Berücksichtigung von „Elternzeit ohne Elterngeld“ bei Berechnung des Elterngeldes zulässig
Geklagt hatte eine Mutter von vier in den Jahren 1999, 2002, 2004 und 2007 geborenen Kindern, die nach den Geburten jeweils Elternzeit in Anspruch genommen und in dieser Zeit kein oder nur geringes Erwerbseinkommen erzielt hatte. Die zuständige Elterngeldstelle hatte ihr nach der Geburt des vierten Kindes lediglich den Mindestsatz in Höhe von 375 Euro bzw. 300 Euro bewilligt und bei der Einkommensermittlung auch diejenigen Monate berücksichtigt, in denen die Frau Elternzeit über die Bezugsdauer des Elterngeldes hinaus genommen hatte.
Hintergrund: Lange Elternzeit wirkt anspruchsmindernd
Elterngeld wird grundsätzlich in Höhe von 67% des in den zwölf Kalendermonaten vor der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Erwerbseinkommens bis zu einem Höchstbetrag von 1.800 Euro monatlich für zwölf oder maximal vierzehn (bei Inanspruchnahme der „Partnermonate“) volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt.
Personen, die vor der Geburt ihres Kindes kein oder nur geringes Einkommen erwirtschaftet haben, wird Elterngeld mindestens in Höhe von 300 Euro gezahlt und um 10% bzw. mindestens 75 Euro erhöht, wenn die berechtigte Person mit zwei Kindern, die das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder mit drei oder mehr Kindern, die das sechste Lebensjahr noch nicht vollendet haben, in einem Haushalt lebt.
Bei der Bestimmung der für die Einkommensermittlung maßgeblichen zwölf Kalendermonate bleiben die Zeiten des Bezugs von Elterngeld für ein älteres Kind oder Mutterschaftsgeld unberücksichtigt (§ 2 Abs. 7 des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit – BEEG). Einbezogen werden dagegen Monate, in denen der anspruchstellende Elternteil Elternzeit ohne Bezug von Elterngeld wahrgenommen hat. Dadurch fällt das Elterngeld niedriger aus als wenn die „Elternzeit ohne Elterngeld“ – das heißt, die ohne den Bezug von Elterngeld wahrgenommene Elternzeit für die älteren Kinder – ausgeklammert worden wäre.
Nur Einkommen aus Erwerbstätigkeit zählt
Auch wer vor der Geburt seines Kindes arbeitslos oder über längere Zeit krankgeschrieben war, erleidet durch diese Regelung Nachteile, da das Elterngeld nur auf Basis des im Zwölfmonatszeitraum erzielten Einkommens aus Erwerbstätigkeit berechnet wird, während Lohnersatzleistungen wie Arbeitslosengeld oder Krankengeld nicht in die Einkommensermittlung einbezogen werden.
Beispiel:
Wurde die Mutter ein halbes Jahr vor der Geburt des Kindes arbeitslos und hat vorher 2.000 Euro netto verdient, so wird das Elterngeld nur auf Basis der Arbeitseinkünfte in Höhe von durchschnittlich 1.000 im Jahr berechnet. Auch das sog. „KuG“ (Kurzarbeitergeld) zählt zu den Lohnersatzleistungen und wird daher nicht bei der Berechnung des Elterngelds berücksichtigt.
Die Beschwerdeführerin hielt die zugrunde liegende Regelung des § 2 Abs. 7 BEEG für verfassungswidrig wollte ihr Elterngeld lieber auf der Grundlage des vor dem Jahr 2000 erzielten Einkommens berechnet wissen. Das BVerfG hat ihre Verfassungsbeschwerde jedoch nicht zur Entscheidung angenommen, weil es die monierte Regelung als verfassungsgemäß ansieht.
Kein Verstoß gegen Gleichberechtigung
So liegt nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts kein Verstoß gegen die gemäß Art. 3 Abs. 2 GG garantierte Geschlechtergleichbehandlung vor. Zwar sind aufgrund der familiären Rollenverteilung mehr Frauen als Männer von dem nachteiligen Effekt der Berücksichtigung der über die Bezugszeit des Elterngeldes hinausgehenden Elternzeit betroffen.
Keine Förderung des Ausstiegs aus dem Berufsleben zugunsten des „Mutterberufs“
Eine Regelung, wie sie die Beschwerdeführerin begehrt, nach der die Elternzeiten bei der Einkommensberechnung für den Zwölfmonatszeitraum unberücksichtigt blieben und statt dessen an davor erzieltes Erwerbseinkommen anzuknüpfen wäre, könnte aber einen durch Art. 3 Abs. 2 GG nicht gebotenen Anreiz für das langfristige Ausscheiden eines Elternteils aus dem Berufsleben schaffen. Dass der Gesetzgeber, der längerfristige familienbedingte Auszeiten durch die Elternzeit ermöglicht, diese nicht auch finanziell über die Berechnung des Elterngeldes fördert, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) ergibt sich nach Ansicht der Verfassungsrichter auch nicht daraus, dass Eltern, die über die Bezugszeit des Elterngeldes von 12 bzw. 14 Monaten hinaus Elternzeit wahrnehmen, für ein weiteres Kind unter Umständen ein geringeres Elterngeld erhalten als Eltern, die nach der Bezugszeit des Elterngeldes für das vorherige Kind sofort wieder arbeiten gehen.
Elterngeld hat einkommensersetzende Funktion
Das Elterngeld stellt nach dem Willen des Gesetzgebers ein Surrogat für ausgefallenes Erwerbseinkommen dar. Während der Elternzeit erwirtschaftet der betreuende Elternteil jedoch kein ersatzfähiges Einkommen, das die Erwerbssituation der Familie prägen konnte. Das Familieneinkommen kann sich daher – so die Logik des Verfassungsgerichts – nach der Geburt eines weiteren Kindes nicht aufgrund der neuen Betreuungssituation verschlechtern. Dass während der Elternzeit die verfassungsrechtlich geschützte Erziehung wahrgenommen wurde, sei bereits durch den Geschwisterbonus abgegolten. Eine unzulässige Gleichbehandlung mit einer Person, die vor einer Geburt erwerbslos war, ohne Kinder zu betreuen, liege somit nicht vor.
Kein Vorteil durch „Anschluss-Schwangerschaften“
Auch eine Verletzung der Pflicht des Staates zum Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) sei nicht ersichtlich. Zwar könnten Eltern über die Gestaltung des familiären Zusammenlebens und die Form der Kinderbetreuung grundsätzlich selbst entscheiden und verpflichte das Grundgesetz den Staat, die Kinderbetreuung in der von den Eltern gewählten Form zu ermöglichen und zu fördern. Mit der Einrichtung von Elterngeld und Elternzeit werde die Möglichkeit der Eigenbetreuung von Kindern jedoch bereits in beachtlichem Umfang gefördert. Zu einer weitergehenden Förderung der Kindesbetreuung innerhalb der Familie war der Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, so die Rotroben aus Karlsruhe.
(BVerfG, Beschluss vom 6.6.2011, 1 BvR 2712/09)
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