Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermächtnis. Ausschlagung. Wirksamkeitsmangel. zivilrechtlicher. Vermögenswert. Berechtigter. Erbe. Vermächtnisnehmer. Ersatzvermächtnisnehmer. unlautere Machenschaft. Hausgrundstück. Überschuldung
Leitsatz (amtlich)
Wurde ein dem Vermächtnisnehmer zugedachter Vermögensgegenstand von einer Schädigungsmaßnahme betroffen, ist Berechtigter im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG allein der Erbe, solange ihm der Vermögensgegenstand zivilrechtlich zugeordnet ist.
Normenkette
VermG § 1 Abs. 2-3, § 2 Abs. 1 S. 1, Abs. 2
Verfahrensgang
VG Weimar (Urteil vom 17.02.1994; Aktenzeichen 2 K 14/93. We) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar vom 17. Februar 1994 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Der Kläger begehrt die Rückübertragung eines mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks in E. nach dem Vermögensgesetz (VermG). Die Grundstückseigentümerin Maria K., die zuletzt in Hessen wohnte und im Jahre 1974 verstorben ist, hatte durch testamentarische Verfügungen zwei Erben zu gleichen Teilen eingesetzt sowie ihre „in der Ostzone gelegenen Grundstücke und Häuser” bestimmten Personen zugewendet, darunter das streitbefangene Grundstück dem Kläger; für den Fall der Ausschlagung durch einen der testamentarisch Bedachten sollte der betroffene Nachlaßteil dem Deutschen Roten Kreuz der Deutschen Demokratischen Republik (im folgenden: DRK) zufallen. Nach der Testamentseröffnung erklärte der Kläger auf Antrage des von Maria K. mit der Hausverwaltung beauftragten Diplomjuristen Rudolf D., er habe am Erwerb des Grundstücks kein Interesse. Als Bevollmächtigter der beiden Erben schloß Rudolf D. am 26. September 1977 mit einem Vertreter des DRK einen notariellen Vertrag, wonach die in der DDR belegenen Nachlaßgrundstücke, u.a. das ursprünglich dem Kläger zugedachte, unentgeltlich in das Eigentum des DRK als Ersatzvermächtnisnehmers übergehen sollten. Am selben Tag erklärte der Vertreter des DRK entsprechend einer von Rudolf D. angeregten Absprache zwischen dem DRK und dem Rat der Stadt E. den Eigentumsverzicht. Darauf wurde das streitbefangene Grundstück mit Wirkung vom 1. Januar 1978 als Eigentum des Volkes, Rechtsträger: VEB Kommunale Wohnungsverwaltung E., in das Grundbuch eingetragen. Nach Verrechnung der Verbindlichkeiten mit den auf den Hauskonten verfügbaren Aktiva war das entstandene Volkseigentum unbelastet.
Der Kläger beantragte im März 1991 die Rückübertragung des Eigentums an dem Grundstück mit der Begründung, er habe die testamentarische Zuwendung wegen des renovierungsbedürftigen Gebäudezustands und nicht kostendeckender Mieten ausgeschlagen. Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 6. August 1992 ab; ob der Kläger auf das Grundstück wegen dessen Überschuldung verzichtet habe, könne offenbleiben, da das Grundstück aufgrund der Ausschlagung des Vermächtnisses nicht unmittelbar in Volkseigentum übergegangen und der Kläger daher nicht Berechtigter sei.
Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 17. Februar 1994 (VIZ 1995, 42) abgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt: Der Kläger könne die Rückübertragung schon deswegen nicht beanspruchen, weil das ihm eingeräumte Vermächtnis von der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 VermG nicht erfaßt werde und daher kein restitutionsfähiger Vermögenswert sei. Infolgedessen komme es nicht darauf an, ob die Ausschlagung eines Vermächtnisses einer Erbausschlagung im Sinne des § 1 Abs. 2 VermG gleichgesetzt werden könne. Eine solche Gleichsetzung würfe die Frage auf, ob die Ausschlagung unmittelbar Volkseigentum begründet habe. Das sei bei der Ausschlagung eines Vermächtnisses nicht der Fall, da durch sie der schuldrechtliche Verschaffungsanspruch gegenüber dem Erben erlösche. Unter diesen Umständen bedürfe keiner Klärung, ob der Kläger seinen Verzicht auf das Vermächtnis wirksam erklärt habe. Doch sei die Revision zuzulassen, weil die Fragen der Restitutionsfähigkeit eines Vermächtnisses, der auf kollusivem Zusammenwirken beruhenden Begründung von Volkseigentum zu Lasten des Vermächtnisnehmers und der vermögensrechtlichen Folgen einer möglicherweise unwirksamen Vermächtnisausschlagung von grundsätzlicher Bedeutung seien.
