Tarifabschlüsse im ÖPNV auf Landesebene
Für die Beschäftigten der Unternehmen im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) liegen erste Tarifergebnisse vor. In Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen wurde eine Corona-Prämie vereinbart, weitere Verhandlungen in anderen Bundesländern stehen in den nächsten Tagen noch an. Damit das Geld steuer- und abgabenfrei ist, muss die Prämie noch in diesem Jahr ausgezahlt werden.
Ergebnisse für Baden-Württemberg
ver.di und der kommunale Arbeitgeberverband (KAV) einigten sich auf die Übernahme des Tarifabschlusses im öffentlichen Dienst inklusive der Corona-Prämie sowie weitere Verbesserungen.
So wird das Urlaubsgeld um 120 Euro erhöht, ab 2023 ein Entlastungstag nach zehn Jahren Betriebszugehörigkeit eingeführt; für Fahrerinnen und Fahrer und Beschäftigte im Schichtdienst mit zehn Jahren Betriebszugehörigkeit schon ab 2022.
Auszubildende bekommen künftig ein Jahr ihrer Ausbildungszeit auf die Stufenlaufzeit angerechnet. Die Regelung für die volle Corona-Prämie von 600 Euro wurde so angepasst, dass sie für die meisten Beschäftigten, darunter alle Fahrerinnen und Fahrer und fast alle Werkstattbeschäftigten gilt. Die ver.di Tarifkommission hat diesem Ergebnis zugestimmt.
Andreas Schackert, ver.di Verhandlungsführer: „Weil die Corona-Prämie auch für alle Fahrerinnen und Fahrer in der vollen Höhe von 600 Euro kommt, konnte heute schließlich ein Abschluss gefunden werden. Damit erhalten die Beschäftigten noch dieses Jahr die steuer- und abgabenfreie Sonderzahlung und auch wieder das volle Weihnachtsgeld. Die weiteren Verbesserungen sehen wir als ersten Schritt hin zu besseren Arbeitsbedingungen. Die für einen Manteltarifvertrag sehr kurze Laufzeit gibt uns schon in gut zwei Jahren die Chance, dann hoffentlich ohne Pandemie-Bedingungen den notwendigen zweiten Schritt zu machen.“
In Baden-Württemberg gilt der TV-N für rund 6.400 Beschäftigte in sieben kommunalen Verkehrsbetrieben in Stuttgart, Karlsruhe, Baden-Baden, Freiburg, Konstanz, Esslingen und Heilbronn.
Ergebnisse für Bayern
Es wurde eine Übergangslösung bis Frühjahr 2021 gefunden. Dann sollen die Verhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern erneut aufgenommen werden. Bis Ende April 2021 besteht Friedenspflicht. Weitere Arbeitskämpfe sind bis zu diesem Zeitpunkt ausgeschlossen.
Gewerkschaften und Arbeitgeber haben sich auf eine über den Abschluss im öffentlichen Dienst hinausgehende Corona-Sonderzahlung zwischen 350 und 700 Euro sowie auf eine finanzielle Entlastung beim Zusatzurlaub verständigt. Wer fünf freie Extra-Tage nimmt, verzichtet künftig auf 2,25 statt bisher 2,5 Prozent Gehalt.
Die Tarifparteien einigten sich auf eine Corona-Sonderzahlung in Höhe von
- 700 Euro für die Entgeltgruppen 1 bis 6
- 470 Euro für die Entgeltgruppen 7 bis 10
- 350 Euro für die Entgeltgruppen 11 bis 15
- 225 Euro für Auszubildende
Die Laufzeit der Entgelttabellen und des Manteltarifvertrags wurde bis zum 30. April 2021 festgelegt (ab diesem Zeitpunkt wird neu verhandelt). Zudem wurde eine Verbesserung der Möglichkeit der Umwandlung von „Geld in Zeit“ vereinbart. Für die Auszubildenden der bayerischen Nahverkehrsunternehmen wurde die Übernahme des Tarifvertrags Ausbildung im öffentlichen Dienst (TVAöD) bis zum 31.12.2022 vereinbart.
Die Arbeitgeber hatten ihr Angebot modifiziert, um auf die Forderungen der Gewerkschaften einzugehen. So wurde den Gewerkschaften neben der attraktiveren Gestaltung der zusätzlichen Entlastungstage die Übernahme des Tarifabschlusses des öffentlichen Dienstes mit einer Laufzeit bis Ende 2022 vorgeschlagen. Im Falle einer Laufzeit bis Ende 2023 hatten die Arbeitgeber über den Abschluss des öffentlichen Dienstes hinaus weitere Verbesserungen angeboten – mit einem Volumen von insgesamt 5,4 Prozent.
