtigen Grund zu einer auch durch § 15 Abs. 2 KSchG nicht ausgeschlossenen außerordentlichen Kündigung abgeben würde. Beim Beamten auf Probe bestehen zwar entsprechend dem Erprobungszweck dieses Beamtenverhältnisses erweiterte Entlassungsmöglichkeiten. Diese Möglichkeiten sind aber beschränkt auf die in § 31 Abs., 1 Nr. 1 bis 4 BBG aufgeführten, tatbestandlich eng umgrenzten Entlassungsgründe, nämlich ein Verhalten, das bei einem Beamten auf Lebenszeit eine nur im förmlichen Disziplinarverfahren zu verhängende Disziplinarmaßnahme zur Folge hätte, mangelnde Bewährung, Dienstunfähigkeit und Auflösung, Verschmelzung oder wesentliche Änderung des Aufbaus der Beschäftigungsbehörde, wenn eine anderweitige Verwendung nicht möglich ist. Damit ist auch der Probebeamte gegen eine Entlassung schon durch das Beamtenrecht wesentlich stärker geschützt, als dies bei einem Arbeitnehmer der Fall ist, dem nur der allgemeine Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz zugute kommt und dem deshalb aus jedem die Kündigung sozial rechtfertigenden personen-, verhaltens- oder betriebsbezogenen Grund ordentlich gekündigt werden kann.

Die Rechtsstellung der Dienstordnungs-Angestellten der beklagten Berufsgenossenschaft ist durch die Dienstordnung der Beklagten vom 24. Juni 1976 der Rechtsstellung der Bundesbeamten angeglichen worden. Die Dienstordnungs-Angestellten der Beklagten sind damit gegen Entlassungen in gleicher Weise gesichert wie Beamte. Dann aber bedürfen sie als Mitglieder oder ehemalige Mitglieder einer Personalvertretung ebensowenig eines zusätzlichen Schutzes gegen Entlassungen wie Beamte. Der Umstand allein, daß das Dienstverhältnis der Beamten öffentlich-rechtlicher Natur ist, dasjenige der Dienstordnungs-Angestellten dagegen privatrechtlicher Art, vermag eine unterschiedliche Behandlung hinsichtlich eines besonderen Entlassungsschutzes für Mitglieder oder ehemalige Mitglieder einer Personalvertretung nicht zu rechtfertigen. Deshalb greift der besondere Kündigungsschutz des § 15 Abs. 2 Satz 2 KSchG gegenüber der hier umstrittenen Entlassungsmitteilung der Beklagten an den Kläger vom 5. Dezember 1983 nicht ein.

Entgegen der Meinung des Landesarbeitsgerichts steht dieses Ergebnis nicht im Widerspruch zu der Vorschrift des § 693 Abs. 1 RVO, nach der das Kündigungsrecht der Berufsgenossenschaft den Angestellten nicht schlechter stellen darf, als er mangels einer Vereinbarung nach bürgerlichem Recht stehen würde. Diese Bestimmung steht im Zusammenhang mit dem den Berufsgenossenschaften durch § 690 RVO eingeräumten Recht, die allgemeinen Anstellungsbedingungen und die Rechtsverhältnisse ihrer Angestellten im Wege autonomer Rechtssetzung durch eine Dienstordnung angemessen zu regeln. Mit dieser den Berufsgenossenschaften gewährten selbständigen Regelungsbefugnis trägt das Gesetz dem Prinzip der Selbstverwaltung der Sozialversicherungsträger Rechnung. Es will sie hinsichtlich der Gestaltung der Rechtsverhältnisse ihres Stammpersonals, obwohl dieses ähnliche Funktionen ausübt wie die Beamten beim Staat und bei den Gemeinden, nicht auf das Beamtenrecht festlegen, sondern ihnen ermöglichen, abweichende, ihren besonderen Verhältnissen und Aufgaben entsprechende eigenständige Regelungen zu treffen, die hinsichtlich der sozialen Sicherung ihrer Angestellten auch hinter derjenigen der Beamten zurückbleiben können. Der damit gegebenen Möglichkeit zur einseitigen Festlegung der Arbeitsbedingungen ihrer Angestellten bis zur Grenze zwingenden staatlichen Rechts wollte der Gesetzgeber jedoch durch § 693 Abs. 1 RVO Schranken ziehen. Die autonome Rechtssetzungsbefugnis der Berufsgenossenschaften sollte nicht dazu benutzt werden können, nachgiebiges und deshalb durch vertragliche Vereinbarung abdingbares staatliches Kündigungsrecht einseitig zuungunsten der Angestellten zu verdrängen. Die Dienstordnungs-Angestellten sollen, wenn sie schon nicht gegen den Verlust ihres Arbeitsplatzes wie Beamte gesichert sind, doch gegenüber Kündigungen mindestens denjenigen Schutz genießen, den das bürgerliche Recht bietet. Die Vorschrift des § 693 Abs. 1 RVO greift deshalb nach ihrem Sinn und Zweck nur ein, wenn die Berufsgenossenschaft in ihrer Dienstordnung das Kündigungsrecht ihrer Dienstordnungs-Angestellten eigenständig regelt. Sie will aber nicht verhindern, daß die Dienstordnung die Rechtsverhältnisse der Dienstordnungs-Angestellten dem Beamtenrecht angleicht; erst recht will sie den Dienstordnungs-Angestellten keinen über das Beamtenrecht hinausgehenden zusätzlichen Arbeitsplatzschutz gewähren.

