Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsunfall und Alkoholgenuß
Leitsatz (amtlich)
1. Hat sich ein Unfall außerhalb des Straßenverkehrs bei einer versicherten Tätigkeit ereignet, kann ein alkoholbedingter Leistungsabfall als die allein wesentliche Bedingung des Unfalls nicht ausschließlich aus der Blutalkoholkonzentration (kein allgemeiner Grenzwert) abgeleitet werden (Weiterführung von BSG 1960-08-16 2 RU 60/57 = BSGE 13, 9).
2. Es dürfen nur solche Verhaltensweisen eines Verletzten als Anzeichen eines alkoholbedingten Leistungsabfalls gewertet werden, die typisch für eine unter Alkoholeinfluß stehende Person sind (Anschluß an BSG 1977-04-26 8 RU 92/76 = SozR 2200 § 550 Nr 29).
Leitsatz (redaktionell)
1. Alkoholgenuß schließt einen Arbeitsunfall dann aus, wenn es an dem ursächlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis fehlt, weil der alkoholbedingte Leistungsabfall die rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalls ist. Bei Unfällen aus nichtbetriebsbedingter innerer Ursache ist der Kausalzusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall gegeben, wenn der Verletzte der Gefahr, der er erlegen ist, infolge der durch seine versicherte Tätigkeit bedingten Anwesenheit auf der Unfallstelle ausgesetzt gewesen ist und ihm der Unfall ohne die versicherte Tätigkeit wahrscheinlich nicht in derselben Art und derselben Schwere zugestoßen wäre.
2. Alkoholgenuß schließt einen Arbeitsunfall aus, wenn es an dem ursächlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis fehlt. Dies ist bei unternehmensfremdem Alkoholgenuß der Fall, wenn der Versicherte derart betrunken ist, daß er zu keiner dem Unternehmen förderlichen Arbeit fähig ist.
3. Für Fußgänger, die sich außerhalb des allgemeinen Straßenverkehrs bei der Arbeit im Betrieb auf Treppen und Wegen bewegen, gibt es ebensowenig wie für Fußgänger im Straßenverkehr einen allgemeinen Grenzwert der Blutalkoholkonzentration für eine allgemeine absolute Verkehrsuntüchtigkeit.
Normenkette
RVO § 548 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1963-04-30
Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 04.04.1977; Aktenzeichen L 6 U 347/76) |
SG Hannover (Entscheidung vom 30.06.1976; Aktenzeichen S 20 U 327/73) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 4. April 1977 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat den Klägern auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Der Ehemann der Klägerin zu 1) und Vater des Klägers zu 2) war als Schlosser beschäftigt. Am 5. April 1973 begann er um 6.30 Uhr (Schichtbeginn) seine Arbeit. Gegen 8.00 Uhr begab er sich in die Unfallschutzzentrale zu einer Besprechung wegen der Folgen seines Arbeitsunfalles im Oktober 1972, bei dem er einen Bruch des linken Fußgelenkes erlitten hatte. Am Ende der Besprechung entschuldigte er sich dafür, daß er nach Alkohol rieche, da er aus Anlaß seines heutigen Geburtstages mit Kollegen ein Gläschen Weinbrand getrunken habe. Der Ehemann der Klägerin zu 1) nahm seine Arbeit wieder auf. Gegen 14.45 Uhr (Schichtende) verließ er seinen Arbeitsplatz, um sich in den Garderoberäumen, die sich im zweiten Stockwerk der Werkshalle befinden, umzuziehen. Auf der Treppe stürzte er und fiel mit dem Kopf auf eine 8 cm hohe betonierte Schutzrinne. Mit Hilfe eines Arbeitskollegen richtete er sich auf und ging in die Garderobe. Dort klagte er über Kopfschmerzen. Er fuhr mit seinem Pkw nach Hause, wo er im Laufe des Abends zusammenbrach. Er starb vor der Einlieferung ins Krankenhaus. Die Leichenöffnung ergab als Todesursache einen Hirndruck infolge epiduraler Blutung nach Schädelbruch. Das vier Tage nach dem Tod entnommene Blut enthielt eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 0,91 0/00, die nach dem Gutachten von Prof. Dr. B vom 12. April 1973 auch für den Zeitpunkt des Todes galt. Dr. N kam in seinem Gutachten vom 7. August 1973 zu dem Ergebnis, die BAK des Ehemannes der Klägerin zu 1) habe im Unfallzeitpunkt mindestens 1,93 0/00 betragen; die Alkoholbeeinflussung sei die allein wesentliche Ursache des Sturzes mit tödlichem Ausgang.
