Urteil: Jahrelange befristete Arbeitszeiterhöhung

Eine befristete Arbeitszeiterhöhung kann unwirksam sein, wenn Arbeits­zeit­erhöhungen seit Jahren befristet vereinbart wurden, der Arbeitgeber aber einen dauerhaften Bedarf an einer umfangreicheren Arbeitsleistung hat. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied, dass der betroffene Arbeitnehmer in diesem Fall unangemessen benachteiligt sein kann.

Das Bundesarbeitsgericht beschäftigte sich mit dem Fall befristeter Arbeitszeiterhöhungen eines Lehrers und der Frage, ob der Lehrer einen Anspruch auf Aufstockung seines Stundendeputats hatte.

Der Fall: Jahrelange befristete Arbeitszeiterhöhungen eines Lehrers

Der Kläger war als Lehrkraft an einer katholischen Heimschule beschäftigt. Seit Anfang 1995 schloss er mit der beklagten Trägerin des Heims befristete Arbeitsverträge mit Stundendeputaten zwischen drei und elf Unterrichtsstunden pro Woche ab. Ab dem Schuljahr 2001/2002 wurde jeweils befristet für ein Schuljahr die Erhöhung des Stundendeputats des Lehrers vereinbart. Als Grund für die Befristung ist in den Verträgen überwiegend Teilzeitbeschäftigung, Deputatsreduzierung, Urlaub oder Erkrankung anderer Lehrkräfte genannt, seit dem Schuljahr 2010/2011 wird als Befristungsgrund außerdem die Umstellung von G9 auf G8 angegeben, d. h. die Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur von 13 auf zwölf Jahre ab Beginn des Schuljahres 2012/2013. Für das Schuljahr 2011/2012, d. h. für die Zeit vom 1. September 2011 bis zum 31. August 2012, schlossen die Parteien am 12./19. September 2011 einen Zusatzvertrag über ein zusätzliches Unterrichtsdeputat von vier Wochenstunden ab. Als Befristungsgrund ist die Deputatsreduzierung anderer Lehrkräfte angegeben. Auf das Arbeitsverhältnis fand die Arbeitsvertragsordnung für den Kirchlichen Dienst in der Erzdiözese Freiburg (AVO) Anwendung.

Der Lehrer erhob Klage gegen die Schulträgerin und trug vor, der in den Zusatzverträgen jeweils angegebene Befristungsgrund „Deputatsreduzierung anderer Lehrkräfte” über Jahre hinweg belege, dass während der gesamten Zeit Bedarf für eine über zwölf Unterrichtsstunden hinausgehende Beschäftigung bestanden habe. Die Beklagte habe in den vergangenen Jahren auch immer wieder Neueinstellungen vorgenommen, anstatt ihn bei der Vergabe zusätzlicher Stunden vorrangig zu berücksichtigen.

Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht hielten die befristete Erhöhung der Unterrichtsstunden für unwirksam. Dagegen ging die Schulträgerin in Revision. 

BAG: Befristete Arbeitszeiterhöhung ist unwirksam

Das BAG stellte fest, der Lehrer sei durch die befristete Arbeitszeiterhöhung gemäß § 307 Abs. 1 BGB unangemessen benachteiligt worden.

Die Schulträgerin hat zwar grundsätzlich ein berechtigtes Interesse daran, im Hinblick auf immer wieder auftretende längerfristige Ausfälle von Lehrkräften oder Änderungen in der Anzahl, deren Unterrichtsstunden die Arbeitszeit anderer Lehrkräfte vorübergehend schuljahresbezogen aufzustocken. Dem steht aber das berechtigte Interesse des Lehrers an der unbefristeten Vereinbarung des Arbeitszeitumfangs entgegen. Vom Umfang der Arbeitszeit hänge auch sein Einkommen ab. Die seit dem Schuljahr 2001/2002 wiederholt befristete Aufstockung der Unterrichtsstunden sprach nach Auffassung des BAG dafür, dass ein ständiger Bedarf an zusätzlicher Arbeitsleistung durch den Lehrer vorgelegen habe. Der Mehrbedarf sei ein Dauerzustand gewesen.

TzBfG nur bei Arbeitszeiterhöhung von mindestens 25% anwendbar, in anderen Fällen § 307 Abs. 1 BGB

Im Falle einer Aufstockung der Arbeitszeit in erheblichem Umfang müssen Umstände vorliegen, die die Befristung eines Arbeitsvertrags insgesamt über das erhöhte Arbeitsvolumen nach § 14 Abs. 1 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) rechtfertigen können. Nur dann ist eine unangemessene Benachteiligung auszuschließen.

Eine Arbeitszeiterhöhung in erheblichem Umfang liegt in der Regel vor, wenn sich das Aufstockungsvolumen auf mindestens 25 % eines entsprechenden Vollzeitarbeitsverhältnisses beläuft. Ist das Aufstockungsvolumen - wie im vorliegenden Fall - geringer, ist anhand einer umfassenden Abwägung der beiderseitigen Interessen nach § 307 Abs. 1 BGB zu prüfen, ob der Arbeitnehmer durch die Befristung unangemessen benachteiligt wird. Gegenstand der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB ist zwar die zuletzt vereinbarte Befristung der Arbeitszeiterhöhung. Bei der Angemessenheitsprüfung können jedoch auch die Anzahl der in der Vergangenheit getroffenen befristeten Aufstockungsvereinbarungen und die Gesamtdauer des Aufstockungszeitraums berücksichtigt werden (BAG, Urteil v. 23.3.2016, 7 AZR 828/13).


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