Entscheidungsstichwort (Thema)
Regaleinrichterin im Einzelhandel
Leitsatz (amtlich)
- Nach den Tarifverträgen für den Einzelhandel in NRW sind die gewerblichen Arbeitnehmer nach der überwiegend von ihnen verrichteten Tätigkeit einzugruppieren. Die der Erfüllung der Arbeitsaufgabe nach der betrieblichen Organisation maßgebende Tätigkeit muß zusammengefaßt betrachtet werden.
- Die Tätigkeit der Regaleinrichterin, deren Aufgabe darin besteht, Ware im Warenlager umzuladen, in den Laden zu fahren, erneut umzuladen und entsprechend dem Alter der Ware nach vorheriger Auszeichnung in die Regale einzuräumen, wird von den Richtbeispielen nicht erfaßt. Für ihre Eingruppierung sind die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale entscheidend.
- Eine Arbeitnehmerin verrichtet regelmäßig schwere körperliche Arbeit, wenn sie überwiegend Warengebinde zwischen acht und 17 kg heben und in einer vierstündigen Schicht insgesamt zwischen acht und zehn Zentnern bewegen muß.
Normenkette
TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel; MTV Einzelhandel NRW § 9; Lohn TV NRW v. 16. Mai 1988
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Urteil vom 20.12.1989; Aktenzeichen 4 Sa 1174/89) |
ArbG Krefeld (Urteil vom 24.08.1989; Aktenzeichen 2 Ca 553/89) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 20. Dezember 1989 – 4 Sa 1174/89 – aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 24. August 1989 – 2 Ca 553/89 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß festgestellt wird, daß die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin seit dem 1. März 1989 Lohn nach Lohngruppe II Lohnstaffel b) des Lohntarifvertrages im Einzelhandel Nordrhein-Westfalen zu zahlen und ihr 4 % Zinsen seit dem 29. März 1988 aus dem sich aus 829,70 DM brutto ergebenden Nettobetrag zustehen.
Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelinstanzen zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Klägerin ist in einem Lebensmittelmarkt der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit der Mantel- und der Lohntarifvertrag für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen Anwendung. Die Klägerin erhält Lohn nach Lohngruppe II Lohnstaffel a). Sie ist teilzeitbeschäftigt und arbeitet arbeitstäglich vier Stunden.
Die Klägerin wird als Auffüllkraft und Auszeichnerin beschäftigt. Sie ist für den Warenbereich Sauerkonserven, Fleisch- und Fischkonserven, Knackwürste, Konfitüre, Kaffee, Tee, Eier, Büchsenmilch sowie Leichtbackwaren zuständig. Ihre Aufgabe besteht darin, die angelieferte Ware abzustapeln, zu sortieren, zu etikettieren und in die Regale einzuordnen. Im einzelnen verrichtet sie dabei folgende Tätigkeiten:
Die angelieferte Ware wird in Rollcontainern in der Warenannahme unsortiert bereitgestellt, so daß die Klägerin zunächst die Ware, die in ihren Zuständigkeitsbereich fällt, aussortieren muß. Dazu ist es erforderlich, die Gebinde vom Rollcontainer abzustapeln. Anschließend stapelt die Klägerin die aussortierte Ware auf einen anderen Rollcontainer um. Diesen Rollcontainer fährt sie in den Ladenbereich. Dort werden die Warengebinde auf einen Einkaufswagen umgeladen und die Verpackung entfernt. Die Ware wird sodann ausgezeichnet. Beim Einräumen der Ware in die Regale nimmt die Klägerin zunächst die vorhandene Ware aus dem Regal, räumt die neue Ware ein und stellt davor die alte Ware. Die Regale haben überwiegend drei Ebenen. Die oberste Ebene kann die Klägerin mit Hilfe eines kleinen Hockers erreichen. Die mittlere Ebene liegt in Griffhöhe, während sich die unterste Ebene in Höhe des Fußbodens befindet.
