Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Kündigung
Leitsatz (amtlich)
Führt die unternehmensbezogene Weiterbeschäftigungspflicht (§ 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 b KSchG) dazu, daß mehrere Arbeitnehmer aus verschiedenen Betrieben eines Unternehmens um denselben Arbeitsplatz in einem der Betriebe konkurrieren, so hat der Unternehmer bei seiner Entscheidung über die Besetzung dieses Arbeitsplatzes die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen(Bestätigung von BAG 15. Dezember 1994 – 2 AZR 320/94 – BAGE 79, 66).
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 Buchst. b, Abs. 3; BGB § 315
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 1. März 1999 – 5 Sa 512/96 –, – 5 Sa 123/98 – aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen !
Tatbestand
Der 1950 geborene, ledige Kläger wurde nach einem Fachschulstudium der Fachrichtung Technologie der Elektrotechnik vom Rechtsvorgänger der Beklagten, dem VEB Starkstrom-Anlagenbau Rostock, zum 1. September 1974 als Technologe eingestellt. Nach dem Arbeitsvertrag war als Arbeitsort des Klägers Rostock einschließlich aller Großbaustellen des Betriebes vereinbart. Zuletzt war der Kläger für die Beklagte als Projektierungsingenieur für Niederspannung im Bereich Energieübertragung und – verteilung (künftig: EV) in der Zweigniederlassung Rostock gegen eine monatliche Bruttovergütung von 5.396,00 DM tätig.
Im Laufe des Jahres 1995 entschied sich die Beklagte, im Bereich EV die Projektierungsarbeiten in regionalen Kompetenzzentren zusammenzuführen. Für die Vertriebsregion Berlin, zu der neben der Zweigniederlassung Rostock mit insgesamt ca. 1000 Mitarbeitern die Zweigniederlassungen Berlin und Magdeburg gehören, wurde die Bildung von Kompetenzzentren für Mittelspannung, Hochspannung sowie Schutz- und Leittechnik in Berlin beschlossen; die Bildung eines Kompetenzzentrums (im folgenden: KPZ) Niederspannung war nach der Behauptung der Beklagten in der Vertriebsregion Berlin nicht vorgesehen. Am 7. November 1995 traf der Zentralvorstand der Beklagten die Entscheidung, den Geschäftszweig Niederspannung rückwirkend zum 1. Oktober 1995 ganz aus dem Bereich Energieverteilung herauszulösen und dem Bereich Antriebs-, Schalt- und Leittechnik (künftig: ASI) mit Kompetenzzentren in Leipzig und Erlangen zuzuordnen.
Nachdem Gespräche der Parteien über Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bzw. eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses ergebnislos verlaufen waren, unterrichtete die Beklagte mit Schreiben vom 12. Dezember 1995 den in der Zweigniederlassung Rostock gebildeten Betriebsrat über ihre Absicht, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger ordentlich betriebsbedingt zum 31. März 1996 zu kündigen. Der Betriebsrat widersprach der beabsichtigten Kündigung ua. mit der Begründung, bundesweit seien von der Neustrukturierung in den einzelnen EV-Vertriebsregionen ca. 80 Mitarbeiter/innen betroffen; demgegenüber seien 18 Stellen zu besetzen gewesen. Es sei insoweit keine Sozialauswahl erfolgt, sondern seitens ASI seien einzelne EV-Mitarbeiter/innen namentlich angefordert worden. Mit Schreiben vom 21. Dezember 1995 kündigte die Beklagte dem Kläger zum 31. März 1996; die Kündigung wurde von Herrn H, Leiter des Bereichs EV der Vertriebsregion Berlin, und Herrn J, Personalfachberater der Zweigniederlassung Rostock, unterzeichnet. Die Parteien sind sich einig, daß die Kündigung der Beklagten das Arbeitsverhältnis nicht vor Ablauf des 31. Juli 1996 beendet hat.
Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam. Er hat gerügt, der Betriebsrat sei nicht ausreichend über den Kündigungsgrund informiert worden; die Beklagte habe bei der Anhörung weder seine Sozialdaten noch die Sozialdaten anderer vergleichbarer Arbeitnehmer, die in eine Sozialauswahl hätte einbezogen werden müssen, mitgeteilt. Darüber hinaus sei die Kündigung sozialwidrig. Auch nach Zuordnung des Bereichs EV mit dem Geschäftszweig Niederspannung zum Bereich ASI gebe es in der Zweigniederlassung Rostock Arbeit auf dem Gebiet der Niederspannungstechnik. Ein Ende 1995 erteilter Auftrag der Volkswerft Stralsund erfordere Arbeiten bis voraussichtlich 1999 und auch in anderen Bereichen sei weiterhin Niederspannungstechnik nötig. Jedenfalls hätte ihn die Beklagte in einen anderen Betrieb des Unternehmens versetzen müssen. Im KPZ Mittelspannung in Berlin sei im Zeitpunkt der Kündigung eine geeignete Stelle frei gewesen. Diese Stelle sei zunächst der Mitarbeiterin C angeboten, von dieser aber noch vor Ausspruch der Kündigung am 21. Dezember 1995 abgelehnt worden. Die Beklagte habe ihm jedenfalls eine Stelle im KPZ Niederspannung in Leipzig anbieten müssen. Bei der Bildung des KPZ Leipzig habe eine Stellenausschreibung nicht stattgefunden, es seien vielmehr einzelne Mitarbeiter schlicht durch Versetzung nach Leipzig „verbracht” worden. Es treffe nicht zu, daß in Leipzig kein freier Arbeitsplatz bestanden habe; so sei etwa die Mitarbeiterin G von Rostock nach Leipzig versetzt worden. Eine Versetzung nach Leipzig sei ihm von der Beklagten nicht angeboten worden, ebensowenig eine Versetzung auf die im Widerspruch des Betriebsrats aufgeführten Stellen in Frankfurt und Erlangen. Seine Bereitschaft zu einer bundesweiten Versetzung habe er der Beklagten gegenüber ausdrücklich in Anwesenheit des Betriebsratsvorsitzenden erklärt. Er habe lediglich zum Ausdruck gebracht, er würde am liebsten im norddeutschen Raum arbeiten, jedoch jedes Angebot prüfen. Auch die fehlende Sozialauswahl sei zu beanstanden. Er sei mit den Projektierungsingenieuren für Mittelspannung vergleichbar und verfüge über eine entsprechende Qualifikation und Erfahrung. Eine Einarbeitungszeit benötige er insoweit nicht. Er sei auch mit den in Rostock tätigen Elektroingenieuren der Bereiche ESA (Engineering- und Softwareabteilung), IBS (Inbetriebsetzung), ASI (Antriebs-, Schalt- und Installationstechnik) sowie FSZ (Fertigungs- und Servicezentrum) vergleichbar. Die von der Beklagten auf einen gerichtlichen Hinweisbeschluß hin nach erneuter Betriebsratsanhörung vorsorglich durchgeführte Sozialauswahl mit den Projektierungsingenieuren für Mittelspannung sei fehlerhaft. Insbesondere Frau C und Herr D seien weniger schutzwürdig als er. Ebenso hätte die Beklagte Frau G, Herrn W, Herrn D und die Mitarbeiter des KPZ Mittelspannung in Berlin in die Sozialauswahl einbeziehen müssen. Schließlich seien die Unterzeichner des Kündigungsschreibens nicht entsprechend bevollmächtigt gewesen.
