Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsteilübergang – Betriebsbedingte Kündigung nach Widerspruch des Arbeitnehmers
Leitsatz (amtlich)
1. Der Arbeitnehmer kann sich auf eine mangelhafte Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG auch dann berufen, wenn der Verlust seines Arbeitsplatzes darauf beruht, daß er dem Übergang des Arbeitsverhältnisses auf einen Teilbetriebserwerber widersprochen hat.
2. Bei der Prüfung der sozialen Gesichtspunkte sind die Gründe für den Widerspruch zu berücksichtigen. Je geringer die Unterschiede in der sozialen Schutzbedürftigkeit im übrigen sind, desto gewichtiger müssen die Gründe des widersprechenden Arbeitnehmers sein. Nur wenn dieser einen baldigen Arbeitsplatzverlust oder eine baldige wesentliche Verschlechterung seiner Arbeitsbedingungen bei dem Erwerber zu befürchten hat, kann er einen Arbeitskollegen, der nicht ganz erheblich weniger schutzbedürftig ist, verdrängen.
Normenkette
BetrVG § 102; BGB § 613a; KSchG § 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 5. Februar 1998 - 1 Sa 16/97 - aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten insbesondere über die Wirksamkeit einer auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützten Kündigung des Beklagten, nachdem der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf einen Betriebsteilerwerber widersprochen hat.
Der im Jahre 1964 geborene, verheiratete und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit Universitätsabschluß. Er war bei dem Beklagten seit dem 1. März 1993 als Sachverständiger in den Bereichen Emission, Wärme- und Kaltwirtschaft der Abteilung Umweltschutz beschäftigt und erzielte zuletzt ein Monatseinkommen von ca. 7.000,00 DM brutto. Geschäftstätigkeit des Beklagten, der etwa 1.600 Arbeitnehmer beschäftigt, ist die Überwachung technischer Anlagen.
Ende Februar 1996 unterrichtete der Beklagte den Kläger über die Übertragung der Abteilung Umweltschutz mit Wirkung vom 1. April 1996 auf die Gesellschaft für Umweltschutz mbH (GfU) mit dann insgesamt 70 Arbeitnehmern. Alleinige Gesellschafterin der neu gegründeten GfU ist die T GmbH, deren alleiniger Gesellschafter der Beklagte. Der Kläger widersprach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses mit Schreiben vom 18. März 1996, das keine Begründung enthielt.
Mit Schreiben vom 29. März 1996 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers ordentlich zum 30. Juni 1996 mit der Begründung, dessen Arbeitsplatz falle durch den Übergang des Betriebsteils weg. Der zuvor unterrichtete Betriebsrat hatte erklärt, er widerspreche der beabsichtigten Kündigung.
Mit der am 16. April 1996 beim Arbeitsgericht eingereichten Kündigungsschutzklage macht der Kläger die Sozialwidrigkeit der Kündigung und eine fehlerhafte Beteiligung des Betriebsrats geltend. Er hat vorgetragen, es seien auch nach dem Betriebsteilübergang genügend Arbeitsaufgaben vorhanden, die seine Weiterbeschäftigung ermöglicht hätten. Zum einen ergebe sich das aus den zahlreichen Überstunden bei dem Beklagten. Zum anderen erfülle er die Anforderungen an zum Zeitpunkt der Kündigung ausgeschriebene Stellen jedenfalls nach einer angemessenen Einarbeitungszeit. Der Kläger hat die Darlegung der sozialen Auswahl durch den Beklagten verlangt und die Ansicht vertreten, er habe dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Erwerberin aus sachlichen Gründen widersprochen. Er habe diese Gründe dem Beklagten schon vor dem Betriebsübergang mündlich dargelegt. Sachliche Gründe ergäben sich aus der schlechten wirtschaftlichen Situation der GfU, ihrer