Zur Begründung seiner Revision trägt der Kläger vor: Das Urteil verletze § 2 Abs. 2 und § 1 Abs. 3 VermG, indem es die Wirksamkeit der Vermächtnisausschlagung offengelassen und zugleich eine auf kollusivem Zusammenwirken beruhende schädigende Maßnahme angenommen habe. Die Ausschlagung sei nicht gegenüber den beschwerten Erben erklärt worden und deswegen unwirksam. Der Kläger sei daher nach wie vor Vermächtnisnehmer. Als solcher sei er Berechtigter im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG, da das Vermächtnis auf Übereignung des Hausgrundstücks gerichtet und der auf unlauteren Machenschaften beruhende Erwerb dieses Vermögenswerts durch die Beklagte nicht schutzwürdig sei. Der Schädiger eines Vermächtnisnehmers dürfe nicht dadurch begünstigt werden, daß der Schaden nicht bei den Erben als Eigentümern entstanden, sondern auf den Vermächtnisnehmer verlagert worden sei. Entsprechend der unter solchen Umständen zivilrechtlich anerkannten Drittschadensliquidation sei der geschädigte Vermächtnisnehmer jedenfalls dann als Berechtigter anzusehen, wenn die Erben keine Rückübertragung des Vermögenswerts beantragt hätten. Soweit er nicht die Rückübertragung des Grundstücks an sich verlangen könne, habe er zumindest einen Anspruch auf Rückübertragung an die Erben zwecks Erfüllung des Vermächtnisses. Ein Hilfsantrag dieses Inhalts lasse sich bereits dem Klagevorbringen entnehmen.
Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und bemerkt ergänzend: Selbst wenn der Kläger als Berechtigter anzusehen wäre, fehlte es an der nach § 1 Abs. 2 VermG erforderlichen Kausalität zwischen der Ausschlagung des Vermächtnisses und der Überführung des Grundstücks in Volkseigentum.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
Das Verwaltungsgericht hat offengelassen, ob ein Schädigungstatbestand vorliegt. Darauf kam es nach Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht an, weil die testamentarische Verfügung über die Zuwendung des Grundstücks an den Kläger als Vermächtnis (§ 1939 BGB) auszulegen und ein Vermächtnis kein Vermögenswert im Sinne des § 2 Abs. 2 VermG sei; mangels eines solchen Vermögenswerts sei daher „der gegenständliche Anwendungsbereich” des Vermögensgesetzes nicht gegeben. Dieser Ansatz verkennt, daß nach dem Klagevorbringen und dem Klageantrag Streitgegenstand nicht die Rückübertragung des Vermächtnisses, sondern eines Grundstücks ist. Der Kläger macht nicht geltend, ihm sei das zugewendete Vermächtnis entzogen worden; für eine Schädigung durch Entziehung des Vermächtnisses ist auch nichts ersichtlich. Er sieht sich vielmehr dadurch geschädigt, daß ihm das vermachte Grundstück nicht übereignet wurde. Seine auf die Übereignung des Grundstücks im Wege der Rückübertragung gerichtete Klage betrifft einen von den Bestimmungen des Vermögensgesetzes erfaßten Vermögenswert. Für die Anwendbarkeit des Vermögensgesetzes auf diesen Klagegegenstand kommt es nicht darauf an, ob die Vermächtnisforderung ihrerseits ein Vermögenswert im vermögensrechtlichen Sinne ist.
Gleichwohl ist die Revision zurückzuweisen, denn das angegriffene Urteil stellt sich aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die Klage ist unbegründet, weil der Kläger nicht Berechtigter im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG ist und infolgedessen die Rückübertragung des Grundstücks nicht beanspruchen kann (§ 3 Abs. 1 Satz 1 VermG).