Der Kläger hat, soweit für die Revisionsinstanz von Bedeutung, beantragt, unter Aufhebung eines gegen ihn ergangenen klageabweisenden Versäumnisurteils
- festzustellen, das das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 21. Dezember 1995 zum 31. Juli 1996 aufgelöst worden ist;
- für den Fall des Obsiegens mit diesem Antrag die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat Aufrechterhaltung des klageabweisenden Versäumnisurteils und darüber hinaus hilfsweise beantragt,
das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, die in das Ermessen des Gerichtes gestellt wird, aber 40.000,00 DM brutto nicht überschreiten sollte, aufzulösen.
Der Kläger hat Zurückweisung des Auflösungsantrags beantragt.
Die Beklagte hat geltend gemacht, sie habe dem Betriebsrat bereits am 19. September 1995 die Sozialdaten des Klägers mitgeteilt. Die Angabe von Sozialdaten anderer Arbeitnehmer sei nicht erforderlich gewesen, da es keine vergleichbaren Mitarbeiter gebe und sie deshalb keine Sozialauswahl durchgeführt habe.
Die Kündigung sei sozial gerechtfertigt. Mit der Entscheidung, den Geschäftszweig Niederspannung zum 1. Oktober 1995 aus dem Bereich EV herauszulösen und dem Bereich ASI zuzuordnen, sei der Arbeitsplatz des Klägers als Projektierungsingenieur für Niederspannung in der Zweigniederlassung Rostock weggefallen. Seit diesem Zeitpunkt würden alle neu eingehenden Aufträge auf dem Gebiet der Niederspannung ausschließlich durch das KPZ ASI in Leipzig angenommen und projektiert. Der Bereich EV der Zweigniederlassung Rostock habe nach Einstellung der Projektierung von Niederspannungsanlagen nur noch Restarbeiten ausgeführt. Dazu gehöre auch der nicht nur aus Niederspannungsanlagen bestehende Auftrag der Volkswerft Stralsund, der von der Zweigniederlassung Rostock seit der Angebotsphase im Sommer 1995 betreut und daher noch nach der alten EV-Struktur angenommen worden sei. Die bis Ende 1997 dauernden Restarbeiten zur Niederspannung erledige der bereits zuvor mit dem Angebot befaßte Projektierungsingenieur Mittelspannung, Herr D, mit der Hälfte seiner Arbeitszeit. Daneben sei er innerhalb des Projektteams mit der Bearbeitung der spezifischen Schnittstellenproblematik Niederspannung/Mittelspannung befaßt; hierzu benötige der Kläger eine Einarbeitungszeit von 4 – 5 Monaten.
Eine Weiterbeschäftigung des Klägers auf einem anderen Arbeitsplatz sei nicht möglich gewesen. Bei der von der Mitarbeiterin C abgelehnten Stelle in Berlin habe es sich nicht um einen Arbeitsplatz im KPZ Mittelspannung, sondern im KPZ Schutz- und Leittechnik gehandelt. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, diese Stelle dem Kläger anzubieten, da er in der Schutz- und Leittechnik über keine Kenntnisse verfüge und eine Einarbeitungszeit von mehr als 14 Monaten erforderlich gewesen wäre. Zudem sei diese Stelle nicht besetzt worden, sondern ersatzlos entfallen. In das KPZ Niederspannung Leipzig habe sie den Kläger mangels einer im Kündigungszeitpunkt bzw. kurz danach freien Stelle nicht versetzen können. Der Arbeitsplatz der Mitarbeiterin G in Leipzig sei mit deren Ausscheiden am 30. Juni 1996 weggefallen. Sie habe den Kläger auch nicht von Anfang an statt Frau G nach Leipzig versetzen müssen, da er nicht über notwendige Kenntnisse für Schaltanlagen Sivacon verfüge, sozial stärker sei und im Gegensatz zu Frau G den Abschluß eines Aufhebungsvertrages zum 30. Juni 1996 abgelehnt habe. Die im Widerspruch des Betriebsrats genannten Stellen in Frankfurt und Erlangen seien dem Kläger angeboten, von diesem aber abgelehnt worden. Der Kläger habe außerdem erklärt, er sei nicht bereit, eine weiter als 250 km von Rostock entfernt liegende Stelle anzunehmen. Im übrigen habe der Kläger die fachlichen Voraussetzungen für die beiden Stellen nicht erfüllt. Im Zeitpunkt der Kündigung sei auch eine Stelle bereits besetzt, die andere ersatzlos gestrichen gewesen.
Mit den Projektierungsingenieuren für Mittelspannung sei der Kläger nicht vergleichbar. Ihm fehle die nötige Qualifikation und Erfahrung. Die Einarbeitungszeit betrage mindestens 4 – 5 Monate, bei Spezialisierung bis zu 18 Monaten. Der Kläger sei nach dem 1. Oktober 1995 nicht mit Arbeiten aus dem Bereich Mittelspannung beschäftigt worden. Jedenfalls seien die Mitarbeiter C, D und G sozial schwächer als der Kläger. Der Mitarbeiter W werde nicht als Projektierungsingenieur Niederspannung, sondern als Arbeitsvorbereiter beschäftigt. Abgesehen von der verschiedenen Arbeitsaufgabe sei er in die Gehaltsgruppe G 5 eingruppiert, der Kläger demgegenüber in G 7. Die Tätigkeit des Mitarbeiters D habe in der Einbindung von Siematic S 5 in Niederspannungsanlagen bestanden; zur Einarbeitung in dieses Fachgebiet benötige der Kläger mehr als ein Jahr. Bei den Zweigniederlassungen Rostock, Berlin und Magdeburg handele es sich um eigenständige Betriebe.
Herr H als Leiter des Bereiches EV der Zweigniederlassung Rostock und Herr J als deren Personalfachberater seien berechtigt gewesen, das Kündigungsschreiben zu unterzeichnen.
Zu ihrem Auflösungsantrag hat die Beklagte vorgetragen, der Kläger habe in einem zwischen den Parteien vor dem Arbeitsgericht Rostock geführten Zeugnisrechtsstreit unwahre und ehrverletzende Behauptungen aufgestellt, weshalb ihr die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten sei. Der Kläger hält den Auflösungsantrag für unbegründet.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit den in der Revisionsinstanz streitigen Anträgen des Klägers abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit ein die Berufung zurückweisendes Versäumnisurteil aufrechterhalten. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Feststellungs- und Weiterbeschäftigungsantrag weiter, die Beklagte hält ihren Auflösungsantrag aufrecht.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil unterliegt der Aufhebung und Zurückverweisung (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO), da mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen noch nicht feststeht, ob die Kündigung der Beklagten das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgelöst hat.
A. Das Landesarbeitsgericht hat – kurz zusammengefaßt – angenommen, aufgrund der nicht zu beanstandenden unternehmerischen Entscheidung der Beklagten, die Projektierungsarbeiten auf dem Gebiet der Niederspannung in Leipzig und Erlangen zu konzentrieren, seien die Arbeitsmöglichkeiten für den Kläger in Rostock weggefallen. Restarbeiten habe die Beklagte Herrn D wegen dessen Kenntnissen und Fähigkeiten auf dem Gebiet der Mittelspannung übertragen dürfen. Die Sozialauswahl sei nicht zu beanstanden. Der Mitarbeiter D und Frau C seien sozial schutzbedürftiger als der Kläger. Hinsichtlich der Mitarbeiter W und D habe der Kläger keine für eine Vergleichbarkeit sprechenden Tatsachen dargelegt. Frau G sei nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen gewesen, weil im Zeitpunkt der Kündigung bereits festgestanden habe, daß sie zum 30. Juni 1996 betriebsbedingt ausscheiden werde. Einen freien Arbeitsplatz in einem anderen Betrieb des Unternehmens habe die Beklagte dem Kläger nicht verschaffen müssen. Sie habe insoweit nicht erfolgreiche Vermittlungsversuche, sondern nur ein ernsthaftes Bemühen geschuldet, dem Kläger einen anderen Arbeitsplatz im Konzern zu verschaffen. Hinsichtlich des von der Arbeitnehmerin C abgelehnten Arbeitsplatzes in Berlin habe der insoweit beweisbelastete Kläger keinen Beweis dafür angetreten, daß er nach kurzer Einarbeitungszeit in der Lage gewesen wäre, die Tätigkeit eines Projektierungsingenieurs für Mittelspannung auszuüben. Die Betriebsratsanhörung sei nicht zu beanstanden. Die Kündigung sei auch nicht wegen fehlender Vertretungsmacht unwirksam.
B. Dem folgt der Senat nicht.
I. Die Revision ist kraft Zulassung uneingeschränkt statthaft (§ 72 Abs. 1 ArbGG). Entgegen der Auffassung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Revision uneingeschränkt zugelassen. Das ergibt sich bereits aus dem Tenor des angegriffenen Urteils. Mit der Zulassung „wegen grundsätzlicher Bedeutung in Ziffer 4 c der Entscheidungsgründe” hat das Landesarbeitsgericht lediglich zu erkennen gegeben, worin es die grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits sieht. Abgesehen davon kommt im Kündigungsschutzverfahren eine Beschränkung der Revisionszulassung auf bestimmte Unwirksamkeitsgründe oder gar auf einzelne Rechtsfragen, die sich bei der Prüfung eines Unwirksamkeitsgrundes stellen, nicht in Betracht(zB BAG 14. November 1984 – 7 AZR 133/83 – BAGE 47, 179, 183 f.; Germelmann/Matthes/Prütting ArbGG 3. Aufl. § 72 Rn. 33).
II. Nicht zu beanstanden ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die mit Schreiben vom 12. Dezember 1995 eingeleitete Betriebsratsanhörung sei ordnungsgemäß erfolgt. Die Kündigung ist nicht gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam.
1. Eine Kündigung ist nicht nur dann nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne den Betriebsrat zuvor überhaupt beteiligt zu haben, sondern auch dann, wenn der Arbeitgeber seiner Unterrichtungspflicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG nicht richtig, insbesondere nicht ausführlich genug nachkommt(st. Rspr., zB BAG 16. September 1993 – 2 AZR 267/93 – BAGE 74, 185; 22. September 1994 – 2 AZR 31/94 – BAGE 78, 39, jeweils mwN; 17. Februar 2000 – 2 AZR 913/98 – AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 113 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 103). Die Einschaltung des Betriebsrats im Rahmen des Anhörungsverfahrens hat über die reine Unterrichtung hinaus den Sinn, der Arbeitnehmervertretung Gelegenheit zu geben, ihre Überlegungen zu der Kündigungsabsicht dem Arbeitgeber zur Kenntnis zu bringen. Die Anhörung soll in geeigneten Fällen dazu beitragen, daß es gar nicht zum Ausspruch einer Kündigung kommt(BAG 2. November 1983 – 7 AZR 65/82 – BAGE 44, 201, 206). Aus diesem Sinn und Zweck der Anhörung folgt für den Arbeitgeber die Verpflichtung, die Gründe für seine Kündigungsabsicht derart mitzuteilen, daß er dem Betriebsrat eine nähere Umschreibung des für die Kündigung maßgeblichen Sachverhalts gibt. Die Kennzeichnung des Sachverhalts muß so umfassend sein, daß der Betriebsrat ohne eigene Nachforschungen in der Lage ist, selbst die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich ein Bild zu machen. Der Arbeitgeber genügt daher der ihm obliegenden Mitteilungspflicht nicht, wenn er den Kündigungssachverhalt nur pauschal, schlagwort- oder stichwortartig umschreibt oder lediglich ein Werturteil abgibt, ohne die für seine Bewertung maßgeblichen Tatsachen mitzuteilen(BAG 2. November 1983 – 7 AZR 65/82 – aaO; 22. September 1994 – 2 AZR 31/94 – aaO).
2. Da die Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG aber nicht darauf abzielt, die Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung zu überprüfen, sondern sich darauf beschränkt, im Vorfeld der Kündigung auf die Willensbildung des Arbeitgebers Einfluß zu nehmen, sind an die Mitteilungspflichten des Arbeitgebers bei der Betriebsratsanhörung nicht dieselben Anforderungen zu stellen wie an die Darlegungslast im Kündigungsschutzprozeß. Zudem gilt der Grundsatz der subjektiven Determinierung, demzufolge der Betriebsrat immer dann ordnungsgemäß angehört worden ist, wenn ihm der Arbeitgeber die aus seiner Sicht tragenden Gründe mitgeteilt hat(st. Rspr., zB BAG 11. Juli 1991 – 2 AZR 119/91 – AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 57 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 81; 22. September 1994 – 2 AZR 31/94 – aaO; 17. Februar 2000 – 2 AZR 913/99 – aaO).
3. Nach diesen Grundsätzen hat die Beklagte den Betriebsrat mit dem Anhörungsschreiben vom 12. Dezember 1995 über den aus ihrer Sicht maßgeblichen Kündigungssachverhalt ordnungsgemäß unterrichtet.
a) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht den Umstand, daß im Schreiben vom 12. Dezember 1995 keine Sozialdaten des Klägers aufgeführt sind, nicht als Anhörungsmangel angesehen. Zwar sind in der Regel das Lebensalter und die Betriebszugehörigkeit sowie ein evtl. Sonderkündigungsschutz des Arbeitnehmers für die Beurteilung der Kündigungsabsicht durch den Betriebsrat unverzichtbare Daten(BAG 15. Dezember 1994 – 2 AZR 327/94 – AP § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 67 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 75; 22. Januar 1998 – 8 AZR 243/95 – AP BGB § 613 a Nr. 173 = EzA BGB § 613 a Nr. 161). Verfügt der Betriebsrat allerdings bei Einleitung des Anhörungsverfahrens bereits über den erforderlichen Kenntnisstand, ist eine Mitteilung der sozialen Daten des Arbeitnehmers entbehrlich(BAG 15. Dezember 1994 – 2 AZR 327/94 – aaO; KR-Etzel 5. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 58 a).