Die Beklagte lehnte aufgrund dieses Gutachtens von Dr. N mit Bescheid vom 11. September 1973 Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab.
Das Sozialgericht (SG) hat durch Urteil vom 30. Juni 1976 die Klage ua mit der Begründung abgewiesen: Der Ehemann der Klägerin zu 1) habe sich mit einer BAK von 1,93 0/00 im Unfallzeitpunkt in einem Zustand mittelschweren Rausches befunden, durch den seine Sicherheit, seine Aufmerksamkeit und sein Reaktionsvermögen derartig beeinträchtigt gewesen sei, daß der Alkoholgenuß die allein wesentliche Ursache des Unfalles sei.
Das Landessozialgericht (LSG) hat durch Urteil vom 4. April 1977 das Urteil des SG und den Bescheid der Beklagten vom 11. September 1973 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin zu 1) Witwenrente, Überbrückungshilfe sowie Sterbegeld und dem Kläger zu 2) Waisenrente zu gewähren. Es hat ausgeführt: Die Zulässigkeit der Berufung hinsichtlich des Sterbegeldes und der Überbrückungshilfe ergebe sich daraus, daß die Klägerin zu 1) einen wesentlichen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens gerügt habe und dieser auch vorliege. Das SG hätte mit Rücksicht auf den schlüssigen Vortrag der Kläger einen Sachverständigen zu der Frage hören müssen, ob die BAK zur Unfallzeit tatsächlich mindestens 1,93 0/00 betragen habe, wie die Beklagte angenommen habe. Die somit insgesamt zulässige Berufung sei auch begründet. Allerdings habe die Beweisaufnahme die Annahme des SG, der Alkoholgenuß des Ehemannes der Klägerin zu 1) sei die rechtlich allein wesentliche Ursache für den Sturz von der Treppe gewesen, bestätigt. Die BAK des Ehemannes der Klägerin zu 1) im Zeitpunkt des Unfalles habe nach den überzeugenden Ausführungen des vom Senat gehörten Sachverständigen Dr. B bei einer abgeschlossenen Resorption 1,71 0/00, bei nicht abgeschlossener Resorption 1,51 0/00 betragen. In beiden Fällen seien die Ausfallerscheinungen etwa die gleichen. Es habe eine Störung der Funktion des Gleichgewichtsapparates und wahrscheinlich auch eine Beeinträchtigung des Reaktionsverhaltens vorgelegen. Die Aussagen der vom Senat vernommenen Zeugen, nach denen beim Ehemann der Klägerin zu 1) vor und nach dem Unfall keine alkoholbedingten Auswirkungen bestanden hätten, seien nicht geeignet, die Beurteilung der Sachverständigen in Frage zu stellen. Die alkoholbedingte Störung des Gleichgewichtsapparates und die wahrscheinliche Beeinträchtigung des Reaktionsverhaltens seien wahrscheinlich die Ursachen für den Sturz des Ehemannes der Klägerin zu 1) gewesen. Entweder sei er beim Betreten einer Treppenstufe wegen der alkoholbedingten Gleichgewichtsstörungen ausgeglitten und die Treppe unkontrolliert rückwärts heruntergestürzt oder aber er sei auf einer Stufenkante aus alkoholunabhängigen Gründen ausgeglitten und habe sich dann wegen der alkoholbedingten Störung der Reaktionsfähigkeit nicht mehr am Treppengeländer sicher festhalten können und sei nach links seitwärts gefallen. In beiden Fällen sei der Alkoholgenuß die rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalles gewesen. Zumindest lasse sich nicht feststellen, daß der Ehemann der Klägerin zu 1) wahrscheinlich auch ohne Alkoholeinwirkung gestürzt wäre. Die Folgen einer insoweit bestehenden Ungewißheit seien nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast vom Versicherten bzw. seinen Hinterbliebenen zu tragen. Dennoch habe der Senat der Berufung den Erfolg nicht versagen können. Es sei in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt, daß bei Unfällen aus nicht betriebsbedingter innerer Ursache der Kausalzusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall dann gegeben sei, wenn der Verletzte der Gefahr, der er erlegen sei, infolge der durch seine versicherte Tätigkeit bedingten Anwesenheit auf der Unfallstelle ausgesetzt gewesen sei und ihm der Unfall ohne die versicherte Tätigkeit wahrscheinlich nicht in derselben Art oder derselben Schwere zugestoßen wäre. Dieser Grundsatz müsse auch für diejenigen Fälle gelten, in denen alkoholbedingte Gründe als Unfallursachen nicht auszuschließen seien. Die Schwere der Verletzung des Ehemannes der Klägerin zu 1) beruhe jedoch wesentlich darauf, daß er auf eine der beiden scharfen Kanten der Abschlußleiste aufgeschlagen sei.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die Beklagte hat dieses Rechtsmittel eingelegt.
