Als wesentliche Neuregelung eröffnet § 6 Absatz 4 die Möglichkeit, durch Dienst- oder Betriebsvereinbarung von den Öffnungsklauseln des Arbeitszeitgesetzes Gebrauch zu machen. |
Das Arbeitszeitgesetz regelt u.a. die Höchstgrenzen der Arbeitszeit, Mindestdauer der Pausen und Ruhezeiten sowie die Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen. In den § 7 und § 12 Arbeitszeitgesetz sind Abweichungen von den Grundregelungen zugelassen, deren Inanspruchnahme aber entweder durch einen Tarifvertrag unmittelbar oder auch durch Dienst-/Betriebsvereinbarung, zu der die Betriebsparteien in einem Tarifvertrag ermächtigt wurden, ermöglicht sein muss.
Der TV-L macht teilweise von der unmittelbaren Regelungskompetenz Gebrauch (zum Beispiel bei der Verlängerung des Ausgleichszeitraums in § 6 Absatz 2 oder bei der Ermöglichung von 12-Stunden-Schichten an Sonn- und Feiertagen in der Protokollerklärung zu § 6 Absatz 4).
Da nicht alle Lebenssachverhalte tarifvertraglich geregelt werden können, enthält § 6 Absatz 4 die Ermächtigungsnorm für die Betriebsparteien, über die tariflich geregelten Fälle hinaus von den Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes im Rahmen des § 7 Absatz 1, 2 und des § 12 Arbeitszeitgesetz abweichen zu können.
Beispiel
In einem Rechenzentrum wird regelmäßig nach Dienstende Rufbereitschaft angeordnet. Zwar ist eine Inanspruchnahme selten, wenn sie aber erfolgt, wird dabei häufig - unter Einrechnung von acht Stunden Vollarbeit - die von § 3 Arbeitszeitgesetz vorgegebene Zehn-Stunden-Grenze für die tägliche Höchstarbeitszeit überschritten. Hier kann mit einer Dienstvereinbarung für diese Fälle die tägliche Höchstarbeitszeit gemäß § 7 Absatz 2 Nr. 3 Arbeitszeitgesetz auf mehr als zehn Stunden ausgedehnt werden.
Voraussetzung für eine Dienstvereinbarung nach § 6 Absatz 4 sind "dringende dienstliche Gründe". Dringende "dienstliche Gründe" können daher unvorhergesehene Ereignisse sein, die einen besonderen Arbeitsaufwand erfordern, ohne die Dringlichkeit des § 14 Arbeitszeitgesetz zu erreichen (§ 14 Arbeitszeitgesetz: außergewöhnliche Fälle). Es können aber auch unabweisbare organisatorische Notwendigkeiten sein, die einer sinnvollen Arbeitszeitgestaltung ohne Inanspruchnahme der Öffnungsklausel entgegenstehen.
Von der Öffnungsklausel des § 7 Absatz 2 a Arbeitszeitgesetz (Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit ohne Ausgleich über 48 Wochenstunden; so genanntes opt-out) kann durch § 6 Absatz 4 nicht Gebrauch gemacht werden. § 6 Absatz 4 ist auf § 7 Absätze 1 und 2 Arbeitszeitgesetz beschränkt. In den Hauptanwendungsfällen des § 7 Absatz 2 a Arbeitszeitgesetz (z.B. Pkw-Fahrer) ist die Inanspruchnahme dieser Ausnahmebestimmung unmittelbar in den entsprechenden Tarifvorschriften zugelassen worden.
In der Protokollerklärung zu Absatz 4 ist die Öffnungsklausel des § 12 Nr. 4 Arbeitszeitgesetz bereits durch Tarifvertrag ausgefüllt worden. Um in vollkontinuierlichen Schichtbetrieben die Arbeitszeit an Sonn- und Feiertagen auf bis zu zwölf Stunden verlängern zu können (wenn dadurch zusätzliche freie Schichten an Sonn- und Feiertagen erreicht werden), bedarf es keiner Umsetzung durch Dienstvereinbarung mehr. Ein entsprechender Schichtplan unterliegt nach den allgemeinen Regelungen der Mitbestimmung.