Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung eines Krankenpflegers mit Zusatzausbildung

 

Leitsatz (redaktionell)

Arbeitsvorgänge eines Krankenpflegers mit sozialpsychiatrischer Zusatzausbildung, der zugleich stellvertretender Stationsleiter ist.

 

Normenkette

BAT 1975 §§ 22-23

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Urteil vom 15.05.1990; Aktenzeichen 13 Sa 1607/89)

ArbG Göttingen (Urteil vom 25.08.1989; Aktenzeichen 3 Ca 163/89 E)

 

Tenor

Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 15. Mai 1990 – 13 Sa 1607/89 – wird auf Kosten des Landes mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Feststellung der Verpflichtung des beklagten Landes zur Zahlung von Vergütung nach VergGr. Kr. VI BAT gemäß dem Klageantrag zu 2) auf die Zeit ab 1. März 1989 und der Zinsanspruch auf die Zeit ab 17. April 1989 beschränkt wird.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der 50jährige Kläger steht seit 1975 in den Diensten des beklagten Landes und wird seit 1. Oktober 1982 in der Psychiatrischen Klinik der Universität Göttingen als Krankenpfleger beschäftigt. Beide Parteien gehören den tarifschließenden Verbänden des Bundes-Angestelltentarifvertrags (BAT) an. Ferner haben die Parteien in § 2 des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 29. September/5. Oktober 1982 vereinbart, daß sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag und den diesen ergänzenden und/oder ändernden Tarifverträgen richtet.

Der Kläger erhielt ab 1. Oktober 1982 Vergütung nach VergGr. Kr. III BAT und ab 1. April 1983 Vergütung nach VergGr. Kr. IV BAT. Mit Wirkung vom 27. Mai 1987 wurde ihm die stellvertretende Leitung der Station 4096, der Aufnahmestation der Psychiatrischen Klinik, übertragen. Von diesem Zeitpunkt an bezog er Vergütung nach VergGr. Kr. V BAT. Seit 1. August 1909 erhält der Kläger Vergütung nach VergGr. Kr. V a BAT.

In der Zeit vom 1. November 1985 bis 3. November 1987 nahm der Kläger an einem Weiterbildungslehrgang mit Schwerpunkt Klinische- und Sozialpsychiatrie an der Weiterbildungsstätte am Nieder sächsischen Landeskrankenhaus in Göttingen teil. Nach erfolgreichem Abschluß dieses Weiterbildungslehrgangs erteilte ihm die Bezirksregierung Braunschweig am 26. November 1987 die staatliche Anerkennung als Fachkrankenpfleger in der Psychiatrie.

Mit der Klage hat der Kläger für die Zeit ab 1. Dezember 1987 Vergütung nach VergGr. Kr. VI BAT geltend gemacht. Er hat vorgetragen, er sei als Krankenpfleger mit erfolgreich abgeschlossener sozialpsychiatrischer Zusatzausbildung und entsprechender Tätigkeit einzugruppieren. Der von ihm besuchte Weiterbildungslehrgang erfülle das Merkmal der abgeschlossenen sozialpsychiatrischen Zusatzausbildung. Er übe auch eine entsprechende Tätigkeit aus. Seine Hauptaufgabe sei es, therapeutische Gespräche mit Patienten zu führen. Bei den in seiner Station aufzunehmenden Patienten handele es sich überwiegend um Personen mit schweren Depressionen im Zusammenhang mit Alkohol- und Drogenabhängigkeit. Neben den therapeutischen Einzel- und Gruppengesprächen nehme er an Teamsitzungen teil, bei denen Therapiepläne festgelegt, Gruppenvisiten vorbereitet und die individuelle Freizeitgestaltung der Patienten bestimmt würden.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

  1. das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger 3.354,83 DM als Vergütungsdifferenz der VergGr. Kr. V und Kr. VI BAT für die Monate Dezember 1987 bis Februar 1989 nebst 4 % Zinsen auf den Nettobetrag seit Klagezustellung zu zahlen,
  2. festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, dem Kläger seit dem 1. Dezember 1987 Vergütung nach VergGr. Kr. VI BAT zu zahlen und den jeweiligen Nettodifferenzbetrag zwischen VergGr. Kr. VI und VergGr. Kr. V BAT (bis 31. Juli 1989) bzw. Kr. V a BAT (ab 1. August 1989) ab monatlicher Fälligkeit mit 4 % zu verzinsen,
  3. hilfsweise festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, dem Kläger ab dem 1. Dezember 1990 im Wege des dreijährigen Bewährungsaufstiegs Vergütung nach VergGr. Kr. VI BAT zu zahlen.

