Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsgeld. Beamtenrecht. Nachwirkung. Bezugnahme auf beamtenrechtliche Regelungen. Nachwirkender Tarifvertrag. Inhaltskontrolle
Leitsatz (amtlich)
Trifft der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer eine andere Abmachung iSv.§ 4 Abs. 5 TVG in der Form einer Allgemeinen Geschäftsbedingung, sostellt das noch keine "von Rechtsvorschriften abweichende oder dieseergänzende Regelung" iSv. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB dar. Die nach § 307Abs. 2 Nr. 1 BGB vorzunehmende Prüfung, ob eine unangemesseneBenachteiligung anzunehmen ist, hat sich nicht am Inhalt dernachwirkenden Rechtsnormen des abgelaufenen Tarifvertrages zuorientieren.
Orientierungssatz
1. Rechtsnormen eines gekündigten Tarifvertrages wirken gemäß § 4 Abs. 5 TVG weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Voraussetzung für die Nachwirkung ist, dass zum Zeitpunkt des Ablaufes des Tarifvertrages ein Arbeitsverhältnis besteht, das von den Rechtsnormen des Tarifvertrages erfasst wird. Als “andere Abmachung” iSd. § 4 Abs. 5 TVG gilt auch eine ersetzende arbeitsvertragliche Vereinbarung. Diese kann schon vor Beginn der Nachwirkung getroffen werden.
2. Eine uneingeschränkte Inhaltskontrolle findet nach § 307 Abs. 3 BGB nur statt, soweit von Rechtsvorschriften “abweichende oder diese ergänzende Regelungen” vereinbart worden sind.
3. Wird eine “andere Abmachung” iSv. § 4 Abs. 5 TVG in Form einer vom Arbeitgeber aufgestellten Allgemeinen Vertragsbedingung vereinbart, so stellt sie keine Abweichung oder Ergänzung einer Rechtsvorschrift iSv. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB dar.
4. Sieht eine vorformulierte Arbeitsvertragsklausel vor, dass sich die Höhe des Urlaubsgeldes eines im öffentlichen Dienst beschäftigten Angestellten nach der Höhe des vergleichbaren Beamten des öffentlichen Arbeitgebers gewährten Urlaubsgeldes richtet, ist diese Bestimmung weder unklar noch unverständlich iSd. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Gewährt der öffentliche Arbeitgeber seinen Beamten kein Urlaubsgeld mehr, entfällt auch ein Anspruch des Angestellten auf ein solches.
Normenkette
BGB §§ 307, 310; TVG §§ 3-4; KSchG §§ 1, 7; TzBfG §§ 15, 17
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Urteil vom 26.06.2006; Aktenzeichen 11 Sa 1989/05) |
ArbG Stade (Urteil vom 05.10.2005; Aktenzeichen 2 Ca 386/05) |
Tenor
Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 26. Juni 2006 – 11 Sa 1989/05 – aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stade vom 5. Oktober 2005 – 2 Ca 386/05 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Urlaubsgeld.
Die Klägerin, seit Januar 2001 Mitglied der Gewerkschaft ver.di, war seit 1996 auf Grund von insgesamt neun befristeten Arbeitsverträgen ununterbrochen als pädagogische Mitarbeiterin beim beklagten Land beschäftigt. Allen Arbeitsverträgen lag der Befristungsgrund “Beschäftigung zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers” zugrunde. Am 8. Juli 2003 schlossen die Parteien einen “Vertrag zur Änderung des Arbeitsvertrages vom 07.04.2000, in der Fassung vom 01.04.2003”. § 1 dieses Änderungsvertrages lautet:
“§ 2 des Vertrages wird mit Wirkung vom 01.08.2003 wie folgt geändert:
Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung, insbesondere den SR 2y BAT. Außerdem finden die im Bereich des Arbeitgebers jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung. Der gekündigte Beihilfetarifvertrag findet keine Anwendung.
Die gekündigten Tarifverträge über die Sonderzuwendung für Angestellte vom 12.10.1973 und ein Urlaubsgeld für Angestellte vom 16.03.1977 finden keine Anwendung.