Diese Tätigkeiten führt die Klägerin während ihrer vierstündigen Arbeitszeit zwei- bis viermal aus. Das Abstapeln der Ware vom Rollcontainer nimmt meistens 10 Minuten in Anspruch. Ebenso lange benötigt die Klägerin für das Zusammenpacken der Ware auf ihren Rollcontainer. Die übrige Zeit entfällt auf das Auszeichnen und Einräumen der Ware. Die Gewichte der einzelnen Waren bzw. Warengebinde liegen zwischen zwei und siebzehn Kilo. Dabei überwiegen Gebinde mit einem Gewicht von über 8 kg. Insgesamt werden arbeitstäglich von der Klägerin Lasten zwischen 400 und 500 kg bewegt.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, daß ihre Tätigkeit die Anforderungen der Lohngruppe II Lohnstaffel b) erfülle. Zwar werde ihre Tätigkeit von einem Tätigkeitsbeispiel der Lohnstaffel b) nicht vollständig erfaßt, da sie sowohl Arbeiten einer Auszeichnerin und Kommissioniererin als auch Arbeiten einer Lagerarbeiterin und Packerin ausübe. Ihre Tätigkeit erfordere jedoch in der Regel körperlich schweres Arbeiten, so daß das allgemeine Tätigkeitsmerkmal der Lohnstaffel b) erfüllt werde. Sie habe insgesamt Waren von erheblichem Gewicht zu bewegen und müsse außerdem überwiegend in gebückter und gestreckter Haltung tätig werden. Ferner stehe sie im Hinblick auf ihre vierstündige Arbeitszeit unter ständigem Leistungsdruck. Für den Zeitraum vom 1. Oktober 1988 bis zum 28. Februar 1989 hat die Klägerin die Lohndifferenz zwischen den Lohngruppen II Lohnstaffel a) und Lohnstaffel b) auf 829,70 DM brutto beziffert.
Die Klägerin hat beantragt,
- festzustellen, daß sie in Lohngruppe II Lohnstaffel b) des Lohntarifvertrages im Einzelhandel Nordrhein-Westfalen eingruppiert ist,
- die Beklagte zu verurteilen, an sie 829,70 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung (29. März 1989) zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, daß der Klägerin Lohn nach Lohngruppe II Lohnstaffel b) nicht zustehe. Die Tätigkeit der Klägerin sei im wesentlichen diejenige einer Auszeichnerin. Diese führten die Tarifvertragsparteien als Tätigkeitsbeispiel sowohl in Lohnstaffel a) als auch in Lohnstaffel b) auf. Unter Lohnstaffel b) fielen nur diejenigen Auszeichner, die schwere Waren, wie Getränke, zu bewegen hätten. In den Zuständigkeitsbereich der Klägerin fielen hingegen überwiegend nur Waren, die ein Gewicht bis zu 15 kg hätten. Für Frauen zwischen 19 und 45 Jahren sei das gelegentliche Heben derartiger Gewichte zumutbar. Es komme nicht auf das Gesamtgewicht der arbeitstäglich bewegten Waren an. Maßgebend für die Eingruppierung sei im übrigen die überwiegende Tätigkeit. Dies sei bei der Klägerin das Auszeichnen und Einsortieren der Ware. Insoweit handele es sich nicht um körperlich schwere Arbeit, da keine große Muskelbeanspruchung erforderlich sei. Wenn sich die Klägerin bücken und strecken müsse, rechtfertige dies nicht die Annahme, daß es sich um eine körperlich schwere Arbeit handele.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Dabei hat sie klargestellt, daß sie die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten begehrt, an sie Lohn nach Lohngruppe II Lohnstaffel b) seit dem 1. März 1989 zu zahlen. Ferner hat die Klägerin ihren Zinsanspruch hinsichtlich des Klageantrages zu 2) auf Zinsen aus dem Nettobetrag beschränkt. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des berufungsgerichtlichen Urteils und zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Lohn nach Lohngruppe II Lohnstaffel b) des Lohntarifvertrages für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen zu. Die Tätigkeit der Klägerin erfordert in der Regel körperlich schweres Arbeiten im Sinne des allgemeinen Tätigkeitsmerkmals der Lohnstaffel b).
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit der Mantel- (MTV) und der Lohntarifvertrag (Lohn TV) für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen unmittelbar und zwingend Anwendung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Zur Beurteilung des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs sind deshalb folgende tarifliche Bestimmungen heranzuziehen:
“
§ 9 MTV
Gehalts- und Lohnregelung
1. Die Festsetzung der Gehälter und Löhne erfolgt in einer besonderen tariflichen Regelung. Der/die Arbeitnehmerin wird in die seiner/ihrer überwiegend ausgeübten Tätigkeit entsprechende Gehalts- oder Lohngruppe eingeordnet. …
Lohn TV i.d.F. vom 16. Mai 1988
…
wird in Ergänzung des Manteltarifvertrages … folgender Lohntarifvertrag abgeschlossen: …
…
§ 2
Lohnregelung
(1) Die gewerblichen Arbeitnehmer sind nach der von ihnen tatsächlich verrichteten Tätigkeit in eine der nachstehenden Lohngruppen einzugliedern. Die in den Lohngruppen aufgeführten Beispiele gelten als Richtbeispiele.
…
Lohngruppe II
Arbeitskräfte für Tätigkeiten, die ohne handwerkliche Vor- oder Ausbildung ausgeführt werden, die aber
Lohnstaffel a)
gewisse Fertigkeiten erfordern
Beispiele:
Abfüller
Abpacker
Abwieger
Etikettierer, Auszeichner, Kommissionierer
Gehilfinnen in Imbißecken, Milchbars usw.
Fahrstuhlführer
Kaffeebeleser
Küchenhilfen
Näher und Näherinnen für einfache Arbeiten
Repassiererinnen
Spülhilfen
Lohnstaffel b)
in der Regel körperlich schweres Arbeiten erfordern
Beispiele:
Auszeichner, Kommissionierer
Beifahrer
Büfettkräfte
Fahrer für Elektrokarren
Fahrstuhlführer, die be- und entladen
Heizer, Lagerarbeiter, Packer
Pförtner sowie sonstige Arbeitskräfte, soweit sie die Voraussestzungen der Lohngruppe III nicht erfüllen. …”
Die Tarifvertragsparteien haben mit diesen tariflichen Bestimmungen die Zuordnung von Tätigkeiten zu den Lohngruppen des Lohntarifvertrages in allgemein üblicher Weise geregelt. Maßgebend für die tarifliche Bewertung ist die vom Arbeitnehmer überwiegend ausgeübte Tätigkeit (§ 9 Ziffer 1 MTV). Dies ist die Tätigkeit, die mehr als die Hälfte der Gesamtarbeitszeit in Anspruch nimmt. Die Eingliederung der überwiegenden Tätigkeit in die Lohngruppen bzw. Lohnstaffeln des Lohn TV erfolgt nach allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen und Beispielen. In den Beispielen erfassen die Tarifvertragsparteien Tätigkeiten, die für den Geltungsbereich des Lohn TV typisch sind. Mit der Zuordnung der Beispiele zu den Lohngruppen bzw. Lohnstaffeln bringen die Tarifvertragsparteien zum Ausdruck, daß eine Tätigkeit, die als Beispiel in einer Lohngruppe bzw. Lohnstaffel genannt wird, die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale der Lohngruppe bzw. Lohnstaffel erfüllt (vgl. BAG Urteile vom 8. Februar 1984, BAGE 45, 121 = AP Nr. 134 zu § 1 TVG Auslegung sowie – 4 AZR 369/83 – AP Nr. 3 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel; BAG Urteil vom 7. November 1984 – 4 AZR 286/83 – AP Nr. 6 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel). Wird die von einem Arbeitnehmer überwiegend ausgeübte Tätigkeit von einem Tätigkeitsbeispiel nicht oder nicht in vollem Umfange erfaßt, so sind für die Eingliederung die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale heranzuziehen, bei deren Auslegung wiederum die Tätigkeitsbeispiele zu berücksichtigen sind (vgl. BAG Urteil vom 4. April 1979 – 4 AZR 618/77 – AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel; BAG Urteil vom 28. September 1988 – 4 AZR 326/88 – AP Nr. 22 zu § 1 TVG Tarifverträge: Druckindustrie, m. w. N.).
Das Landesarbeitsgericht nimmt an, daß die überwiegende Tätigkeit der Klägerin im Auszeichnen und Einräumen der Ware bestehe und diese Tätigkeit das allgemeine Tätigkeitsmerkmal der Lohngruppe II Lohnstaffel b) nicht erfülle, weil sie in der Regel nicht körperlich schweres Arbeiten erfordere.
Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Das Landesarbeitsgericht geht bei der Bestimmung der für die tarifliche Eingliederung maßgeblichen überwiegenden Tätigkeit von einem zu engen Rechtsbegriff aus. Das Landesarbeitsgericht nimmt an, daß das Abstapeln der unsortierten Ware vom Rollcontainer, das Aufladen der sortierten Ware auf den Rollcontainer, der in den Ladenbereich verbracht wird, das Umpacken der Ware in den Einkaufskorb, das Auszeichnen und das Einräumen der Ware in die Regale jeweils gesondert tariflich zu bewertende Tätigkeiten seien und bildet aus der Zusammenfassung der Tätigkeiten des Auszeichnens und des Einräumens der Ware die der tariflichen Bewertung zugrunde zu legende überwiegende Tätigkeit. Damit trägt das Landesarbeitsgericht dem Umstand nicht hinreichend Rechnung, daß der Klägerin eine einheitliche Arbeitsaufgabe übertragen ist. Wie die Tätigkeitsbeispiele deutlich machen, fassen die Tarifvertragsparteien bei der Zuordnung von Tätigkeiten zu den Lohngruppen bzw. Lohnstaffeln alle diejenigen Tätigkeiten zusammen, die typischerweise zu einem Arbeitsbereich gehören. Daraus wird deutlich, daß auch bei der Bestimmung der überwiegenden Tätigkeit die Gesamttätigkeit des Arbeitnehmers nicht in einzelne Arbeitsschritte zerlegt werden darf, sondern maßgebend ist, welche Arbeitsaufgabe dem Arbeitnehmer übertragen ist. Die der Erfüllung der Arbeitsaufgabe nach der betrieblichen Organisation zuzurechnenden Tätigkeiten müssen bei der tariflichen Eingliederung in die Lohngruppen bzw. Lohnstaffeln auch zusammengefaßt betrachtet werden. Nur so wird vermieden, daß eine Tätigkeit in einer Weise “atomisiert” wird, die eine sachgerechte tarifliche Bewertung nicht mehr ermöglicht.
Die Klägerin hat nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die Aufgabe, die Waren ihres Zuständigkeitsbereiches in die Regale einzuordnen. Nach der betrieblichen Organisation der Beklagten gehören zur Erfüllung dieser Arbeitsaufgabe alle vom Landesarbeitsgericht gesondert beurteilten Tätigkeiten vom Abstapeln der unsortierten Ware vom Rollcontainer in der Warenannahme über das Verbringen der sortierten Ware in den Ladenbereich und das Auszeichnen der Ware bis zum verkaufsfertigen Einräumen der Ware in das Regal. Im Hinblick auf den unmittelbaren Zusammenhang dieser Arbeitsschritte ist die Tätigkeit der Klägerin, die als diejenige einer “Regaleinrichterin” bezeichnet werden kann, auch einheitlich tariflich zu bewerten. Die Klägerin übt nicht mehrere Tätigkeiten aus, von denen eine arbeitszeitlich überwiegt oder in beliebiger Zusammenfassung, wie sie vom Landesarbeitsgericht hinsichtlich des Auszeichnens und Einräumens der Ware vorgenommen wird, mehrere arbeitszeitlich überwiegen, sondern nur eine Tätigkeit, die ihre gesamte Arbeitszeit in Anspruch nimmt. Dies führt dazu, daß die gesamte Tätigkeit der Klägerin der tariflichen Bewertung zugrunde zu legen ist.
Die Tätigkeit der Klägerin als Regaleinrichterin wird weder von einem Tätigkeitsbeispiel der Lohngruppe II Lohnstaffel a) noch von einem Tätigkeitsbeispiel der Lohnstaffel b) in vollem Umfange erfaßt, so daß die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale maßgebend sind. Die Beklagte hat darauf verwiesen, daß die Tätigkeit der Klägerin dem Tätigkeitsbeispiel “Auszeichner” entspreche. Auf das Auszeichnen der Ware entfällt aber nur ein Teilbereich der der Klägerin übertragenen Tätigkeit. Anhaltspunkte dafür, daß dieser für die Tätigkeit der Klägerin insgesamt bestimmend ist, lassen sich den tariflichen Bestimmungen nicht entnehmen. Aber selbst wenn die Tarifvertragsparteien die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit unter dem Tätigkeitsbeispiel des “Auszeichnens” hätten zusammenfassen wollen, müßten zur tariflichen Eingliederung der Tätigkeit die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale der Lohnstaffeln a) und b) herangezogen werden, da die Tätigkeit des Auszeichnens als Tätigkeitsbeispiel sowohl in Lohnstaffel a) als auch in Lohnstaffel b) aufgeführt ist.