Das beklagte Land hat beantragt,: die Klage abzuweisen. Es hat vorgetragen, eine abgeschlossene sozialpsychiatrische Zusatzausbildung erfordere nach der Protokollerklärung Nr. 10 bzw. (ab 1. August 1989) Nr. 15 zu den hier maßgebenden Vergütungsgruppen, daß sie durch einen mindestens einjährigen Lehrgang oder in einer mindestens zweijährigen berufsbegleitenden Ausbildung vermittelt werde. In der berufsbegleitenden Ausbildung seien dem Kläger jedoch nur im zweiten Weiterbildungsjahr sozialpsychiatrische Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt worden. Im ersten Weiterbildungsjahr sei nur ein breites Spektrum von Fächern aus dem Bereich der Psychiatrie behandelt worden, so daß es insoweit an einer sozialpsychiatrischen Zusatzausbildung fehle. Eine einjährige berufsbegleitende sozialpsychiatrische Zusatzausbildung genüge aber nicht für die Eingruppierung nach VergGr. Kr. VI BAT. Ferner übe der Kläger keine entsprechende Tätigkeit im tariflichen Sinne aus. Seine Tätigkeit erfordere nicht mindestens zur Hälfte der Gesamtarbeitszeit eine sozialpsychiatrische Zusatzausbildung. Bei seiner Tätigkeit sei zwischen den Arbeitsbereichen „stellvertretende Stationsleitung”, „allgemeine pflegerische Aufgaben” und „qualifizierte Aufgaben eines Fachkrankenpflegers in der Psychiatrie” zu unterscheiden. Der Kläger sei nicht in einer normalen Krankenhausabteilung tätig, sondern in einer Spezialeinrichtung für psychisch Kranke. Dort bestehe die Tätigkeit des Krankenpflegepersonals häufig zu weniger als einem Drittel aus der Pflege am Krankenbett. Der überwiegende Teil des Aufgabenbereichs erstrecke sich auf den großen Bereich der soziotherapeutischen Arbeit. Diese vorgegebene Andersartigkeit der Krankenpflege in psychiatrischen Einrichtungen mache die Tätigkeit aber nicht zu einer, die die sozialpsychiatrische Zusatzausbildung für den Regelfall voraussetze. Die vom Kläger zu erbringenden, für ein psychiatrisches Krankenhaus typischen Tätigkeiten, seien dem Bereich der Behandlungspflege zuzuordnen. Hierbei könne die Pflege in der Psychiatrie nicht unterteilt werden in physische Pflege und psychische Pflege. Zur normalen pflegerischen Tätigkeit gehöre grundsätzlich auch die psychische Pflege, wie z.B. Beaufsichtigungen von Arbeitstherapie, Einüben sozialer Verhaltensweisen, medikamentöse Versorgung des Patienten mit ihren Besonderheiten, Beobachtung des Patienten und Kontaktpflege mit Angehörigen. Deshalb könne nicht jede, über die rein physische Pflege hinausgehende pflegerische Tätigkeit als eine einer abgeschlossenen sozialpsychiatrischen Zusatzausbildung entsprechende Tätigkeit angesehen werden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage für die Zeit ab 1. Januar 1988 stattgegeben, was bei dem Zahlungsantrag einer Verurteilung des Landes zur Zahlung von 2.967,91 DM brutto entspricht, und sie im übrigen (für den Monat Dezember 1987) abgewiesen, weil der Kläger insoweit die tarifliche Ausschlußfrist versäumt habe.

Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt das beklagte Land die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger beantragt Zurückweisung der Revision unter Beschränkung des Feststellungsantrages auf die Zeit ab 1. März 1989 und des Zinsanspruchs auf die Zeit ab Rechtshängigkeit (17. April 1989).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist in dem in der Revisionsinstanz noch anhängigen Umfang unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage insoweit mit Recht stattgegeben. Das beklagte Land ist verpflichtet, dem Kläger ab 1. Januar 1988 Vergütung der VergGr. Kr. VI BAT zu zahlen und damit auch die Vergütungsdifferenz für die Zeit vom 1. Januar 1988 bis 28. Februar 1989, die der Kläger mit seinem Zahlungsantrag in der rechnerisch unstreitigen Höhe von 2.967,91 DM brutto geltend gemacht hat. Denn der Kläger ist als Krankenpfleger mit abgeschlossener sozialpsychiatrischer Zusatzausbildung zu vergüten.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) mit unmittelbarer und zwingender Wirkung Anwendung (§ 3 Abs. 1, S. 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Danach kommt es für die Eingruppierung des Klägers darauf an, ob zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals der von ihm in Anspruch genommenen VergGr. Kr. VI BAT erfüllen (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT). Hierbei ist unter Arbeitsvorgang eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten und bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten zu verstehen (BAGE 51, 59, 65 = AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975, mit weiteren Nachweisen).

Das Landesarbeitsgericht meint, wenn der Kläger – wie vorliegend – behaupte, er übe zu 100 % in einem Arbeitsvorgang sozialpsychiatrische Pflegetätigkeiten aus, könne das beklagte Land dies nicht pauschal bestreiten und eine Aufteilung in drei Arbeitsvorgänge vornehmen. Es müsse vielmehr im einzelnen darlegen, in welchem Umfang Aufgaben als stellvertretende Stationsleitung anfallen, insbesondere worin sie bestehen, und welche Tätigkeiten im übrigen den beiden vom Land gebildeten Arbeitsvorgängen zuzuordnen seien. Die wertende Aufteilung der Tätigkeit in drei Arbeitsvorgänge ohne konkrete Darlegung genüge nicht den Anforderungen, die an ein substantiiertes Bestreiten zu stellen seien. Mit Recht rügt insoweit die Revision, daß es zunächst Aufgabe des Klägers ist, die Tatsachen vorzutragen, aus denen auf Arbeitsvorgänge geschlossen werden kann. Im übrigen ist es Sache des Gerichts, aufgrund der vorgetragenen Tatsachen Arbeitsvorgänge zu bilden, da es sich bei dem Begriff des Arbeitsvorgangs um einen von den Tarifvertragsparteien vorgegebenen Rechtsbegriff handelt (vgl. BAGE 30, 229, 233 = AP Nr. 6 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

Die tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts und der insoweit unstreitige Vortrag der Parteien reichen jedoch aus, damit der Senat die Arbeitsvorgänge des Klägers selbst bilden kann. Danach ist bei der Tätigkeit des Klägers von einem einzigen Arbeitsvorgang auszugehen. Arbeitsergebnis des Klägers ist die pflegerische Betreuung der in seiner Station aufgenommenen psychisch kranken Personen. Dieses Arbeitsergebnis ist nicht weiter aufteilbar. Alle Tätigkeiten des Klägers dienen diesem einheitlichen Arbeitsergebnis. Das beklagte Land trägt insoweit auch selbst vor, daß die Pflege in der Psychiatrie nicht unterteilt werden könne in bloße physische Pflege und psychische Pflege. Auch die Tarifvertragsparteien gehen von einem einheitlichen Arbeitsergebnis aus. Da sie den Begriff „Krankenpfleger” zum Tätigkeitsmerkmal erhoben haben, bringen sie hierdurch zum Ausdruck, daß alle damit verbundenen Tätigkeiten zu einem Arbeitsvorgang zusammenzufassen sind. Wenn die Tarifvertragsparteien einen bestimmten Aufgabenbereich – wie vorliegend die Tätigkeit eines Krankenpflegers – zum selbständigen Tätigkeitsmerkmal einer Vergütungsgruppe erheben, schreiben sie damit zugleich zwingend vor, daß alle Einzeltätigkeiten, die zu diesem Aufgabenbereich gehören, einheitlich zu bewerten sind, sofern nicht besonders qualifizierte Einzeltätigkeiten des Aufgabenbereichs einer anderen Vergütungsgruppe zugeordnet sind (BAG Urteil vom 25. März 1981 – 4 AZR 1026/78 – AP Nr. 43 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