Stattdessen gilt folgende Vereinbarung:
Bis zu einer tarifvertraglichen Neuregelung erhält die oder der Angestellte eine Zuwendung und ein Urlaubsgeld in der Höhe, wie sie das Land vergleichbaren Beamtinnen und Beamten gewährt.”
Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder hatte vor Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages den Tarifvertrag über ein Urlaubsgeld für Angestellte vom 16. März 1977 (TV Urlaubsgeld) zum 31. Juli 2003 gekündigt. Bis Ende 2005 wurde kein neuer Tarifvertrag über Urlaubsgeld geschlossen.
Auf Grund eines weiteren schriftlichen Arbeitsvertrages vom 22. Dezember 2004 steht die Klägerin seit dem 1. Januar 2005 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis beim beklagten Land. Dieser Arbeitsvertrag lautet, soweit vorliegend von Interesse:
Ҥ 2
Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die im Bereich des Arbeitgebers jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung.
Der gekündigte Tarifvertrag über die Beihilfe findet keine Anwendung.
Die gekündigten Tarifverträge über die Sonderzuwendung für Angestellte vom 12.10.1973 und ein Urlaubsgeld für Angestellte vom 16.03.1977 gelten bis zum Zeitpunkt einer neuen Vereinbarung mit der Maßgabe fort, dass die Sonderzahlungen in der Höhe gewährt werden, wie sie die vergleichbaren Beamtinnen und Beamten des Landes erhalten. …
§ 7
Ihr befristetes Arbeitsverhältnis (Arbeitsvertrag vom 16.06.2004) endet mit Ablauf des 31.12.2004.”
Die Beamten des beklagten Landes erhielten im Jahre 2005 kein Urlaubsgeld. Auf Grund der Neubekanntmachung des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes (NBesG) vom 11. Februar 2004 (Nds. GVBl. S. 44, 46) waren beim beklagten Land für alle Beamten die Sonderzuwendung und das Urlaubsgeld mit sofortiger Wirkung einheitlich durch die Zahlung eines monatlichen Zuschlages zu den Beamtenbezügen ersetzt worden (§ 8 NBesG idF vom 11. Februar 2004). Diese Regelung wurde durch das Haushaltsbegleitgesetz 2005 vom 17. Dezember 2004 (Nds. GVBl. S. 664, 665) dahingehend geändert, dass Beamte der Besoldungsgruppen A 2 bis A 8 neben ihren Dienstbezügen für den Monat Dezember einen Festbetrag in Höhe von 420,00 Euro als jährliche Sonderzuwendung erhalten (Art. 5 Haushaltsbegleitgesetz 2005). Für die höheren Besoldungsgruppen war keine Zahlung vorgesehen. Einen Anspruch auf ein zusätzliches Urlaubsgeld sehen die gesetzlichen Bestimmungen nicht vor.
Das beklagte Land zahlte auch der Klägerin für das Jahr 2005 kein Urlaubsgeld. Die Klägerin meint, ihr stehe auf Grund der Nachwirkungen des Tarifvertrages weiterhin ein Urlaubsgeld zu. Eine wirksame, diesen Anspruch ausschließende Vereinbarung sei zwischen den Parteien nicht getroffen worden.
Die Klägerin hat beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, an sie 127,83 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 26. Juli 2005 zu zahlen.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es vertritt die Ansicht, die arbeitsvertraglich getroffene Regelung, dass Sonderzahlungen nur in der Höhe gewährt werden, wie sie vergleichbare Beamte erhalten, sei wirksam und schließe einen Anspruch der Klägerin auf Urlaubsgeld für das Jahr 2005 aus.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt das beklagte Land seinen Klageabweisungsantrag weiter, während die Klägerin die Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des beklagten Landes ist begründet. Die Klägerin hat für das Jahr 2005 keinen Anspruch auf Zahlung eines Urlaubsgeldes.
I. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, bei § 2 des Arbeitsvertrages vom 22. Dezember 2004 handele es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. §§ 305 ff. BGB, weil das beklagte Land derartige Vertragsformulare standardisiert für alle Angestellten verwende. Diese Vertragsklausel schließe zwar einen Anspruch der Klägerin auf Urlaubsgeld für das Jahr 2005 aus, weil den Beamten des beklagten Landes für dieses Jahr kein Urlaubsgeldanspruch zustehe. Die Arbeitsvertragsklausel sei aber unwirksam, da sie gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstoße. Das Land habe als Verwender der vorformulierten Vertragsbedingungen deutlich machen müssen, dass die Klägerin gleichsam einen Verzicht auf jegliche Sonderzahlungen unterzeichne.
Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
II. Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat für das Jahr 2005 keinen Anspruch auf Urlaubsgeld gemäß § 1 Abs. 1 TV Urlaubsgeld.
1. Die Rechtsnormen dieses zum 31. Juli 2003 gekündigten Tarifvertrages galten nach § 4 Abs. 5 TVG ab dem 1. August 2003 für das Arbeitsverhältnis der Klägerin im Wege der Nachwirkung weiter. Die Tarifvertragsparteien haben bis Ende 2005 keine andere, ersetzende Abmachung iSd. § 4 Abs. 5 TVG getroffen, die den Regelungsgegenstand Urlaubsgeld betrifft.
a) Zwischen den Parteien bestand zum Zeitpunkt des auf Grund der Kündigung durch die Tarifgemeinschaft deutscher Länder herbeigeführten Ablaufes des TV Urlaubsgeld am 31. Juli 2003 ein Arbeitsverhältnis. Die Parteien haben am 1. April 2003 einen “Vertrag zur Änderung des Arbeitsvertrages vom 07.04.2000, in der Fassung vom 25.03.2002” geschlossen, demzufolge die Klägerin als Aushilfsangestellte “längstens bis zum 31.07.2004 im niedersächsischen Landesdienst weiterbeschäftigt” werden sollte. Da vor Ablauf des Tarifvertrages ein Arbeitsverhältnis der Parteien bestand, gelten seine Rechtsnormen nach § 4 Abs. 5 TVG weiter. Das folgt aus der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Danach gelten Rechtsnormen eines Tarifvertrages für Arbeitsverhältnisse weiter, die bereits vor dem Ablauf des Tarifvertrages bestanden haben, von dessen Rechtsnormen erfasst wurden und im Nachwirkungszeitraum weiter bestehen. Von der Nachwirkung ausgenommen werden nur Arbeitsverhältnisse, welche erst im Nachwirkungszeitraum begründet worden sind (st. Rspr. vgl. 2. März 2004 – 1 AZR 271/03 – BAGE 109, 369; 7. November 2001 – 4 AZR 703/00 – BAGE 99, 283; 22. Juli 1998 – 4 AZR 403/97 – BAGE 89, 241).
b) Die Rechtsnormen des TV Urlaubsgeld fanden auf Grund beiderseitiger Verbandszugehörigkeit auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG zwingend Anwendung. Damit ist auch diese nach der Rechtsprechung erforderliche Voraussetzung für eine Nachwirkung von Tarifnormen nach § 4 Abs. 5 TVG erfüllt (vgl. BAG 10. Dezember 1997 – 4 AZR 247/96 – BAGE 87, 257).
2. Die Arbeitsvertragsparteien haben im Nachwirkungszeitraum des TV Urlaubsgeld eine wirksame “andere Abmachung” iSd. § 4 Abs. 5 TVG getroffen, durch welche die nachwirkenden Rechtsnormen dieses Tarifvertrages ersetzt worden sind.
a) Die Parteien haben in § 1 des am 8. Juli 2003 geschlossenen Vertrages “zur Änderung des Arbeitsvertrages vom 07.04.2000, in der Fassung vom 01.04.2003” ua. vereinbart:
“Die gekündigten Tarifverträge über die Sonderzuwendung für Angestellte vom 12.10.1973 und ein Urlaubsgeld für Angestellte vom 16.03.1997 finden keine Anwendung.
