Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonderzahlung bei unterbliebener Zielvereinbarung. Variables Gehalt bei unterbliebener Zielvereinbarung
Orientierungssatz
1. Ist im Arbeitsvertrag geregelt, dass der Arbeitnehmer neben dem festen Jahresbruttogehalt ein variables Bruttogehalt erhält, wenn er die von den Parteien gemeinsam für jeweils ein Jahr vereinbarten Ziele erreicht, schuldet der Arbeitgeber Schadensersatz, wenn aus seinem Verschulden Zielvereinbarungen nicht zustande kommen.
2. Weist der Arbeitgeber nach, dass er seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung, für jede Zielperiode gemeinsam mit dem Arbeitnehmer Ziele festzulegen, nachgekommen ist und dem Arbeitnehmer Ziele vorgeschlagen hat, die dieser nach einer auf den Zeitpunkt des Angebots bezogenen Prognose hätte erreichen können, fehlt es an einer Verletzung der Verhandlungspflicht des Arbeitgebers und damit an einer Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers.
3. Ein vom Arbeitnehmer nicht angenommenes Angebot des Arbeitgebers zur Fortführung einer abgelaufenen Zielvereinbarung kann geeignet sein, ein Verschulden des Arbeitgebers am Nichtzustandekommen einer Zielvereinbarung auszuschließen. Dies setzt allerdings voraus, dass sich die für den Abschluss der abgelaufenen Zielvereinbarung maßgebenden Umstände nicht wesentlich geändert haben und dem Arbeitnehmer das Erreichen der für den abgelaufenen Zeitraum gemeinsam festgelegten Ziele nach wie vor möglich ist.
4. Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Arbeitsvertrag eine der Höhe nach bestimmte zusätzliche Vergütung für den Fall versprochen, dass der Arbeitnehmer die für jede Zielperiode gemeinsam neu aufzustellenden Ziele erreicht, darf der Arbeitgeber sein Angebot zum Abschluss einer Zielvereinbarung nicht daran knüpfen, dass der Arbeitnehmer einer Änderung des Arbeitsvertrags zustimmt.
Normenkette
BGB §§ 249, 252, 254, 275 Abs. 1, § 280 Abs. 1, 3, § 283 S. 1; ZPO § 287
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 13. Juli 2007 – 9 Sa 522/07 –, – 9 Sa 657/07 – und – 9 Sa 658/07 – aufgehoben, soweit die Zahlungsklage der Klägerin abgewiesen wurde.
2. Die Sache wird insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten noch über die Verpflichtung der Beklagten, an die Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 2004 bis zum 30. September 2006 variables Gehalt iHv. 70.305,37 Euro zu zahlen.
Die Beklagte ist ein Großhandelsunternehmen. Sie vertreibt Computer, Laptops, Monitore, Drucker und Computerzubehör. Die Klägerin war bei ihr aufgrund eines schriftlichen Anstellungsvertrags vom 14. April 2000 (Anstellungsvertrag) ab dem 2. Mai 2000 gegen ein fixes Jahresbruttogehalt von 72.000,00 DM (= 36.813,02 Euro) als Gruppenleiterin Vertrieb beschäftigt. Zusätzlich zum Festgehalt war in § 3 des Anstellungsvertrags ein variables Jahresbruttogehalt iHv. 50.400,00 DM vereinbart, das in Abhängigkeit von der Zielerreichung abgerechnet werden sollte. Die Anlage 1 zum Anstellungsvertrag nennt als Gesamtjahresziel einen Umsatz iHv. 28.000.000,00 Euro und legt ua. für die Monate Mai 2000 bis April 2001 fest, dass der Klägerin eine Provision erstmals bei Erreichen eines Jahresumsatzes von 12.000.000,00 Euro gezahlt wird. Im 1. Nachtrag vom 30. Oktober 2000 zum Anstellungsvertrag heißt es:
“zu § 3 Vergütung
zu 1) In Abweichung zu dem vertraglich vereinbarten Gehalt erhält Frau B… ab 01. November 2000 als Vergütung für ihre Tätigkeit ein unverändertes fixes Jahresbruttogehalt in Höhe von DEM 72.000,-- (umgerechnet 6.000,00 DEM pro Monat). Ferner erhält sie ein variables Jahresbruttogehalt in Höhe von DEM 50.000,--, welches in Abhängigkeit von der Zielerreichung im jeweiligen Folgemonat abgerechnet wird. Die Zielvereinbarungen sind in der Anlage 2 definiert und diesem Nachtrag beigefügt. Die Zielvereinbarungen gelten jeweils für ein Jahr und sind dann neu zu verhandeln. Die Auszahlung der monatlichen Gehälter erfolgt jeweils zum Monatsende.”