Das Landesarbeitsgericht hat aufgrund der im Widerspruchsschreiben vom 20. Dezember 1995 aufgeführten Sozialdaten des Klägers geschlossen, daß diese dem Betriebsrat bekannt waren und weiter ausgeführt, eine nochmalige Mitteilung der Sozialdaten im Zusammenhang mit der Unterrichtung über die Kündigungsabsicht sei nicht erforderlich gewesen. Das Landesarbeitsgericht ist demnach davon ausgegangen, daß der Betriebsrat diese Daten bereits im Zeitpunkt der Einleitung des Anhörungsverfahrens kannte. An diese in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils aufgenommene Feststellung(vgl. BAG 20. Mai 1988 – 2 AZR 682/87 – BAGE 59, 32) ist das Revisionsgericht gebunden. Soweit die Revision demgegenüber geltend macht, die im Widerspruchschreiben erwähnten Sozialdaten des Klägers habe der Betriebsrat erst vor der Stellungnahme durch ein persönliches Gespräch mit dem Kläger in Erfahrung gebracht, handelt es sich um ein nach § 561 ZPO unbeachtliches neues Vorbringen in der Revisionsinstanz.
b) Die Beklagte hat dem Betriebsrat im Schreiben vom 12. Dezember 1995 mitgeteilt, daß die Niederspannung aus dem Bereich EV herausgelöst und ab 1. Oktober 1995 dem Bereich ASI zugeordnet wird. Sie hat den Betriebsrat ferner darüber informiert, daß das KPZ Niederspannung in Leipzig angesiedelt wird, der Kläger als Projektierungsingenieur auf dem Gebiet der Niederspannung tätig ist, seine Tätigkeiten am Standort entfallen und ein Einsatz in einer anderen Tätigkeit nicht möglich ist. Anhand dieser Angaben war der Betriebsrat in die Lage versetzt, sich ein Bild über die Stichhaltigkeit des Kündigungsgrundes zu machen. Es kommt daher nicht darauf an, ob und welche weitergehenden Informationen dem Betriebsrat zuvor anläßlich der im Anhörungsschreiben erwähnten Gespräche erteilt wurden.
Zu Unrecht rügt die Revision, die Beklagte habe den Betriebsrat im Rahmen der Kündigungsanhörung über die wirtschaftlichen Hintergründe und Auswirkungen ihrer unternehmerischen Entscheidung informieren müssen; ein entsprechender Unterrichtungsanspruch der Arbeitnehmervertretung in wirtschaftlichen Angelegenheiten folgt ggf. aus §§ 106, 111 BetrVG, nicht aber aus § 102 BetrVG.
c) Die Beklagte mußte dem Betriebsrat im Anhörungsschreiben vom 12. Dezember 1995 auch keine Sozialdaten anderer Arbeitnehmer mitteilen. Sie hat dem Betriebsrat ausdrücklich mitgeteilt, eine Sozialauswahl sei nicht erforderlich und hat vor Ausspruch der Kündigung unstreitig keine Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten durchgeführt. Nach dem Grundsatz der subjektiven Determinierung beschränkt sich die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers auf die Gründe, die ihn aus seiner subjektiven Sicht zur Kündigung veranlassen. Ist nach Auffassung des Arbeitgebers eine Sozialauswahl überhaupt nicht vorzunehmen, kann er dem Betriebsrat keine Auswahlgesichtspunkte mitteilen(BAG 7. November 1996 – 2 AZR 720/95 – RzK III 1 b Nr. 26; KR-Etzel 5. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 62 f.). In diesem Fall muß der Arbeitgeber dem Betriebsrat Sozialdaten anderer Arbeitnehmer nicht bekanntgeben, da solche für seinen Kündigungsentschluß nicht maßgeblich sind. Die Kündigung ist auch dann nicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam, wenn die subjektiven Überlegungen des Arbeitgebers fehlerhaft sind, dh. bei objektiver Betrachtung eine Sozialauswahl zu treffen wäre(BAG 16. Januar 1987 – 7 AZR 495/85 – EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 48; KR-Etzel 5. Aufl. aaO).
d) Die Rüge der Revision, die Betriebsratsanhörung sei auch deswegen unvollständig, weil die Beklagte den Betriebsrat nicht über die Kriterien informiert habe, nach denen die für das KPZ ASI in Leipzig angeforderten Projektierungsingenieure ausgewählt worden seien, ist deshalb ebenfalls unbegründet. Eine der Stellen für Projektierungsingenieure im KPZ ASI in Leipzig hätte der Kläger allenfalls im Wege der Sozialauswahl oder zumindest einer Auswahl unter Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte(Senat 15. Dezember 1994 – 2 AZR 320/94 – BAGE 79, 66) erhalten können. Da die Beklagte insoweit aber unstreitig keine Auswahl unter Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte vorgenommen hat, brauchte sie den Betriebsrat auch über ihre Auswahlüberlegungen nicht zu informieren. Daß ein dem Ausgangsfall des Senatsurteils vom 17. Februar 2000(– 2 AZR 913/98 – aaO) vergleichbarer Sachverhalt vorgelegen hätte, ist nicht festgestellt.
III. Die Kündigung ist auch nicht wegen fehlender Vertretungsmacht der Unterzeichner des Kündigungsschreibens unwirksam. Die Kündigung ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, bei dem eine Vertretung ohne Vertretungsmacht grundsätzlich unzulässig ist (§ 180 Satz 1 BGB). Ausnahmsweise findet jedoch gemäß § 180 Satz 2 BGB die Vorschrift des § 177 BGB auf empfangsbedürftige einseitige Willenserklärungen entsprechende Anwendung, wenn der Erklärungsempfänger die von dem Vertreter behauptete Vertretungsmacht bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts bzw. unverzüglich danach nicht beanstandet. Der Kläger hat eine fehlende Vertretungsmacht der Herren J und H nicht unverzüglich, vielmehr erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 1. Februar 1999, also über drei Jahre nach Zugang der Kündigung gerügt. Eine fehlende Vertretungsmacht kann vorliegend unterstellt werden, jedenfalls war die Kündigung nach § 177 Abs. 1, § 184 Abs. 1, § 180 Satz 2 BGB genehmigungsfähig. Eine solche Genehmigung hat die Beklagte schlüssig dadurch erteilt, daß sie die Rechtmäßigkeit der Kündigung im Kündigungsschutzprozeß bereits mit Schriftsatz vom 12. März 1996 verteidigt hat(BAG 11. Dezember 1997 – 8 AZR 699/96 – nv.; 12. September 1985 – 2 AZR 193/84 – ZIP 1986, 388).
IV. Ob die Kündigung sozial gerechtfertigt ist, läßt sich mangels ausreichender Feststellungen des Landesarbeitsgerichts noch nicht abschließend beurteilen.
1. Das Berufungsgericht ist zunächst rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, die Möglichkeit, den Kläger an seinem bisherigen Arbeitsplatz in Rostock weiterzubeschäftigen, sei durch dringende betriebliche Erfordernisse weggefallen.
a) Dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG liegen vor, wenn sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt(st. Rspr. vgl. zB BAG 29. März 1990 – 2 AZR 369/89 – BAGE 65, 61; 15. Dezember 1994 – 2 AZR 320/94 – BAGE 79, 66; 17. Juni 1999 – 2 AZR 522/98 – AP § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 102). Vom Gericht voll nachzuprüfen ist, ob eine solche unternehmerische Entscheidung tatsächlich vorliegt und durch ihre Umsetzung das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen ist. Dagegen ist die unternehmerische Entscheidung nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist(vgl. zB BAG 29. März 1990 – 2 AZR 369/89 – aaO; 17. Juni 1999 – 2 AZR 522/98 – aaO, jeweils mwN).
b) Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und damit gemäß § 561 Abs. 2 ZPO bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils(vgl. BAG 20. Mai 1988 – 2 AZR 682/87 – BAGE 59, 32) ist der Arbeitsplatz des Klägers als Projektierungsingenieur für Niederspannung infolge der unternehmerischen Entscheidung der Beklagten, die Projektierungsarbeiten im Bereich der Niederspannung aus dem Geschäftsbereich der EV herauszulösen, dem Bereich ASI anzugliedern und in Leipzig und Erlangen zu konzentrieren, in der Zweigniederlassung Rostock weggefallen.
c) Unbegründet ist die Rüge der Revision, die Beklagte könne sich im Kündigungsschutzverfahren nicht auf dringende betriebliche Erfordernisse berufen, da die Kündigung im Zusammenhang mit einer Betriebsänderung gemäß § 111 BetrVG gestanden und die Beklagte keine Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan geführt habe; zumindest treffe sie die Pflicht, von sich aus darzulegen, daß auch im Falle eines Interessenausgleichs eine andere unternehmerische Entscheidung nicht in Betracht gekommen wäre. Das Berufungsgericht hat schon keine Feststellungen darüber getroffen, ob überhaupt die tatsächlichen Voraussetzungen einer Betriebsänderung vorgelegen haben. Abgesehen davon steht die Rechtsauffassung der Revision in Widerspruch zur gesetzlichen Konzeption der §§ 111 f. BetrVG. Der Unternehmer ist in seiner Entscheidung über die Durchführung einer Betriebsänderung durch Beteiligungsrechte des Betriebsrats nicht eingeschränkt(KR-Etzel 5. Aufl. § 1 KSchG Rn. 542; Hueck/v. Hoyningen-Huene 12. Aufl. § 1 Rn. 412a, jeweils mwN). Den Abschluß eines Interessenausgleichs kann der Betriebsrat über die Einigungsstelle nicht erzwingen (§ 112 Abs. 1 – 3 BetrVG). Das bei der Aufstellung eines Sozialplans bestehende erzwingbare Mitbestimmungsrecht (§ 112 Abs. 4 BetrVG) bezieht sich nur auf den Ausgleich bzw. die Milderung wirtschaftlicher Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der Betriebsänderung entstehen (§ 112 Abs. 1 BetrVG). Als Sanktion für eine Betriebsänderung, die der Unternehmer durchführt, ohne über sie einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben, sieht das Gesetz in § 113 Abs. 3 BetrVG nicht die Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigungen, sondern lediglich für die betroffenen Arbeitnehmer Nachteilsausgleichsansprüche vor. Ob dem Betriebsrat darüber hinaus ein Anspruch auf Unterlassung der Betriebsänderung, insbesondere betriebsbedingter Kündigungen vor Abschluß der Verhandlungen über den Interessenausgleich zusteht(streitig; dafür zB LAG Hamburg 24. Juni 1997 – 3 TaBV 4/97 – LAGE TVG § 1 Nr. 7; Fitting/Kaiser/Heither/Engels BetrVG 20. Aufl. § 111 Rn. 112 ff. mwN; ablehnend zB LAG Düsseldorf 19. November 1996 – 8 TaBV 80/96 – LAGE BetrVG 1972 § 111 Nr. 14; Hueck/v. Hoyningen-Huene 12. Aufl. § 1 Rn. 412a mwN) und ob eine gerichtliche Unterlassungsverfügung es dem Arbeitgeber verwehrt, sich im Kündigungsschutzverfahren auf seine unternehmerische Entscheidung zu berufen, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung, da der Kläger selbst nicht behauptet, der Betriebsrat habe die Unterlassung betriebsbedingter Kündigungen bis zum Abschluß von Verhandlungen über einen Interessenausgleich geltend gemacht bzw. gerichtlich durchgesetzt.
2. Das Berufungsgericht hat im Ansatz zutreffend geprüft, ob der Kläger an einem anderen freien Arbeitsplatz im Unternehmen hätte weiterbeschäftigt werden können. Auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen kann dies aber nicht verneint werden.
a) Die aus Anlaß einer zum Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes führenden organisatorischen Maßnahme ausgesprochene Kündigung ist nur dann durch ein dringendes betriebliches Erfordernis „bedingt”, wenn der Arbeitgeber keine Möglichkeit hat, den Arbeitnehmer anderweitig zu beschäftigen. Dies folgt aus dem „ultima-ratio-Grundsatz”, dem vor allem bei der betriebsbedingten Kündigung maßgebliche Bedeutung zukommt(BAG 27. September 1984 – 2 AZR 62/83 – BAGE 47, 26, 31). Der nach der Generalklausel des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu prüfende „ultima-ratio-Grundsatz” ist in § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG normativ konkretisiert. Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 b KSchG ist eine Kündigung dann sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann und der Betriebsrat frist- und formgerecht widersprochen hat. Die nachträglich in das Kündigungsschutzgesetz eingefügten Widerspruchstatbestände haben zugleich eine Verbesserung des individuellen Kündigungsschutzes bewirkt und sind daher auch ohne Widerspruch des Betriebsrats im Rahmen der Generalklausel des § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG zu berücksichtigen(st. Rspr.; vgl. zB BAG 17. Mai 1984 – 2 AZR 109/83 – BAGE 46, 191, 200 f.). Die unternehmensbezogen zu prüfende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit muß sowohl dem Arbeitnehmer als auch dem Arbeitgeber objektiv möglich und zumutbar sein. Das setzt voraus, daß ein freier vergleichbarer (gleichwertiger) Arbeitsplatz oder ein freier Arbeitsplatz zu geänderten (schlechteren) Bedingungen vorhanden ist und der Arbeitnehmer über die hierfür erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse verfügt(BAG 13. September 1973 – 2 AZR 601/72 – BAGE 25, 278; 27. September 1984 – 2 AZR 62/83 – aaO). Zur Weiterbeschäftigung auf einer freien Beförderungsstelle ist der Arbeitgeber hingegen nicht verpflichtet, da das Arbeitsverhältnis nur in seinem bisherigen Bestand und Inhalt geschützt ist(BAG 29. März 1990 – 2 AZR 369/89 – BAGE 65, 61).
b) Fallen in verschiedenen Betrieben eines Unternehmens Arbeitsplätze weg, und ist die Weiterbeschäftigung nur einer entsprechend geringeren Anzahl von Arbeitnehmern auf einem oder mehreren freien Arbeitsplätzen in einem dieser Betriebe möglich, so hat der Arbeitgeber bei der Besetzung der freien Arbeitsplätze (§ 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 b KSchG) die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer zumindest nach § 315 BGB mit zu berücksichtigen(BAG 15. Dezember 1994 – 2 AZR 320/94 – BAGE 79, 66). Tritt aufgrund der unternehmensbezogenen Weiterbeschäftigungspflicht nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 KSchG die Situation ein, daß mehrere Arbeitnehmer verschiedener Betriebe des Unternehmens um einen oder mehrere freie Arbeitsplätze in einem dieser Betriebe konkurrieren, so ist – jeweils für sich betrachtet – keine der Kündigungen iSv. § 1 Abs. 2 KSchG durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt. Welche Kündigungen nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt sind, läßt sich erst nach einer Auswahlentscheidung des Arbeitgebers beurteilen. Diese Auswahlentscheidung hat zumindest nach § 315 BGB die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer mit zu berücksichtigen. Es sprechen sogar, was der Senat bislang offenlassen konnte, gewichtige Argumente dafür, in derartigen Fällen eine Sozialauswahl entsprechend § 1 Abs. 3 KSchG vorzunehmen, zumindest wenn um freie Arbeitsplätze in einem Betrieb des Unternehmens ausschließlich Arbeitnehmer aus verschiedenen anderen Betrieben des Unternehmens konkurrieren(vgl. zum Streitstand in der Literatur Schmitt Sozialauswahl bei Konkurrenz um anderweitige Beschäftigung S 72 ff. mzwN).
c) Die Beklagte ist aus betriebsverfassungsrechtlichen Gründen nicht gehindert, im Kündigungsschutzprozeß zu fehlenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten vorzutragen. Die in objektiver Hinsicht unvollständige Anhörung verwehrt es dem Arbeitgeber, im Prozeß Gründe nachzuschieben, die über die Erläuterung des mitgeteilten Sachverhalts hinausgehen(BAG 11. Juli 1991 – 2 AZR 119/91 – AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 57 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 81). Der Vortrag des Arbeitgebers zum Fehlen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit stellt regelmäßig kein unzulässiges Nachschieben von Kündigungsgründen, sondern eine zulässige Konkretisierung des Kündigungssachverhalts dar, da die Pflicht des Arbeitgebers zur Begründung der Kündigung jedenfalls nicht über seine Darlegungslast im Prozeß hinausgeht. Die aus § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG folgende Darlegungslast des Arbeitgebers dafür, daß eine Kündigung wegen Wegfalls der bisherigen Beschäftigungsmöglichkeit durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist, ohne daß eine andere Beschäftigung möglich oder zumutbar wäre, ist davon abhängig, wie sich der Arbeitnehmer auf die Begründung der Kündigung einläßt. Bestreitet er nur den Wegfall des Arbeitsplatzes, so genügt der allgemeine Vortrag des Arbeitgebers, wegen der betrieblichen Notwendigkeiten sei eine Weiterbeschäftigung zu den gleichen Bedingungen nicht möglich. Es obliegt dann dem Arbeitnehmer, darzulegen, wie er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, falls sein bisheriger Arbeitsplatz tatsächlich weggefallen sein sollte. Erst dann muß der Arbeitgeber eingehend erläutern, aus welchen Gründen eine Umsetzung nicht möglich gewesen wäre. In der Mitteilung an den Betriebsrat vom Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes wird deshalb zumeist der für den Betriebsrat erkennbare, wenn auch noch unsubstantiierte Hinweis liegen, eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer bestehe nicht. Beruft sich dann der Arbeitnehmer im Prozeß auf eine solche Möglichkeit, handelt es sich bei dem nunmehr erforderlichen Vortrag des Arbeitgebers lediglich um eine Erläuterung des Kündigungsgrundes(BAG 29. März 1990 – 2 AZR 369/89 – BAGE 65, 61; 7. November 1996 – 2 AZR 720/95 – RzK III 1b Nr. 26). Da der Arbeitgeber bei der Betriebsratsanhörung regelmäßig noch gar nicht wissen kann, welche sonstigen Unwirksamkeitsgründe der Arbeitnehmer im Prozeß geltend machen will, wäre der Arbeitgeber weitgehend rechtlos gestellt, würde man ihm insoweit ergänzenden Sachvortrag abschneiden.
d) Die Revision rügt zu Recht, daß sich das Berufungsgericht nicht mit dem Vorbringen des Klägers auseinandergesetzt hat, die Beklagte hätte ihn im KPZ Niederspannung in Leipzig weiterbeschäftigen müssen.
aa) Wenn die Beklagte unstreitig die unternehmerische Entscheidung getroffen hat, ihre Aktivitäten im Niederspannungsbereich bundesweit von den einzelnen Standorten in die beiden neu gebildeten Kompetenzzentren Leipzig und Erlangen zu verlagern, so stellte dies allein für die in den einzelnen Standorten betroffenen Arbeitnehmer keinen betriebsbedingten Kündigungsgrund dar. Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 b KSchG hätte die Beklagte dann allen betroffenen Arbeitnehmern, also auch dem Kläger, eine Weiterbeschäftigung in Leipzig bzw. Erlangen anbieten müssen.
bb) Ein dringendes betriebliches Erfordernis, dem Kläger zu kündigen, konnte sich also allenfalls aus der weiteren unternehmerischen Entscheidung der Beklagten ergeben, die Anzahl der Arbeitsplätze in Leipzig und Erlangen, wie der Betriebsrat geltend macht, auf 18 zu beschränken. Diese mit der Einrichtung der Kompetenzzentren beabsichtigte Personaleinschränkung hat die Beklagte jedoch nur ansatzweise vorgetragen, jedenfalls nicht hinreichend begründet. Nach der neueren Senatsrechtsprechung(17. Juni 1999 – 2 AZR 141/99 –, – 2 AZR 522/98 – und – 2 AZR 456/98 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 101 bis 103; vgl. Bitter DB 2000, 1760, 1767) hat der Arbeitgeber seine Unternehmerentscheidung, den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren, hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und hinsichtlich des Begriffs „Dauer” zu verdeutlichen, damit das Gericht ua. prüfen kann, ob sie nicht offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist; je näher die eigentliche Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluß rückt, um so mehr muß der Arbeitgeber durch Tatsachenvortrag verdeutlichen, daß ein Beschäftigungsbedürfnis für den betroffenen Arbeitnehmer entfallen ist. Dem entspricht der bisherige Tatsachenvortrag der Beklagten nicht, die Beklagte beruft sich im wesentlichen nur auf einen Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses für den Kläger in Rostock und auf ihren Entschluß, dem Kläger zu kündigen.
cc) Jedenfalls durfte die Beklagte nach der Senatsrechtsprechung(15. Dezember 1994 – 2 AZR 320/94 – aaO) die verbleibenden Stellen nicht nach ihrem Belieben besetzen, sondern es war auf Grund einer in erster Linie durch die Berücksichtigung sozialer Belange der betroffenen Arbeitnehmer geprägten Auswahlentscheidung festzulegen, welchem der betroffenen Arbeitnehmer eine Stelle im KPZ Niederspannung Leipzig angeboten werden mußte und wer von ihnen nicht mehr weiterbeschäftigt werden konnte.
Der Kläger hat in den Tatsacheninstanzen gerügt, ihm sei keine Versetzung nach Leipzig angeboten worden, die Beklagte habe insoweit keine Sozialauswahl vorgenommen, sondern ohne Stellenausschreibung schlicht einzelne Mitarbeiter durch Versetzung nach Leipzig „verbracht”. Erstinstanzlich hat der Kläger dazu eine Telefonliste mit den 12 Namen der im – nicht am Ort der Niederlassung Leipzig, sondern „auf dem Land” in B geschaffenen – KPZ Leipzig tätigen Mitarbeiter vorgelegt. Aus dem von ihm vorgelegten Organigramm eines geplanten KPZ Berlin in Verbindung mit der Telefonliste ergibt sich zudem schlüssig, daß neben Frau G zumindest zwei weitere Mitarbeiter nach Leipzig versetzt worden sind. Damit hat der Kläger ausreichend konkret auf den von ihm mehrfach vorgelegten Widerspruch des Betriebsrats Bezug genommen und reklamiert, es hätte ihm eine der Stellen im KPZ Leipzig angeboten werden müssen.
Die Beklagte hat sich demgegenüber nur darauf berufen, bei oder kurz nach der Kündigung des Klägers seien im KPZ Leipzig keine Stellen frei gewesen, auch von den schon zuvor in Leipzig mit Niederspannungstechnik befaßten Arbeitnehmern seien einige betriebsbedingt ausgeschieden. Dieses Bestreiten reicht nicht aus. Wenn die Beklagte bei der Besetzung von 18 freien Stellen keine Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten oder wenigstens unter Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte vorgenommen, sondern lediglich nach ihrem Belieben einzelne der schon zuvor in der Niederlassung Leipzig beschäftigten Arbeitnehmer weiterbeschäftigt und andere nach Leipzig versetzt hat, so ist sie ihren Verpflichtungen nach § 1 KSchG nicht nachgekommen. Da nach dem Widerspruch des Betriebsrats 18 Stellen zu besetzen waren und jeder der betroffenen Arbeitnehmer einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung im KPZ Leipzig bzw. Erlangen hatte, konnte erst eine Auswahl unter Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte (§ 315 BGB bzw. § 1 Abs. 3 KSchG analog) klären, welchen der nach dem Widerspruch des Betriebsrats betroffenen 80 Arbeitnehmer zu kündigen war. Hatte die Beklagte, als sie dem Kläger kündigte, schon alle Stellen besetzt, so kann sie sich hierauf nicht berufen(§ 162 Abs. 2 BGB, vgl. Senat 21. September 2000 – 2 AZR 440/99 – zur Veröffentlichung vorgesehen [zVv.] mwN).
Da der Kläger unter Vorlegung einer Telefonliste mit den Namen der Stelleninhaber – mehr kann von ihm nicht verlangt werden – vorgetragen hat, wie er sich eine Weiterbeschäftigung im KPZ Leipzig vorstellt, die Beklagte ihrerseits dem nicht substantiert entgegengetreten ist und unstreitig keine Auswahlentscheidung nach sozialen Gesichtspunkten über die Besetzung dieser Stellen getroffen hat, ist nach der Senatsrechtsprechung zu vermuten, daß die von der Beklagten allein aufgrund betrieblicher Belange getroffene Auswahl auch im Ergebnis sozialwidrig ist(Senat 18. Oktober 1984 – 2 AZR 61/83 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 18 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 33). Diese Vermutung hat die Beklagte bislang nicht ausgeräumt.
dd) Die Sache läßt sich insoweit jedoch nicht abschließend entscheiden. Zwischen den Parteien ist in den Tatsacheninstanzen streitig geblieben, ob der Kläger es bis kurz vor Ausspruch der Kündigung im Hinblick auf die Versorgungsbedürftigkeit seiner Eltern endgültig abgelehnt hat, auf einen Arbeitsplatz versetzt zu werden, der weiter als 250 km von Rostock entfernt ist. Das Berufungsgericht hat insoweit eine Beweisaufnahme durchgeführt, ohne das Beweisergebnis, dem der Kläger mit weiteren Beweisantritten entgegengetreten ist, zu würdigen. Diese Beweiswürdigung muß der Tatsacheninstanz vorbehalten bleiben. Das Berufungsgericht wird jedoch zu beachten haben, daß nicht jede Erklärung eines Arbeitnehmers im Vorfeld einer anstehenden Kündigung, die darauf zielt, einen möglichst gleichwertigen, nahegelegenen Ersatzarbeitsplatz zugewiesen zu bekommen, den Arbeitgeber von der Verpflichtung entbindet, als milderes Mittel gegenüber einer Beendigungskündigung eine Änderungskündigung auszusprechen bzw. dem Arbeitnehmer unter Androhung einer sonst erforderlichen Beendigungskündigung konkret den anderen Arbeitsplatz anzubieten.
e) Auch die Ausführungen des Berufungsgerichts zu der von der Arbeitnehmerin C abgelehnten Stelle in Berlin sind nicht frei von Rechtsfehlern. Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht zwar zunächst davon ausgegangen, die Beklagte hätte dem Kläger diese Stelle anbieten müssen, wenn es sich um eine solche im KPZ Mittelspannung gehandelt hat und der Kläger in der Lage war, nach (zumutbarer) Einarbeitung die Tätigkeit eines Projektierungsingenieurs für Mittelspannung auszuüben. Richtig ist ferner die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte sei dann nicht zu einem entsprechenden Angebot verpflichtet gewesen, wenn es sich um eine Stelle im KPZ Schutz- und Leittechnik gehandelt hat; denn der Kläger hat nicht behauptet, in diesem Bereich über Kenntnisse und Fähigkeiten zu verfügen.
Mit § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG nicht vereinbar sind jedoch die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts, es sei Aufgabe des Klägers gewesen, seine Behauptungen unter Beweis zu stellen, da er sich auf eine ihn begünstigende Verpflichtung der Beklagten berufe. Nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG hat der Arbeitgeber das Fehlen einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit zu beweisen. Seiner abgestuften Behauptungslast hatte der Kläger genügt, indem er sich auf die von der Arbeitnehmerin C abgelehnte Stelle „im KPZ Mittelspannung” in Berlin bezog. Die Beweislast für ihre Behauptung, daß diese vom Kläger behauptete Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nicht bestand, trägt die Beklagte (§ 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG). Die Verkennung der Darlegungs- und Beweislast ist ein materieller Rechtsfehler, der revisionsrechtlich ohne Verfahrensrüge von Amts wegen zu beachten ist(BAG 5. November 1981 – 2 AZR 597/79 – nv.; 16. März 1972 – 2 AZR 202/71 – BAGE 24, 198; 14. Juni 1958 – 2 AZR 188/55 – AP § 529 ZPO Nr. 1). Auch dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung und Zurückverweisung, um dem Berufungsgericht Gelegenheit zu geben, unter Berücksichtigung der Beweislastverteilung nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die erforderliche Feststellung nachzuholen, ob es sich bei der von der Arbeitnehmerin C abgelehnten Stelle in Berlin, wenn diese nicht ersatzlos gestrichen worden ist, um eine Stelle im KPZ Schutz- und Leittechnik, dh. eine unzumutbare Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, gehandelt hat oder um eine Stelle im KPZ Mittelspannung. Sollte letzteres zutreffen, wird das Landesarbeitsgericht weiter zu prüfen haben, ob der Kläger für die Tätigkeit eines Projektierungsingenieurs Mittelspannung eine lange Einarbeitungszeit benötigt; auch insoweit ist die Beklagte nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG beweispflichtig, da eine lange Einarbeitungszeit die fehlende Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung begründen kann.
d) Auch für eine abschließende Beurteilung, ob eine Weiterbeschäftigung des Klägers auf anderen freien Arbeitsplätzen im Unternehmen möglich gewesen wäre, fehlt es an ausreichenden Feststellungen des Berufungsgerichts.
aa) Im Hinblick auf die im Widerspruchsschreiben des Betriebsrats aufgeführten, aus der internen Stellenausschreibung der Beklagten entnommenen Stellen in Frankfurt und Erlangen sind die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts widersprüchlich. Mit der Begründung, die Beklagte habe sich ernsthaft darum bemüht, dem Kläger einen anderen Arbeitsplatz in ihrem Konzern zu verschaffen, kann eine evtl. Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf diesen Arbeitsplätzen nicht ausgeschlossen werden. Richtig ist lediglich, daß der Bestandsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz grundsätzlich nicht konzernbezogen ist und eine Weiterbeschäftigungspflicht auf einem freien Arbeitsplatz in einem anderen Konzernunternehmen nicht besteht(zB BAG 27. November 1991 – 2 AZR 255/91 – AP KSchG 1969 Konzern § 1 Nr. 6 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 72). Es ging jedoch hier, wie sich schon aus den Stellenausschreibungen ergibt, um Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten in einem anderen Betrieb des Unternehmens, nicht um die Prüfung konzernweiter Beschäftigungsmöglichkeiten.
Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muß der Arbeitgeber vor einer ordentlichen Beendigungskündigung dem Arbeitnehmer von sich aus eine beiden Parteien zumutbare Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz auch zu geänderten Bedingungen anbieten, dabei klarstellen, daß im Falle der Ablehnung des Änderungsangebots eine Kündigung beabsichtigt ist und dem Arbeitnehmer eine Überlegungsfrist einräumen(BAG 27. September 1984 – 2 AZR 62/83 – BAGE 47, 26, 31). Nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten fehlt es bereits an einem eindeutigen, ernsthaften und vollständigen Änderungsangebot, das der Kläger hätte annehmen können, wenn die Beklagte selbst davon ausgeht, der Kläger hätte sich auf diese Stellen noch bewerben müssen.
Die erforderliche Feststellung, ob der Kläger in Frankfurt und Erlangen tatsächlich hätte weiterbeschäftigt werden können, wird das Landesarbeitsgericht nachzuholen haben. Sollte es noch auf die hypothetische Versetzungsbereitschaft des Klägers ankommen, wird das Berufungsgericht die nach Behauptung der Beklagten behauptete, auf den norddeutschen Raum eingeschränkte Mobilität des Klägers aufzuklären haben.
bb) Nicht zu beanstanden ist hingegen die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe dem Kläger nicht von Anfang an die im Zeitpunkt der Kündigung nur noch bis 30. Juni 1996 befristete Stelle der Mitarbeiterin G im KPZ Leipzig anbieten müssen. Da der Kläger zuvor das Angebot der Beklagten auf Abschluß eines Aufhebungsvertrages zum 30. Juni 1996 abgelehnt hatte, scheidet die auf diesen Zeitpunkt befristete Stelle als zumutbare Weiterbeschäftigungsmöglichkeit aus.
3. Die Rüge der Revision, die Wirksamkeit der Kündigung scheitere schon an einer fehlerhaften Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 KSchG), ist – abgesehen von der nicht hinreichenden Prüfung von Weiterbeschäftigungsmöglickeiten für den Kläger im KPZ Niederspannung in Leipzig – unbegründet. Die Revision rügt insoweit in erster Linie, in die Sozialauswahl hätten sämtliche Projektierungsingenieure im Bundesgebiet, zumindest sämtliche Projektierungsingenieure Niederspannung im Bundesgebiet, wenigstens aber die Projektierungsingenieure Niederspannung und Mittelspannung im Vertriebsbereich Berlin einbezogen werden müssen. Alle diese Arbeitnehmer seien miteinander vergleichbar.
a) Damit wird schon verkannt, daß die Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG betriebsbezogen ist. Das Senatsurteil vom 15. November 1994(– 2 AZR 320/94 – aaO) stellt dies nicht in Frage, sondern betrifft nur den Ausnahmefall, daß mehrere Arbeitnehmer aus verschiedenen Betrieben des Unternehmens um einen freien Arbeitsplatz konkurrieren, weil die Pflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer auf einem anderen freien Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen, unternehmensweit geregelt ist und der Gesetzgeber für diesen Fall keine § 1 Abs. 3 KSchG entsprechende Regelung getroffen hat. Die von der Beklagten durchzuführende Sozialauswahl hatte sich deshalb – sieht man von den Stellen im KPZ Niederspannung in Leipzig ab – allein auf vergleichbare Arbeitnehmer in der Niederlassung Rostock zu beziehen.
b) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Beklagte nicht aus betriebsverfassungsrechtlichen Gründen gehindert war, die Sozialdaten etwa der Projektierungsingenieure für Mittelspannung in Rostock im Prozeß nachzuschieben. Hat der Arbeitgeber bei der getroffenen Sozialauswahl bestimmte Arbeitnehmer übersehen oder nicht für vergleichbar gehalten und insoweit dem Betriebsrat die für die soziale Auswahl erheblichen Umstände zunächst nicht mitgeteilt, so darf er auf entsprechende Rüge des Arbeitnehmers im Prozeß insoweit seinen Vortrag ergänzen, ohne daß darin ein unzulässiges Nachschieben von Kündigungsgründen gesehen werden kann(BAG 7. November 1996 – 2 AZR 720/95 – RzK III 1 b Nr. 26; 29. März 1990 – 2 AZR 369/89 – BAGE 65, 61). Ob der Arbeitgeber insoweit zu einer nachträglichen Betriebsratsanhörung verpflichtet ist(so KR-Etzel 5. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 62 g), kann dahinstehen, da die Beklagten den Betriebsrat insoweit ordnungsgemäß nachträglich angehört hat, wie sich aus den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt.
c) In der Sache lassen die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Sozialauswahl insbesondere zwischen dem Kläger und den Projektierungsingenieuren für Mittelspannung in Rostock keinen Rechtsfehler erkennen. Selbst wenn man davon ausgeht, daß der Kläger seine Rügen zur Sozialauswahl nach Vorlage des Anhörungsschreibens vom 8. Mai 1998 nicht auf Herrn D und Frau C beschränkt hat, sondern die Rüge der fehlerhaften Sozialauswahl im Verhältnis zu den Mitarbeitern H, H, H und P aufrecht erhalten hat, hält es sich um Beurteilungsspielraum der Tatsacheninstanz, wenn das Berufungsgericht alle diese Arbeitnehmer für sozial schutzbedürftiger als den Kläger angesehen und deshalb nicht geprüft hat, ob der Kläger mit diesen Arbeitnehmern überhaupt vergleichbar ist. So ist es insbesondere rechtlich nicht zu beanstanden, daß das Landesarbeitsgericht bei der Gewichtung der Sozialdaten den Unterhaltspflichten maßgebliche Bedeutung beigemessen hat und deshalb etwa Herrn H als sozial schutzbedürftiger als den Kläger betrachtet hat.
d) Soweit der Kläger in den Tatsacheninstanzen pauschal die fehlende Sozialauswahl mit Ingenieuren aus den verschiedensten Abteilungen in Rostock gerügt hat, ist dieses Vorbringen vom Berufungsgericht zutreffend als völlig unsubstantiiert nicht berücksichtigt worden. Der Kläger hat insoweit auch nicht ansatzweise dargelegt, inwieweit er mit den betreffenden, nicht namentlich benannten Mitarbeitern vergleichbar sein soll.
V. In Abhängigkeit von seiner Entscheidung über den Feststellungsantrag des Klägers wird das Berufungsgericht auch über den Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers und den Auflösungsantrag der Beklagten zu befinden haben.
Unterschriften
Etzel, Bröhl, Fischermeier, J. Walter, Heise
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 21.09.2000 durch Anderl, Urkunsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
BB 2001, 1152 |
BB 2001, 580 |
DB 2001, 1207 |
ARST 2001, 125 |
EWiR 2001, 541 |
FA 2001, 124 |
JR 2001, 484 |
NZA 2001, 535 |
SAE 2001, 253 |
ZIP 2001, 388 |
AP, 0 |
AuA 2001, 382 |
NJ 2001, 278 |
PERSONAL 2001, 330 |
RdW 2001, 470 |
LL 2001, 628 |