Das beklagte Land will – offensichtlich daran anknüpfend, daß die stellvertretende Stationsleitung, die Krankenpflegetätigkeit ohne sozialpsychiatrische Zusatzausbildung und die Krankenpflegetätigkeit mit sozialpsychiatrischer Zusatzausbildung tariflich verschieden bewertet werden – entsprechend drei Arbeitsvorgänge bilden. Das ist nur im Ansatzpunkt richtig. Denn auch bei tariflich unterschiedlicher Bewertung einzelner Tätigkeiten lassen sich mehrere Arbeitsvorgänge nur dann bilden, wenn die Tätigkeit tatsächlich trennbar ist. Das ist vorliegend zu verneinen.

Die Bestellung des Klägers zum stellvertretenden Leiter der Station 4096 ist nicht von seiner pflegerischen Tätigkeit trennbar. Soweit die Stellvertretung tariflich besonders bewertet ist, handelt es sich nach den tariflichen Vorschriften stets um die ständige Vertretung, die während der gesamten Dauer der Arbeitszeit auszuüben ist (vgl. VergGr. Kr. V Fallgr. 19; Kr. V a Fallgr. 6; Kr. VI Fallgr. 16, 17; Kr. VII Fallgr. 10, 11; Kr. VIII Fallgr. 3, 6; Kr. IX Fallgr. 5, 7; Kr. X Fallgr. 3; Kr. XI Fallgr. 2 n. F.). Eine solche Leitungsaufgabe übt der Kläger selbst dann aus, wenn er sich gerade mit anderen Aufgaben als mit Leitungsaufgaben beschäftigt, denn auch dann muß er jederzeit und sofort in der Lage sein, aktiv durch Erteilung der erforderlichen Anordnungen und fachlichen Weisungen Leitungsaufgaben wahrzunehmen (BAG Urteil vom 27. Mai 1981 – 4 AZR 1079/78 – AP Nr. 44 zu 22, 23 BAT 1975). Insoweit weist das Landesarbeitsgericht mit Recht darauf hin, daß sich die Leitungsfunktion gerade auch auf pflegerische Tätigkeiten bezieht und damit dem Arbeitsergebnis der pflegerischen Betreuung der in die Station aufgenommenen Patienten dient.

Auch die vom Kläger selbst ausgeübte pflegerische Tätigkeit läßt sich nicht in allgemeine pflegerische Aufgaben und qualifizierte Aufgaben eines Fachkrankenpflegers in der Psychiatrie aufteilen. Der Kläger hat hierzu vorgetragen, seine Hauptaufgabe sei es, therapeutische Gespräche in Form von Einzel- oder Gruppengesprächen mit Patienten zu führen. Bei diesen Patienten handele es sich überwiegend um Personen mit schweren Depressionen im Zusammenhang mit Alkohol- und Drogenabhängigkeit. Daneben nehme er an Teamsitzungen teil, bei denen Therapiepläne festgelegt, Gruppenvisiten vorbereitet und individuelle Freizeitgestaltung der Patienten bestimmt würden. Dies ist eine ausreichende Umschreibung seines Aufgabenbereichs, mit dem sich das beklagte Land hätte auseinandersetzen können, soweit es um die Trennbarkeit dieser Tätigkeiten geht. Hierzu macht das beklagte Land jedoch keine Ausführungen. Die Aufgabenschilderung durch den Kläger reicht jedenfalls zu der Feststellung aus, daß seine Tätigkeit nicht weiter aufteilbar ist, weil alle seine Einzeltätigkeiten dem Arbeitsergebnis pflegerische Behandlung der Patienten dienen.