Die Parteien vereinbarten am 30. Oktober 2000 in der Anlage 2 zum Anstellungsvertrag für die Monate November 2000 bis Oktober 2001 als Gesamtumsatzjahresziel einen Betrag von 21.600.000,00 DM. Sie verabredeten, dass der Klägerin eine Provision erstmals nach Überschreiten eines Monatsumsatzes von 800.000,00 DM (Sockelumsatz) gezahlt wird und dass der Provisionssatz 0,42 % von dem Umsatz beträgt, der über dem Sockelumsatz liegt. In der von den Parteien am 20. Februar 2002 unterzeichneten Anlage 3 zum Anstellungsvertrag heißt es zur Zahlung und Abrechnung der Provision im Jahr 2002, dass das Gesamtumsatzjahresziel 9.650.000,00 Euro beträgt, eine Provision erstmals nach Überschreiten eines Monatsumsatzes von 400.000,00 Euro (Sockelumsatz) gezahlt wird, der Provisionssatz 0,45 % von dem Umsatz beträgt, der über diesem Sockelumsatz liegt und die maximale Jahresprovision 25.525,00 Euro beträgt. Die von den Parteien am 18. Februar 2003 unterzeichnete Anlage 4 zum Anstellungsvertrag legt zur Zahlung und Abrechnung der Provision im Jahr 2003 fest, dass das Gesamtumsatzjahresziel 9.900.000,00 Euro beträgt, eine Provision erstmals nach Überschreiten eines Monatsumsatzes von 410.000,00 Euro (Sockelumsatz) gezahlt wird, der Provisionssatz 0,5126 % von dem Umsatz beträgt, der über diesem Sockelumsatz liegt und die maximale Jahresprovision 25.525,00 Euro beträgt.
Die Beklagte zahlte der Klägerin für das Jahr 2002 eine Vergütung iHv. insgesamt 43.000,00 Euro brutto. Im Jahr 2003 erhielt die Klägerin eine Bruttovergütung iHv. insgesamt 45.522,00 Euro. Für die Zeit vom 1. Januar 2004 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. Oktober 2006 trafen die Parteien keine Zielvereinbarungen.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Beklagte habe an sie für die Zeit vom 1. Januar 2004 bis zum 30. September 2006 gemäß dem 1. Nachtrag zum Anstellungsvertrag variables Gehalt iHv. 70.305,37 Euro brutto zu zahlen. Das Nichtzustandekommen von Zielvereinbarungen für den Klagezeitraum habe sie nicht zu vertreten. Bereits im Jahr 2004 habe sie ohne Erfolg vom damaligen Geschäftsführer der Beklagten M… den Abschluss einer neuen Zielvereinbarung verlangt. Im Jahr 2005 habe sie beim derzeitigen Geschäftsführer der Beklagten Be… versucht, den Abschluss einer Zielvereinbarung zu erwirken. Dieser habe sie unter Hinweis auf den rückläufigen Umsatz hingehalten, der vor allem auf veränderten Markt- und Firmenbedingungen beruht habe. Im Jahr 2006 sei sie schließlich an den Vertriebsleiter in London C… verwiesen worden, der die Abrede der Parteien bezüglich ihres variablen Gehalts offensichtlich nicht gekannt habe. Jedenfalls sei die Beklagte verpflichtet, ihr wegen der nicht abgeschlossenen Zielvereinbarungen Schadensersatz zu leisten. An Anhaltspunkten für eine Schadensschätzung fehle es nicht.
Die Klägerin hat – soweit für die Revision von Bedeutung – beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 70.305,37 Euro brutto nebst fünf % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 14. Juni 2006 zu zahlen.
Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, der Zahlungsanspruch der Klägerin setze den Abschluss von Zielvereinbarungen für den Klagezeitraum voraus. Solche seien für die Zeit ab Januar 2004 nicht mehr getroffen worden. Nicht einmal dann, wenn sie den Abschluss von Zielvereinbarungen in vertragswidriger Weise verhindert hätte, hätte die Klägerin Anspruch auf variables Gehalt. Die Klägerin hätte ihren Anspruch auf Abschluss von Zielvereinbarungen gerichtlich durchsetzen können und müssen. Daran fehle es. Die Klägerin könne eine nachträgliche Aufstellung von Zielen durch ein Gericht nicht verlangen. Im Nachtrag vom 30. Oktober 2000 zum Anstellungsvertrag hätten die Parteien den Fall des Nichtzustandekommens einer Zielvereinbarung nicht bedacht. Die vorzunehmende ergänzende Vertragsauslegung führe zu dem Ergebnis, dass die Parteien eine Vereinbarung getroffen hätten, nach der die Klägerin als Voraussetzung für Provisionszahlungen einen monatlichen Umsatzsockelbetrag von 410.000,00 Euro hätte erreichen müssen. Es treffe nicht zu, dass die Parteien keine Gespräche über den Abschluss von Zielvereinbarungen für den Klagezeitraum geführt hätten. Sie habe der Klägerin die Fortführung der für das Jahr 2003 getroffenen Zielvereinbarung im Jahr 2004 angeboten. Dieses Angebot habe die Klägerin abgelehnt. Auch ihr Angebot, den Arbeitsvertrag zu ändern, das fixe Gehalt der Klägerin herabzusetzen und den Sockelbetrag für das variable Gehalt abzusenken, habe die Klägerin nicht angenommen. Die Klägerin habe ihr keine Vorschläge bezüglich des Abschlusses einer Zielvereinbarung für das Jahr 2005 gemacht, obwohl sie von ihr dazu aufgefordert worden sei. Einen der Klägerin im Jahr 2006 unterbreiteten Vorschlag ihres Vertriebsleiters habe sie mit den Worten “das ist doch ein Witz, das unterschreibe ich nicht” abgelehnt.
Das Arbeitsgericht hat die Zahlungsklage der Klägerin abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen und für die Klägerin die Revision zugelassen, soweit es über die Rechtsfolgen der unterbliebenen Zielvereinbarungen entschieden hat. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch auf variables Gehalt für die Monate Januar 2004 bis September 2006 weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann die Zahlungsklage der Klägerin nicht abgewiesen werden. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden. Das Landesarbeitsgericht hat keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die Klägerin Anspruch auf Schadensersatz hat.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klägerin habe nicht vorgetragen, welchen Inhalt die nicht zustande gekommenen Zielvereinbarungen für die Jahre 2004, 2005 und 2006 gehabt hätten. Damit fehle es an Anhaltspunkten für eine Schadensermittlung nach den §§ 249, 252 BGB. Auch angesichts der nach § 287 ZPO möglichen Schätzung des Schadens hätte die Klägerin Tatsachen vortragen müssen, die als Grundlage für eine solche Schätzung hätten dienen können. Daran fehle es. Die Klägerin habe ausdrücklich ausgeschlossen, dass es zu einer Fortschreibung der für das Jahr 2003 getroffenen Zielvereinbarung gekommen wäre. Sie habe aber nicht dargetan, welche Zielvereinbarungen aber dann getroffen worden wären und inwieweit sie die vereinbarten Ziele erreicht hätte.
II. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten den Angriffen der Revision nicht stand. Das Landesarbeitsgericht ist im Ansatz allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass die Zahlungsklage nicht schon deshalb abzuweisen ist, weil Zielvereinbarungen für den Klagezeitraum fehlen. Soweit das Landesarbeitsgericht uneingeschränkt den Ausführungen des Arbeitsgerichts gefolgt ist und damit angenommen hat, die Klägerin hätte vortragen können und müssen, welche Zielvereinbarungen für die einzelnen Zielperioden des Klagezeitraums getroffen worden wären und inwieweit sie die Ziele erreicht hätte, hat es die Anforderungen an die Darlegungslast der Klägerin überspannt.
