Entscheidungsstichwort (Thema)
Übergang von Arbeitsverhältnissen bei Horterziehern
Leitsatz (amtlich)
- Die Arbeitsverhältnisse der Horterzieher an Schulen im Freistaat Sachsen sind mit Inkrafttreten des Schulgesetzes für den Freistaat Sachsen (SächsGVBl. 1991, S. 213) am 1. August 1991 auf die Gemeinden als Schulträger übergegangen (§ 16 Abs. 3 SächsSchulG).
- § 16 Abs. 3 SächsSchulG verletzt nicht das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG.
Normenkette
Schulgesetz für den Freistaat Sachsen (SächsSchulG) vom 3. Juli 1991 (SächsGVBl. 1991, S. 213) §§ 4, 16, 22-23, 40, 42, 64-65; Verordnung über Grundsätze und Rahmenregelungen für allgemeinbildende Schulen und berufsbildende Schulen – Vorläufige Schulordnung – vom 18. September 1990 (GBl. DDR I, S. 1579) § 16; Verordnung über die Bildung von vorläufigen Schulaufsichtsbehörden §§ 2-3; Verordnung zum Ausgleich notwendiger Personalkosten für Horterzieher (PersHortDV) vom 2. September 1991 (SächsGVBl. 1991, S. 387) § 1; Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zur Durchführung und Auslegung des Einigungsvertrags (BGBl. 1990 II, S. 1239) Art. 3 Ziff. 33; BGB §§ 164, 177, 180, 613a; GG Art. 28 Abs. 2; ZPO §§ 253, 256
Verfahrensgang
Sächsisches LAG (Urteil vom 07.10.1992; Aktenzeichen 3 (5) Sa 51/92) |
KreisG Leipzig-Stadt (Urteil vom 22.05.1992; Aktenzeichen 17 Ca 213/91) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Chemnitz vom 7. Oktober 1992 – 3 (5) Sa 51/92 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Klägerin war aufgrund eines Arbeitsvertrages mit dem Rat des Kreises W… seit dem 1. Januar 1987 als eine von fünf Horterzieherinnen an der Oberschule H… tätig.
Am 1. August 1991 ist das Schulgesetz für den Freistaat Sachsen (SächsSchulG) vom 3. Juli 1991 (SächsGVBl. 1991, S. 213) in Kraft getreten. Dessen hier maßgebliche Vorschriften lauten wie folgt:
Seit Beginn des Schuljahres 1991/1992 am 1. August 1991 betreibt die Gemeinde H… aufgrund des festgestellten Bedarfs an der Schule einen Hort für die Schüler der Klassen eins bis vier. Sie beschäftigt hier noch drei Horterzieherinnen, mit denen sie Mitte Oktober 1991 rückwirkend zum 1. August 1991 neue Arbeitsverträge abschloß. Inzwischen wird die Oberschule H… aufgrund der Vorschriften des Sächsischen Schulgesetzes als zehnklassige Grund- und Mittelschule geführt.