Zu dem erweiterten Angebot gehörte unter anderem ein Ausbau der bereits 2018 geschaffenen Möglichkeit von fünf Entlastungstagen um vier zusätzliche freie Tage. Die Beschäftigten sollten ein Wahlrecht zwischen diesen vier weiteren Urlaubstagen und einer Entgelterhöhung um 1,8 Prozent für das Jahr 2023 erhalten. Alternativ hätten langjährige Mitarbeiter einen bezahlten Entlastungstag in Anspruch nehmen können. Damit wären im Schichtdienst in Einzelfällen insgesamt mehr als 45 freie Tage im Jahr möglich gewesen. Beide Optionen wurden von den Gewerkschaften abgelehnt. Sie beharrten auf einer pauschalen Verkürzung der Arbeitszeit für alle.
Ergebnisse für Hessen
Der Kommunale Arbeitgeberverband Hessen (KAV) und die Gewerkschaft ver.di haben am 25. November 2020 mitgeteilt, dass ein Tarifabschluss für die kommunalen Beschäftigten im öffentlichen Nahverkehr in Hessen zustande gekommen ist.
Die monatlichen Entgelte werden demnach zweimal um einen Festbetrag von 99 Euro erhöht: Das erste Mal am 1. April 2021, das zweite Mal am 1. April 2022. Zudem gibt es nach der Einigung im Dezember eine steuer- und abgabenfreie Corona-Prämie zwischen 500 und 1000 Euro. Ferner bekommen die Beschäftigten bis zu drei Entlastungstage, also arbeitsfreie Tage. Schließlich werde der Tarifvertrag von 2023 an wieder an die Tarifentwicklung des öffentlichen Dienstes gekoppelt. Die Laufzeit des Manteltarifvertrags ende am 31. Dezember 2023.
Ergebnisse für Nordrhein-Westfalen
ver.di und der kommunale Arbeitgeberverband (KAV NW) einigten sich auf die Übernahme des Tarifabschlusses im öffentlichen Dienst, inklusive der Corona-Prämie sowie weiterer Verbesserungen, wie einer Anhebung der Jahressonderzahlung und der Abschaffung der umstrittenen Entgeltgruppe 5a zum 1. Februar 2021. Die ver.di-Tarifkommission hat dem Ergebnis mehrheitlich zugestimmt.
Die Tabellenentgelte sollen demnach:
- ab dem 1.4.2021 um 1,4 Prozent, mindestens aber um 50 Euro,
- sowie ab dem 1.4.2022 um weitere 1,8 Prozent angehoben werden.
- Steuerfreie Corona-Sonderzahlung in Höhe von 600 Euro / Verhältnis Arbeitszeit.
Der Tarifvertrag tritt rückwirkend zum 30. März 2020 in Kraft. Er ist zum 31. Dezember 2023 erstmalig kündbar.
Peter Büddicker, Landesfachbereichsleiter Verkehr bei ver.di sagte: „Wir befinden uns mitten in der Corona-Pandemie in einer Ausnahmesituation. Vor diesem Hintergrund haben wir für den kommunalen Nahverkehr einen annehmbaren Tarifabschluss erzielt. Die Erfolge für die Beschäftigten liegen ganz klar in der Übernahme des Tarifergebnisses der Tarifrunde im öffentlichen Dienst, der Anhebung der Jahressonderzahlung um 5 Prozent sowie der Abschaffung der Entgeltgruppe 5a. Damit erhalten alle Beschäftigten noch dieses Jahr die steuer- und abgabenfreie Sonderzahlung. Außerdem haben wir uns darauf geeinigt, bereits im Jahr 2022 nötige Anpassungen in der Entgeltordnung gemeinsam anzugehen. Dass weitere Verbesserungen im Manteltarifvertrag, wie die Anpassungen der Ruhe- und Pausenzeiten, mit Blick auf die Entlastung der Beschäftigten jetzt nicht durchsetzbar waren, ist schmerzhaft, für deren Durchsetzung wären aber wohl weitere intensive Streikmaßnahmen notwendig gewesen. Wir werden spätestens 2023 das Thema der Entlastung weiter angehen.“
In Nordrhein-Westfalen gilt der TV-N für rund 30.000 Beschäftigte kommunaler Nahverkehrsbetriebe. Auszubildende, Praktikantinnen und Praktikanten sowie Dual Studierende fallen nicht unter den Tarifvertrag des Nahverkehrs.
Ergebnisse für Rheinland-Pfalz
Für die rund 2000 Beschäftigten kommunaler Nahverkehrsbetriebe in Mainz, Trier, Kaiserslautern und Pirmasens gibt es einen neuen Bezirkstarifvertrag. Der überwiegende Teil der Busunternehmen in anderen Städten sei privat organisiert und falle daher nicht unter diesen Tarifvertrag, sagte der Verdi-Landesfachbereichsleiter Verkehr, Jürgen Jung.
Die Arbeitnehmer der kommunalen Nahverkehrsunternehmen erhalten demnach vom 1. April 2021 an 1,4 Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 50 Euro. Ein Jahr später sollen die Entgelte dann nochmal um 1,8 Prozent steigen.
Auch eine einmalige steuerfreie Corona-Sonderzahlung zwischen 700 und 1000 Euro wurde vereinbart, wobei der Großteil der Mitarbeiter 1000 Euro erhalte, sagte der stellvertretende Geschäftsführer des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Rheinland-Pfalz, Norbert Heymann.
Der Tarifvertrag tritt Heymann zufolge rückwirkend zum 1. Juli 2020 in Kraft und läuft bis Ende 2023.
Ergebnisse für Sachsen
Für angestellte Busfahrer und Lokführer gibt es mehr Geld und mehr Urlaub. Gleichzeitig wird die wöchentliche Arbeitszeit reduziert und der Abschluss im öffentlichen Dienst (TVöD) übernommen.
Die rund 6.500 Beschäftigten erhalten eine Corona-Prämie in Höhe von 600 Euro. Außerdem wurden gestaffelte Lohnerhöhungen vereinbart, die ab April 2021 starten sollen. Die Jahressonderzahlung für die Beschäftigten steigt um rund 200 Euro. Ab April 2023 wird die wöchentliche Arbeitszeit der Beschäftigten auf 38 Stunden reduziert - bei vollem Lohnausgleich. Zusätzlich gibt es vom kommenden Jahr an einen Tag mehr Urlaub. Bei den Auszubildenden wird künftig die dreijährige Ausbildungszeit in der Gehaltstabelle angerechnet. Dadurch können sie schneller in höhere Entgeltstufen gelangen.
Der neue Tarifvertrag gilt bis Ende 2023.
Verhandlungen in anderen Bundesländern
Verhandlungen in allen anderen Bundesländern stehen in dieser und den nächsten Wochen an. „Durch die angestiegenen Infektionszahlen ist die Situation schwierig, sowohl Streiks als auch ein Pausieren der Verhandlungen könnte sinnvoll sein“, sagt Mira Ball, die Leiterin der ver.di-Bundesfachgruppe Busse und Bahnen. Über eine Unterbrechung der Verhandlungen bis zum 31. Mai 2021 mit Zahlung einer Corona-Prämie stimmen in dieser Woche noch die ver.di-Mitglieder im Land Bremen ab.
Gewerkschaften streben weiterhin bundeseinheitliche Regelungen an
In der Tarifrunde zum TV Nahverkehr (TV-N) um die Arbeitsbedingungen von bundesweit 87.000 Beschäftigten des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) hatten die Gewerkschaften ver.di und dbb die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) aufgefordert, zusätzlich zu den Verhandlungen auf Landesebene parallel Verhandlungen zu einem bundesweiten Rahmentarifvertrag für die Beschäftigten kommunaler Nahverkehrsbetriebe aufzunehmen. Die Gewerkschaften hatten in diesem Zusammenhang sämtliche Manteltarifverträge für den kommunalen Nahverkehr in allen Ländern zum 30. Juni 2020 gekündigt.
Doch die VKA weigerte sich, einen Rahmentarifvertrag jetzt zu verhandeln, hat jedoch laut ver.di Gespräche über einen möglichen Prozess in der Zukunft zugesagt. Die Gewerkschaft möchte weiter erste Schritte in Richtung eines einheitlichen Niveau gehen. So wurden die Verhandlungen in den Ländern um die bundesweiten Forderungen ergänzt.
VKA lehnt parallele Verhandlungen auf Bundesebene und Landesebene ab
Die Mitgliederversammlung der VKA hat in ihrer Sitzung am 19. September 2020 beschlossen, der VKA kein Verhandlungsmandat zur Aufnahme von Tarifverhandlungen über den Abschluss eines bundeseinheitlichen Rahmentarifvertrags für den Nahverkehrsbereich zu erteilen.
Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) hatte auf die Zuständigkeit ihrer Mitgliedverbände, der 16 kommunalen Arbeitgeberverbände (KAV) in den einzelnen Bundesländern, hingewiesen.
Die Mitgliederversammlung hat laut Satzung der VKA vom 21. November 2008 die Aufgabe, die VKA oder eines ihrer Gremien „mit der Durchführung von Tarifverhandlungen zu beauftragen“. Ein solches Mandat sei jedoch nicht erteilt worden.
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