Im übrigen kommt die von der Dienstordnung der Beklagten vorgenommene Angleichung der Rechtsverhältnisse der Dienstordnungs-Angestellten an das Beamtenrecht einem verfassungsrechtlichen Postulat entgegen. Nach Art. 33 Abs. 4 GG ist die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis, also in einem Beamtenverhältnis, stehen. Die Sozialversicherungsträger erfüllen Aufgaben, die zur Hoheitsverwaltung des Staates gehören, und sind deshalb der mittelbaren Staatsverwaltung zuzurechnen. Das der Sozialversicherung eigentümliche Dienstverhältnis des Dienstordnungs-Angestellten wird im wesentlichen dadurch geprägt, daß dieser ein Amt mit hoheitlichen Befugnissen wahrnimmt. Diesem Umstand müssen die Sozialversicherungsträger bei der Gestaltung der Dienstverhältnisse ihrer Angestellten Rechnung tragen. Das geschieht dadurch, daß sie die Rechtsstellung ihrer Angestellten durch die Dienstordnung derjenigen der Beamten weitgehend angleichen (BSGE 39, 159, 161 = AP Nr. 33 zu § 611 BGB Dienstordnungs-Angestellte; BAG Urteil vom 26. Mai 1966 – 2 AZR 339/65 – AP Nr. 23 zu § 611 BGB Dienstordnungs-Angestellte; vgl. hierzu auch BAG Urteil vom 6. November 1985 – 4 AZR 107/84 – AP Nr. 61 zu § 611 BGB Dienstordnungs-Angestellte, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt). Folgt aber die Beklagte mit der Unterstellung ihrer Dienstordnungs-Angestellten unter die Bestimmungen des Beamtenrechts einem verfassungsrechtlichen Postulat, dann sind ihre auf Probe beschäftigten Dienstordnungs-Angestellten aus gutem Grund gegen Entlassungen nach beamtenrechtlichen Vorschriften ebensowenig durch § 15 Abs. 2 KSchG geschützt wie Beamte.

Nach alledem steht der Sonderkündigungsschutz des § 15 Abs. 2 Satz 2 KSchG der Wirksamkeit der Entlassung des Klägers nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 BBG nicht entgegen. Es bedarf deshalb der Prüfung, ob der Entlassungsgrund der mangelnden Bewährung im Sinne dieser Vorschrift gegeben ist. Diese bisher unterbliebene Prüfung wird das Landesarbeitsgericht nunmehr nachholen müssen.

 

Unterschriften

Dr. Seidensticker, Richter Roeper Dr. Steckhan ist wegen einer Kur verhindert zu unterschreiben., Dr. Seidensticker, Dr. Scholz, Jubelgas

 

Fundstellen

Haufe-Index 441129

BAGE, 1

RdA 1987, 311

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe TVöD Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge