Entscheidungsstichwort (Thema)
Streit über die Erledigung der Hauptsache
Orientierungssatz
Eine nicht erledigte Klage, die der Kläger in der Hauptsache für erledigt erklärt, ist ohne Rücksicht auf ihre sachliche Berechtigung abzuweisen, wenn der Klageantrag nicht hilfsweise weiterverfolgt wird (im Anschluß an BGH 6.5.1965 II ZR 19/63 = LM Nr 22 zu § 91a ZPO = NJW 1965, 1597).
Normenkette
ZPO § 91a; BetrVG § 102 Abs. 5
Verfahrensgang
LAG Köln (Entscheidung vom 06.09.1984; Aktenzeichen 3 Sa 695/84) |
ArbG Köln (Entscheidung vom 10.05.1984; Aktenzeichen 8 Ca 40/84) |
Tatbestand
Der Kläger war bei der Beklagten seit 1. Januar 1973 gegen ein Monatsgehalt von zuletzt 7.000,-- DM brutto beschäftigt. Er war Leiter der Abteilung "Arabische Länder" (L 42). Mit Schreiben vom 15. Dezember 1982 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis vorsorglich für den Fall, daß eine mit Schreiben vom 5. April 1982 zum 30. September 1982 erklärte ordentliche Kündigung unwirksam sein sollte, erneut fristgerecht zum 30. Juni 1983. Der Betriebsrat hatte der Kündigung form- und fristgerecht widersprochen.
Der Kläger erhob gegen beide Kündigungen Kündigungsschutzklage. Nachdem er in dem ersten Verfahren rechtskräftig obsiegt hatte, gab das Arbeitsgericht Köln durch Urteil vom 22. September 1983 - 6 Ca 11436/82 - auch der gegen die zweite Kündigung gerichteten Feststellungsklage statt und wies den hilfsweise von der Beklagten gestellten Auflösungsantrag ab. Gegen dieses Urteil legte die Beklagte im Dezember 1983 Berufung ein. Sie beschäftigte den Kläger über den 30. Juni 1983 hinaus weiter.
Mit der vorliegenden, im Januar 1984 erhobenen und auf § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG gestützten Klage hat der Kläger seine Weiterbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Leiter der Abteilung L 42 begehrt. Er hat vorgetragen, die Beklagte beschäftige ihn tatsächlich nur noch wie einen Sachbearbeiter.
In dem noch anhängigen zweiten Kündigungsschutzprozeß änderte das Landesarbeitsgericht Köln durch ein am 13. April 1984 verkündetes Urteil das Urteil des Arbeitsgerichts vom 22. September 1983 teilweise ab. Es löste das Arbeitsverhältnis auf Antrag der Beklagten zum 30. Juni 1983 gegen Zahlung einer Abfindung auf. Die Revision gegen dieses Urteil wurde nicht zugelassen.
Daraufhin forderte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 17. April 1984 auf, seinen Arbeitsplatz sofort zu räumen, und erteilte ihm am 18. April 1984 Hausverbot.
Mit Schriftsatz vom 4. Mai 1984 hat der Kläger im vorliegenden Verfahren weiter vorgetragen, die Beklagte sei nach § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG zu seiner Weiterbeschäftigung verpflichtet, solange das im zweiten Kündigungsschutzprozeß ergangene Berufungsurteil vom 13. April 1984 noch nicht formell rechtskräftig sei. Er hat gemäß seinem Antrag in der Klageschrift beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu unver-
änderten Arbeitsbedingungen als Leiter der Abtei-
lung "Arabische Länder" (L 42), entsprechend der
Matrix der Aufgabenverteilung innerhalb einer Län-
der-Hauptabteilung unter Aufrechterhaltung der ge-
samten Länderzuständigkeiten für arabische Länder
und unter Belassung der Board-Mandate für Tunesien
und Marokko sowie unter Beachtung der Organisations-
anweisung der Beklagten 2/79 vom 27.6.1979 und 2/80
vom 1.2.1981 "UVZO" zu beschäftigen und ihm die für
die Position vorgesehenen Aufgaben zuzuweisen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat bestritten, den Kläger bis zum 17. April 1983 unterwertig beschäftigt zu haben, und die Ansicht vertreten, ihre Beschäftigungspflicht nach § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG sei mit der Verkündung des Berufungsurteils am 13. April 1984 erloschen.
Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 10. Mai 1984 die Klage abgewiesen.
Der Kläger hat am 24. Mai 1984 gegen das ihm am 30. April 1984 zugestellte Berufungsurteil des Landesarbeitsgerichts vom 13. April 1984 im zweiten Kündigungsschutzprozeß Nichtzulassungsbeschwerde und am 10. Juli 1984 gegen das im vorliegenden Verfahren ergangene Urteil des Arbeitsgerichts vom 10. Mai 1984 Berufung eingelegt. Durch Beschluß vom 10. Juli 1984 - 2 AZN 337/84 - (AP Nr. 15 zu § 72 a ArbGG 1979 Divergenz), dem Kläger zugestellt am 22. August 1984, hat der Senat die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen. Im Hinblick darauf hat der Kläger gemäß Schriftsatz vom 29. August 1984 im vorliegenden Verfahren im Berufungstermin vom 6. September 1984 zunächst beantragt,
unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet
war, den Kläger bis zum 22.8.1984 zu unveränder-
ten Arbeitsbedingungen als Leiter der Abteilung
"Arabische Länder" (L 42), entsprechend der Matrix
der Aufgabenverteilung innerhalb einer Länder-
hauptabteilung, unter Aufrechterhaltung der gesamten
Länderzuständigkeiten für Arabische Länder und unter
Belassung der Board-Mandate für Tunesien und Marokko
sowie unter Beachtung der Organisationsanweisung
der Beklagten 2/79 vom 27.6.1979 und 2/80 vom 1.2.1981
"UVZO" zu beschäftigen und ihm die für die Position
vorgesehenen Aufgaben zuzuweisen.
Die Beklagte hat beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Nach streitiger Verhandlung zur Sache hat der Kläger in diesem Termin die Hauptsache für erledigt erklärt. Die Beklagte hat dieser Erklärung nicht zugestimmt. Das Landesarbeitsgericht hat daraufhin die Berufung zurückgewiesen.
Mit der Revision hat der Kläger den Antrag angekündigt, das Berufungsurteil aufzuheben und nach seinen Schlußanträgen vor dem Landesarbeitsgericht zu erkennen. Er hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt, daß er damit, wie bereits in der Berufungsverhandlung, lediglich die Feststellung verfolge, daß der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt sei. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, im Hinblick auf die einseitige Erledigungserklärung des Klägers habe geprüft werden müssen, ob die Hauptsache tatsächlich erledigt sei. Es hat dies mit der Begründung verneint, der vom Kläger in erster wie in geänderter Fassung in der Berufungsinstanz gestellte Feststellungsantrag sei zwar zulässig, jedoch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 10. Mai 1984 vor dem Arbeitsgericht bereits unbegründet gewesen, weil die Beklagte nach Verkündung des im (zweiten) Kündigungsschutzprozeß ergangenen Urteils des Landesarbeitsgerichts vom 13. April 1984 nicht mehr zur Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum Eintritt der formellen Rechtskraft dieses Urteils verpflichtet gewesen sei. Deshalb sei die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen worden und die Berufung des Klägers unbegründet.
Dieser Ansicht kann nur im Ergebnis gefolgt werden.
II. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, der vom Kläger zuletzt in der Berufungsinstanz verfolgte Klageantrag sei durch die am 22. August 1984 vor der Berufungsverhandlung eingetretene formelle Rechtskraft des im (zweiten) Kündigungsschutzprozeß ergangenen Berufungsurteils deshalb nicht in der Hauptsache erledigt worden, weil diese Klage bereits vorher unbegründet gewesen sei. Zu dieser Ansicht ist das Berufungsgericht durch eine unzutreffende Würdigung der vom Kläger nach dem 13. April 1984 gestellten Anträge sowie seiner Prozeßerklärungen im Berufungstermin gelangt. In Wahrheit war der zuletzt in der Berufungsinstanz gestellte Feststellungsantrag durch den rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsschutzprozesses nicht erledigt worden. Der Kläger hat vielmehr eine noch nicht erledigte Klage für erledigt erklärt. Danach war die Klage ohne Rücksicht auf ihre sachliche Berechtigung abzuweisen.
1. Gegenstand des Verfahrens in der Berufungsverhandlung vom 6. September 1984 war (vor der Erledigungserklärung des Klägers) die von ihm begehrte Feststellung, daß die Beklagte bis zum 22. August 1984 verpflichtet gewesen ist, ihn zu den bisherigen, im Antrag näher bezeichneten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.
a) Bis zum 13. April 1984, dem Zeitpunkt der Verkündung des im Kündigungsschutzprozeß ergangenen Berufungsurteils, gingen beide Parteien vom Bestehen eines Beschäftigungsanspruchs des Klägers nach § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG zu den bisherigen Arbeitsbedingungen aus. Ihr Streit ging nur darum, ob der Kläger auch tatsächlich in seiner bisherigen Stellung weiterbeschäftigt wurde, und somit lediglich um die Erfüllung dieses Anspruchs (§ 364 BGB).
Ab 18. April 1984 leugnete die Beklagte jedoch mit ihrem Einwand, die Weiterbeschäftigungspflicht des Klägers habe mit der Verkündung des Berufungsurteils geendet, den Anspruchsgrund. In seinem Schriftsatz vom 4. Mai 1984 hat der Kläger dies berücksichtigt und die Ansicht vertreten, der Klage müsse "nunmehr bereits aus diesem Gesichtspunkt", d. h. also wegen des Leugnens des Klagegrundes durch die Beklagte, stattgegeben werden. Formal blieb der mit der Klageschrift gestellte Antrag derselbe. Der Kläger mußte im Hinblick auf das bisherige Prozeßverhalten der Beklagten besorgen, daß die Beklagte auch bei Anerkennung des Beschäftigungsanspruchs dem Grunde nach durch das Gericht zur Erfüllung dieses Anspruchs ihren bisherigen Standpunkt aufrechterhalten werde, eine Beschäftigung des Klägers, wie sie bis 17. April 1984 erfolgte, entspreche seiner bisherigen Stellung.
Dem Kläger ging es somit zunächst immer noch um die tatsächliche Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Arbeitsbedingungen. Er hat deshalb in erster Instanz konsequent weiter den Antrag aus der Klageschrift gestellt, über den das Arbeitsgericht auch entschieden hat. Hierbei handelte es sich nach Wortlaut und sachlichem Inhalt um einen Leistungsantrag. Die Beklagte sollte zu einem Tun, nämlich der Beschäftigung des Klägers zu den im Klageantrag bezeichneten Bedingungen, verurteilt werden.
b) Diesen Leistungsantrag hat der Kläger zunächst auch mit der Berufung weiterverfolgt und erst mit seinem Schriftsatz vom 29. August 1984 geändert. Er hat nunmehr die Feststellung begehrt, daß die Beklagte bis zum 22. August 1984 verpflichtet gewesen ist, ihn zu den näher bezeichneten und insoweit seinem bisherigen Leistungsantrag entsprechenden Bedingungen zu beschäftigen. Diesen Antrag hat der Kläger ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 6. September 1984 zunächst in der Berufungsverhandlung gestellt und damit den bisherigen Streitgegenstand verändert. Er hat das rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung trotz Eintritts der formellen Rechtskraft des Berufungsurteils im Kündigungsschutzprozeß und der dadurch auch nach seiner Ansicht bewirkten Beendigung der Weiterbeschäftigungspflicht nach § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG damit begründet, daß hiervon weitere Ansprüche abhingen.
2. Da nur noch ein Feststellungsantrag mit diesem Inhalt Streitgegenstand des Berufungsverfahrens war, kann sich auch die nach Stellung der Sachanträge vom Kläger erklärte Erledigung der Hauptsache nur auf diesen Streitgegenstand beziehen. Dieser Antrag ist aber durch das Ereignis, auf das sich der Kläger beruft, nämlich den formell rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsschutzverfahrens, nicht in der Hauptsache erledigt worden, so daß die Erledigungserklärung des Klägers schon aus diesem Grund unwirksam ist.
a) Wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend annimmt, ist bei einseitiger Erledigungserklärung des Klägers gegen den Widerspruch des Beklagten zu prüfen, ob die Hauptsache erledigt ist. Es übersieht jedoch, daß der rechtskräftige Abschluß des Kündigungsschutzverfahrens nur dem ursprünglich gestellten, auf Weiterbeschäftigung gerichteten Leistungsantrag die Grundlage entzogen haben konnte. Diesem Umstand hat der Kläger indessen dadurch Rechnung getragen, daß er vom Leistungs- zum Feststellungsantrag übergegangen ist, wie dies auch in anderen Fällen geschieht, in denen zunächst eine Leistung begehrt, dann aber wegen Beendigung des die Anspruchsgrundlage hierfür bildenden Rechtsverhältnisses durch Zeitablauf während des Rechtsstreits die Feststellung beantragt wird, daß der Beklagte zur Leistung während des Bestehens des Rechtsverhältnisses verpflichtet war, weil diese Feststellung Grundlage für Zahlungsansprüche bildet (vgl. für den Übergang von einem Antrag auf Unterlassung von Wettbewerb aufgrund eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots zum Feststellungsantrag nach Ablauf der Karenzzeit während des Unterlassungsprozesses: BAG Urteile vom 19. Mai 1967 - 3 AZR 295/66 - AP Nr. 20 zu § 133 f. GewO sowie vom 2. Februar 1968 - 3 AZR 462/66 - AP Nr. 22 zu § 74 HGB). Die Antragsänderung stellt sich im Verhältnis zur früheren Leistungsklage als Beschränkung des ursprünglichen Antrags dar, die nach § 264 Nr. 2 ZPO nicht als Klageänderung anzusehen ist. Durch die vor der Antragsänderung eingetretene Beendigung des Rechtsverhältnisses, aus dem zunächst auf Leistung geklagt worden war, kann daher nicht nochmals eine Erledigung des Feststellungsantrages eintreten.
b) Das Berufungsgericht hat somit für die Frage, ob die Hauptsache erledigt ist, zu Unrecht tragend darauf abgestellt, ob der zuletzt gestellte Klageantrag schon von Anfang unzulässig oder unbegründet war. Eine in Wirklichkeit noch nicht erledigte Klage, die der Kläger für in der Hauptsache erledigt erklärt, ist vielmehr ohne Rücksicht auf ihre sachliche Berechtigung abzuweisen. Denn nach Abgabe einer Erledigungserklärung begehrt der Kläger keine Sachentscheidung mehr. Würde dennoch nach dem (ursprünglichen) Klageantrag erkannt, würde dem Kläger unter Verletzung von § 308 ZPO etwas zugesprochen, was er nicht beantragt hatte (RGZ 156, 372, 376; BGH NJW 1965, 1597; Wieczorek, ZPO, 2. Aufl., § 91 a Anm. A I b, A II a 1).
Zwar kann der Kläger, der die Hauptsache für erledigt erklärt hat, seinen bisherigen Klageantrag hilfsweise weiterverfolgen. Diese Anträge widersprechen einander nicht, weil sie im Eventualverhältnis zueinander stehen und Hilfsvorbringen auch dann zu berücksichtigen ist, wenn es dem Hauptvorbringen widerspricht (BGH, aaO; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 43. Aufl., § 91 a Anm. 2 B; Thomas/Putzo, ZPO, 13. Aufl., § 91 a Anm. 7; a. M. Wieczorek, aaO). Im vorliegenden Fall hat der Kläger jedoch den Feststellungsantrag auch nicht mehr hilfsweise aufrechterhalten. Denn sein Prozeßbevollmächtigter hat in der Revisionsverhandlung auf entsprechenden Hinweis des Senats erklärt, er habe bereits in der Berufungsverhandlung allein noch seine Erledigungserklärung weiterverfolgt.
III.Die klageabweisenden Urteile der Vorinstanzen waren daher im Ergebnis zu bestätigen, ohne daß zu prüfen war, ob der Feststellungsantrag zulässig und begründet gewesen ist. Die Revision war demgemäß mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge als unbegründet zurückzuweisen.
Hillebrecht Triebfürst Dr. Weller
Binzek Rupprecht
Fundstellen