Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifgeltung im Beitrittsgebiet. Tarifgeltung im Beitrittsgebiet, Abgrenzung der Geltungsbereiche von BAT und BAT-O. Gleichbehandlung. Vertragsauslegung. Tarifauslegung. Tarifrecht öffentlicher Dienst

 

Orientierungssatz

Wird ein Angestellter des öffentlichen Dienstes im unmittelbaren Anschluß an eine im Rahmen einer ABM befristete Beschäftigung im Beitrittsgebiet auf einem anderen Arbeitsplatz außerhalb des Beitrittsgebiets auf Grund eines unbefristeten Arbeitsvertrags beschäftigt, ist das Arbeitsverhältnis iSd. § 1 Abs. 1 BAT-O in dem in Art. 3 des Einigungsvertrags genannten Gebiet begründet. Kehrt der Angestellte später auf einen Arbeitsplatz im Beitrittsgebiet zurück, steht ihm nur Vergütung nach BAT-O zu.

 

Normenkette

BAT-O § 1; BGB §§ 242, 133, 157

 

Verfahrensgang

LAG Brandenburg (Urteil vom 13.05.1998; Aktenzeichen 6 Sa 116/98)

ArbG Potsdam (Urteil vom 02.09.1997; Aktenzeichen 5 Ca 2721/96)

 

Tenor

  • Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Brandenburg vom 13. Mai 1998 – 6 Sa 116/98 – wird zurückgewiesen.
  • Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob sich die Vergütung des Klägers seit dem 1. Juni 1996 nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) oder nach dem Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) richtet.

Der Kläger war seit dem 1. März 1991 auf Grund eines befristeten Arbeitsvertrags im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) bei dem beklagten Land in einer Stabsstelle des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen in Potsdam tätig. Im Anschluß daran wurde er ab dem 1. März 1992 auf Grund eines unbefristeten Arbeitsvertrags als Sachbearbeiter im gemeinsamen Tarifregister Berlin/Brandenburg im ehemaligen Westberlin beschäftigt. Der Kläger erhielt ab dem 15. Oktober 1992 Vergütung nach VergGr. IIa der Anl. 1a zum BAT. Hierzu vereinbarten die Parteien in § 5 des Arbeitsvertrags vom 30. Juni 1993:

“Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, daß die Vorschriften des Westtarifvertrages nur für die Dauer der Tätigkeit des Angestellten im räumlichen Geltungsbereich des BAT-West Anwendung finden.”

Im Juni 1994 zog das Tarifregister in die Storkower Straße 97 im ehemaligen Ostberlin um. Das beklagte Land teilte dem Kläger mit Schreiben vom 25. Juli 1994 mit, daß sich sein Arbeitsverhältnis ab dem Umzug des Tarifregisters nach dem BAT-O richte. Man sei bemüht, mit dem Ministerium der Finanzen abzuklären, ob aus Gründen der Besitzstandswahrung ab dem 1. Juli 1994 eine übertarifliche Zulage in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen der Vergütung nach BAT und BAT-O gewährt werden könne. Aus tarif- und haushaltsrechtlichen Gründen werde die Zulage vorbehaltlich der Zustimmung durch das Ministerium der Finanzen gezahlt. Von Juli 1994 bis Mai 1996 zahlte das beklagte Land dem Kläger Vergütung nach VergGr. IIa der Anl. 1a zum BAT. Mit Schreiben vom 14. Juni 1996 teilte es dem Kläger unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 26. Oktober 1995 (– 6 AZR 125/95 – BAGE 81, 207; sog. “Feuerwehrurteil”) sowie die Ablehnung der Zustimmung durch das Ministerium der Finanzen mit, daß ihm die Zulage nicht mehr gewährt werde und die bisherigen Zahlungen zurückgefordert würden.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, auf sein Arbeitsverhältnis finde auch ab dem 1. Juni 1996 der BAT Anwendung, da es nicht im Beitrittsgebiet begründet sei. Zwar sei das befristete Arbeitsverhältnis vom 1. März 1991 bis zum 28. Februar 1992 im Beitrittsgebiet begründet gewesen. Dieses Arbeitsverhältnis habe jedoch mit Ablauf der Befristung am 28. Februar 1992 geendet. Bei dem Arbeitsverhältnis als Sachbearbeiter im gemeinsamen Tarifregister Berlin/Brandenburg handle es sich um ein neues Arbeitsverhältnis mit einem anderen Arbeitsplatz und einem anderen Aufgabengebiet. Dieses Arbeitsverhältnis sei nicht im Beitrittsgebiet begründet, weil sich der Arbeitsplatz bis zum Umzug des Tarifregisters im ehemaligen Westberlin befunden habe. Deshalb sei der BAT auch nach der Verlegung des Arbeitsplatzes in das ehemalige Ostberlin auf sein Arbeitsverhältnis anzuwenden. Er habe auf Grund der jahrelangen Beschäftigung im ehemaligen Westberlin darauf vertrauen können, auch bei einer Umsetzung auf einen Arbeitsplatz im Beitrittsgebiet weiterhin Leistungen nach BAT zu erhalten. Wenn ein Arbeitnehmer so lange Zeit außerhalb des Beitrittsgebiets beschäftigt werde, sei es sachlich nicht gerechtfertigt, ihm bei der Umsetzung auf einen Arbeitsplatz im Beitrittsgebiet wieder das ungünstigere Osttarifrecht zuzumuten, während Arbeitnehmer, die von Anfang an für eine Tätigkeit außerhalb des Beitrittsgebiets eingestellt wurden, bei einer solchen Umsetzung weiterhin Leistungen nach westlichem Tarifrecht erhielten. Zumindest sei das beklagte Land verpflichtet, ihm weiterhin eine Zulage in Höhe der Differenz zwischen der Vergütung nach BAT und BAT-O zu zahlen.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß er seit dem 1. Juni 1996 nach der VergGr. IIa der Anl. 1a zum BAT in der jeweils gültigen Fassung zu vergüten ist.