Berechtigter im Sinne des Vermögensgesetzes ist derjenige, dessen Vermögenswert von einer Schädigungsmaßnahme betroffen ist, oder sein Rechtsnachfolger (§ 2 Abs. 1 Satz 1 VermG). Mit dieser Regelung knüpft das Gesetz an die im Schädigungszeitpunkt bestehende zivilrechtliche Zuordnung des beanspruchten Vermögenswerts an (vgl. Urteil vom 31. August 1995 – BVerwG 7 C 23.94 –, VIZ 1995, 710). Das Zivilrecht ordnet das Eigentum an einem Grundstück dem dinglich Berechtigten, also dem Eigentümer oder dessen Erben zu. Da das streitbefangene Grundstück aufgrund des Erbfalls, der vor der geltend gemachten Schädigung eingetreten ist, dem Erben zustand, war es kein Vermögenswert des Klägers. Dieser war durch die testamentarische Verfügung der Erblasserin mit einem Vermächtnis bedacht und nicht als (Mit-)Erbe eingesetzt. Das hat das Verwaltungsgericht unter Anwendung der einschlägigen gesetzlichen Auslegungsregel (§ 2087 Abs. 2 BGB) rechtsfehlerfrei festgestellt. Das Bürgerliche Gesetzbuch findet hier Anwendung, denn der Erbfall ist vor dem Inkrafttreten des Zivilgesetzbuchs der Deutschen Demokratischen Republik vom 19. Juni 1975 (GBl DDR I Nr. 27 S. 465) eingetreten (vgl. Art. 235 § 1 EGBGB, § 8 EGZGB). Als Vermächtnisnehmer hat der Kläger kein Recht an dem vermachten Grundstück, sondern lediglich das Recht, von dem Erben die Leistung des vermachten Gegenstands, also die Übereignung des Grundstücks zu fordern (vgl. § 2174 BGB).
Der Kläger ist auch nicht als Rechtsnachfolger Berechtigter im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG. Ein Vermächtnisnehmer ist in bezug auf den vermachten Vermögenswert nicht Rechtsnachfolger des Erben oder des Geschädigten, sondern hat nur einen schuldrechtlichen Eigentumsverschaffungsanspruch gegen den Erben. An der Rechtsnatur dieses Anspruchs hat die nach dem Erbfall erfolgte Schädigung nichts geändert. Als Gläubiger des allein restitutionsberechtigten Erben hat der Vermächtnisnehmer auch nicht das Recht, wie ein Mitglied einer Gesamthandsgemeinschaft (vgl. § 2039 BGB) die Rückübertragung des vermachten Vermögensgegenstands an den Erben zu beanspruchen. Den Restitutionsanspruch des Erben kann ein Vermächtnisnehmer erst dann geltend machen, wenn er ihm abgetreten und daher zugeordnet ist.
Allerdings kann der Vermächtnisnehmer nach Zivilrecht vom Erben die Abtretung des Rückübertragungsanspruchs verlangen, wenn der Erbe durch eine Schädigungsmaßnahme in bezug auf den vermachten Vermögensgegenstand von seiner Eigentumsverschaffungspflicht befreit wurde und mit dem Rückübertragungsanspruch einen Ersatzvorteil erlangt hat (vgl. § 275 Abs. 2, § 281 Abs. 1 BGB i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 2 VermG). Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts könnte dem Nachlaß das Eigentum an dem Grundstück aufgrund unlauterer Machenschaften (§ 1 Abs. 3 VermG) entzogen worden sein, weil das DRK als Ersatzvermächtnisnehmer in Absprache mit dem Rat der Stadt das Vermächtnis nur zu dem Zweck angenommen hat, durch anschließenden Eigentumsverzicht die Übernahme des Grundstücks in Volkseigentum zu ermöglichen. Ein derartiger Anspruch stünde jedoch, da er nicht an den Kläger abgetreten ist, allein dem Erben zu. Da der Erbe die Rückübertragung des ihm zugeordneten Vermögenswerts beanspruchen kann, wenn dieser von einer Schädigungsmaßnahme betroffen und die Restitution nicht ausgeschlossen ist, liegt kein Drittschaden vor; schon aus diesem Grund ist für eine entsprechende Anwendung des zivilrechtlichen Rechtsinstituts der Schadensliquidation im Drittinteresse, die durch die zufällige Verlagerung des Schadens auf einen nicht anspruchsberechtigten Dritten gekennzeichnet ist, kein Raum.