Sie trägt vor: Das LSG habe ausgeführt, der Alkoholgenuß sei die rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalles gewesen. Nach den Sachverständigengutachten sei ein Fußgänger mit einer BAK von mehr als 1,5 0/00 nicht mehr wegefähig. Ausweislich der Akten sei der Ehemann der Klägerin zu 1) volltrunken gewesen. Das LSG habe der Auffassung von Dr. B, die BAK habe im Zeitpunkt des Unfalles höchstens 1,71 0/00 betragen, nicht folgen dürfen. Das LSG habe vor allem zu Unrecht den durch Alkoholgenuß verursachten Unfall dem aus innerer Ursache gleichgestellt. Deshalb sei auch nicht entscheidend, daß die Beschaffenheit der Unfallstelle die Folgen des Sturzes entscheidend verstärkt habe. Zudem sei zu beachten, daß die Beschaffenheit der Abschlußleiste den baupolizeilichen Vorschriften entsprochen habe.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Kläger gegen das Urteil des SG zurückzuweisen,
hilfsweise, das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist im Ergebnis nicht begründet.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nahm der Ehemann der Klägerin zu 1) nach dem Aufsuchen der Unfallschutzzentrale seine Arbeit wieder auf und verunglückte nach Schichtende auf dem Weg zur Garderobe. Das Umkleiden und der hierfür notwendige Weg zur Garderobe standen im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit des Ehemannes der Klägerin zu 1), so daß dieser dabei gemäß § 539 Abs 1 Nr 1 und § 548 der Reichsversicherungsordnung (RVO) unter Versicherungsschutz stand.
Der Unfall wurde auch wesentlich durch die versicherte Tätigkeit verursacht, da der Ehemann der Klägerin zu 1) nicht nur gelegentlich dieser Tätigkeit, sondern bei einer im inneren Zusammenhang mit ihr stehenden Verrichtung verunglückt ist.
Das LSG hat festgestellt, daß der Ehemann der Klägerin zu 1) im Laufe der Arbeitsschicht vor dem Unfall Alkohol getrunken hat. Für die Entscheidung des Senats kann es dahinstehen, ob die BAK 1,51 bis 1,71 0/00 - wovon das LSG ausgeht - oder mindestens 1,93 0/00 betrug, wie die Beklagte meint. Alkoholgenuß schließt einen Arbeitsunfall aus, wenn es an dem ursächlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis fehlt. Dies ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bei - wie hier - unternehmensfremden Alkoholgenuß immer der Fall, wenn der Versicherte derart betrunken ist, daß er zu keiner dem Unternehmen förderlichen Arbeit fähig ist (s ua Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1. - 8. Aufl, S 483 w und Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl, § 548 Anm 70 - jeweils mit weiteren Nachweisen). Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG ist der Ehemann der Klägerin zu 1) jedoch noch während der weiteren gesamten Arbeitsschicht seiner betrieblichen Tätigkeit nachgegangen. Führt der Alkoholgenuß nur zu einem Leistungsabfall, besteht bei einem Unfall kein Versicherungsschutz, wenn es an dem ursächlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall fehlt, weil der alkoholbedingte Leistungsabfall die rechtlich allein wesentliche Bedingung des Unfalles ist (BSGE 13, 9, 11; Brackmann aaO S 484, 487 f; Lauterbach aaO). Da nach der ständigen Rechtsprechung des BSG der Kausalzusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall nur ausgeschlossen ist, wenn der alkoholbedingte Leistungsabfall die allein wesentliche Bedingung des Unfalles ist, werden grundsätzlich nicht jede durch den Alkohol herbeigeführte Minderung der Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit und jedes damit verbundene Absinken der Leistungsfähigkeit und der Arbeitsqualität als ein Leistungsabfall zu werten sein. Dies entspräche nicht der in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausalitätsnorm, nach der ein Arbeitsunfall auch anzunehmen ist, wenn die versicherte Tätigkeit nur eine von mehreren wesentlichen Bedingungen bildet. Außerdem ist zu beachten, daß auch bei Unfällen im Straßenverkehr der Versicherungsschutz infolge von Alkoholgenuß nur ausgeschlossen ist, wenn der Versicherte infolge des Alkoholgenusses nicht nur überhaupt in seiner Fahrfähigkeit beeinträchtigt, sondern - absolut oder relativ - verkehrsuntüchtig war und diese Verkehrsuntüchtigkeit die rechtlich allein wesentliche Bedingung des Unfalles ist.