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis sei im Beitrittsgebiet begründet. Der Kläger sei zum 1. März 1991 für eine Tätigkeit im Beitrittsgebiet eingestellt worden. Durch die Versetzung in das ehemalige Westberlin habe das Arbeitsverhältnis seinen räumlichen Bezug zum Beitrittsgebiet nicht verloren. Lediglich während der dortigen Beschäftigung habe der BAT gegolten. Seit der Rückkehr in das Beitrittsgebiet finde wieder der BAT-O Anwendung. Einen einzelvertraglichen Anspruch auf Vergütung nach BAT habe der Kläger nicht erworben. Die Zahlung der Zulage in Höhe der Differenz zwischen der Vergütung nach BAT und BAT-O habe wegen des wirksam erklärten Vorbehalts keinen Anspruch begründen können.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers, mit der er hilfsweise beantragt hatte festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, ihm seit dem 1. Juni 1996 eine übertarifliche Zulage in Höhe der Vergütungsdifferenz zwischen der VergGr. IIa der Anl. 1a BAT und der VergGr. IIa der Anl. 1a BAT-O zu zahlen, zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger den Hauptantrag weiter. Das beklagte Land beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Klage, soweit sie in der Revision noch anhängig ist, als unbegründet abgewiesen. Seit dem Umzug des Tarifregisters in das ehemalige Ostberlin im Juni 1994 findet der BAT-O auf das Arbeitsverhältnis Anwendung, da dieses im Sinne des § 1 Abs. 1 Buchst. b BAT-O im Beitrittsgebiet begründet ist. Auch nach den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen steht dem Kläger seit diesem Zeitpunkt Vergütung nach BAT nicht zu.

  • Nach § 1 Abs. 1 Buchst. b BAT-O gilt dieser Tarifvertrag für Arbeitnehmer der Länder, die in einer der Rentenversicherung der Angestellten unterliegenden Beschäftigung tätig sind (Angestellte) und deren Arbeitsverhältnisse in dem in Art. 3 des Einigungsvertrags (fortan: EV) genannten Gebiet begründet sind. Diese Voraussetzungen sind im Falle des Klägers erfüllt. Er übt eine der Rentenversicherung der Angestellten unterliegende Beschäftigung bei dem beklagten Land aus. Sein Arbeitsverhältnis ist im Beitrittsgebiet begründet.

    • Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats zu § 1 BAT-O und zu gleichlautenden Tarifbestimmungen ist ein Arbeitsverhältnis in dem in Art. 3 EV genannten Gebiet begründet, wenn dort der Grund der Entstehung des Arbeitsverhältnisses liegt und der Bezug zum Beitrittsgebiet gegenwärtig noch besteht. Wird ein Arbeitnehmer für eine Tätigkeit im Beitrittsgebiet eingestellt und wird er auf unbestimmte Zeit dort beschäftigt, sind diese Voraussetzungen gegeben (BAG 24. Februar 1994 – 6 AZR 588/93 – BAGE 76, 57; 6. Oktober 1994 – 6 AZR 324/94 – BAGE 78, 108). Für den gegenwärtigen Bezug zum Beitrittsgebiet ist grundsätzlich die Lage des Arbeitsplatzes entscheidend (BAG 24. Februar 1994 – 6 AZR 588/93 – BAGE 76, 57, 61; 6. Oktober 1994 – 6 AZR 324/94 – BAGE 78, 108, 112; 23. Februar 1995 – 6 AZR 614/94 – BAGE 79, 215, 217; 20. März 1997 – 6 AZR 10/96 – BAGE 85, 322, 327 f.; 25. Juni 1998 – 6 AZR 515/97 – AP TV Arb Bundespost § 1 Nr. 2 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 76, zu II 1a der Gründe und – 6 AZR 475/96 – AP TV Arb Bundespost § 1 Nr. 1 = EzA TVG § 4 Geltungsbereich Nr. 12, zu II 2b bb der Gründe). Wird ein Arbeitnehmer, der für eine Tätigkeit im Beitrittsgebiet eingestellt wurde, vorübergehend auf nicht absehbare Zeit im Geltungsbereich westlichen Tarifrechts beschäftigt, findet für die Dauer dieser Tätigkeit westliches Tarifrecht Anwendung. Nach Rückkehr auf einen Arbeitsplatz im Beitrittsgebiet unterfällt das Arbeitsverhältnis wieder dem östlichen Tarifrecht (BAG 23. Februar 1995 – 6 AZR 667/94 – BAGE 79, 224; 21. September 1995 – 6 AZR 151/95 – AP BAT-O § 1 Nr. 6 = EzA TVG § 4 Geltungsbereich Nr. 11, zu III 2 der Gründe; 26. Oktober 1995 – 6 AZR 125/95 – BAGE 81, 207, 209; 20. März 1997 – 6 AZR 10/96 – BAGE 85, 322, 329; 25. Juli 1998 – 6 AZR 515/97 – aaO, zu II 1c der Gründe). Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats gilt dies auch dann, wenn der Einsatz des Angestellten im westlichen Tarifgebiet auf Dauer beabsichtigt war (BAG 23. Februar 1995 – 6 AZR 667/94 – aaO).
    • Der Kläger ist seit Juni 1994 im ehemaligen Ostberlin und damit im Beitrittsgebiet beschäftigt. Der gegenwärtige Bezug des Arbeitsverhältnisses zum Beitrittsgebiet ist daher vorhanden. Der Grund für die Entstehung des Arbeitsverhältnisses lag im Beitrittsgebiet. Der Kläger wurde zum 1. März 1991 im Rahmen einer ABM für eine Tätigkeit im Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen in Potsdam und damit für eine Tätigkeit im Beitrittsgebiet eingestellt. Dabei handelte es sich zwar um ein bis zum 28. Februar 1992 befristetes Arbeitsverhältnis. Daran schloß sich jedoch ohne zeitliche Unterbrechung zum 1. März 1992 das unbefristete Arbeitsverhältnis im gemeinsamen Tarifregister Berlin/Brandenburg an. Auch dieses Arbeitsverhältnis ist im Sinne des § 1 Abs. 1 Buchst. b BAT-O im Beitrittsgebiet begründet. Denn der Grund für seine Entstehung lag im Beitrittsgebiet.