1. Der Arbeitgeber kann bei einer nicht abgeschlossenen Zielvereinbarung nach Ablauf der Zielperiode gemäß § 280 Abs. 1 und Abs. 3 BGB iVm. §§ 283 Satz 1, 252 BGB verpflichtet sein, dem Arbeitnehmer wegen der entgangenen Vergütung Schadensersatz zu leisten (BAG 12. Dezember 2007 – 10 AZR 97/07 – AP BGB § 280 Nr. 7 = EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 22). Die Festlegung von Zielen wird jedenfalls mit Ablauf der Zielperiode unmöglich iSv. § 275 Abs. 1 BGB.
a) Die Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe ein Arbeitnehmer einen Schadensersatzanspruch wegen der ihm entgangenen erfolgsabhängigen Vergütung hat, wenn die Parteien entgegen einer Abrede im Arbeitsvertrag für eine Zielperiode nicht gemeinsam Ziele festgelegt haben, kann allerdings ohne die Berücksichtigung der Gründe für das Nichtzustandekommen der Zielvereinbarung nicht entschieden werden (vgl. BSG 23. März 2006 – B 11a AL 29/05 R – NZA-RR 2007, 101). Oblag es dem Arbeitgeber, die Initiative zur Führung eines Gesprächs mit dem Arbeitnehmer über eine Zielvereinbarung zu ergreifen und hat er ein solches Gespräch nicht anberaumt, hat er eine vertragliche Nebenpflicht verletzt. Auch dann, wenn der Arbeitgeber nicht allein die Initiativpflicht hat, verletzt er eine vertragliche Nebenpflicht und kann deshalb zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet sein, wenn er der Aufforderung des Arbeitnehmers nicht nachkommt, mit ihm eine Zielvereinbarung abzuschließen (BAG 12. Dezember 2007 – 10 AZR 97/07 – AP BGB § 280 Nr. 7 = EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 22).
b) Allerdings ist der Arbeitgeber nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet, wenn er das Nichtzustandekommen einer Zielvereinbarung nicht zu vertreten hat. Weist der Arbeitgeber nach, dass er seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung, für jede Zielperiode gemeinsam mit dem Arbeitnehmer Ziele festzulegen, nachgekommen ist und dem Arbeitnehmer Ziele vorgeschlagen hat, die dieser nach einer auf den Zeitpunkt des Angebots bezogenen Prognose hätte erreichen können, fehlt es an einer Verletzung der Verhandlungspflicht des Arbeitgebers und damit an einer Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers.
c) Für einen Entlastungsnachweis des Arbeitgebers ist es allerdings unzureichend, wenn dieser von Verhandlungen über eine Zielvereinbarung abgesehen hat, weil der Arbeitnehmer bisher die festgelegten Ziele nicht oder nicht vollständig erreicht hat (BAG 12. Dezember 2007 – 10 AZR 97/07 – AP BGB § 280 Nr. 7 = EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 22). Der Arbeitgeber führt den Entlastungsnachweis auch nicht schon dadurch, dass er nachweist, dass er verhandelt hat und dem Arbeitnehmer Ziele vorgeschlagen hat. Für den Entlastungsnachweis ist vielmehr erforderlich, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Rahmen seines Angebots zum Abschluss einer Zielvereinbarung Ziele genannt hat, die der Arbeitnehmer hätte erreichen können. Der Arbeitgeber kann sich seiner Verpflichtung zur Zahlung der für den Fall der Zielerreichung zugesagten Vergütung nicht dadurch entziehen, dass er zwar verhandelt, jedoch in sein Angebot Ziele einstellt, die der Arbeitnehmer nicht erreichen kann. Ein solches Angebot wird dem Motivationsgedanken nicht gerecht, der für Zielvereinbarungen maßgebend ist. Zweck von Zielbonussystemen sind eine Leistungssteigerung und eine Förderung der Motivation des Arbeitnehmers. Die für den Fall der Zielerreichung zugesagte variable Vergütung dient als Anreiz (BAG 12. Dezember 2007 – 10 AZR 97/07 – AP BGB § 280 Nr. 7 = EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 22). Diese Anreizfunktion kann eine an das Erreichen von Zielen geknüpfte variable Vergütung nur erfüllen, wenn es dem Arbeitnehmer möglich ist, die von ihm zu verfolgenden Ziele auch zu erreichen.
d) In der Regel reicht es für den Entlastungsnachweis des Arbeitgebers deshalb noch nicht aus, wenn dieser nachweist, dass er dem Arbeitnehmer die Fortführung einer abgelaufenen Zielvereinbarung angeboten und der Arbeitnehmer dieses Angebot abgelehnt hat. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich die für den Abschluss der abgelaufenen Zielvereinbarung maßgebenden Rahmenbedingungen der Leistungserbringung durch inner- oder außerbetriebliche Einflüsse geändert haben. Eine veränderte innerbetriebliche Organisation und/oder eine andere Wettbewerbssituation oder Wirtschaftslage können dazu führen, dass die bisherigen Ziele vom Arbeitnehmer nicht mehr oder auch leichter erreicht werden können und die Parteien sich deshalb im Vergleich zur abgelaufenen Zielperiode auf weniger ehrgeizigere oder auf anspruchsvollere Ziele verständigen müssen, um dem mit dem Abschluss einer Zielvereinbarung verbundenen Sinn und Zweck gerecht zu werden. Ist nicht vereinbart, dass eine getroffene Zielvereinbarung nach Ablauf der Zielperiode nachwirkt, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt wird, ist dieser Wille der Arbeitsvertragsparteien zu achten. Haben sie – wie im Entscheidungsfall – bei der Regelung der variablen Vergütung bewusst zwischen der Rahmenvereinbarung im Arbeitsvertrag und den Zielvereinbarungen für die jeweiligen Zielperioden unterschieden, wird aus dieser Differenzierung deutlich, dass sie nicht für alle Zielperioden dieselben Ziele vereinbaren wollten. Haben sie Ziele nur für eine bestimmte Zielperiode gemeinsam festgelegt, bezieht sich ihre Verständigung auch nur auf den Zeitraum dieser Periode (BAG 12. Dezember 2007 – 10 AZR 97/07 – AP BGB § 280 Nr. 7 = EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 22). Halten Arbeitgeber und Arbeitnehmer es dagegen für angemessen, an den bisherigen Zielen auch in der nachfolgenden Zielperiode festzuhalten, werden sie sich in der Regel darauf verständigen und eine entsprechende Zielvereinbarung abschließen. Allerdings kann ein vom Arbeitnehmer nicht angenommenes Angebot des Arbeitgebers zur Fortführung einer abgelaufenen Zielvereinbarung auch geeignet sein, ein Verschulden des Arbeitgebers am Nichtzustandekommen einer Zielvereinbarung auszuschließen. Dies setzt allerdings voraus, dass sich die für den Abschluss der abgelaufenen Zielvereinbarung maßgebenden Umstände nicht wesentlich geändert haben und dem Arbeitnehmer das Erreichen der für den abgelaufenen Zeitraum gemeinsam festgelegten Ziele nach wie vor möglich ist.
e) Macht der Arbeitgeber den Abschluss einer Zielvereinbarung davon abhängig, dass der Arbeitnehmer einer Änderung des Arbeitsvertrags zustimmt, und lehnt der Arbeitnehmer die ihm angetragene Änderung der Arbeitsbedingungen ab, hat der Arbeitgeber das Nichtzustandekommen der Zielvereinbarung zu vertreten. Hat er im Arbeitsvertrag dem Arbeitnehmer eine zusätzliche Vergütung für den Fall versprochen, dass dieser die für jede Zielperiode neu aufzustellenden Ziele erreicht, darf er sein Angebot zum Abschluss einer Zielvereinbarung nicht daran knüpfen, dass der Arbeitnehmer einer Änderung des Arbeitsvertrags zustimmt.
2. Das Landesarbeitsgericht hat aufgrund seiner unzutreffenden Annahme, die Klägerin hätte vortragen müssen, welchen Inhalt die nicht zustande gekommenen Zielvereinbarungen für die Jahre 2004, 2005 und 2006 gehabt hätten, nicht abschließend geprüft, ob die Beklagte es zu vertreten hat, dass für diese Jahre Zielvereinbarungen nicht zustande gekommen sind.
a) Allerdings hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, dass einiges dafür spricht, dass die Beklagte das Zustandekommen von Zielvereinbarungen treuwidrig vereitelt hat. Bei einer treuwidrigen Vereitelung der Zielvereinbarungen wird das Landesarbeitsgericht von einer schuldhaften Verletzung der Verhandlungspflicht durch die Beklagte auszugehen haben.
b) Liegt eine treuwidrige Vereitelung der Zielvereinbarungen nicht vor, wird das Landesarbeitsgericht festzustellen haben, ob die Behauptung der Klägerin zutrifft, wonach sie im Jahr 2004 den damaligen Geschäftsführer der Beklagten M… mehrmals ohne Erfolg zu Verhandlungen über den Abschluss einer Zielvereinbarung aufgefordert hat, oder ob die Klägerin gemäß der Behauptung der Beklagten ihr Angebot, die für das Jahr 2003 getroffene Zielvereinbarung im Jahr 2004 fortzuführen, abgelehnt hat. Für den Fall, dass die Beklagte der Klägerin die Fortführung der für das Jahr 2003 abgeschlossenen Zielvereinbarung im Jahr 2004 angeboten hat, hat das Landesarbeitsgericht zu beurteilen, ob die von den Parteien für das Jahr 2003 gemeinsam festgelegten Ziele nach einer auf den Zeitpunkt des Angebots der Beklagten bezogenen Prognose auch in der nachfolgenden Zielperiode von der Klägerin noch hätten erreicht werden können oder ob dies aufgrund der von der Klägerin behaupteten wesentlich veränderten Rahmenbedingungen durch inner- und außerbetriebliche Einflüsse nicht mehr der Fall war. Hat die Beklagte der Klägerin die Fortführung der für das Jahr 2003 getroffenen Zielvereinbarung im Jahr 2004 angeboten und konnte die Beklagte bei der Abgabe ihres Angebots davon ausgehen, dass sich die Rahmenbedingungen für die Leistungserbringung nicht so zum Nachteil der Klägerin verändert haben, dass dieser das Erreichen der bisherigen Ziele nicht mehr möglich war, hat die Beklagte ihre Verhandlungspflicht bezüglich des Abschlusses einer Zielvereinbarung für das Jahr 2004 nicht verletzt, so dass insoweit der Klägerin Schadensersatz nicht zusteht.
Ferner hat das Landesarbeitsgericht nach der Zurückverweisung der Sache zu prüfen, ob die Beklagte über den Abschluss von Zielvereinbarungen für die Zielperioden 2005 und 2006 mit der Klägerin verhandelt hat oder die Klägerin gemäß deren Behauptung von der Beklagten unter Hinweis auf den rückläufigen Umsatz stets “hingehalten” worden ist, wenn die Klägerin versucht hat, den Abschluss von Zielvereinbarungen für diese Zielperioden zu erwirken. Dabei hat das Landesarbeitsgericht zu berücksichtigen, dass die Beklagte ihre vertragliche Verpflichtung, die Zielvereinbarungen mit der Klägerin jedes Jahr neu zu verhandeln, nicht dadurch erfüllen konnte, dass sie die Verhandlungen über den Abschluss einer Zielvereinbarung an die Herabsetzung des fixen Gehalts der Klägerin und damit an die Änderung des Arbeitsvertrags geknüpft hat.
c) Hat die Klägerin Anspruch auf Schadensersatz, richtet sich der Umfang des von der Beklagten zu ersetzenden Schadens nach den §§ 249 ff. BGB, wobei die der Klägerin für den Fall der Zielerreichung zugesagte variable Vergütung Grundlage für die abstrakte Schadensberechnung nach § 252 Satz 2 BGB ist. Diese Bestimmung enthält eine § 287 ZPO ergänzende Beweiserleichterung. Die Klägerin hat deshalb nur die Umstände darzulegen und in den Grenzen des § 287 ZPO zu beweisen, aus denen sich nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge oder den besonderen Umständen des Falles die Wahrscheinlichkeit des Gewinneintritts ergibt. Da die Beweiserleichterung der §§ 252 BGB, 287 ZPO auch die Darlegungslast der Klägerin mindert, dürfen insoweit keine zu strengen Anforderungen gestellt werden (BAG 12. Dezember 2007 – 10 AZR 97/07 – mwN, AP BGB § 280 Nr. 7 = EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 22). Das Landesarbeitsgericht hat deshalb bei der Ermittlung des Schadens nach § 287 Abs. 1 ZPO grundsätzlich davon auszugehen, dass die Klägerin vereinbarte Ziele erreicht hätte, wenn nicht besondere Umstände diese Annahme ausschließen. Solche besonderen Umstände hat die Beklagte darzutun und gegebenenfalls nachzuweisen.
d) Trifft auch die Klägerin ein Verschulden daran, dass Zielvereinbarungen nicht abgeschlossen worden sind, hat das Landesarbeitsgericht dieses Mitverschulden nach § 254 BGB angemessen zu berücksichtigen.
Unterschriften
Dr. Freitag, Marquardt, Brühler, Feldmann, Frese
Fundstellen
Haufe-Index 2119561 |
BB 2009, 837 |
DB 2009, 513 |