Die Frage, ob der Erbe die Rückübertragung des vermachten Grundstücks auch wegen eines Schädigungstatbestands beanspruchen könnte, der sich allein in der Person des Vermächtnisnehmers verwirklicht hat, stellt sich im vorliegenden Verfahren nicht. Als ein solcher Schädigungstatbestand kommt auf der Grundlage des Vorbringens des Klägers, er habe das Vermächtnis wegen Überschuldung des mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks – zumindest faktisch – ausgeschlagen, allenfalls § 1 Abs. 2 VermG in Betracht. Dessen entsprechende Anwendung auf den Fall der Ausschlagung eines Vermächtnisses wegen Überschuldung des Grundstücks begegnet schon deswegen Bedenken, weil dieser Schädigungstatbestand voraussetzt, daß der Verlust des Eigentums ohne Zwischenerwerb durch einen Dritten zur Begründung von Volkseigentum geführt hat (vgl. BVerwGE 95, 106); daran fehlt es regelmäßig – und auch hier – bei der Ausschlagung eines Vermächtnisses, da diese bewirkt, daß das Vermächtnis als bei dem Ausschlagenden nicht angefallen gilt und rückwirkend mit dem Erbfall entweder bei dem nächstberufenen Vermächtnisnehmer oder, soweit ein solcher nicht vorhanden ist, bei dem Erben anfällt (§ 2180 Abs. 3, § 1953 Abs. 1 und 2 BGB). Das bedarf jedoch keiner Vertiefung, denn die Ausschlagung des Vermächtnisses durch den Kläger kann den Restitutionsanspruch jedenfalls deshalb nicht begründen, weil die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 VermG nicht erfüllt sind.
Dabei geht der Senat zugunsten des Klägers davon aus, daß die entsprechende Anwendung des § 1 Abs. 2 VermG nicht bereits an der Unwirksamkeit seiner Ausschlagungserklärung scheitert. Der vom Kläger vorgebrachte Wirksamkeitsmangel, er habe das Vermächtnis nicht durch Erklärung gegenüber den beschwerten Erben ausgeschlagen (vgl. § 2180 Abs. 2 Satz 1 BGB), ist privatrechtlicher Art. Ein privatrechtlicher Wirksamkeitsmangel ist nach der Rechtsprechung des Senats aus der Sicht des Vermögensgesetzes in der Regel unbeachtlich, wenn er mit der behaupteten Unrechtsmaßnahme im Sinne des § 1 VermG in innerem Zusammenhang steht, da dann die Ausschließlichkeitswirkung des Vermögensgesetzes an den Mangel anknüpfende etwaige zivilrechtliche Ansprüche verdrängt (vgl. BVerwGE 96, 178; 97, 286; Urteil vom 18. Januar 1996 – BVerwG 7 C 20.94 –); auch der Bundesgerichtshof geht bei derart unrechtsbezogenen Wirksamkeitsmängeln davon aus, daß die Durchsetzung hierauf gestützter zivilrechtlicher Ansprüche durch das Vermögensgesetz ausgeschlossen wird (vgl. BGH, NJW 1995, 2707; DtZ 1996, 79; jeweils m.w.N.). Die Rechtsprechung des Senats beruht in erster Linie auf der Erwägung, daß Vermögensverluste durch Unrechtsmaßnahmen nach der Rechtswirklichkeit in der DDR nicht deswegen abgewehrt werden konnten, weil die staatlichen Stellen dabei zivilrechtliche Formerfordernisse unbeachtet gelassen hatten (vgl. BVerwGE 96, 178). Ob sich diese Rechtsprechung auf Fälle übertragen läßt, die durch einen außerhalb des staatlichen Machtbereichs aufgetretenen zivilrechtlichen Wirksamkeitsmangel gekennzeichnet sind, den der Staat unbeachtet gelassen hat, weil er hiervon begünstigt wurde, hat der Senat bisher nicht entschieden. Die Frage kann auch im vorliegenden Verfahren offenbleiben, da es auf sie aus den folgenden Gründen nicht ankommt.