wesentlich geringeren Arbeitnehmerzahl und der daraus folgenden günstigeren Position – auch hinsichtlich der finanziellen Ausstattung eines Sozialplans – bei dem Beklagten. Die Abteilung Umweltschutz habe 1994 Verluste von 3 Mio. DM, 1995 von 4,5 Mio. DM und im 1. Quartal 1996 von 2 Mio. DM erlitten. Eine langfristige Verschlechterung der Arbeitsbedingungen bei der GfU sei außerdem nicht auszuschließen, da diese nicht tarifgebunden sei. Er, der Kläger, sei bereit gewesen, seine Arbeitsleistung weiterhin an seinem bisherigen Arbeitsplatz aufgrund einer Arbeitnehmerüberlassung seitens des Beklagten zu erbringen oder das Arbeitsverhältnis zu geänderten Arbeitsbedingungen fortzusetzen.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 29. März 1996 nicht zum 30. Juni 1996 beendet worden sei,
- den Beklagten zu verurteilen, ihn als Ingenieur weiterzubeschäftigen,
den Beklagten zu verurteilen, das Arbeitsverhältnis für die Zeit vom 1. Juli 1996 bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsschutzprozesses abzurechnen unter Berücksichtigung des dem Kläger vertraglich zustehenden Gehalts abzüglich des in der Zeit vom 1. Juli 1996 bis Juli 1997 gezahlten Arbeitslosengeldes und abzüglich der in der Zeit vom 1. Juli 1996 bis 31. Mai 1997 von dem Beklagten gezahlten Wettbewerbsentschädigung,
hilfsweise zu den Anträgen zu 1) und 2):
festzustellen, daß ihm aufgrund des Widerspruchs des Betriebsrats ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung gemäß § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG ab dem 1. Juli 1996 bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsschutzprozesses zwischen den Parteien zustehe.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei aus betriebsbedingten Gründen gerechtfertigt. Es habe bei ihm keinen freien für den Kläger geeigneten Arbeitsplatz gegeben. Ob er Überstunden anordne oder mehr Arbeitnehmer beschäftige, obliege seiner freien Entscheidung. Die im Rahmen der Überstunden angefallenen Arbeitsaufgaben könnten nicht zu einem Arbeitsplatz zusammengefaßt werden. Eine Sozialauswahl sei nicht durchzuführen gewesen, da ein sachlicher Grund für den Widerspruch des Klägers nicht vorgelegen habe. Der Kläger habe Gründe auch erst im Prozeß und damit verspätet vorgebracht. Die Ausgründung sei erfolgt, um die Abteilung Umweltschutz nicht mehr mit den Gemeinkosten des Beklagten zu belasten, die Möglichkeit des Zusammengehens mit anderen Gesellschaften zu erleichtern und Entscheidungswege zu verkürzen. Die Verluste der Abteilung hätten 1995 4,1 Mio. DM und im 1. Quartal 1996 1,9 Mio. DM betragen. Die Prognose für die GfU sei – auch wegen einer erheblichen Personalreduzierung bis 1995 – auf eine deutliche Verringerung der Verluste und Erreichung der Gewinnzone gerichtet gewesen. Dementsprechend habe der Verlust im restlichen Jahr 1996 1,2 Mio. DM und 1997 noch 1 Mio. DM betragen. Der engere Arbeitsbereich des Klägers habe stets Gewinne erwirtschaftet. Der Beklagte habe sich – das ist zwischen den Parteien unstreitig – gegenüber der GfU verpflichtet, deren Verluste der ersten zwei bzw. drei Jahre zu übernehmen. Abgesehen davon seien länger als der Kläger beschäftigte Mitarbeiter ebenso wie Maschinenbauingenieure mit einer ganz speziellen Fachausrichtung nicht in eine Sozialauswahl einzubeziehen. Auch seien Ingenieure mit Universitätsabschluß und mit Fachhochschulabschluß nicht vergleichbar. Ein ordnungsgemäßer Widerspruch des Betriebsrats habe nicht vorgelegen, so daß auch kein Weiterbeschäftigungsanspruch bestehe.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht.
A. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt, die Kündigung des Beklagten sei wegen fehlerhafter Sozialauswahl unwirksam. Die geringere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der übernehmenden Gesellschaft gegenüber der Beklagten stelle einen vertretbaren Grund für den Widerspruch des Klägers dar. Dem stehe weder die spätere wirtschaftliche Entwicklung der GfU noch der Umstand entgegen, daß sich der Beklagte verpflichtet habe, die Verluste der GfU für einen gewissen Zeitraum auszugleichen. Der Widerspruch sei auch deshalb gerechtfertigt, weil angesichts der geringeren Anzahl von Arbeitsplätzen im Falle einer betriebsbedingten Kündigung Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bei der GfU in weitaus geringerem Umfang bestünden als bei dem Beklagten. Weiterer Gesichtspunkt sei die fehlende Tarifbindung der GfU. Dabei sei es ausreichend, daß die Widerspruchsgründe zum Zeitpunkt des Widerspruchs objektiv vorgelegen hätten. Wolle der Arbeitgeber später eine betriebsbedingte Kündigung aussprechen, könne er den Arbeitnehmer nach dem Widerspruchsgrund fragen, um dann gegebenenfalls eine Sozialauswahl durchzuführen. Die Fehlerhaftigkeit der danach vorzunehmenden Sozialauswahl werde vermutet, da der Beklagte den auswahlrelevanten Personenkreis verkannt habe. Er habe länger als der Kläger beschäftigte Mitarbeiter nicht berücksichtigt. Außerdem habe er nicht dargelegt, warum Maschinenbauingenieure mit spezieller Ausbildung nicht in die Vergleichsgruppe einzubeziehen seien. Es sei denkbar, daß der Kläger nach einer bei dem Beklagten üblichen und zumutbaren Einarbeitungszeit zur Erfüllung dieser Aufgaben imstande wäre. Der Weiterbeschäftigungsanspruch folge ebenso wie der Abrechnungsanspruch aus der Unwirksamkeit der Kündigung.
B. Diese Ausführungen halten der revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht stand. Der Beklagte hat bei der Auswahl des Klägers soziale Gesichtspunkte ausreichend berücksichtigt (§ 1 Abs. 3 KSchG). Der Senat kann die Wirksamkeit der Kündigung und die geltend gemachten Leistungsansprüche aber nicht selbst abschließend beurteilen.
I. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht in Übereinstimmung mit den Parteien davon ausgegangen, daß das Arbeitsverhältnis des in der Abteilung Umweltschutz beschäftigten Klägers nicht auf die GfU übergegangen ist. In der Übertragung der Abteilung auf die GfU liegt zwar ein Betriebsteilübergang gem. § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Kläger hat aber mit Schreiben vom 18. März 1996 wirksam dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprochen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts steht es jedem von einem Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer frei, dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses ohne Angabe von Gründen zu widersprechen (vgl. nur Senatsurteil vom 19. März 1998 - 8 AZR 139/97 - AP Nr. 177 zu § 613 a BGB, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu I 2 der Gründe, m.w.N.).
II. Für die Entscheidung, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 29. März 1996 zum 30. Juni 1996 aufgelöst wurde, bedarf es weiterer Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht.
1. § 613 a Abs. 4 BGB steht der Wirksamkeit der Kündigung nicht entgegen. Diese Vorschrift schützt nur vor einer Kündigung wegen des Betriebsübergangs; sie greift nicht ein, wenn der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprochen hat und der Betriebsveräußerer das Fehlen einer Beschäftigungsmöglichkeit für den widersprechenden Arbeitnehmer wegen des Betriebsübergangs geltend macht (vgl. nur BAG Urteil vom 21. März 1996 - 2 AZR 559/95 - BAGE 82, 316, 326 = AP Nr. 81 zu § 102 BetrVG 1972, zu IV 1 der Gründe).