Stattdessen gilt folgende Vereinbarung:
Bis zu einer tarifvertraglichen Neuregelung erhält die oder der Angestellte eine Zuwendung und ein Urlaubsgeld in der Höhe, wie sie das Land vergleichbaren Beamtinnen und Beamten gewährt.”
b) Tarifrechtlich bestehen keine Bedenken, Inhaltsnormen eines Tarifvertrages, die gemäß § 4 Abs. 5 TVG Nachwirkung entfalten, durch arbeitsvertragliche Vereinbarungen während des Nachwirkungszeitraumes zu ändern (st. Rspr. vgl. BAG 22. Juli 1998 – 4 AZR 403/97 – BAGE 89, 241). Hier haben die Parteien bereits vor Eintritt der Nachwirkung für den am 8. Juli 2003 absehbaren Fall der Nachwirkung ab 1. August 2003 eine andere Abmachung getroffen. Auch das ist zulässig (vgl. Senat 17. Januar 2006 – 9 AZR 41/05 – AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 40 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 33).
c) Die in § 1 des Änderungsvertrages vom 8. Juli 2003 getroffene andere Abmachung ist auch nicht nach § 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB unwirksam.
aa) Mit dem Landesarbeitsgericht ist davon auszugehen, dass die vereinbarte Regelung eine Allgemeine Geschäftsbedingung iSd. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB darstellt, weil es sich um eine vom beklagten Land vorformulierte Vertragsbedingung in einem standardisierten Arbeitsvertrag handelt, der für eine Vielzahl von Angestellten Verwendung gefunden hat.
bb) Die Bestimmung im Änderungsvertrag unterliegt nicht in vollem Umfang der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB. Die Geltungsbereichsausnahme für Tarifverträge in § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB kommt zwar nicht zur Anwendung. Die Einschränkung ergibt sich jedoch daraus, dass mit der vom Verwender aufgestellten Vertragsbedingung weder von einer Rechtsvorschrift iSv. § 307 Abs. 3 BGB abgewichen noch diese ergänzt wird.
Der TV Urlaubsgeld hatte mit seinem Ablauf am 31. Juli 2003 seine zwingende Wirkung verloren. Seine Rechtsnormen galten von da ab nicht mehr kraft des Tarifvertrages, sondern kraft Gesetzes weiter (BAG 16. August 1990 – 8 AZR 439/89 – BAGE 65, 359). Sinn und Zweck der Nachwirkungsregelung des § 4 Abs. 5 TVG ist es zu vermeiden, dass sich der Inhalt von Arbeitsverhältnissen, der mangels anderweitiger Vereinbarung im Arbeitsvertrag durch Tarifnormen (Inhaltsnormen) bestimmt wird und für den diese nur kraft beiderseitiger Tarifbindung gelten (§ 4 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1 TVG) nach Ablauf des Tarifvertrages nur noch nach den gesetzlichen Regelungen richtet. Insoweit hat der Gesetzgeber einen “vereinbarungsoffenen Bestandsschutz” für solche Arbeitsverhältnisse in § 4 Abs. 5 TVG geregelt, die dem Tarifvertrag vor seinem Ablauf unterlegen haben (BAG 22. Juli 1998 – 4 AZR 403/97 – BAGE 89, 241).
§ 4 Abs. 5 TVG gewährleistet nur eine Überbrückungsfunktion bis zum Abschluss einer anderen Abmachung. Ihr kommt keine zwingende Wirkung zu. Das folgt schon daraus, dass die Richtigkeitsgewähr nur für den Tarifvertrag als ausgehandeltes Ganzes (“Verhandlungspaket”) anerkannt wird, während § 4 Abs. 5 TVG nicht die Nachwirkung des gesamten Tarifwerkes anordnet, sondern nur der Rechtsnormen des Tarifvertrages, so dass es zulässig ist, auch einzelne Normen eines Tarifvertrages durch eine andere Abmachung zu ersetzen (vgl. BAG 20. April 2005 – 4 AZR 288/04 – AP TVG § 4 Nachwirkung Nr. 43 = EzA TVG § 4 Nachwirkung Nr. 38; 27. September 2001 – 2 AZR 236/00 – BAGE 99, 167). Dass einem nachwirkenden Tarifvertrag nicht mehr die gesetzliche Leitfunktion iSd. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB zukommt, ergibt sich im Übrigen schon daraus, dass er im Gegensatz zu einem dispositiven Gesetz nicht für neu Eingestellte gilt (vgl. oben II 1a der Gründe).