Am 30. Oktober 1991 erhielt die Klägerin ein Schreiben des Staatlichen Schulamtes G… vom 22. Oktober 1991, das sowohl vom kommissarischen Schulamtsleiter als auch vom Landrat des Kreises W… unterzeichnet ist und wie folgt lautet:
Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses
Sehr geehrte Frau K…,
mit Inkrafttreten des Schulgesetzes für den Freistaat Sachsen sind alle als Horterzieher tätigen Arbeitnehmer kommunale Bedienstete. Da Sie von der zuständigen Kommune nicht übernommen werden konnten und wir aufgrund der o. g. Strukturveränderungen keine Horte mehr führen, kündigen wir Ihnen das bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich und fristgemäß zum 30. November 1991. Die Kündigungsfristen bestimmen sich nach dem Vertrag über die Herstellung der Einheit Deutschlands – Einigungsvertrag – Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Abs. 4. …
Mit ihrer am 7. November 1991 beim Kreisgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin den Freistaat Sachsen, den Landkreis W… und die Gemeinde H… verklagt. Sie hat die Feststellung begehrt, daß ihr Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht beendet worden sei, sondern unverändert zum Freistaat Sachsen, hilfsweise zum Landkreis W…, hilfsweise zur Gemeinde H… fortbestehe. Im Kammertermin vom 22. Mai 1992 haben sich die Klägerin und der Freistaat Sachsen dahingehend verglichen, “daß das zwischen ihnen bestandene Arbeitsverhältnis spätestens durch ordentliche betriebsbedingte Kündigung zum 30. November 1991 beendet worden ist” und der Freistaat eine Abfindung von 1.000 DM für den Verlust des Arbeitsplatzes zahlt. Daraufhin hat die Klägerin ihre Klage gegen den Landkreis W… zurückgenommen.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr Arbeitsverhältnis sei gem. § 16 Abs. 3 des SächsSchulG ab 1. August 1991 auf die Gemeinde H…, nunmehr alleinige Beklagte, übergegangen.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß zwischen den Parteien seit dem 1. August 1991 ein Arbeitsverhältnis als Horterzieherin bestehe.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, § 16 SächsSchulG regele ausschließlich die Neueinrichtung von Schulhorten an Schulen oder Schularten i. S. des Schulgesetzes. Eine Überleitung des Personals verstoße gegen das verfassungsrechtlich verbürgte kommunale Selbstverwaltungsrecht. Auch ein Betriebsübergang nach § 613a BGB liege nicht vor.
Das Kreisgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte das Ziel der Klagabweisung weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Recht stattgegeben.
I. Die Feststellungsklage ist zulässig. Bedenken wegen des Erfordernisses eines bestimmten Klagantrages (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) bestehen nicht, weil der Inhalt der Arbeitsbedingungen zwischen den Parteien nicht streitig ist und sich im übrigen hinreichend bestimmen läßt. Das Feststellungsinteresse des § 256 Abs. 1 ZPO liegt vor. Es kann nicht deshalb verneint werden, weil durch ein stattgebendes Urteil möglicherweise Unklarheiten über einzelne Elemente des Arbeitsverhältnisses bestünden. Zum einen sind derartige Unklarheiten im Streitfall nicht ersichtlich, zum anderen muß die grundsätzliche Frage des Bestands des Arbeitsverhältnisses vorab geklärt werden können (vgl. nur BAG Urteil vom 2. Juni 1976 – 5 AZR 131/75 – AP Nr. 20 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu I 1, 2 der Gründe). Auch gegen die rückwirkende Feststellung mit Wirkung zum 1. August 1991 bestehen keine Bedenken; die Klägerin war keinesfalls gezwungen, jeweils laufend eine Leistungsklage zu erheben.
II. Die Feststellungsklage ist begründet. Die Klägerin steht seit dem 1. August 1991 in einem Arbeitsverhältnis als Horterzieherin zur Beklagten.
1. Die Parteien haben ausdrücklich keinen Arbeitsvertrag geschlossen. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist auch nicht die Annahme gerechtfertigt, zwischen den Parteien sei ein Arbeitsverhältnis durch konkludente Willenserklärungen zustande gekommen. Ein Vertrag bestand allerdings zwischen der Klägerin und dem Rat des Kreises W…. Es gibt jedoch keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Beklagte etwa kraft Gesetzes Rechtsnachfolgerin des Rates des Kreises W… geworden ist. Auch die Voraussetzungen eines Betriebsüberganges nach § 613a BGB sind nicht festgestellt.
2. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist gemäß § 16 Abs. 3 SächsSchulG mit Wirkung zum 1. August 1991 auf die Beklagte übergegangen.
a) Es erscheint durchaus zweifelhaft, bedarf aber keiner Entscheidung, ob die Horterzieher Arbeitnehmer der Landkreise als Rechtsnachfolger der Räte der Kreise oder Arbeitnehmer des Freistaates Sachsen kraft Funktionsnachfolge geworden sind. Diese Frage war offenbar auch für die Beteiligten ungeklärt, wie die gemeinsam von Landrat und Schulamtsleiter unterzeichnete Kündigung vom 22. Oktober 1991 zeigt. Nach § 16 Abs. 2 der Verordnung über Grundsätze und Regelungen für allgemeinbildende Schulen – Vorläufige Schulordnung – vom 18. September 1990 (GBl. DDR I, S. 1579) in Verbindung mit § 3 Abs. 2 der Verordnung über die Bildung von vorläufigen Schulaufsichtsbehörden vom 30. Mai 1990 (GBl. DDR I, S. 296) wurde das Arbeitsverhältnis der Pädagogen, zu denen gem. § 16 Abs. 1 der vorläufigen Schulordnung auch die Erzieher im außerunterrichtlichen Bereich der Schule gehörten, durch einen entsprechenden Vertrag mit der zuständigen Schulaufsichtsbehörde begründet, geändert und ggf. beendet. Gem. § 2 Abs. 2 der Verordnung vom 30. Mai 1990 bestanden die vorläufigen Schulaufsichtsbehörden aus den Landesschulämtern und den Schulämtern der Kreise. Das nach seinem § 65 Abs. 1 am 1. August 1991 in Kraft getretene SächsSchulG hat gem. § 65 Abs. 2 Nr. 2 und 4 die vorläufige Schulordnung sowie die Verordnung vom 30. Mai 1990 auf dem Gebiet des Freistaates Sachsen abgelöst (vgl. auch Art. 3 Ziff. 33d) mit den Maßgaben aa) und bb) der Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zur Durchführung und Auslegung des Einigungsvertrages, BGBl. 1990 II, S. 1239).
b) § 16 Abs. 3 SächsSchulG bestimmt, daß Beschäftigte an Einrichtungen nach den Abs. 1 und 2 des § 16 im Dienst der Kommunen stehen. Gemeint ist jeweils die Kommune, die nach § 22 SächsSchulG Träger der Schule ist, an der die Beschäftigungseinrichtung des einzelnen Horterziehers besteht. Schulträger der Grundund Mittelschule H…, einer allgemeinbildenden Schule im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 SächsSchulG, ist gem. § 22 Abs. 1 Satz 1 SächsSchulG die Beklagte.
Die Anwendbarkeit von § 16 Abs. 3 SächsSchulG ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Oberschule H… mit Beginn des Schuljahres 1991/92 noch nicht in eine Grund- und Mittelschule nach den Vorschriften des SächsSchulG umgewandelt war, sondern zunächst noch gem. § 64 Abs. 1 SächsSchulG als Polytechnische Oberschule fortgeführt wurde. § 64 SächsSchulG berechtigte zwar grundsätzlich zur vorübergehenden Fortführung von Schulen und den als Bestandteil der Schule angegliederten Horten, enthält aber keine Regelungen darüber, auf welcher Grundlage sich die Fortführung bis zur Einrichtung von Schulen oder Schularten nach dem Schulgesetz im einzelnen vollziehen soll. Die vorläufige Schulordnung vom 18. September 1990 war durch § 65 Abs. 2 Nr. 4 SächsSchulG ersatzlos außer Kraft gesetzt. Lediglich § 65 Abs. 2 Nr. 1 SächsSchulG bestimmte, daß die organisationsrechtlichen Bestimmungen des Gesetzes über das einheitliche sozialistische Bildungswesen auslaufend angewendet wurden. Eine dem § 16 SächsSchulG entsprechende Regelung findet sich hier nicht.
c) § 16 Abs. 3 SächsSchulG behandelt nach seinem Wortlaut vordergründig nur den Bestand, nicht aber den Übergang von Arbeitsverhältnissen; es wird allein das rechtliche Ergebnis angeordnet, ohne die Begründung des Rechtsverhältnisses zu erwähnen. Angesichts der Rechtslage bei Inkrafttreten des SächsSchulG bedurfte jedoch der Übergang der Arbeitsverhältnisse einer Regelung. Die Erzieher an Schulhorten standen in keinem Arbeitsverhältnis zu den Kommunen, und die völlige Neuerrichtung von Schulen mit Hort bildete nicht den gesetzlichen Regelfall. Wie dargestellt, regelten die Übergangsbestimmungen in § 64 SächsSchulG, daß die bisherigen allgemeinbildenden Oberschulen bis zur Einrichtung von Schulen oder Schularten nach dem SächsSchulG fortgeführt werden sollten. Nach § 64 Abs. 2 SächsSchulG waren die Schulträger verpflichtet, das Verfahren zur Einrichtung der in dem SächsSchulG geregelten Schularten einzuleiten. In Anbetracht dieser Ausgangslage ist § 16 Abs. 3 SächsSchulG dahingehend auszulegen, daß nicht nur der Bestand der Beschäftigungsverhältnisse zu den Kommunen, sondern auch der gesetzliche Übergang der Arbeitsverhältnisse auf die Kommunen geregelt wird. Die Bestimmung verweist eben nicht nur auf die an den Grundschulen neu errichteten Horte und die an den übrigen Schulen erstmalig angebotenen ganztägigen Betreuungseinrichtungen. Weil es im Bundesrecht an einer vollständigen Regelung des Übergangs von Arbeitsverhältnissen im öffentlichen Dienst bei Verlagerung öffentlicher Aufgaben fehlt, ist die Gesetzgebungskompetenz des Freistaates Sachsen hierfür aufgrund des Zusammenhangs mit dem Kommunal- und dem Schulrecht anzuerkennen.
d) Wie schon nach dem Wortlaut naheliegt, verweist § 16 Abs. 3 SächsSchulG lediglich auf die Begriffe “Hort” in Abs. 1 und “ganztägige Betreuung” in Abs. 2. Die Einrichtungen werden nicht erst mit der Umwandlung der Schule in einen Schultypus nach dem SächsSchulG erfaßt. Die am Normzweck orientierte Auslegung ergibt, daß gem. § 16 Abs. 3 SächsSchulG alle am 1. August 1991 oder später an einer der genannten fortgeführten oder neu errichteten Betreuungseinrichtungen beschäftigten Arbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis zu den Kommunen stehen. Im Interesse der Aufrechterhaltung eines geordneten Schulbetriebes will das SächsSchulG mit seinem Inkrafttreten am 1. August 1991 die Arbeitsverhältnisse der an Schulen Beschäftigten einheitlich entweder dem betreffenden Schulträger oder dem Freistaat Sachsen zuordnen. Dafür spricht auch der Zusammenhang mit § 40 Abs. 1, § 23 Abs. 2 Satz 1 und § 42 Abs. 3 SächsSchulG. § 40 Abs. 1 SächsSchulG bestimmt, daß die Lehrer an öffentlichen Schulen und das Betreuungspersonal an Förderschulen im Dienst des Freistaates Sachsen stehen. Diese Vorschrift differenziert ausdrücklich nicht zwischen Lehrern an fortgeführten Schulen, an neu errichteten oder an Schulen vor oder nach der Umwandlung in eine Schulart nach dem Schulgesetz, obwohl auch die Lehrer vor dem Inkrafttreten der vorläufigen Schulordnung die Arbeitsverträge mit den Räten der Kreise geschlossen haben. § 23 Abs. 2 Satz 1 SächsSchulG ordnet die übrigen Beschäftigten dem jeweiligen Schulträger zu. Wenn nach § 42 Abs. 3 SächsSchulG der Schulleiter die unmittelbare Aufsicht über die an der Schule tätigen, nicht im Dienst des Freistaates stehenden Mitarbeiter für den Schulträger führt, so ergibt sich daraus, daß alle nicht im Dienst des Freistaates Sachsen stehenden Mitarbeiter unter der Geltung des SächsSchulG im Dienst des Schulträgers stehen.
e) Dem SächsSchulG kann nicht entnommen werden, ein Übergang von Arbeitsverhältnissen erfolge nur nach vorheriger Auswahl der Arbeitnehmer durch die Kommunen im Rahmen des Bedarfs. Vielmehr liegt es nahe, daß der Schulträger unmittelbar für die personellen Angelegenheiten der Personen zuständig ist, die an der Betreuungseinrichtung seiner Schule beschäftigt sind.
Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf § 1 Abs. 2 Satz 2 i. V. mit Abs. 1 der Verordnung zum Ausgleich notwendiger Personalkosten für Horterzieher (PersHortDV) vom 2. September 1991 (SächsGVBl. 1991, S. 387) berufen. Danach wird der Personalkostenzuschuß für gekündigte, nicht übernommene Horterzieher bis zu deren endgültigem Ausscheiden an den bisherigen Arbeitgeber nach Abs. 1 gezahlt. Es kann dahinstehen, wie der Umstand zu deuten ist, daß in Abs. 1 als Arbeitgeber lediglich die Landkreise und kreisfreien Städte genannt werden. Jedenfalls kann die vom Verordnungsgeber aufgrund von § 64 Abs. 4 SächsSchulG erlassene Vorschrift allein nicht zur Auslegung des höherrangigen Gesetzes herangezogen werden.
3. Ein Übergang aller bestehenden Arbeitsverhältnisse in fortgeführten Horten gem. § 16 Abs. 3 SächsSchulG verletzt die Beklagte nicht deshalb in ihrem vom Grundgesetz garantierten Selbstverwaltungsrecht (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG), weil ihr keine vorherige Auswahl des übergegangenen Personals, insbesondere im Hinblick auf den zukünftigen Bedarf an Erziehern, möglich war.
Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistet den Gemeinden das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Zu diesem Recht gehört auch die Personalhoheit, die vor allem die Befugnis umfaßt, die Gemeindebediensteten auszuwählen, anzustellen, zu befördern und zu entlassen, und zwar unabhängig davon, ob diese Bediensteten im Einzelfall reine Selbstverwaltungsaufgaben oder Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung wahrzunehmen haben. Beschränkungen der Selbstverwaltung der Gemeinden sind mit Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG nur vereinbar, wenn sie deren Kernbereich unangetastet lassen. Bei der Bestimmung dessen, was zu dem Bereich gehört, der durch die Verfassung gegen jede gesetzliche Schmälerung gesichert ist, muß der geschichtlichen Entwicklung und den verschiedenen Erscheinungsformen der Selbstverwaltung Rechnung getragen werden (vgl. BVerfG Beschluß vom 26. November 1963 – 2 BvL 12/62 – BVerfGE 17, 172, 181 f., m. w. N.).
Gewisse Beeinträchtigungen der Personalhoheit sind herkömmlich. So ergeben sich Einstellungspflichten, die den Personenkreis, aus dem die Gemeinde ihre Bediensteten auszuwählen hat, einschränken und näher umgrenzen, etwa aus den §§ 5 ff. SchwbG. Im Kommunalrecht waren ferner seit jeher gesetzliche Regelungen üblich, die bei Eingemeindungen die aufnehmende Gemeinde verpflichteten, die Beamten der aufgenommenen Gemeinde in ihren Dienst zu übernehmen (vgl. die umfangreichen Beispiele in BVerfGE 17, 172, 183 ff.). Abgesehen von allgemeinen Einstellungspflichten und von Eingriffen in die Personalhoheit der Gemeinden im Zusammenhang mit Gebietsänderungen, Auflösung von Zweckverbänden und Übergang von Aufgaben von Gemeinden und Gemeindeverbänden auf das Land können in Ausnahmefällen auch andere, die Personalhoheit der Gemeinden beeinträchtigende Regelungen den Kernbereich der gemeindlichen Selbstverwaltung unangetastet lassen, wenn die Übernahmeverpflichtung der Gemeinden sich auf Bedienstete beschränkt, die Aufgaben wahrgenommen haben, die auf die Gemeinden übergegangen sind (BVerfGE 17, 172, 185).
Dem entspricht die hier vertretene Auslegung von § 16 Abs. 3 SächsSchulG. Die Beklagte ist durch § 16 Abs. 3 SächsSchulG lediglich verpflichtet worden, Beschäftigte zu übernehmen, die Aufgaben wahrgenommen haben, die solche der Gemeinden sind. Die Bestimmung beinhaltet eine zeitlich unbegrenzte Erweiterung der Personalhoheit der Gemeinden, die nunmehr erstmals das Personal an Schulhorten und Betreuungseinrichtungen selbst auswählen, anstellen, befördern und entlassen können. Soweit die Erweiterung der Personalhoheit mit dem gesetzlichen Übergang bestehender Arbeitsverhältnisse belastet ist, ist das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen jedenfalls nicht in seinem Kernbereich berührt. Die Beeinträchtigung wäre nur einmalig und von zeitlich begrenzter Wirkung. Die Beklagte kann die Nachfolger der übernommenen Arbeitnehmer in Ausübung ihrer neuen, ungeschmälerten Personalhoheit frei auswählen, einstellen, befördern und entlassen. Auch über die Beförderung und Entlassung der übernommenen Arbeitnehmer kann die Beklagte selbst befinden. Gemäß § 64 Abs. 4 SächsSchulG übernahm der Freistaat Sachsen für die zweite Hälfte des Schuljahres 1990/91 100 v.H., für das Schuljahr 1991/92 75 v.H. und danach 37,5 v.H. der notwendigen Personalkosten für die Horterzieher. Zu den notwendigen Personalkosten für Horterzieher gehörten gem. § 1 Abs. 2 PersHortDV vom 2. September 1991 (aaO) auch die Personalkosten für gekündigte, nicht übernommene Horterzieher bis zu deren endgültigem Ausscheiden. Demzufolge waren die durch den Übergang einer aus der Sicht des Schulträgers nicht gerechtfertigten Zahl von Beschäftigungsverhältnissen bewirkten finanziellen Belastungen des Schulträgers nur von geringem Gewicht. Bei rechtzeitigem Personalabbau durch den Schulträger wurden die notwendigen Personalkosten weit überwiegend vom Freistaat Sachsen getragen.
4. Soweit die Revision die Auffassung vertritt, es sei unerheblich, ob die Kündigung vom früheren Arbeitgeber oder von der Kommune ausgesprochen sei, und sich damit offenbar hilfsweise die Kündigung des Staatlichen Schulamtes zu eigen machen will, ist dies unzutreffend. Zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs war bereits die Beklagte Arbeitgeber der Klägerin. Eine Kündigung der Beklagten liegt nicht vor. Der Landrat des Landkreises W… und der Leiter des Staatlichen Schulamtes G… haben weder innerhalb einer ihnen zustehenden Vertretungsmacht, noch im Namen der Beklagten gehandelt (§ 164 Abs. 1 BGB), so daß auch die §§ 177, 180 BGB nichts bewirken können.
III. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Dr. Ascheid, Dr. Wittek, Dr. Mikosch, Brückmann
Richter Dr. Meyer ist wegen eines längeren Auslandsaufenthaltes an der Leistung der Unterschrift verhindert.
Dr. Ascheid
Fundstellen
Haufe-Index 856683 |
BAGE, 125 |
BB 1994, 1360 |
NZA 1995, 125 |