2. Die Kündigung ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht gem. § 1 Abs. 3 KSchG sozial ungerechtfertigt. Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß der Kläger das Arbeitsverhältnis bei der GfU hätte fortsetzen können, und bei Abwägung der Gründe, die ihn zu seinem Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses veranlaßt haben, war die Auswahl des Klägers unter den vergleichbaren Diplom-Ingenieuren der Fachrichtung Maschinenbau nicht fehlerhaft.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann sich auch der Arbeitnehmer, dem ohne seinen Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses der Arbeitsplatz bei dem Übernehmer erhalten geblieben wäre, auf eine mangelhafte Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 KSchG) berufen (BAG Urteil vom 7. April 1993 - 2 AZR 449/91 B - AP Nr. 22 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl, zu II 5 b der Gründe; BAG Urteil vom 21. März 1996 - 2 AZR 559/95 - BAGE 82, 316, 327 = AP Nr. 81 zu § 102 BetrVG 1972, zu IV 4 der Gründe). Das Gesetz gibt keine Handhabe, etwa im Falle eines Widerspruchs ohne vernünftigen Grund von einer Sozialauswahl ganz abzusehen. Die Prüfung der sozialen Schutzwürdigkeit aller vergleichbaren Arbeitnehmer hat jedoch die Tatsache zu berücksichtigen, daß der Arbeitnehmer seine bisherige Arbeitsmöglichkeit aus freien Stücken aufgegeben hat und erst dadurch ein dringendes betriebliches Erfordernis für die Kündigung geschaffen wurde. Der soziale Besitzstand des gekündigten Arbeitnehmers kann nicht unabhängig von den Gründen beurteilt werden, aus denen er die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit einem anderen Arbeitgeber ablehnt. Soll statt seiner einem anderen Arbeitnehmer gekündigt werden, der die Möglichkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht hat, müssen berechtigte Gründe des Arbeitnehmers vorliegen, der sich auf die soziale Auswahl zu Lasten des Arbeitskollegen beruft.
b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist nicht ein großzügiger Maßstab zugunsten des widersprechenden Arbeitnehmers geboten (so aber KR-Pfeiffer, 5. Aufl., § 613 a BGB Rz 65, 65 a). Eine echte Wahlfreiheit des Arbeitnehmers kann nur bestehen, wenn sie nicht zu Lasten eines – an sich unbeteiligten – Arbeitskollegen geht. Darin liegt keine „Entwertung des Widerspruchsrechts”. Vielmehr ist die rechtsgeschäftliche Abschlußfreiheit des Arbeitnehmers mit den berechtigten und schutzwürdigen Belangen der von dem Widerspruch betroffenen Arbeitskollegen in Einklang zu bringen. Das Kündigungsschutzgesetz schützt auch diese vor einem ungerechtfertigten Verlust des Arbeitsplatzes. Je geringer die Unterschiede hinsichtlich der sozialen Gesichtspunkte unter den vergleichbaren Arbeitnehmern sind, desto gewichtiger müssen die Gründe dafür sein, einen vom Betriebsübergang nicht betroffenen Arbeitnehmer zu verdrängen. Sind Bestand oder Inhalt des Arbeitsverhältnisses auch ohne Widerspruch des Arbeitnehmers ernsthaft gefährdet, kommt seiner Abschlußfreiheit gegenüber dem Bestandsschutz anderer Arbeitnehmer gleicher Rang im Rahmen einer sozialen Auswahl zu. Andererseits ergibt sich: Ist der widersprechende Arbeitnehmer sozial nicht ganz erheblich, sondern nur geringfügig schutzwürdiger als die vergleichbaren Arbeitnehmer, verdient er allenfalls dann den Vorrang, wenn seinem Widerspruch die berechtigte Befürchtung eines baldigen Arbeitsplatzverlustes oder einer baldigen wesentlichen Verschlechterung seiner Arbeitsbedingungen bei dem Erwerber zugrunde liegt.
c) Dem Kläger kam nach seinen Sozialdaten zum Kündigungszeitpunkt kein gesteigerter sozialer Schutz zu. Er war knapp 32 Jahre alt und drei Jahre bei dem Beklagten beschäftigt. Länger als der Kläger beschäftigte vergleichbare Mitarbeiter konnten allenfalls geringfügig jünger sein. Deren soziale Schutzbedürftigkeit unterschied sich auch dann, wenn sie im Gegensatz zum Kläger ledig und ohne Unterhaltspflichten waren, nur verhältnismäßig wenig von der des Klägers. Der Kläger mußte weder einen baldigen Verlust seines Arbeitsplatzes bei der GfU noch eine baldige wesentliche Verschlechterung seiner Arbeitsbedingungen befürchten. Seine Begründung des Widerspruchs betrifft im wesentlichen die Folgen einer etwaigen Kündigung, belegt aber nicht die konkrete Gefährdung seines Arbeitsplatzes. Insgesamt war der Kläger deshalb nicht sozial schutzbedürftiger als die länger bei dem Beklagten beschäftigten vergleichbaren Diplom-Ingenieure. Das kann der Senat nach dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt selbst abschließend entscheiden. Der Grund für den Widerspruch des Klägers war nicht so gewichtig, daß die Auswahl des zu Kündigenden nicht auf den nach Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter und Unterhaltspflichten allenfalls geringfügig schutzwürdigeren Kläger fallen durfte; denn dieser hatte im Gegensatz zu den vergleichbaren Arbeitskollegen die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis bei der GfU ohne wesentliches Risiko fortzusetzen. Deshalb liegt im Ergebnis keine fehlerhafte soziale Auswahl darin, daß der Beklagte länger als der Kläger beschäftigte Mitarbeiter nicht berücksichtigt hat.