Da der TV Urlaubsgeld mit seinem Ablauf am 31. Juli 2003 seine Leitbildfunktion iSd. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB, die ihm vergleichbar einem dispositiven Gesetz grundsätzlich innewohnt (vgl. zum Leitbild des dispositiven Gesetzes: BGH 1. Dezember 2004 – IV ZR 291/03 – VersR 2005, 266), verloren hat, kann er nicht als Rechtsvorschrift iSv. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB angesehen werden.
Damit ist die für den Nachwirkungszeitraum getroffene Abmachung, dass anstelle des TV Urlaubsgeld die für Beamte maßgebenden Bestimmungen gelten sollen, nicht als Abweichung iSd. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB kontrollfähig. Der nachwirkende TV Urlaubsgeld ist kein Kontrollmaßstab für die Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB. Erforderlich ist ein normativer Referenzrahmen (Palandt/Heinrichs BGB 66. Aufl. § 307 Rn. 54). Zu überprüfen ist, ob die durch die “Abmachung” getroffene Neuregelung von einer anderen Rechtsvorschrift als dem TV Urlaubsgeld abweicht oder eine andere Rechtsvorschrift ergänzt. Nur insoweit erfolgt nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB eine Inhaltskontrolle der vereinbarten Regelung nach § 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB (vgl. BAG 14. März 2007 – 5 AZR 630/06 – Rn. 24). Da es an gesetzlichen Bestimmungen fehlt, die einen Anspruch des Arbeitnehmers auf ein Urlaubsgeld vorsehen, scheidet eine Inhaltskontrolle wegen unangemessener Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB aus.
cc) Die Unklarheitenregelung des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB führt ebenfalls nicht zur Unwirksamkeit der Abmachung, die hier den nachwirkenden TV Urlaubsgeld durch den Verweis auf beamtenrechtliche Regelungen ersetzt hat.
Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB sind Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten ihrer Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dazu gehört auch, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen wirtschaftliche Nachteile und Belastungen soweit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Auch einseitige Bestimmungsvorbehalte können nur hingenommen werden, soweit sie bei unsicherer Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig sind und den Anlass, aus dem das Bestimmungsrecht entsteht, sowie die Richtlinien und Grenzen seiner Ausübung möglichst konkret angeben (Senat 11. April 2006 – 9 AZR 557/05 – AP BGB § 307 Nr. 17 = EzA BGB 2002 § 308 Nr. 5).
dd) Die von den Parteien vereinbarte Regelung über den Urlaubsgeldanspruch der Klägerin ist weder unklar noch unverständlich. Als die Parteien den Änderungsvertrag vom 8. Juli 2003 schlossen, hatten die Beamten des beklagten Landes noch Anspruch auf Zahlung eines zusätzlichen Urlaubsgeldes. Ein solches entfiel erst ab dem Jahre 2005. Durch die Bestimmungen im Änderungsvertrag, dass der Tarifvertrag über ein Urlaubsgeld für Angestellte vom 16. März 1977 keine Anwendung finden solle und dass die Klägerin Urlaubsgeld in der Höhe erhalten werde, wie sie das beklagte Land vergleichbaren Beamtinnen und Beamten gewährt, wird dem Wortlaut nach zum Ausdruck gebracht, dass die Klägerin grundsätzlich einen Anspruch auf Urlaubsgeld behalten solle. Dieser Anspruch sollte jedoch in seiner Höhe der Höhe des Urlaubsgeldes angepasst werden, das vergleichbare Beamte des beklagten Landes erhalten. Die Verweisung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf ein anderes Regelungswerk ist grundsätzlich zulässig. Sie führt für sich genommen zu keinem Verstoß gegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt nicht schon darin, dass der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betroffene Regelung zu verstehen oder einzusehen. Sinn des Transparenzgebotes ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Arbeitnehmer von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Erst in der Gefahr, dass der Arbeitnehmer wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB (BAG 14. März 2007 – 5 AZR 630/06 –).
