Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung von Vordienstzeiten. Gleichbehandlung
Leitsatz (redaktionell)
Bestätigung der Urteile des Senats vom 23. Februar 1994 – 4 AZR 165/93 – ZTR 1994, 462 und vom 14. Juni 1995 – 4 AZR 534/94 –, n.v.
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 01.06.1994; Aktenzeichen 12 Sa 7/94) |
ArbG Mannheim (Urteil vom 23.08.1993; Aktenzeichen 10 Ca 392/92) |
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 1. Juni 1994 – 12 Sa 7/94 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin ab 1. Oktober 1991.
Die Klägerin ist Erzieherin mit staatlicher Anerkennung. Vom 9. September 1985 bis 31. August 1989 war sie als Erzieherin bei der Gemeinde W. angestellt. Ab 19. September 1989 bis 6. Juni 1993 war sie bei der Beklagten wiederum als Erzieherin unter Eingruppierung in die VergGr. VI b BAT tätig. Vom 2. Februar 1992 bis 6. Juni 1993 nahm sie Erziehungsurlaub in Anspruch. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der BAT/VKA Anwendung.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie sei unter Berücksichtigung der Dienstzeit bei der Gemeinde W. im Wege des Bewährungsaufstieges ab 1. Januar 1991 aus der VergGr. V c der Anlage 1 a zum BAT/VKA zu vergüten. Diese sei nämlich aufgrund der Übergangsvorschrift des § 6 (Änderungs-TV zur Anlage 1 a zum BAT vom 24. April 1991) auf die Bewährungszeit für den Fallgruppenaufstieg aus der VergGr. VI b in die VergGr. V c Fallgruppe 7 BAT/VKA anzurechnen.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab 1. Januar 1991 die monatliche Differenz zwischen VergGr. VI b BAT und V c BAT zu bezahlen.
Die beklagte Stadt hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, nach der Übergangsvorschrift des § 6 Änderungs-TV seien lediglich solche Zeiten auf die Bewährungszeit anzurechnen, die bei demselben Arbeitgeber zurückgelegt worden seien. Deshalb rechne die Bewährungszeit der Klägerin erst ab 19. September 1989 und sei damit am 1. Januar 1991 noch nicht abgelaufen.
Das Arbeitsgericht hat der Klageforderung entsprochen. Auf die Berufung der beklagten Stadt hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil zugelassen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter. Die beklagte Stadt beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die von ihr begehrte Vergütungsdifferenz, da die anzurechnende Tätigkeit erst ab 19. September 1989 rechnet.
II.1. Auf das Arbeitsverhältnis findet der BAT/VKA kraft Vereinbarung Anwendung. Danach kommen für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch die folgenden Bestimmungen der Anlage 1 a zum BAT/VKA (Sozial- und Erziehungsdienst) in Betracht:
Vergütungsgruppe VI b
…
5. Erzieherinnen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben.
(Hierzu Protokollerklärungen Nr. 1, 3 und 5)
Vergütungsgruppe V c
…
7. Erzieherinnen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben,
nach dreijähriger Bewährung in Vergütungsgruppe VI b Fallgruppe 5.
(Hierzu Protokollerklärungen Nr. 1, 3 und 5)
Änderungs-TV zur Anlage 1 a zum BAT vom 24. April 1991
§ 6
Übergangsvorschriften für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände
Für die Angestellten, die am 31. Dezember 1990 in einem Arbeitsverhältnis gestanden haben, das am 1. Januar 1991 zu demselben Arbeitgeber fortbestanden hat, gilt für die Dauer dieses Arbeitsverhältnisses folgendes:
…
2. Hängt die Eingruppierung oder der Anspruch auf eine Vergütungsgruppenzulage nach diesem Tarifvertrag von der Zeit einer Tätigkeit oder von der Zeit einer Bewährung in einer bestimmten Vergütungs- und Fallgruppe oder von der Zeit einer Berufsunfähigkeit ab, wird die vor dem 1. Januar 1991 zurückgelegte Zeit vorbehaltlich der nachstehenden Nr. 3 so berücksichtigt, wie sie zu berücksichtigen wäre, wenn dieser Tarifvertrag bereits seit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses gegolten hätte.