Den tatsächlichen Feststellungen des LSG ist jedoch nicht zu entnehmen, daß beim Ehemann der Klägerin zu 1) ein alkoholbedingter Leistungsabfall vorgelegen hat und die allein wesentliche Bedingung des Unfalles gewesen ist. Das LSG stützt seine gegenteilige Auffassung, der Unfall sei wesentlich allein durch eine alkoholbedingte Störung des Gleichgewichtsapparates und eine wahrscheinlich vorliegende alkoholbedingte Beeinträchtigung des Reaktionsvermögens verursacht worden, im wesentlichen auf die beim Ehemann der Klägerin zu 1) vorliegende BAK. Der erkennende Senat und ihm folgend der 8. Senat haben jedoch bereits in mehreren Entscheidungen dargelegt (vgl ua BSGE 10, 46, 48; 27, 40, 41; BSG Blutalkohol 1972, 413, 416; BSG SozR 2200 § 550 Nr 29; BSG Urteil vom 8. September 1977 - 2 RU 79/76; Brackmann aaO S 487 q mit weiteren Nachweisen), daß es für Fußgänger zur Zeit keinen allgemeinen Grenzwert der BAK für eine absolute Verkehrsuntüchtigkeit gibt. Dies gilt erst recht für einen alkoholbedingten Leistungsabfall als allein wesentliche Ursache des Unfalles bei der betrieblichen Tätigkeit außerhalb des allgemeinen Straßenverkehrs, da es hierbei nicht auf die Fähigkeit ankommt, sich im Straßenverkehr sicher zu bewegen. Neben der BAK sind daher weitere beweiskräftige Umstände erforderlich, um einen alkoholbedingten Leistungsabfall als rechtlich allein wesentliche Bedingung des Unfalles zu werten (vgl zur Verkehrsuntüchtigkeit BSG SozR 2200 aaO). Zu prüfen ist auch hier die Unfallsituation und vor allem das Verhalten des Versicherten unmittelbar vor und während des Unfallereignisses (BSG aaO). Ein etwaiges Fehlverhalten ist grundsätzlich nur dann als beweiskräftig für einen alkoholbedingten Leistungsabfall als die allein wesentliche Bedingung des Unfalls zu erachten, wenn es typisch für einen unter Alkoholeinfluß stehenden Versicherten ist und nicht ebensogut andere Ursachen haben kann, wie etwa Unaufmerksamkeit, Leichtsinn, Übermüdung, körperliche Verfassung und ähnliches, die ihren Grund nicht in einem voraufgegangenen Alkoholgenuß haben können (so zur Verkehrsuntüchtigkeit BSG aaO). Die tatsächlichen Feststellungen des LSG lassen jedoch sowohl in der Arbeit des Ehemannes der Klägerin zu 1) während der gesamten Arbeitsschicht als auch in seinem Verhalten auf dem Weg zur Garderobe und nach dem Unfall auf der Heimfahrt keine typischen Umstände erkennen, die dafür sprechen, daß der Genuß des Alkohols zu einem Leistungsabfall führte und als rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalles zu werten ist. Das LSG hat festgestellt, daß der Ehemann der Klägerin zu 1) auch nach dem Aufsuchen der Unfallschutzzentrale die volle Arbeitsschicht weiterarbeitete und auch noch seinen Wagen nach Hause steuerte. Das LSG hat außerdem aufgrund der Vernehmung mehrerer Zeugen festgestellt, daß die Arbeitskollegen des Ehemannes der Klägerin zu 1) bei diesem keine Anzeichen einer alkoholbeeinflußten Verhaltensweise bemerkten. Ebenso ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts die Unfallsituation nicht typisch für einen alkoholbedingten Leistungsabfall und einen wesentlich allein dadurch bedingten Sturz. Das Ausgleiten