Die Verweisung auf beamtenrechtliche Regelungen ist nicht unklar. Bezugnahmen entsprechen einer üblichen Regelungstechnik und sind im Arbeitsrecht gebräuchlich. Gerade im Bereich des BAT fanden sich in mehreren Teilbereichen stets für zulässig gehaltene Verweisungen auf das Beamtenrecht (§ 11 BAT: Nebentätigkeit; § 14 BAT: Haftung; §§ 42, 43 BAT: Reisekosten). So hat der Senat die für Lehrer im öffentlichen Dienst in der Nr. 3 der SR 2l I BAT enthaltene tarifliche Verweisung auf die Arbeitszeitregelungen für entsprechende Beamte als wirksam angesehen (12. September 2006 – 9 AZR 675/05 – AP BGB § 611 Lehrer, Dozenten Nr. 176 = EzA BGB 2002 § 310 Nr. 4; 11. April 2006 – 9 AZR 369/05 – AP ATG § 2 Nr. 7 = EzA ATG § 2 Nr. 2). Daneben erlauben auch gesetzliche Vorschriften die arbeitsvertragliche Inbezugnahme von Tarifverträgen (vgl. § 622 Abs. 4 Satz 2 BGB; § 13 Abs. 1 Satz 2 BUrlG; § 7 Abs. 3 ArbZG; § 4 Abs. 4 Satz 2 EFZG; § 14 Abs. 2 Satz 4 TzBfG). Auch das Nachweisgesetz lässt einen allgemeinen Hinweis auf Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen genügen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 NachwG). Voraussetzung für eine wirksame Inbezugnahme eines Tarifvertrages ist nach den gesetzlichen Vorschriften in keinem Fall, dass ein Abdruck dieses Tarifvertrages dem Arbeitnehmer besonders zur Verfügung gestellt wird oder jederzeit für den Arbeitnehmer ohne besondere Schwierigkeiten einsehbar ist.
Es hätte dem beklagten Land auch nicht oblegen, in der Vertragsklausel klarzustellen, dass ein Anspruch der Klägerin auf Urlaubsgeld dann nicht besteht, wenn die vergleichbaren Beamten des beklagten Landes kein Urlaubsgeld mehr erhalten. Die Klägerin wusste auf Grund der eindeutigen vertraglichen Formulierung, dass sich ihr Urlaubsgeldanspruch der Höhe nach künftig nicht mehr nach den Vorschriften des TV Urlaubsgeld, sondern ausschließlich nach den beim beklagten Land geltenden beamtenrechtlichen Vorschriften richten werde. Solche dynamischen Bezugnahmeklauseln entsprechen einer üblichen Regelungstechnik und dienen den Interessen beider Parteien. Dies folgt aus der Zukunftsgerichtetheit von Arbeitsverhältnissen. Die im Zeitpunkt der jeweiligen Anwendung in Bezug genommenen tariflichen oder gesetzlichen Regelungen sind bestimmbar und für beide Parteien grundsätzlich zugänglich (vgl. BAG 14. März 2007 – 5 AZR 630/06 –).
Demnach konnte die Klägerin bei Abschluss des Änderungsvertrages erkennen, dass dann, wenn das beklagte Land auf Grund gesetzlicher Vorgaben seinen vergleichbaren Beamten kein Urlaubsgeld mehr zahlen werde, auch ihr Anspruch auf ein solches entfallen werde. Insoweit enthält die vertragliche Bestimmung keine Unklarheit oder Unverständlichkeit iSd. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.
3. Eine dem § 1 des Änderungsvertrages vom 8. Juli 2003 inhaltlich entsprechende Vertragsklausel haben die Parteien in den anschließenden Arbeitsverträgen und insbesondere auch im unbefristeten Arbeitsvertrag vom 22. Dezember 2004 (mit Wirkung ab 1. Januar 2005) übernommen, so dass sie bis Ende 2005 keine Weitergeltung oder nachträgliche Inbezugnahme des außer Kraft getretenen TV Urlaubsgeld vereinbart haben.
