Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt „equal pay”). Vergleichsentgelt. Auskunftspflicht des Entleihers
Leitsatz (amtlich)
Maßgeblich für das Vergleichsentgelt nach § 10 Abs. 4 AÜG ist die Tätigkeit, die der Entleiher dem Leiharbeitnehmer ausdrücklich oder konkludent durch Billigung oder Duldung zugewiesen hat.
Orientierungssatz
Beschäftigt der Entleiher keine vergleichbaren Stammarbeitnehmer, gehört zur ordnungsgemäßen Auskunft nach § 13 AÜG auch die fiktive Beurteilung, wie der Entleiher die dem Leiharbeitnehmer zugewiesene Tätigkeit im Arbeitsverhältnis vergütet hätte.
Normenkette
AÜG § 9 Nr. 2, § 10 Abs. 4, § 13; BGB § 204 Abs. 1 Nr. 3; ZPO §§ 167, 691 Abs. 2; RL 2008/104/EG Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 21.10.2015; Aktenzeichen 19 Sa 4/14) |
ArbG Karlsruhe (Urteil vom 13.11.2013; Aktenzeichen 10 Ca 81/13) |
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg – Kammern Mannheim – vom 21. Oktober 2015 – 19 Sa 4/14 – wird zurückgewiesen, soweit das Landesarbeitsgericht die Klage iHv. 736,58 Euro brutto nebst Zinsen (Urlaubsabgeltung für die Jahre 2008 und 2009) abgewiesen hat.
2. Im Übrigen wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg – Kammern Mannheim – vom 21. Oktober 2015 – 19 Sa 4/14 – aufgehoben und im Umfang der Aufhebung die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Differenzvergütung unter dem Gesichtspunkt des equal pay.
Die 1983 geborene Klägerin war vom 3. November 2008 bis zum 30. Juni 2010 bei der Beklagten, die gewerblich Arbeitnehmerüberlassung betreibt, als Leiharbeitnehmerin beschäftigt und während des gesamten Zeitraums der S AG (Entleiherin und Streitverkündete) überlassen. Die Klägerin erhielt bei einer arbeitsvertraglich vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit von mindestens 35 Wochenstunden einen Bruttostundenlohn von zunächst 14,00 Euro, ab 2. März 2009 einen solchen von 15,00 Euro.
Dem Arbeitsverhältnis lag ein Formulararbeitsvertrag vom 22. Oktober
2008 zugrunde, in dem es ua. heißt:
„§ 2 Anwendung eines Tarifvertrages
1. Die Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien ergeben sich aus dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e.V. (AMP) bestehenden Mantel-, Entgeltrahmen-, Entgelt- und Beschäftigungssicherungstarifverträgen sowie etwaigen ergänzenden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils aktuell gültigen Fassung an. Dies gilt auch, wenn der Mitarbeiter nicht Mitglied einer der vorgenannten Gewerkschaften ist.
§ 3 Art der Tätigkeit
Frau K wird als: Administrator/in eingestellt.”
Im Anschluss an das Leiharbeitsverhältnis stand die Klägerin vom 1. Juli 2010 bis zum 30. Juni 2012 in einem Arbeitsverhältnis zur Entleiherin, in dem sie als „B-to-B-Consultant” beschäftigt wurde. Bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden erhielt sie neben einem Bruttomonatsgehalt von 2.700,00 Euro, einer monatlichen freiwilligen Leistungszulage von 200,00 Euro brutto und einem Weihnachtsgeld von 1.350,00 Euro brutto eine leistungsabhängige variable Vergütung (Bonus) nach einer bei der Entleiherin für Consultants geltenden Bonusregelung.
Nach vorangegangenem, am 31. Dezember 2012 anhängig gemachten Mahnverfahren hat die Klägerin mit ihrer Klage für den Zeitraum 1. Dezember 2008 bis 30. Juni 2010 unter Berufung auf § 10 Abs. 4 AÜG Differenzvergütung verlangt, die sie erstinstanzlich auf der Grundlage der im Arbeitsverhältnis mit der Entleiherin bezogenen Vergütung berechnet hat. Nach einem mit der Entleiherin geführten Prozess auf Auskunft nach § 13 AÜG hat sie im Laufe des Berufungsverfahrens als Vergleichsentgelt dasjenige herangezogen, das der bei der Entleiherin in der Funktion eines „Junior Consultant” beschäftigte Arbeitnehmer S im Streitzeitraum erhalten haben soll.
Die Klägerin hat zuletzt sinngemäß beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an sie 16.922,64 Euro brutto nebst Zinsen hieraus iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen;
hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin den Lohndifferenzbetrag zwischen der von der Beklagten an die Klägerin im Zeitraum 1. Dezember 2008 bis 30. Juni 2010 geleisteten Vergütung iHv. 50.805,76 Euro brutto und der von der S AG gezahlten Vergütung an einen im Zeitraum 1. Dezember 2008 bis 30. Juni 2010 bei ihr beschäftigten „Junior Consultant” mit der Qualifikation „Dipl.-Wirtschaftsinformatiker/in (BA)”, dem die Aufgaben bzw. Teile von Aufgaben eines Consultant oblagen, die da wären:
- eigenverantwortliche Installation und Schulung der Softwareprogramme der S AG per Remote oder beim Kunden vor Ort,
- Betreuung und Beratung der Kunden bei technischen Problemen sowie bei EDI-/EAI-bezogenen Fragestellungen,
- Erstellung von Converter-Mappings sowohl als S Standardprodukt als auch kundenspezifisch,
- Erstellung von Produktdefinitionen und Produkteinführung,
- zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die Klägerin sei als Administratorin eingestellt worden und bei der Entleiherin nicht, zumindest nicht von Beginn an, als „Junior Consultant” eingesetzt gewesen. Ihre Tätigkeit sei mit der des Stammarbeitnehmers S nicht vergleichbar. Zudem dürfe es nicht zu ihren Lasten gehen, sollte die Entleiherin die Klägerin höherwertig eingesetzt haben als im Überlassungsvertrag vorgesehen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.
Nach der Berufungsverhandlung hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 16. Oktober 2015 der Entleiherin den Streit verkündet. Diese ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten und beantragt die Zurückweisung der Revision der Klägerin.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Abweisung der Klage auf Urlaubsabgeltung für die Jahre 2008 und 2009 wendet. Im Übrigen ist die Revision der Klägerin begründet und führt insoweit zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
I. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage auf Abgeltung weiteren Urlaubs für die Jahre 2008 und 2009 tragend deshalb abgewiesen, weil Urlaub aus diesen Jahren jedenfalls verfallen sei. Das ist frei von Rechtsfehlern.
1. Urlaub ist eine in Art. 3 Abs. 1 Buchst. f, i der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit (im Folgenden RL) genannter Regelungsgegenstand und damit eine wesentliche, dem Gebot der Gleichbehandlung unterliegende Arbeitsbedingung iSv. § 10 Abs. 4 AÜG (BAG 28. Januar 2015 – 5 AZR 122/13 – Rn. 26; 21. Oktober 2015 – 5 AZR 604/14 – Rn. 35, BAGE 153, 75). Für die Dauer der Überlassung steht dem Leiharbeitnehmer ein Urlaubsanspruch in Höhe des (anteiligen) Jahresurlaubs zu, den der Entleiher vergleichbaren Stammarbeitnehmern gewährt.
2. Dieser (weitere) Urlaub unterliegt aber – wie bei den Stammarbeitnehmern – den gesetzlichen Regeln und etwaigen im Entleiherbetrieb geltenden ergänzenden Bestimmungen (vgl. BAG 23. März 2011 – 5 AZR 7/10 – Rn. 12, BAGE 137, 249). Mithin ist er nach § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG befristet und verfällt am Jahresende, wenn der Arbeitnehmer nicht aus gesundheitlichen Gründen an seiner Arbeitsleistung gehindert war (vgl. BAG 7. August 2012 – 9 AZR 353/10 – Rn. 32, BAGE 142, 371) und auch ein Übertragungsgrund nach § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG nicht vorlag (sh. dazu BAG 15. Dezember 2015 – 9 AZR 52/15 – Rn. 19, BAGE 154, 1).
Dass die Klägerin gehindert gewesen wäre, von der Beklagten unter Berufung auf § 10 Abs. 4 AÜG in den Jahren 2008 und 2009 mehr Urlaub zu verlangen als arbeitsvertraglich vereinbart war, lässt ihr Sachvortrag nicht erkennen. Machte sie den nach § 10 Abs. 4 AÜG entstandenen weiteren Urlaub nicht vor dessen Verfall geltend, steht dem weder § 9 Nr. 2 AÜG noch Unionsrecht entgegen (vgl. BAG 24. Februar 2016 – 5 AZR 258/14 – Rn. 53 ff., BAGE 154, 178).
II. Im Übrigen hat die Revision der Klägerin Erfolg. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts kann ein Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 10 Abs. 4 AÜG nicht verneint werden.
1. Die Beklagte war nach § 10 Abs. 4 AÜG verpflichtet, der Klägerin für die streitgegenständliche Zeit der Überlassung das gleiche Arbeitsentgelt zu zahlen, wie es die Entleiherin vergleichbaren Stammarbeitnehmern gewährte. Eine nach § 9 Nr. 2 AÜG zur Abweichung vom Gebot der Gleichbehandlung berechtigende Vereinbarung haben die Parteien nicht getroffen. § 2 Arbeitsvertrag verweist – unabhängig davon, ob die sprachlich missglückte Klausel überhaupt dem Transparenzerfordernis des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB genügte – auf wegen der fehlenden Tariffähigkeit der CGZP unwirksame Tarifverträge (vgl. BAG 13. März 2013 – 5 AZR 954/11 – Rn. 12 ff., BAGE 144, 306). Das steht zwischen den Parteien auch außer Streit.
2. Der Anspruch des Leiharbeitnehmers auf gleiches Arbeitsentgelt ist ein die vertragliche Vergütungsabrede korrigierender gesetzlicher Entgeltanspruch (st. Rspr. seit BAG 13. März 2013 – 5 AZR 954/11 – BAGE 144, 306), dessen Höhe sich aus einem Gesamtvergleich der Entgelte im Überlassungszeitraum ermittelt. Dabei richtet sich das maßgebliche Vergleichsentgelt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht nach den zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer vereinbarten Vertragsbedingungen, sondern nach den beim Entleiher geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen. Art. 5 Abs. 1 RL gebietet, das Vergleichsentgelt stets tätigkeitsbezogen zu bestimmen: Es ist das Arbeitsentgelt zugrunde zu legen, das ein vergleichbarer Stammarbeitnehmer erhalten hat oder – gibt es einen solchen nicht – der Leiharbeitnehmer erhalten hätte, wenn er für die gleiche Tätigkeit beim Entleiher eingestellt worden wäre (im Einzelnen BAG 21. Oktober 2015 – 5 AZR 604/14 – Rn. 23 ff., BAGE 153, 75).
Dem steht die Erwägung des Landesarbeitsgerichts, es dürfe nicht zu Lasten des Verleihers gehen, wenn der Entleiher den Leiharbeitnehmer anders als im Überlassungsvertrag vereinbart einsetzt, nicht entgegen. Verletzt der Entleiher den Überlassungsvertrag schuldhaft, indem er dem Leiharbeitnehmer eine höherwertige Tätigkeit zuweist, kann der Verleiher Ersatz des ihm dadurch entstehenden Schadens verlangen, § 280 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 241 Abs. 2 BGB (ebenso Bissels jurisPR-ArbR 18/2016 Anm. 3 unter D).
3. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig.
a) Die Klägerin war nicht gehalten, Ausschlussfristen aus unwirksamen oder nicht wirksam in das Arbeitsverhältnis einbezogenen Tarifverträgen einzuhalten (vgl. BAG 13. März 2013 – 5 AZR 954/11 – Rn. 34 f., BAGE 144, 306, seither st. Rspr.).
b) Der Anspruch der Klägerin auf gleiches Arbeitsentgelt ist nicht – auch nicht teilweise – verjährt. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.
aa) Der mit der Überlassung entstehende Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt wird mit dem arbeitsvertraglich für die Vergütung bestimmten Zeitpunkt zeitabschnittsweise fällig und unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren, § 195 BGB. Für deren Beginn kommt es – neben dem Entstehen des Anspruchs – nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB darauf an, dass der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Die danach erforderliche Kenntnis des Gläubigers ist vorhanden, wenn der Leiharbeitnehmer Kenntnis von der Tatsache hat, dass vergleichbare Stammarbeitnehmer des Entleihers mehr verdienen als er (st. Rspr. seit BAG 13. März 2013 – 5 AZR 424/12 – Rn. 22 ff., BAGE 144, 322).
bb) Der älteste Teil des streitgegenständlichen Anspruchs auf gleiches Arbeitsentgelt war nach § 6 Buchst. d Arbeitsvertrag am 20. Januar 2009 fällig. Für ihn begann die Verjährungsfrist am 31. Dezember 2009 (§ 199 Abs. 1 BGB) und endete am 31. Dezember 2012. Durch den an diesem Tag beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids wurde der Ablauf der Verjährungsfrist gehemmt, § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB, § 167 ZPO. Dem steht die Verzögerung der Zustellung des Mahnbescheids durch die Angabe einer nicht mehr zustellungsfähigen Anschrift der Beklagten nicht entgegen. Die Klägerin hat den Mangel so rechtzeitig behoben, dass der Mahnbescheid innerhalb der Frist des § 691 Abs. 2 ZPO und damit „demnächst” zugestellt wurde (vgl. BGH 21. März 2012 – VII ZR 230/01 – Rn. 16 ff., BGHZ 150, 221; Zöller/Vollkommer ZPO 31. Aufl. § 691 Rn. 5 mwN).
III. In welchem Umfang die Klage – mit Ausnahme der auf Abgeltung weiteren Urlaubs für die Jahre 2008 und 2009 (dazu oben Rn. 11 ff.) – begründet ist, kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden.
1. Zur Ermittlung der Höhe des Anspruchs aus § 10 Abs. 4 AÜG ist ein Gesamtvergleich der Entgelte im Überlassungszeitraum anzustellen (BAG 23. März 2011 – 5 AZR 7/10 – Rn. 35 f., BAGE 137, 249; 13. März 2013 – 5 AZR 294/12 – Rn. 26). Dabei sind das im Betrieb der Entleiherin einem Stammarbeitnehmer gewährte Vergleichsentgelt und das dem Leiharbeitnehmer vom Verleiher gezahlte Entgelt miteinander zu saldieren. Darlegungs- und beweispflichtig für die Höhe des Anspruchs ist der Arbeitnehmer (vgl. BAG 21. Oktober 2015 – 5 AZR 604/14 – Rn. 13 mwN, BAGE 153, 75). Das maßgebliche Vergleichsentgelt kann der Senat aufgrund des bisherigen Vorbringens der Parteien nicht bestimmen.
a) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Klägerin sei im Leiharbeitsverhältnis von der Entleiherin als „Junior Consultant” eingesetzt gewesen, ist unbehelflich. Denn das Vergleichsentgelt ist tätigkeitsbezogen zu bestimmen und richtet sich nicht nach Funktionsbezeichnungen. Soweit die Klägerin sich im Berufungsverfahren zuletzt auf den Stammarbeitnehmer S berufen hat, räumt sie selbst ein, dass sie „teilweise andere Tätigkeiten durchgeführt hat”.
Andererseits hat die Entleiherin in ihren Auskünften nach § 13 AÜG deutlich gemacht, dass sie die – anscheinend für die vorgesehene Tätigkeit überqualifizierte – Klägerin nicht daran gehindert hat, überobligatorisch auch „die Behebung der Fehler in Angriff zu nehmen”. Dies spricht dafür, dass die Klägerin jedenfalls im Laufe der Überlassung eine höherwertige Tätigkeit als die im Arbeitsvertrag vereinbarte verrichtet hat. Diese ist für die tätigkeitsbezogene Bestimmung des Vergleichsentgelts ab dem Zeitpunkt maßgeblich, ab dem die Entleiherin sie veranlasst, also aufgrund des ihr überlassenen Weisungsrechts zugewiesen hat, sei es ausdrücklich, sei es konkludent durch Billigung oder Duldung (vgl. zur ähnlichen Problematik bei der quantitativen Mehrarbeit BAG 10. April 2013 – 5 AZR 122/12 – Rn. 13 ff.).