      • Nach § 91 Abs. 3 Nr. 1 AFG in der am 1. März 1991 geltenden Fassung dienten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ua. dazu, die Voraussetzungen für die Beschäftigung von Arbeitslosen in Dauerarbeit zu schaffen. Nach § 1 Nr. 2 der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit über die Förderung von allgemeinen Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung aus Mitteln der Bundesanstalt vom 13. September 1984 (ABM-Anordnung) hatten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ua. zum Ziel, eine dauerhafte und qualifikationsgerechte Wiedereingliederung arbeitsloser Arbeitnehmer zu erreichen. Dieser Zweck wurde im Falle des Klägers erfüllt, denn er wurde im unmittelbaren Anschluß an die im Rahmen der ABM erfolgte Zuweisung in ein Dauerarbeitsverhältnis beim beklagten Land übernommen. Der Grund für die Entstehung dieses Arbeitsverhältnisses lag deshalb in der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme und damit im Beitrittsgebiet, weil das Arbeitsverhältnis dort begonnen wurde. Daß der Kläger den jetzigen Arbeitsplatz beim gemeinsamen Tarifregister Berlin/Brandenburg auch erhalten hätte, wenn er dem beklagten Land nicht zunächst im Rahmen der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme zugewiesen worden wäre, hat er selbst nicht behauptet. Er hat lediglich vorgetragen, daß er sich während der ABM auf die ausgeschriebene Stelle beworben habe. Daraus ergibt sich aber nicht, daß ihm das beklagte Land die Tätigkeit im Tarifregister auch übertragen hätte, wenn es nicht schon durch die Beschäftigung im Rahmen der ABM einen Eindruck von seiner Eignung hätte gewinnen können. Auf Grund dieses inneren Zusammenhangs zwischen der Zuweisung im Rahmen der ABM und dem sich daran unmittelbar anschließenden unbefristeten Arbeitsverhältnis ist auch dieses im Sinne des § 1 Abs. 1 Buchst. b BAT-O im Beitrittsgebiet begründet.
      • Dieses Ergebnis entspricht Sinn und Zweck des BAT-O. Die gegenüber dem BAT ungünstigeren Arbeitsbedingungen des BAT-O sollen einen Anreiz dafür bieten, in dem von den Tarifvertragsparteien wirtschaftlich schwächer eingeschätzten Beitrittsgebiet Arbeitsplätze zu schaffen und zu erhalten. Deshalb gelten für Angestellte, die auf solchen Arbeitsplätzen beschäftigt werden, grundsätzlich die ungünstigeren Bedingungen des BAT-O. Eine Ausnahme besteht nur für Angestellte, die zunächst für eine Tätigkeit außerhalb des Beitrittsgebiets eingestellt wurden und die später auf Arbeitsplätzen im Beitrittsgebiet beschäftigt werden. Diese Angestellten unterfallen nicht dem Geltungsbereich des BAT-O, weil der Entstehungsgrund für ihre Arbeitsverhältnisse nicht im Beitrittsgebiet liegt. Für sie gelten die günstigeren Arbeitsbedingungen des BAT weiter. Zwar haben die Tarifvertragsparteien entsprechend der Regelung in Kap. XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 der Anl. I zum Einigungsvertrag in dem Tarifvertrag über den Geltungsbereich der für den öffentlichen Dienst in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Tarifverträge vom 1. August 1990 vereinbart, daß die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes und damit auch der BAT im Beitrittsgebiet bis auf weiteres keine Anwendung finden. Sie haben die Geltungsbereiche von BAT und BAT-O durch die Regelung in § 1 Abs. 1 BAT-O jedoch dahingehend voneinander abgegrenzt, daß der BAT-O für Angestellte gilt, deren Arbeitsverhältnisse im Beitrittsgebiet begründet sind. Damit haben sie auf die Lage des Arbeitsplatzes und darauf abgestellt, daß der Grund für die Entstehung des Arbeitsverhältnisses im Beitrittsgebiet liegt. Fehlt eine dieser beiden Voraussetzungen, findet der BAT-O keine Anwendung. In einem solchen Fall bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem BAT. Andernfalls würde für Angestellte, deren Arbeitsverhältnisse ohne jeden Bezug zum Beitrittsgebiet entstanden sind und die später im Beitrittsgebiet beschäftigt werden, keiner der beiden Tarifverträge gelten. Daß dies von den Tarifvertragsparteien beabsichtigt war, kann nicht angenommen werden. Deshalb fallen Angestellte des öffentlichen Dienstes, die zwar im Beitrittsgebiet beschäftigt werden, deren Arbeitsverhältnisse aber nicht von der speziellen Geltungsbereichsregelung des § 1 Abs. 1 BAT-O erfaßt werden, weil der Grund für die Entstehung ihrer Arbeitsverhältnisse außerhalb des Beitrittsgebiets lag, unter den Geltungsbereich des BAT. Durch diese Regelung haben die Tarifvertragsparteien nicht nur dem Zweck des BAT-O Rechnung getragen, die Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen in dem wirtschaftlich schwächer eingeschätzten Beitrittsgebiet zu fördern, sondern auch verhindert, daß Angestellte, deren Arbeitsverhältnisse