auf einer Treppe ist keinesfalls so typisch, daß es allein dem Alkoholeinfluß angelastet werden könnte. Erst recht kann nicht daraus, daß es dem Ehemann der Klägerin zu 1) nicht gelungen ist, sich nach dem Sturz am Treppengeländer festzuhalten, geschlossen werden, dies beruhe typischerweise allein auf einer alkoholbedingten Reaktionsschwäche. Ebenso rechtfertigen es die vom LSG übernommenen Beurteilungen durch Dr. B, Dr. N und Dr. U nicht, beim Ehemann der Klägerin zu 1) einen alkoholbedingten Leistungsabfall als die rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalles zu werten. Dr. N hat seine gegenteilige Auffassung ausschließlich aus der BAK von 1,9 0/00 abgeleitet, was - wie oben bereits dargelegt - nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats nicht zulässig ist. Dr. U hat dem Gutachten von Dr. N zugestimmt. Soweit er außerdem darauf hinweist, ein Sturz - wie beim Ehemann der Klägerin zu 1) - nach hinten pflege nur bei Gleichgewichtsstörungen einzutreten, leitet er die in diesem Hinweis inzidenter enthaltene Annahme, die Gleichgewichtsstörungen beim Ehemann der Klägerin zu 1) seien ausschließlich alkoholbedingt gewesen, wohl ebenfalls nur aus der BAK ab. Dr. B hat nur eine wesentliche Beteiligung des Alkoholgenusses an dem Unfall bejaht, was nicht ausschließt, daß auch andere wesentliche Ursachen, die im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen, den Unfall mitverursacht haben. Nach allem kann deshalb entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts aufgrund der tatsächlichen Feststellungen nicht davon ausgegangen werden, daß beim Ehemann der Klägerin zu 1) ein alkoholbedingter Leistungsabfall vorgelegen hat und der Unfall nach Ende der Arbeitsschicht auf dem Wege zum Umziehen in der Garderobe wesentlich allein auf den Alkoholgenuß zurückzuführen ist.
Ebenso kann nicht aus allgemeinen Erfahrungssätzen über alkoholbedingte Leistungsminderungen und Ausfallerscheinungen auf einen alkoholbedingten Leistungsabfall als allein wesentliche Ursache des Unfalles des Ehemannes der Klägerin zu 1) geschlossen werden. Diese Erfahrungssätze unterliegen als Rechtssätze der Nachprüfung auf ihre inhaltliche Richtigkeit durch das Revisionsgericht (vgl BSGE 10, 46, 49; 12, 242, 243; BSG Urteil vom 8. September 1977 aaO). Entsprechend den Grundsätzen über den Beweis des ersten Anscheins kommen auch für einen alkoholbedingten Leistungsabfall bei versicherten Tätigkeiten außerhalb des allgemeinen Straßenverkehrs nur solche Verhaltensweisen eines Versicherten als Beweisanzeichen in Betracht, die typisch für einen Alkoholeinfluß und typisch dafür sind, daß das Unfallgeschehen wesentlich allein durch den alkoholbedingten Leistungsabfall bedingt worden ist. Derartige typische Beweisanzeichen liegen jedoch, wie der Senat dargelegt hat, hier nicht vor.
Bereits aus diesen Gründen hat der Ehemann der Klägerin zu 1) im Unfallzeitpunkt unter Versicherungsschutz gestanden, so daß die Revision der Beklagten gegen das im Ergebnis zutreffende Urteil des LSG zurückzuweisen ist, ohne daß es auf die vom LSG außerdem behandelten Rechtsfragen ankommt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen