Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung wegen Verdachts einer strafbaren Handlung
Orientierungssatz
Verdacht der Entwendung von 2 Flaschen Wein und 2 Flaschen Apfelkorn durch einen Außendienstmitarbeiter.
Normenkette
KSchG § 1 i.d.F des Gesetzes vom 25. September 1996 (BGBl. I S. 1476)
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 18.06.1985; Aktenzeichen 3 Sa 502/85) |
ArbG Mönchengladbach (Entscheidung vom 14.03.1985; Aktenzeichen 4 Ca 1311/84) |
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 18. Dezember 1984 zum 30. Juni 1985.
Der am 5. Januar 1944 geborene Kläger war bei der Beklagten, einer Keksfabrik, seit Oktober 1968 als kaufmännischer Angestellter im Außendienst (Reisender) mit einem Monatsgehalt von zuletzt 3.900,-- DM brutto beschäftigt.
Zu den Kunden der Beklagten gehören u.a. Einzelhandelsgeschäfte, die durch die Außendienstmitarbeiter der Beklagten beliefert werden. Die Reisenden liefern die Waren in den Geschäftsräumen der Kunden an und stellen sie sodann an den dafür vorgesehenen Stellen verkaufsbereit auf.
Der Kläger hatte in seinem Verkaufsbezirk zumindest elf Filialgeschäfte des Filialunternehmens M zu beliefern, das zur Unternehmensgruppe D GmbH gehört.
Bereits vor dem 30. November 1984 plante die Beklagte eine Neueinteilung der Bezirke für die Außendienstmitarbeiter.
Am 30. November 1984 wurden bei einer Kontrolle durch den für die im Bezirk des Klägers liegenden Filialen zuständigen Bezirksleiter der Firma M im Kofferraum des Klägers zwei Flaschen Wein und zwei Flaschen Apfelkorn gefunden. Der Bezirksleiter beschuldigte daraufhin den Kläger, die Flaschen Apfelkorn in einer zuvor von ihm besuchten Filiale entwendet zu haben und erteilte ihm Ladenverbot für alle in seinem Bezirk liegenden Filialen der Firma M.
Unter dem 7. Dezember 1984 übersandte die Beklagte dem Kläger folgendes Schreiben:
"Sehr geehrter Herr F ,
über Ihre Gebietsverkaufsleitung erfahren wir von einem
Vorgang, der von derartiger Tragweite ist, daß wir uns
auf diese Weise an Sie wenden müssen. Wie Sie wissen,
hat eine Konsumentin angegeben, Sie am Freitag, den
30. November 84, beobachtet zu haben, wie Sie in der
Filiale L der Fa. M 2 Flaschen Spirituosen
entwendet haben. Der Bezirksleiter der Fa. M , Herr
Sch , stellte fest, daß sich in Ihrem Kofferraum
tatsächlich 2 Flaschen Apfelkorn sowie 2 Flaschen Wein
befanden.
In dem Zusammenhang gaben Sie an, die alkoholischen Ge-
tränke im Tausch für Altkuchen von einem Spirituosen-
Reisenden bekommen zu haben.
Abgesehen davon, daß diese Aussage widersprüchlich ist,
weil zum Teil auf den Flaschen noch Etiketten der Fa.
M zu erkennen waren, wäre selbst das Eintreffen die-
ses Falles ein grober Verstoß gegen Ihre arbeitsver-
traglichen Pflichten. Wie Sie wissen, ist Altware zur
Vernichtung bestimmt. Die Aufgabe der Vernichtung wird
unseren Mitarbeitern anvertraut. Wenn unsere Mitarbeiter
die Ware auf eigene Rechnung wieder in Verkehr bringen,
dann handeln Sie bewußt gegen die bestehenden Anwei-
sungen. Dies kann nicht hingenommen werden.
Wir müssen Ihnen mitteilen, daß wir weitere Verletzungen
Ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten zum Anlaß nehmen
würden, das Arbeitsverhältnis zu beenden.
Darüber hinaus wären die Gesamtumstände des Falles und
Ihre Erklärungen geeignet, das Arbeitsverhältnis sofort
fristlos zu beenden. Nur Ihrer langen Betriebszugehörig-
keit und der Tatsache, daß Sie zur Aufklärung beitragen,
indem Sie Anzeige bei der Polizei erstattet haben, kön-
nen Sie es zuschreiben, daß wir diesen Schritt nicht
bereits eingeleitet haben. Wir dürfen Sie jedoch nicht
im Unklaren darüber lassen, daß wir bei Erhärtung der
Anschuldigung gegen Sie die erwähnte arbeitsrechtliche
Konsequenz ziehen müßten.
