Merkmal der Hauptberuflichkeit bei Erfahrungszeiten für Beamte

Bei der Festsetzung von Erfahrungszeiten ist zwischen Zeiten beruflicher Tätigkeit und Ausbildungszeiten zu unterscheiden. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Lüneburg. 

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg beschäftigte sich mit dem Fall eines Beamten der Besoldungsgruppe A7, der die Festsetzung einer höheren Erfahrungsstufe und damit eine höhere Besoldung verlangte.

Beamter verlangt Berücksichtigung von Qualifizierungszeit als Erfahrungszeit

Am 1. Oktober 2015 trat der Kläger als vollzeitbeschäftigter Tarifbeschäftigter (Entgeltgruppe 7 TV-L) in den Dienst des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes einer Stadt in Niedersachsen und nahm dort im Zeitraum vom 1. Oktober 2015 bis zum 30. Juni 2017 an der insgesamt 21-monatigen, modular aufgebauten „Berufsbegleitenden Qualifizierung des technischen Aufsichtsdienstes im Fachbereich Gewerbeaufsicht“ mit fortgesetzten Leistungskontrollen teil, die er mit einem Zertifikat abschloss. Zuvor hatte er eine Ausbildung zum Zweiradmechaniker absolviert und im Anschluss hieran die entsprechende Meisterschule besucht. Insgesamt war er im Zeitraum vom 28. Januar 2010 bis zum 31. Juli 2012 sowie vom 1. Juni 2013 bis zum 30. September 2015 als Zweiradmechaniker bzw. -meister tätig.

Im unmittelbaren Anschluss an die Qualifizierung war der Kläger aufgrund eines weiteren Arbeitsvertrages für ein volles Jahr - also für den Zeitraum vom 1. Juli 2017 bis zum 30. Juni 2018 - im unbefristeten Arbeitsverhältnis als Vollzeitbeschäftigter beim Staatlichen Gewerbeaufsichtsamt der Stadt tätig. Mit Wirkung vom 1. Juli 2018 wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Gewerbeobersekretär (Besoldungsgruppe A 7) ernannt.

Der Dienstherr setzte unter Verweis auf § 25 des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes (NBesG) für den Mechaniker den Beginn seiner ersten Erfahrungsstufe auf den 1. September 2013 fest. Dabei wurden als Erfahrungszeiten gemäß § 25 Abs. 2 Sätze 2 und 4 NBesG die zeitlich vor dem Eintritt des Klägers in das Beamtenverhältnis auf Probe liegenden Zeiten seiner Tätigkeit als Zweiradmechaniker (28. Januar 2010 bis zum 31. Juli 2012) sowie als Zweiradmechanikermeister (1. Juni 2013 bis 30. September 2015) anerkannt. Die Qualifizierungsmaßnahme im Zeitraum vom 1. Oktober 2015 bis zum 30. Juni 2017 wurde dagegen nicht anerkannt.

Der Mechaniker verlangte, auch diesen Zeitraum als Erfahrungszeit anzuerkennen. Er sei in diesem Zeitraum befristet als vollzeitbeschäftigter Tarifbeschäftigter im Niedersächsischen Landesdienst tätig gewesen. 

Der Dienstherr wies dies mit dem Argument zurück, die Zeiten vom 1. Oktober 2015 bis zum 30. Juni 2017 seien als Ausbildungszeiten zu qualifizieren und demnach nicht als Erfahrungszeit berücksichtigungsfähig. Das Verwaltungsgericht Hannover bestätigte diese Auffassung.

OVG: Zeiten gelten als nicht berücksichtigungsfähige Ausbildungstätigkeit

Das OVG schloss sich der Auffassung des Verwaltungsgerichts an. Der Dienstherr hat den in Rede stehenden Zeitraum zu Recht nicht als Erfahrungszeit anerkannt, weil die Voraussetzungen des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 NBesG nicht erfüllt waren, so das Gericht. Bei der Qualifizierung habe es sich nicht um eine hauptberufliche Tätigkeit, sondern um eine Ausbildungstätigkeit gehandelt.

Der Begriff der Hauptberuflichkeit stehe u.a. im Gegensatz zum Begriff der Ausbildung (BVerwG, Urteil vom 14.12.2017, BVerwG 2 C 25.16, juris Rn. 14). Ausbildungszeiten sind keine Zeiten beruflicher Tätigkeit im Sinne derjenigen Normen, die bei der Stufenfestsetzung die Berücksichtigung von Vortätigkeitszeiten als Erfahrungszeiten ermöglichen. Denn Berufserfahrung kann nur im Beruf und nicht in der Berufsausbildung erworben werden.

Ausbildungszweck stand im Vordergrund

Der in Rede stehende Zeitraum sei auch nicht deshalb als „beruflicher“ Zeitraum zu qualifizieren, weil während dieses Zeitraums durchgehend eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 7 der Entgeltordnung zum TV-L gezahlt wurde und eine tarifliche Eingruppierung von der tatsächlichen Aufgabenwahrnehmung abhängt. Denn für die Teilnahme an den zentral von der Ausbildungsleitung organisierten Qualifizierungsmaßnahmen einschließlich der erforderlichen Vor- und Nachbereitungszeiten sowie den in der Praxis zu erbringenden Leistungsnachweisen (Anordnung, Probebesichtigung, Probearbeiten und Aktenvortrag) werden die zu Qualifizierenden von anderen Tätigkeiten freigestellt.

Dass sich die Zeit der „berufsbegleitenden Qualifizierung des technischen Aufsichtsdienstes im Fachbereich Gewerbeaufsicht“ im Zeitraum vom 1. Oktober 2015 bis zum 30. Juni 2017 inhaltlich von der im Anschluss hieran verbrachten Tätigkeit beim Staatlichen Gewerbeaufsichtsamt im Zeitraum vom 1. Juli 2017 bis zum 30. Juni 2018 maßgeblich unterscheidet, gehe im Übrigen auch aus den entsprechenden Arbeitsverträgen hervor, so das Gericht.

(OVG Lüneburg, Beschluss v. 28.7.2021, 5 LA 69/20)


Schlagworte zum Thema:  Verwaltungsgericht, Beamte, Vergütung