b) Das Landesarbeitsgericht hat auf eine Ergänzung des Sachvortrags nicht hingewirkt (§ 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Es ist deshalb geboten (Art. 103 Abs. 1 GG), der Klägerin in einem erneuten Berufungsverfahren Gelegenheit zu ergänzendem Sachvortrag und ggf. Beweisantritt zu geben. Sollte es zutreffen, dass – wie die Beklagte behauptet und die Streitverkündete geltend gemacht hat – die Entleiherin im Streitzeitraum bezogen auf die ausgeübte Tätigkeit keine vergleichbaren Stammarbeitnehmer beschäftigte, muss die Klägerin darlegen, welches Arbeitsentgelt sie erhalten hätte, wenn sie für die im Leiharbeitsverhältnis ausgeübte Tätigkeit bei der Entleiherin eingestellt worden wäre. Dazu kann sie von der Entleiherin entsprechende Angaben verlangen, denn die Auskunft nach § 13 AÜG ist das gesetzlich vorgesehene Mittel, das dem Leiharbeitnehmer ermöglichen soll, die Einhaltung des Gebots der Gleichbehandlung zu überprüfen und die Höhe des Anspruchs aus § 10 Abs. 4 AÜG zu berechnen (BAG 13. März 2013 – 5 AZR 146/12 – Rn. 22; 24. April 2014 – 8 AZR 1081/12 – Rn. 18, BAGE 148, 84). In einem solchen Falle kann sich – wie bislang – die Entleiherin nicht darauf zurückziehen, sie hätte die Klägerin nicht für die im Laufe der Überlassung ausgeübte höherwertige Tätigkeit eingestellt. Vielmehr muss die Entleiherin anhand der von ihr ausdrücklich oder konkludent durch Billigung bzw. Duldung zugewiesenen Tätigkeit fiktiv beurteilen, wie sie diese Tätigkeit im Arbeitsverhältnis vergütet hätte. Unterlässt sie dies, können Schadensersatzansprüche der Leiharbeitnehmerin entstehen (vgl. BAG 24. April 2014 – 8 AZR 1081/12 – Rn. 24 mwN, aaO).
2. Zudem wird im erneuten Berufungsverfahren Folgendes zu beachten sein:
a) Zur substantiierten Darlegung des Gesamtvergleichs gehört die schriftsätzliche Erläuterung, in welchem Umfang im Überlassungszeitraum Differenzvergütung etwa für geleistete Arbeit, aufgrund krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit, gewährten Urlaubs, Freizeitausgleichs oder Abgeltung von Stunden aus einem Arbeitszeitkonto oder eines sonstigen Tatbestands, der eine Vergütungspflicht ohne Arbeit regelt, begehrt wird (BAG 20. November 2013 – 5 AZR 365/13 – Rn. 19; 19. Februar 2014 – 5 AZR 700/12 – Rn. 44). Daran mangelt es bislang.
b) Haben die Stammarbeitnehmer ein Monatsgehalt bezogen, richtet sich der Anspruch aus § 10 Abs. 4 AÜG auf ein Monatsgehalt und verbietet sich dessen „Herunterrechnen” auf einen fiktiven Stundenlohn. Ausgangspunkt für die Berechnung der Differenzvergütung ist vielmehr das – gegebenenfalls anteilige – Monatsgehalt, das die Klägerin im Überlassungszeitraum erhalten hätte, wenn sie unmittelbar bei der Entleiherin beschäftigt gewesen wäre (vgl. BAG 23. Oktober 2013 – 5 AZR 556/12 – Rn. 32). Hätte bei einer unmittelbaren Beschäftigung die Entleiherin der Klägerin auch einen Bonus versprochen, ist dieser in die Vergleichsberechnung einzubeziehen, sofern die Klägerin darlegen und im Streitfall beweisen kann, dass sie durch die ausgeübte Tätigkeit die Voraussetzungen für einen Bonus in bestimmter Höhe erfüllte.
c) Ob, wie die Beklagte meint, beim Gesamtvergleich gewährte Verpflegungskostenzuschüsse zu berücksichtigen sind, bemisst sich danach, ob damit – wenn auch in pauschalierter Form – ein der Klägerin tatsächlich entstandener Aufwand erstattet werden sollte (echter Aufwendungsersatz) oder die Leistung sich als „verschleiertes” und damit steuerpflichtiges Entgelt darstellt (BAG 13. März 2013 – 5 AZR 294/12 – Rn. 34 ff.; 19. Februar 2014 – 5 AZR 700/12 – Rn. 57).
d) Soweit die Klägerin die Abgeltung anteiligen Urlaubs für das erste Halbjahr 2010 verlangt, richtet sich dessen Berechnung nach § 7 Abs. 4, § 11 BUrlG (vgl. BAG 28. Mai 2014 – 5 AZR 423/12 – Rn. 27). Maßgeblich ist das Entgelt, das die Klägerin in den letzten 13 Wochen vor der Beendigung des Leiharbeitsverhältnisses erzielte.
Unterschriften
Müller-Glöge, Biebl, Weber, Rahmstorf, Felstehausen
Fundstellen
Haufe-Index 10359077 |
BAGE 2017, 213 |
BB 2017, 628 |
DB 2017, 7 |
DStR 2017, 1218 |