Digitalisierung im öffentlichen Dienst ist ausbaufähig
Das Forschungsinstitut fortiss GmbH und das Netzwerk für digitale Gesellschaft Initiative D21 haben eine Studie zur Nutzung und Akzeptanz digitaler Verwaltungsangebote in Deutschland, Österreich und der Schweiz durchgeführt. Der eGovernment Monitor 2018 beinhaltet zum einen ein Lagebild zur Nutzung und Akzeptanz von E-Government in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Zum Anderen gibt er Auskunft darüber, welche Formen digitaler Behördengängen sich die Bürgerinnen und Bürger in Zukunft gut vorstellen können. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) unterstützt die Studie.
Lagebild zur Nutzung und Akzeptanz digitaler Verwaltungsangebote
- Deutschland mit Potenzial nach oben bei Nutzung und Zufriedenheit, Österreich führend im Drei-Länder-Vergleich
- Nutzung geht zurück trotz sinkender Barrieren
- Transparenz und geregelte Zugriffsrechte – klare Vorstellungen zum Bürgerkonto
- Elektronische Identifikation mit Akzeptanzproblemen
- Hohe Aufgeschlossenheit gegenüber digitalen Assistenten
- Nutzung digitaler Verwaltungsangebote nimmt ab, Nutzungspotenzial deutlich vorhanden
Die Nutzung digitaler Verwaltungsangebote ist im Vergleich zum Vorjahreszeitraum leicht rückläufig. Insgesamt nutzten 40 Prozent der Onliner in Deutschland in den vergangenen zwölf Monaten mindestens einmal E-Government-Angebote (das ist ein Prozentpunkt weniger als im Vorjahr, 2012 waren es noch 45 Prozent). In der Schweiz nimmt die Nutzung mit 55 Prozent deutlicher ab (2017: 61 Prozent), in Österreich stagniert sie auf vergleichsweise hohem Niveau von 74 Prozent.
Häufig genutzte Dienste rufen die BürgerInnen zunehmend auch über mobile Endgeräte ab, dies findet allerdings größtenteils zu Hause statt und selten von unterwegs aus.
Grundsätzlich zeigt sich besonders in Deutschland eine dauerhafte Diskrepanz bei der Nutzung: Zwar kennen viele Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit zur digitalen Abwicklung von Verwaltungsdiensten (z. B. elektronische Steuererklärung) und bekunden ihr Interesse daran, die tatsächliche Nutzung liegt jedoch deutlich darunter. Könnten sich die Befragten aussuchen, auf welchem Weg sie ihre Behördengänge abwickeln, stehen entgegen der momentanen Praxis in allen Vergleichsländern das Internet bzw. Online-Formulare an erster Stelle, knapp vor dem persönlichen Behördengang. Gerade Standardanliegen möchten die meisten Menschen über´das Internet erledigen. Bei beratungsintensiven Leistungen (z. B. Einreichen von Bauanträgen) dagegen wünscht sich der Großteil nach wie vor einen persönlichen Kontakt.
Zufriedenheit noch steigerungsfähig
Trotz rückläufiger Nutzung steigt die Zufriedenheit mit den E-Government-Angeboten im Vergleich zum Vorjahr an, in Deutschland und Österreich stärker als in der Schweiz. Insgesamt kann die Zufriedenheit in Deutschland aber zu keinem Zeitpunkt mit dem Niveau der beiden Nachbarländer mithalten.