zunächst ohne jeglichen Bezug zum Beitrittsgebiet entstanden sind, bei einer Umsetzung in das Beitrittsgebiet Arbeitsbedingungen hinzunehmen haben, die für sie ungünstiger sind und mit denen sie zuvor nicht rechnen mußten. Eines solchen Schutzes bedarf es nicht bei einem Angestellten wie dem Kläger, der zeitlich ununterbrochen bei demselben Arbeitgeber beschäftigt ist und dessen Arbeitsplatz bei Beginn der arbeitsrechtlichen Beziehungen im Beitrittsgebiet lag. Denn für ihn gelten von Anfang an nicht die günstigeren Bedingungen des BAT. Deshalb kann er Vergütung nach BAT nur verlangen, solange er im Geltungsbereich dieses Tarifvertrages beschäftigt wird. Kehrt er auf einen Arbeitsplatz im Beitrittsgebiet zurück, bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem BAT-O. Dies gilt selbst dann, wenn der Einsatz im westlichen Tarifgebiet zunächst auf Dauer beabsichtigt war. Dabei kommt es nach Sinn und Zweck der tariflichen Regelung nicht darauf an, ob der Angestellte im Rahmen eines einzigen Arbeitsvertrags umgesetzt wird oder ob dies auf der Grundlage mehrerer unmittelbar aneinander anschließender Arbeitsverträge geschieht, ohne daß eine zeitliche Unterbrechung der arbeitsrechtlichen Beziehungen eintritt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Arbeitsverträge, wie hier, in einem inneren Zusammenhang stehen. Daß sich die Tätigkeit des Klägers gegenüber der Zuweisung im Rahmen der ABM geändert hat und er an einem anderen Arbeitsplatz beschäftigt wird, ist nicht entscheidend. Dies spielt für die Tarifgeltung nach § 1 Abs. 1 BAT-O auch dann keine Rolle, wenn einem Angestellten auf der Grundlage eines einzigen Arbeitsvertrags eine andere Tätigkeit zugewiesen und er auf einen anderen Arbeitsplatz umgesetzt wird.
    • Entgegen der Auffassung des Klägers wird er gegenüber Angestellten, die für eine Tätigkeit außerhalb des Beitrittsgebiet eingestellt wurden und die auch bei einer Beschäftigung im Beitrittsgebiet Vergütung nach BAT erhalten, nicht ohne sachlichen Grund ungleich behandelt. Der Kläger verkennt, daß der Geltungsbereich des BAT-O zwar an die Lage des Arbeitsplatzes anknüpft, für die Tarifgeltung aber neben dem gegenwärtigen Bezug zum Beitrittsgebiet auch entscheidend ist, ob der Angestellte für eine Tätigkeit im Beitrittsgebiet eingestellt wurde. Denn § 1 Abs. 1 BAT-O stellt darauf ab, ob das Arbeitsverhältnis im Beitrittsgebiet begründet ist. Dies ist bei Angestellten, die ursprünglich für eine Tätigkeit im Beitrittsgebiet eingestellt wurden, auch dann der Fall, wenn sie später auf nicht absehbare Zeit oder dauerhaft im westlichen Tarifgebiet eingesetzt werden. Der Bezug eines solchen Arbeitsverhältnisses zum Beitrittsgebiet geht auch bei einem auf Dauer beabsichtigten Einsatz im westlichen Tarifgebiet nicht endgültig verloren, denn die für die Tarifgeltung nach Rückkehr maßgebliche Begründung des Arbeitsverhältnisses im Beitrittsgebiet ändert sich dadurch nicht (BAG 24. Juni 1999 – 6 AZR 24/98 – nv., zu B I 2a der Gründe).
  • Der Kläger hat seit dem Umzug des Tarifregisters und der damit zusammenhängenden Verlegung seines Arbeitsplatzes in das ehemalige Ostberlin auch keinen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Vergütung nach BAT. Zwar haben die Parteien in § 2 des Arbeitsvertrags vom 30. Juni 1993 die Geltung des BAT vereinbart. Diese Vertragsbestimmung hat das Landesarbeitsgericht nicht als rechtsbegründend, sondern als deklaratorischen Hinweis auf die zum damaligen Zeitpunkt wegen der Beschäftigung des Klägers im Geltungsbereich des BAT geltende tarifliche Rechtslage ausgelegt. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Auslegung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach die arbeitsvertragliche Verweisung auf den Geltungsbereich eines Tarifvertrags im Arbeitsverhältnis des öffentlichen Dienstes grundsätzlich nur den Sinn hat, daß der Arbeitsvertrag das beinhalten soll, was nach den allgemeinen Grundsätzen des Tarifrechts auch für tarifgebundene Angestellte gilt (vgl. etwa BAG 21. Oktober 1992 – 4 AZR 156/92 – AP BAT § 23a Nr. 27, zu I 3b der Gründe mwN; 1. Juni 1995 – 6 AZR 922/94 – BAGE 80, 152, 155). Daß der Kläger nur für die Dauer der Beschäftigung im westlichen Tarifgebiet Vergütung nach BAT erhalten sollte, haben die Parteien in § 5 des Arbeitsvertrags vom 30. Juni 1993 ausdrücklich vereinbart. Diese Vereinbarung verstößt entgegen der Auffassung des Klägers nicht gegen § 4 Abs. 3 TVG, sie stimmt vielmehr mit der tariflichen Rechtslage überein.
  • Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
 

Unterschriften

Dr. Peifer, Dr. Armbrüster, Gräfl, R. Kamm, Kapitza

 

Fundstellen

Haufe-Index 892469

PersR 2001, 393

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