Für die Eingruppierung des Klägers sind die bis 31. Juli 1989 geltenden Tätigkeitsmerkmale der Anlage 1 b zum BAT heranzuziehen, da nach § 2 des Tarifvertrags vom 30. Juni 1989 der Besitzstand gewahrt wird, wenn der Kläger nach den bis 31. Juli 1989 geltenden Tätigkeitsmerkmalen in die VergGr. Kr. VI BAT eingruppiert war.

Danach sind folgende Tätigkeitsmerkmale der Anlage 1 b – Abschnitt A – in der bis 31. Juli 1989 geltenden Fassung maßgebend:

VergGr. Kr. VI Fallgruppe 13:

Krankenschwestern/Krankenpfleger mit abgeschlossener sozialpsychiatrischer Zusatzausbildung und entsprechender Tätigkeit.

Hierzu gilt die Protokollnotiz Nr. 10, die lautet:

Eine Zusatzausbildung im Sinne dieses Tätigkeitsmerkmals liegt nur dann vor, wenn sie durch einen mindestens einjährigen Lehrgang oder in einer mindestens zweijährigen berufsbegleitenden Ausbildung vermittelt wird.

Der Kläger hat in einem berufsbegleitenden Lehrgang eine sozialpsychiatrische Zusatzausbildung erlangt. Der Lehrgang erstreckte sich über zwei Jahre mit dem Schwerpunkt Klinische- und Sozialpsychiatrie. Damit sind die Voraussetzungen der Protokollnotiz Nr. 10 erfüllt. Das beklagte Land kann insoweit nicht einwenden, daß lediglich im zweiten Ausbildungsjahr die Sozialpsychiatrie Gegenstand der Ausbildung war. Mit Recht weist das Landesarbeitsgericht darauf hin, daß die Sozialpsychiatrie ein Teilgebiet der Psychiatrie ist und deshalb auf Grundlagen der Psychiatrie aufbauen muß. Deshalb gehört zur Sozialpsychiatrie auch, daß zunächst allgemeine Grundlagen der Psychiatrie vermittelt werden, wie dies im ersten Jahr der Weiterbildung des Klägers geschehen ist.

Der Kläger übt auch eine seiner sozialpsychiatrischen Zusatzausbildung entsprechende Tätigkeit aus. Das beklagte Land betont insoweit selbst, daß der Kläger nicht in einer normalen Krankenhausabteilung tätig sei, sondern in einer Spezialeinrichtung für psychisch Kranke. Der überwiegende Teil seines Aufgabenbereichs erstrecke sich auf den großen Bereich der soziotherapeutischen Arbeit. Dies entspricht dem insoweit unbestrittenen Sachvortrag des Klägers, daß zu seinen Hauptaufgaben gehöre, therapeutische Einzel- oder Gruppengespräche mit Patienten zu führen. Gerade Einzel- und Gruppengespräche zeichnen eine sozialpsychiatrische Tätigkeit aus (vgl. BAG Urteil vom 3. September 1986 – 4 AZR 335/85 – AP Nr. 124 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Da es sich bei der Tätigkeit des Klägers um einen einzigen Arbeitsvorgang handelt, genügt hierbei die Feststellung, daß in einem rechtlich nicht unerheblichen Umfang eine der sozialpsychiatrischen Zusatzausbildung entsprechende Tätigkeit anfällt. Wenn danach in psychiatrischen Krankenhäusern sämtliche Krankenpfleger mit sozialpsychiatrischer Zusatzausbildung entsprechend einzugruppieren sind, ist dies keineswegs tarifwidrig, wie das beklagte Land offenbar meint. Wenn die Tarifvertragsparteien für Krankenpfleger mit sozialpsychiatrischer Zusatzausbildung und entsprechender Tätigkeit eine höhere Vergütung vorsehen, liegt es nahe, daß sie damit die Tätigkeit von Krankenpflegern in psychiatrischen Krankenhäusern honorieren wollen, sofern diese eine spezielle Zusatzausbildung erworben haben.

Das beklagte Land hat gemäß 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

 

Unterschriften

Schaub, Dr. Freitag, Dr. Etzel, Dr. Kiefer, Wax

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1074038

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