Millionen Überstunden im öffentlichen Dienst

Die Arbeitsbelastung im öffentlichen Dienst ist in Nordrhein-Westfalen in den letzten Jahren gestiegen. Gleichzeitig gibt es Personalengpässe und häufig unplanbare Zusatzeinsätze. Mehrere Gewerkschaften haben eine Arbeitszeitverkürzung im öffentlichen Dienst und einen verlässlichen Überstundenausgleich gefordert. Ist ein Langzeitarbeitskonto die Lösung? 

Forderung: 41-Stunden-Woche in NRW auf 38,5 Stunden reduzieren

Konkret verlangen die Sachverständigen der Gewerkschaften, die vor 20 Jahren eingeführte 41-Stunden-Wochen für Beamte endlich wieder auf die üblichen 38,5 Stunden zurückzuschrauben. Das geht aus vorab veröffentlichten schriftlichen Stellungnahmen für eine Expertenanhörung im Finanzausschuss des Düsseldorfer Landtags am kommenden Dienstag, 8.8.2023, hervor.

Anlass der Stellungnahmen ist ein Antrag der FDP-Opposition. Sie fordert, die hohen Überstundenberge im öffentlichen Dienst vor Verfall zu schützen. Dazu müssten endlich in allen Ressorts Langzeitarbeitskonten eingeführt werden, auf die sämtliche geleistete Mehrarbeit übertragen wird, heißt es im Antrag der Landtagsfraktion. Keine Überstunde aus behördlich angeordneter Mehrarbeit dürfe ohne Ausgleich verloren gehen.

Die Vorgängerkoalition der CDU mit der FDP hatte im vergangenen Jahr das rechtliche Instrumentarium für Langzeitarbeitskonten geschaffen. Allerdings seien sie bislang immer noch die Ausnahme, stellte die FDP fest. Zudem laufe der bislang per Erlass gewährte Verfallschutz für Überstunden bald aus - bislang ohne Nachfolgeregelung.

Millionen von Mehrarbeitsstunden allein bei der Polizei

Die Gewerkschaften kritisierten, dass zudem die von der Vorgängerregierung fixierte Begrenzung auf maximal 122 übertragbare Mehrarbeitsstunden pro Jahr praxisfern und unzureichend sei. Der nordrhein-westfälische Verband der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) sprach von einem Berg an über fünf Millionen Mehrarbeitsstunden allein bei der Polizei.

Hessisches Modell des Lebensarbeitszeitkontos als Vorbild?

Als vorbildlich führen mehrere Gewerkschaften das schon 2007 eingeführte hessische Modell eines Lebensarbeitszeitkontos an. Damit sparen Beamte bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres automatisch eine Stunde pro Woche an, arbeiten aber zunächst 41 Stunden pro Woche weiter. Das angesparte Zeitguthaben kann auch für einen früheren Ruhestand genutzt werden.

Eine solche Lösung vermissen die Interessenvertreter in NRW. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) möchte auch die vielen rechtlich unklaren Rufbereitschaftsstunden auf die Langzeitkonten übertragen.

Perspektivisch Abbau von Überstunden einplanen

Die Deutsche Steuer-Gewerkschaft warf allerdings die Frage auf, wie denn das Land damit umgehen werde, wenn die Ansprüche aus den Langzeitarbeitskonten irgendwann abgebaut würden. Letztlich nehme der Arbeitgeber bei seinen Beschäftigten «ein Zeit-Darlehen auf, ohne zu wissen, wie er es bei sinkenden Beschäftigtenzahlen und gleichbleibender Arbeitsbelastung zurückzahlen will».

Tatsächlich seien bei den Beamten sogar 44 Wochenstunden «eher die Regel als die Ausnahme», stellte der Deutsche Gewerkschaftsbund fest. So lasse sich der Fachkräftemangel nicht beheben. Auch die GdP mahnte, eine 41-Stunden-Woche in Kombination mit Schicht- und Mehrarbeit führe bei Bewerbern immer wieder dazu, «dass die Berufswahl regelmäßig in andere Bereiche fällt».

Mehr als 20.000 Stellen im öffentlichen Dienst in NRW unbesetzt

Angesichts der knappen Personaldecke sei ein Ende der Überstunden-Misere nicht in Sicht, stellte die FDP fest. «Das aktuelle Volumen an Überstunden und von angeordneter Mehrarbeit entspricht einem Äquivalent Tausender Vollzeitstellen.» Die Daten der Landesregierung zeigten, dass sich die Zahl der unbesetzten Stellen im Landesdienst stabil auf mehr als 20.000 eingependelt habe. Aktuell fehlten rund 17.000 Beamte und mehr als 4.000 Tarifbeschäftigte.

dpa

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