d) Der Beklagte mußte nicht die Maschinenbauingenieure mit spezieller Ausbildung in die soziale Auswahl einbeziehen; denn diese waren mit dem Kläger nicht vergleichbar. Unstreitig hätte der Arbeitsplatzwechsel des Klägers eine Einarbeitungszeit für die Erfüllung der speziellen Aufgaben erfordert. Diese ist zwar bei der Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz zu geänderten Arbeitsbedingungen hinzunehmen, weil auch ein neu eingestellter Arbeitnehmer regelmäßig eine entsprechende Einarbeitungszeit benötigt. Vergleichbarkeit liegt aber nur vor, wenn der Arbeitnehmer alsbald eingesetzt werden kann (KR-Etzel, 5. Aufl., § 1 KSchG Rz 637, m.w.N.). Das war beim Kläger nicht der Fall. Jedenfalls angesichts des Teilbetriebsübergangs unter Erhalt des Arbeitsplatzes des Klägers und der Gründe für dessen Widerspruch war dem Beklagten eine erhebliche Einarbeitungszeit nicht zuzumuten.
3. Das Landesarbeitsgericht muß noch prüfen, ob die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt war (§ 1 Abs. 2 KSchG). Insoweit ist unstreitig, daß der Arbeitsplatz des Klägers durch den Übergang seiner Abteilung auf die GfU bei dem Beklagten weggefallen ist. Ob eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Kläger an einem anderen Arbeitsplatz bestand, ist jedoch streitig geblieben.
4. Das Landesarbeitsgericht hat auch zu der zwischen den Parteien streitigen Frage der Beteiligung des Betriebsrats keine Feststellungen getroffen. Der Senat kann deshalb nicht beurteilen, ob die Kündigung gem. § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam ist.
III. Im erneuten Berufungsverfahren ist in Abhängigkeit von der Entscheidung zur Wirksamkeit der Kündigung über den Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung zu entscheiden (BAG Beschluß vom 27. Februar 1985 - GS 1/84 - BAGE 48, 122 = AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht). Darüber hinaus kommt ein Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung nach § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG unabhängig von der Wirksamkeit der Kündigung in Betracht. Das Landesarbeitsgericht muß ggf. auch hierzu die notwendigen Feststellungen treffen und die zwischen den Parteien streitige Frage entscheiden, ob der Betriebsrat der Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen hat.
IV. Der Abrechnungsanspruch des Klägers setzt voraus, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien wegen Unwirksamkeit der Kündigung fortbestanden hat und der Beklagte in Annahmeverzug geraten ist; unabhängig von der Wirksamkeit der Kündigung genügt Annahmeverzug mit dem Anspruch nach § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG.
Unterschriften
Ascheid, Müller-Glöge, Mikosch, Haible, R. Iskra
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 18.03.1999 durch Klapp, Amtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 436085 |
BAGE, 129 |
BB 1999, 1712 |
DB 1999, 1805 |
NJW 1999, 3508 |
NWB 1999, 2819 |
BuW 1999, 918 |
EBE/BAG 1999, 114 |
FA 1999, 237 |
NZA 1999, 870 |
SAE 2000, 286 |
ZAP 1999, 766 |
ZIP 1999, 1537 |
ZTR 1999, 479 |
AP, 0 |
MDR 1999, 1202 |