2.a) Zutreffend haben die Vorinstanzen erkannt, daß durch die Vorschrift in Fallgruppe 7 der Vergütungsgruppe V c erstmals für Erzieherinnen ein Bewährungsaufstieg aus der Vergütungsgruppe VI b Fallgruppe 5 in die Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 7 geschaffen worden ist. Voraussetzung hierfür ist eine dreijährige Bewährung in der Vergütungsgruppe VI b Fallgruppe 5.
b) Die Klägerin fällt zwar unter den persönlichen Geltungsbereich der Übergangsvorschriften, denn sie stand am 31. Dezember 1990 in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten, das am 1. Januar 1991 zu dieser fortbestanden hat. Daher ist die vor dem 1. Januar 1991 zurückgelegte Zeit einer Bewährung nach § 6 Nr. 2 Änderungs-TV für das mit Wirkung vom 1. Januar 1991 eingeführte Eingruppierungsmerkmal der VergGr. V c Fallgruppe 7 BAT/VKA grundsätzlich zu berücksichtigen. In zeitlicher Hinsicht bestimmt aber der Einleitungssatz des § 6, dies gelte nur „für die Dauer dieses Arbeitsverhältnisses”, nämlich desjenigen, welches über den Jahreswechsel 1990/1991 zu demselben Arbeitgeber fortbestanden hat. Danach können nur die bei der Beklagten zurückgelegten Zeiten berücksichtigt werden, jedoch nicht die Zeiten – wie kraft Umkehrschlusses zu folgern ist –, die bei einem früheren Arbeitgeber zurückgelegt wurden, selbst wenn dieser ebenfalls der vertragsschließenden Tarifvertragspartei angehört hat. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der Beklagten hat erst am 19. September 1989 begonnen. Ihre Bewährungszeit in der VergGr. VI b Fallgruppe 5 rechnet daher erst ab diesem Zeitpunkt und lief bis zum 18. September 1992 (einschließlich). Erst vom 19. September 1992 hatte sie Anspruch auf Vergütung aus der VergGr. V c Fallgruppe 7 BAT/VKA (BAG Urteil vom 23. Februar 1994 – 4 AZR 165/93 – ZTR 1994, 462; BAG Urteil vom 14. Juni 1995 – 4 AZR 534/94 –, n.v.).
3. Wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, verstößt diese Regelung auch nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG oder europarechtliche Vorschriften, an die auch die Tarifvertragsparteien gebunden sind (BAG Urteile vom 23. Februar 1994 – 4 AZR 165/93 – und vom 14. Juni 1995 – 4 AZR 534/94 –, a.a.O.). Bei Tarifänderungen und auf diese bezogenen Übergangsregelungen müssen die Tarifvertragsparteien abschätzen, welche Belastungen durch diese auf sie zukommen. Sie stehen vor der Aufgabe, die dadurch herbeigeführten finanziellen Belastungen in vertretbaren und vor allem überschaubaren Grenzen zu halten. Finanzielle und finanzpolitische Erwägungen rechtfertigen abgrenzende, differenzierende Regelungen (BAG Urteil vom 23. Februar 1994 – 4 AZR 165/93 –, a.a.O.). Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, zu prüfen, ob die Tarifvertragsparteien mit den von ihnen vereinbarten Abgrenzungen und Differenzierungen die jeweils gerechteste und zweckmäßigste Lösung getroffen haben, solange sie die Grenzen der Tarifautonomie nicht überschreiten (BAG Urteil vom 5. Dezember 1990 – 4 AZR 285/90 – AP Nr. 153 zu §§ 22, 23 BAT 1975, zu II 2 a der Gründe). Hierfür ist weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich. Ebenso ist nichts dafür ersichtlich, daß die Tarifvertragsparteien durch die von ihnen getroffene Regelung gegen das Verbot der Geschlechtsdiskriminierung verstoßen hätten (BAG Urteil vom 23. Februar 1994 – 4 AZR 165/93 –, a.a.O.).
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Schaub, Friedrich, Schneider, Müller-Tessmann, J. Ratayczak
Fundstellen