Der Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 2 VermG setzt nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. BVerwGE 94, 16; 98, 87) voraus, daß drei Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Danach müssen erstens für das bebaute Grundstück oder Gebäude in dem Zeitraum vor dem Eigentumsverlust nicht kostendeckende Mieten erzielt worden sein. Diese Kostenunterdeckung muß zweitens die – bereits eingetretene oder unmittelbar bevorstehende – Überschuldung des Grundstücks verursacht haben. Die Überschuldung muß drittens die wesentliche Ursache dafür gewesen sein, daß das Grundstück durch einen der in § 1 Abs. 2 VermG genannten Vorgänge in Volkseigentum übernommen wurde. Das Gesetz begründet somit einen Anspruch auf Rückübertragung, wenn sich die infolge der Eigentums- und Mietenpolitik der DDR latent vorhandene Gefahr der Überschuldung von Mietwohnhäusern zu einer konkreten ökonomischen Zwangslage verdichtet hatte, die ein weiteres Festhalten an dem Eigentum wirtschaftlich sinnlos erscheinen ließ, so daß der Eigentümer als Ausweg aus dieser Zwangslage den Eigentumsverzicht, die Schenkung oder die Erbausschlagung gewählt hat. Im vorliegenden Fall sind zumindest zwei der genannten drei Tatbestandsmerkmale nicht erfüllt.
Zum einen fehlt es an einer Überschuldungslage, wie sie der Schädigungstatbestand voraussetzt. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts, an die der Senat mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen gebunden ist (§ 137 Abs. 2 VwGO), konnte mit dem Eigentumsverzicht des DRK unbelastetes Volkseigentum begründet werden. Das wird durch den Inhalt der Verwaltungsvorgänge bestätigt, auf die das Verwaltungsgericht Bezug genommen hat. Danach war das Grundstück mit einem um 1900 errichteten Mehrfamilienhaus bebaut, bestehend aus drei Dreizimmerwohnungen, zwei Vierzimmerwohnungen, einer Fünfzimmerwohnung und einer Dachgeschoßwohnung, jeweils mit eingebauten Toiletten und Bädern. Der Einheitswert des 743 qm großen Grundstücks betrug 36.400 M; dingliche Belastungen waren nicht vorhanden, zwei zur Generalreparatur des Dachs und zur Instandsetzung der Balkone im Jahre 1965 aufgenommene Aufbaugrundschulden zu jeweils 6.115 M waren erloschen. Der bauliche Zustand des Gebäudes war „befriedigend”, jährlichen Aufwendungen einschließlich Instandhaltungskosten von durchschnittlich 4.144,25 M in den Jahren 1965 bis 1974 standen jährliche Mieteinnahmen in Höhe von 5.013,36 M gegenüber. Ein aktueller Instandsetzungsbedarf, der angesichts dieser Zahlen eine unmittelbar bevorstehende Überschuldung des Hausgrundstücks hätte begründen können, wurde weder vom Kläger geltend gemacht noch vom Verwaltungsgericht festgestellt.
Zum anderen besteht kein Anhaltspunkt für die Annahme, daß der Kläger auf das vermachte Grundstück verzichtet hat, um sich nicht einer konkreten ökonomischen Zwangslage auszusetzen. Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang festgestellt, der Kläger habe „nach Hinweis auf bestehende Schulden und anstehende Sanierungsmaßnahmen am Hause dem Hausverwalter gegenüber sein Desinteresse am Erwerb des Hausgrundstücks” erklärt. Allein der Umstand, daß größere Mietshäuser in der DDR angesichts der Mietenpolitik sowie des Mangels an Handwerkern und Baumaterialien im allgemeinen als wirtschaftliche Belastung empfunden wurden, rechtfertigt nicht die Annahme einer solchen Zwangslage, bei der wegen dauerhafter Überschuldung eines Hausgrundstücks jede andere Maßnahme als der Verzicht auf das Eigentum wirtschaftlich sinnlos gewesen wäre. Davon kann jedenfalls solange nicht ausgegangen werden, wie der Gesamtbetrag der vorhandenen oder sich konkret abzeichnenden Schulden den maßgebenden Beleihungswert des Grundstücks nicht übersteigt. So liegt es hier.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Paetow, Dr. Bardenhewer, Kley, Herbert, Dr. Brunn
Fundstellen