„Der Ausbau der digitalen Verwaltungsangebote in Deutschland verlief langsam in der Vergangenheit. Bund, Länder und Kommunen müssen hier besser werden“, so BMI-Staatssekretär Klaus Vitt. „Mit dem Onlinezugangsgesetz hat die Digitalisierung der Verwaltung jedoch auf allen föderalen Ebenen stark an Fahrt aufgenommen. Mittelfristig werden die Vorteile digitaler Verwaltungsangebote für Bürgerinnen und Bürger deutlicher erlebbar sein. Ich bin zuversichtlich, dass in den kommenden Jahren flächendeckend überzeugende, an den Bedarfen der NutzerInnen orientierte, Verwaltungsleistungen angeboten werden.“
Nutzungsbarrieren noch vorhanden, jedoch positive Entwicklung
Die Hauptgründe für die geringe Nutzung von E-Government bleiben bestehen. Am häufigsten scheitert diese an der mangelnden Bekanntheit der Online-Angebote, wobei sie mittlerweile bereits jeder zweite Bürger kennt. Auch die fehlende Verfügbarkeit der benötigten Services sowie die mangelnde Durchgängigkeit (also die Möglichkeit zur kompletten digitalen Abwicklung eines Dienstes) verhindern eine intensivere E-Government-Nutzung. Insgesamt ist eine positive Entwicklung zu beobachten: Nahezu alle betrachteten Nutzungsbarrieren nehmen im Vergleich zum Vorjahr ab.
Bürgerkonto: Transparenz und geregelte Zugriffsrechte – Benutzer haben klare Vorstellungen von ihren Wunschfunktionen
Ein Nutzerkonto für BürgerInnen findet aktuell noch keine flächendeckende Akzeptanz. In diesem könnten die BürgerInnen künftig dem Staat nach dem „Once-Only-Prinzip“ Zugriffsrechte gewähren, statt Unterlagen stets aufs Neue einzureichen. Die Behörden könnten bei Bedarf und nach expliziter Zustimmung auf die im Konto gespeicherten Unterlagen und Dokumente zugreifen.
Doch die BürgerInnen zeigen sich in allen drei Vergleichsländern skeptisch. Je persönlicher und sensibler die Dokumente sind, desto geringer ist die Bereitschaft, diese zu hinterlegen. Bei der Speicherung privater Dokumente würde sich nicht einmal jeder Dritte wohlfühlen. Vor allem medizinische Unterlagen (z. B. Befunde) möchten die Befragten eher nicht auf einem zentralen Bürgerkonto hinterlegen.
Von der Ausgestaltung eines Nutzerkontos haben die BürgerInnen klare Vorstellungen. Wichtigste Funktion ist die Transparenz: Sechs von zehn Befragten wünschen sich, jederzeit sehen zu können, welche Behörde wann auf welche Dokumente zugegriffen hat. Knapp die Hälfte möchte unterschiedliche Zugriffsrechte je nach Behörde vergeben. Reizvoll erscheint den Befragten zudem eine automatische Benachrichtigung bei Fristen oder ablaufenden Dokumenten und teilweise sogar bei neuen Behördendiensten. Diese wünscht sich die überwiegende Mehrheit per E-Mail.
Auch nach digitalem Erstkontakt folgt oft der Weg aufs Amt
Bislang einzigartig ist die Untersuchung der Abläufe von kompletten Behördengängen in der aktuellen Studie. Dabei wird der Weg über verschiedene Kontaktkanäle nachgezeichnet, den die BürgerInnen bei Behördenkontakten zurücklegen – vom Erstkontakt zur Informationsbeschaffung über eine eventuelle Beratung bis hin zum Abschluss. Die sogenannte „Citizen Journey“ illustriert die Bewegungen zwischen den Kanälen. Dabei wird deutlich, dass der persönliche Kontakt nach wie vor von enormer Bedeutung ist, insbesondere in Deutschland.
Zwar erfolgt der Erstkontakt auch hier teilweise über Onlinekanäle, Beratung und Abschluss sind aber zumeist mit dem persönlichen Gang zur Behörde verbunden – deutlich öfter als in Österreich und insbesondere in der Schweiz. Bisher gelingt es in Deutschland demnach häufig nicht, den Bürgerinnen und Bürgern die Erledigung ihres Anliegens komplett digital zu ermöglichen.