Die sich an den bis 31. Juli 2004 befristeten Arbeitsvertrag (geändert durch den Änderungsvertrag vom 8. Juli 2003) anschließenden Arbeitsverträge stellen trotz ihres missverständlichen Wortlautes keine Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses dar, sondern eine Fortsetzung des bestehenden. Zunächst ist davon auszugehen, dass die Befristungen aller bisher zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsverträge allein deshalb gemäß § 7 KSchG iVm. § 17 Satz 2 TzBfG (in Kraft seit 1. Januar 2001; früher: § 1 Abs. 5 BeschFG, in Kraft vom 1. Oktober 1996 bis 31. Dezember 2000) wirksam waren, weil deren Rechtsunwirksamkeit durch die Klägerin nicht gerichtlich geltend gemacht worden war. Im Regelfalle ist jedoch bei mehreren aufeinander folgenden befristeten Arbeitsverträgen nur die Befristung des letzten Arbeitsvertrages auf ihre Rechtfertigung zu prüfen. Durch den Abschluss eines weiteren befristeten Arbeitsvertrages stellen die Parteien ihr Arbeitsverhältnis nur auf eine neue Rechtsgrundlage, die künftig für ihre Rechtsbeziehungen allein maßgebend sein soll (BAG 10. März 2004 – 7 AZR 402/03 – BAGE 110, 38).
Damit endeten jeweils mit Ablauf der vereinbarten Befristungszeiten die Arbeitsverträge der Klägerin; so auch der bis 31. Dezember 2004 laufende letzte befristete Arbeitsvertrag, § 15 Abs. 1 TzBfG. Diese rechtliche Beendigung der Arbeitsverträge, verbunden mit der sich unmittelbar anschließenden befristeten (ab 1. Januar 2005 unbefristeten) Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses führt nicht dazu, dass im Nachwirkungszeitraum jeweils neue Arbeitsverhältnisse iSd. oben zitierten Rechtsprechung begründet worden sind. Allein die rechtliche Unterbrechung, die bei solchen aneinandergereihten Arbeitsverhältnissen eintritt, rechtfertigt es nicht, diese Arbeitnehmer so zu behandeln, als würden sie mit dem Beginn eines jeden neuen befristeten (unbefristeten) Arbeitsvertrages neu eingestellt.
Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 1 Abs. 1 KSchG. Danach greift der Kündigungsschutz nur dann ein, wenn das Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat. Rechtliche Unterbrechungen bleiben bei der Berechnung dieser Frist dann außer Betracht, wenn zwischen den vorangegangenen und dem gekündigten Arbeitsverhältnis ein enger sachlicher Zusammenhang besteht (st. Rspr. vgl. 22. Mai 2003 – 2 AZR 426/02 – AP KSchG 1969 § 1 Wartezeit Nr. 18 = EzA BGB 2002 § 242 Kündigung Nr. 2 mwN). Dass im Streitfalle ein solcher enger sachlicher Zusammenhang gegeben ist, ist zu bejahen. Solche aneinandergereihten befristeten Arbeitsverträge werden typischerweise deshalb mit dem Arbeitnehmer vereinbart, weil dieser mit der geschuldeten Tätigkeit bereits vertraut ist, so dass sowohl aus der Sicht des Arbeitgebers als auch des Arbeitnehmers ein Interesse an der Weiterbeschäftigung besteht.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Düwell, Reinecke, Böck, Merkle, Otto
Fundstellen
Haufe-Index 1786293 |
BAGE 2008, 64 |
FA 2007, 359 |
FA 2008, 52 |
NZA 2007, 1045 |
ZTR 2007, 581 |
AP, 0 |
EzA-SD 2007, 14 |
EzA |
PersV 2008, 276 |
PersV 2008, 74 |
RiA 2008, 6 |
AUR 2007, 363 |
ArbRB 2007, 295 |
HzA aktuell 2007, 28 |
SPA 2007, 6 |