Landkreis: keine Verpflichtung zur Erhöhung der Kreisumlage

In einem aktuellen Urteil hat das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz entschieden, dass die Stadt Kaiserslautern nicht zur Erhöhung der Kreisumlage verpflichtet werden darf. Die sei ein unzulässiger Eingriff in die verfassungs­rechtlich geschützte finanzielle Mindestausstattung.

Im vorliegenden Fall hatte die Kommunalaufsicht aufgrund des trotz Verbesserungen gegenüber dem Vorjahr weiterhin unausgeglichenen Haushaltes des Landkreises Kaiserslautern und seiner bilanziellen Überschuldung diesen zur Reduzierung des Fehlbetra­ges um zwei Millionen Euro aufgefordert.

Erhöhung im Wege der Ersatzvornahme

Der Landkreis hielt dies für rechtswidrig. Er habe seine Kräfte größtmöglich angespannt, vielmehr sei die Finanzausstattung durch das Land zu niedrig. Die von der Kommunalaufsicht als einzig effektives Mittel zur Reduzie­rung des Fehlbetrages geforderte Erhöhung des Umlagesatzes der Kreisumlage lehnte er mit Blick auf die angespannte finanzielle Lage zumindest einiger kreisangehöriger Gemeinden ab. Daraufhin setzte die Kommunalaufsicht den Umlagesatz für die Kreisumlage im Wege der Ersatzvornahme auf einen ihrer Meinung nach vertretbaren und gebotenen Satz fest. Dies bedeutete eine Erhöhung um knapp zwei Prozentpunkte.

VG: Maßnahme rechtmäßig

Der Landkreis erhob Klage gegen die Maßnahmen. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Die kommunalaufsichtliche Beanstandung sei rechtmäßig, da der Kreistagsbeschluss des Klägers gegen das Überschuldungsverbot und das Gebot des jährlichen Haushaltsausgleichs verstoßen habe. Seiner rechtlichen Verpflichtung, das Haushaltsdefizit so gering wie möglich zu halten, könne sich der Kläger nicht durch Hinweis auf eine unzureichende Finanzierung entziehen, solange es ihm möglich sei, selbst Maßnahmen zur Haushaltssanierung zu ergreifen. Eine solche Maßnahme sei die Erhöhung des Kreisumlagesatzes. 

OVG: Beanstandung unverhältnismäßig

Das Oberverwaltungsgericht gab der darauffolgenden Berufung statt und hob die angegriffenen kommunalaufsichtliche Maßnahme auf, da diese rechtswidrig sei. 

Nach Ansicht des OVG war die ausgesprochene Beanstandung unverhältnismäßig, da dem Kläger auch bei größtmöglicher Anspannung seiner Kräfte keine ausreichenden, insbesondere mit Blick auf die verfassungsrechtlich geschützten Belange seiner kreisangehörigen Gemeinden zulässigen Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung gestanden hätten, um sein Haushaltsdefizit spürbar zu reduzieren. Nicht ausgeschöpfte konkrete Einsparpotenziale von nennenswertem Umfang seien nicht erkennbar und auch vom Beklagten nicht präzisiert worden.

Finanzielle Mindestausstattung

Die allein verbleibende Erhöhung der Kreisumlage habe indes vom Beklagten nicht angeordnet werden dürfen, weil sie in die verfassungsrechtlich geschützte finanzielle Mindestausstattung von mindestens ca. einem Viertel der kreisangehörigen Gemeinden eingreife. Bei der Beantwortung der Frage, ob die Erhöhung einer Kreisumlage allein oder im Zusammenwirken mit anderen Umlagen dauerhaft gegen den verfassungsrechtlichen Anspruch auf finanzielle Mindestausstattung der umlagepflichtigen Gemeinden verstoße, sei maßgeblich auf die Liquiditätskreditbelastung innerhalb eines Zehnjahreszeitraums abzustellen. 

Liquiditätskredite beschränkt

Liquiditätskredite sollten von Gesetzes wegen lediglich den verzögerten Eingang von Deckungsmitteln überbrücken und dürften ausschließlich zu Zwecken der Kassenverstärkung vorübergehend genutzt werden, so das Gericht. Sie stellten insbesondere keine Deckungsmittel zur dauerhaften Finanzierung von ungedeckten Auszahlungen oder zur Finanzierung von Zinsgeschäften dar.

Mindestens ein Viertel hohe Liquiditätsschulden

Aus den vom Kläger und vom Statistischen Landesamt vorgelegten Zahlen ergebe sich, dass mindestens ein Viertel, häufig sogar ein Drittel bis die Hälfte aller Ortsgemeinden im Bereich des Klägers durchgängig so hohe Liquiditätskreditschulden pro Einwohner aufwiesen, dass ihnen kein rechtlich abgesicherter Spielraum für nicht kreditfinanzierte freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben mehr verbleibe. 

Der Einwand eines Eingriffs in die finanzielle Mindestausstattung sei vorliegend auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die mit dauerhaft hohen Liquiditätskrediten belasteten kreisangehörigen Gemeinden bei struktureller Betrachtung ihre Einnahmemöglichkeiten nicht ausgeschöpft hätten. Ausweislich der Kommunalberichte und eines vom Kläger vorgelegten Gutachtens lasse sich kein nennenswertes Potenzial für Einnahmesteigerungen im Bereich der Realsteuerhebesätze feststellen, urteilte das OVG.

(OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17.07.2020, 10 A 11208/18.OVG)


OVG Rheinland-Pfalz PM 20/2020

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