Digitale Assistenten und künstliche Intelligenz
Digitale Assistenten (wie Ausfüllhilfen, Bots, Algorithmen oder auch intelligente Systeme) sind bislang nur in wenigen Behörden im Einsatz, könnten zukünftig aber vermehrt E-Government-Angebote unterstützen. Rund 80 Prozent der Befragten können sich vorstellen, digitale Assistenten zur Abwicklung von Behördengängen oder zur Themensuche auf den Behörden-Webseiten zu nutzen, das gilt für alle drei Länder. Zustimmung erhalten insbesondere automatische Korrekturhilfen beim Ausfüllen von Dokumenten. Geht es jedoch um automatisierte Prozesse oder autonome Entscheidungen durch die digitalen Assistenten, z.B. die Bewilligung von Anträgen, so sinkt die Zustimmung deutlich auf gerade einmal ein Drittel.
„Die Befragung zeigt eine grundsätzliche Offenheit für digitale Assistenten. Gleichzeitig haben die Menschen aber Bedenken, wenn Maschinen autonom Entscheidungen treffen. Sie fürchten eine Art ‚Blackbox‘, also ein System, dessen Verhalten sie nicht nachvollziehen können. Um das Potenzial dieser Systeme zu nutzen und Kapazitäten für persönliche Beratungsleistungen freizumachen, müssen wir stärker aufklären und den Bürgerinnen und Bürgern unbegründete Ängste nehmen“, so Prof. Dr. Helmut Krcmar, Sprecher des wissenschaftlichen Direktoriums von fortiss, dem Forschungsinstitut des Freistaats Bayern für softwareintensive Systeme und Services.
Staatliche digitale Identifikationswege können sich bislang schwer durchsetzen
Weder die Online-Ausweisfunktion (eID-Funktion) des Personalausweises in Deutschland noch die Handy-Signatur bzw. Bürgerkartenfunktion in Österreich bzw. die SuisseID in der Schweiz können sich bislang durchsetzen. Am besten ist das österreichische Identifikationsverfahren etabliert, das bereits 37 Prozent nutzen können. Über eine SuisseID verfügen, nach einem deutlichen Anstieg im letzten Jahr um 12 Prozentpunkte, aktuell 23 Prozent der Onliner. Die eID-Funktion des deutschen Personalausweises haben 22 Prozent freigeschaltet.
Wie aber würden sich die BürgerInnen im Internet gerne bei ihren Behörden identifizieren? Die bevorzugten Möglichkeiten sind die gleichen wie bei privaten Internetaktivitäten. Hier identifizieren sich die Nutzer am häufigsten mittels Benutzername und Passwort, an zweiter Stelle folgt das PIN/TAN-Verfahren. Das sind genau die digitalen Identifizierungsverfahren, die sich die Befragten aller drei Länder am häufigsten für ihre digitalen Behördendienste vorstellen können.
Beamtenbund dbb sieht Nachholbedarf
Der Bundesvorsitzende des Beamtenbundes dbb Ulrich Silberbach hat fehlende Fortschritte beim Thema Digitalisierung des öffentlichen Dienstes angemahnt.
„Wenn ein Unternehmer drei Jahre auf die Baugenehmigung warten muss, ist das für die Firma totes Kapital. Auf der Bundesebene gibt es mittlerweile in jedem Ministerium eine Fachabteilung für Digitalisierung, die vor sich hinwurschtelt. Das gleiche kann man runterbrechen auf die Länder und Kommunen. Jeder kocht sein eigenes Süppchen, und keiner hat eine Gesamtstrategie. Im Endeffekt erleben wir eine Neuauflage der Trauerspiele, die wir bereits bei der elektronischen Gesundheitskarte oder dem Digitalfunk hatten: da wird so lange rumgedoktort, bis der Zug längst abgefahren ist.“
Qualifizierung der Beschäftigten notwendig
Dabei sei die Digitalisierung für den öffentlichen Dienst eine große Chance, seine Rolle als Berater für Bürgerinnen und Bürger sowie für die Wirtschaft zu stärken, so der dbb Chef: „Kein Job wird deswegen wegfallen. Die Aufgabenfelder werden sich ändern, weg von der Aktenverwaltung, hin zum Service. Die Beschäftigten müssen dafür qualifiziert werden. Die Privatwirtschaft gibt vier bis sechs Prozent ihres Personaletats für Qualifizierung aus, im öffentlichen Dienst sind es zwei. Da muss draufgesattelt werden.“
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