Demgemäß kommt es darauf an, ob die Tätigkeit der Klägerin “in der Regel körperlich schweres Arbeiten erfordert” und damit das allgemeine Tätigkeitsmerkmal der Lohngruppe II Lohnstaffel b) erfüllt. Aus dem Tarifwortlaut und dem tariflichen Gesamtzusammenhang, die bei der Tarifauslegung maßgebend zu berücksichtigen sind (vgl. BAGE 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung), folgt, daß die Tarifvertragsparteien, in dem sie darauf abstellen, ob die Tätigkeit “in der Regel” schwere körperliche Arbeiten erfordert, nicht verlangen, daß die schwere körperliche Arbeit im Verhältnis zur Gesamtarbeitszeit überwiegend erbracht wird. Da die Tarifvertragsparteien nicht besonders erläutern, welchen Anteil an schwerer körperlicher Arbeit an der Gesamtarbeitszeit sie fordern, ist der allgemeine Sprachgebrauch heranzuziehen. “In der Regel” bedeutet danach: “normalerweise, üblicherweise, meist, fast immer” (Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, S. 2121). Daraus folgt, daß die Tätigkeit in diesem Umfange körperlich schweres Arbeiten erfordern muß. Dies bedeutet aber nicht, daß arbeitszeitlich überwiegend körperlich schwere Arbeiten mit der Tätigkeit verbunden sein müssen. Vielmehr reicht es aus, wenn die Tätigkeit ständig wiederkehrend in rechtlich erheblichem Ausmaß körperlich schweres Arbeiten bedingt. Andererseits wird, worauf die Beklagte zu Recht hinweist, durch gelegentliche schwere körperliche Arbeit die tarifliche Anforderung nicht erfüllt, da eine gelegentliche Tätigkeit nur eine solche ist, die “zuweilen, manchmal, ab und zu” (Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Stichwort: gelegentlich) ausgeübt wird.
Die Auslegung nach dem Tarifwortlaut wird durch den tariflichen Gesamtzusammenhang bestätigt. Die von den Tarifvertragsparteien zur Lohnstaffel b) aufgeführten Tätigkeitsbeispiele wie Beifahrer, Büfettkräfte, Fahrer von Elektrokarren, Fahrstuhlführer, die be- und entladen, und Pförtner lassen nicht den Schluß zu, daß arbeitszeitlich überwiegend eine schwere körperliche Arbeit zur Erfüllung der Anforderungen der Lohnstaffel b) verlangt wird. Kennzeichnend für diese Tätigkeiten ist vielmehr, daß sie üblicherweise, regelmäßig wiederkehrend auch mit körperlich schweren Arbeiten verbunden sind.
Die Tätigkeit der Klägerin erfordert nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts in der Regel körperlich schweres Arbeiten. Dabei kann dahinstehen, ob bei der Beurteilung, ob körperlich schwere Arbeit vorliegt, nicht nur das Ausmaß der Muskelbeanspruchung, sondern alle Umstände zu berücksichtigen sind, die auf den Menschen einwirken und zu körperlichen Reaktionen führen können (vgl. BAGE 58, 194, 198 = AP Nr. 63 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie). Die Tätigkeit der Klägerin ist schon nach dem Ausmaß der festgestellten Muskelbeanspruchung als körperlich schwere Arbeit anzusehen. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts haben die von der Klägerin zu bewegenden Waren und Warengebinde ein Gewicht zwischen 2 und 17 kg. Dabei überwiegen Gebinde mit einem Gewicht von über 8 kg. Diese hat die Klägerin beim Abstapeln der unsortierten Waren vom Rollcontainer, beim Aufladen der sortierten Waren auf den Rollcontainer, der in den Ladenbereich verbracht wird, und beim Umpacken der Waren in den Einkaufswagen zu bewegen. Insgesamt ergibt sich daraus ein von ihr zu transportierendes Gewicht von 8 bis 10 Zentnern arbeitstäglich. Aus diesen Umständen haben die Vorinstanzen mit Recht gefolgert, daß diese Tätigkeiten als schwere körperliche Arbeit anzusehen sind. Gegen diese Beurteilung hat auch die Beklagte keine Einwendungen erhoben. Diese Arbeiten fallen im Rahmen der der tariflichen Bewertung zugrunde zu legenden Gesamttätigkeit der Klägerin auch in dem tariflich geforderten Ausmaß (in der Regel) an. Die Klägerin hat die als körperlich schwer anzusehenden Arbeiten nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts pro Arbeitstag zwei- bis viermal auszuführen. Ihre Tätigkeit ist damit häufig wiederkehrend und nicht nur gelegentlich mit körperlich schwerer Arbeit verbunden. Dies rechtfertigt die Eingliederung der Tätigkeit in Lohngruppe II Lohnstaffel b).
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits nach §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Unterschriften
Schaub, Dr. Etzel, Dr. Freitag, Koerner, Müller-Tessmann
Fundstellen
Haufe-Index 839213 |
RdA 1991, 64 |