Wir bedauern sehr, daß das Vertrauensverhältnis zwi-
schen Ihnen und uns sowie Ihnen und der Kundschaft
nach nunmehr 16jähriger Tätigkeit so einschneidend
gestört worden ist und empfehlen Ihnen, alles zu un-
ternehmen, um die Angelegenheit aufzuklären. Wir werden
dies sehr aufmerksam beobachten."
Der Kläger bearbeitete zunächst seinen bisherigen Bezirk weiter und besuchte lediglich vier M-Filialen nicht weiter, weil er - wie die Beklagte - annahm, ihm sei nur ein beschränktes Hausverbot erteilt worden. Mitte Dezember 1984 wurde ihm von dem Bezirksleiter der Firma M mitgeteilt, das Hausverbot gelte für alle M-Filialen. Nachdem auch die Beklagte von diesem Umfang des Ladenverbotes unterrichtet worden war, hat sie mit Schreiben vom 18. Dezember 1984 das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 1985 mit folgender Begründung gekündigt:
"Sehr geehrter Herr F ,
mit unserem Schreiben vom 07.12.1984 hatten wir Sie
darauf hingewiesen, daß wir in dem bekannten Vorfall
die weitere Entwicklung sehr sorgfältig beobachten
würden. Wir hatten Ihnen auch gesagt, daß wir norma-
lerweise bereits nach Bekanntwerden der bis dahin
vorliegenden Umstände zu einer fristlosen Kündigung
des Arbeitsverhältnisses geschritten wären.
Damals stellte sich die Situation so dar, daß Sie auf-
grund Ihrer Beziehungen zur Firma M das Ladenverbot,
das damals über sechs Geschäfte verhängt worden war,
wieder aufheben können würden. Diese Hoffnung hat sich
nicht bestätigt. Wir erhalten heute Kenntnis davon, daß
das Ladenverbot auf alle Filialen der Firma M
ausgedehnt worden ist. In den neuen Grenzen Ihres Be-
zirkes ab 01.01.1985 betrifft dies 18 Kunden und damit
ca. 15 % der gesamt von Ihnen besuchten Kundschaft.
Eine derartige Einschränkung Ihrer Einsetzbarkeit kön-
nen wir nicht hinnehmen. Wir bedauern daher, das be-
stehende Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 30.06.1985
kündigen zu müssen. Dabei bitten wir Sie, sich vor Augen
zu führen, daß wir alles unternommen hatten, um diese
letzte Konsequenz zu vermeiden."
Zur Begründung der gegen diese Kündigung gerichteten Kündigungsschutzklage hat der Kläger vorgetragen, er werde zu Unrecht des Diebstahls von zwei Flaschen Apfelkorn in einer Filiale der Firma M bezichtigt. Am 27. November 1984 sei er nach Belieferung eines Kunden in Düsseldorf von einem fremden Reisenden angesprochen worden, der ihn an den mitgeführten Gegenständen ebenfalls als Reisenden erkannt habe. Dieser ihm namentlich nicht bekannte Reisende habe ihn nach "Tauschware" gefragt. Daraufhin habe er Artikel der Beklagten, die er wegen Ablaufs des Verfalldatums habe zurücknehmen müssen, gegen die in seinem Kofferraum aufgefundenen Spirituosen getauscht. Die Spirituosen habe er dann mehrere Tage lang im Kofferraum in seinem Wagen liegenlassen.
Er werde somit fälschlich von einer Kundin in einer Filiale der Firma M beschuldigt, zwei Flaschen Apfelkorn aus den Verkaufsregalen genommen zu haben. Die Beklagte habe die Aufklärung dieses Vorfalls dadurch versäumt, daß sie ihn nicht zur Klarstellung der Kundin gegenübergestellt habe.
Im übrigen habe ihm die Beklagte bereits mit Schreiben vom 7. Dezember 1984 eine Abmahnung erteilt und könne wegen des gleichen Verhaltens später nicht noch zusätzlich eine Kündigung aussprechen. Nach Erteilung der Abmahnung seien der Beklagten keine weiteren Tatsachen bekannt geworden, die den Vorwurf gegen ihn erhärtet hätten. Das Kündigungsrecht der Beklagten sei im übrigen auch nach dem Rechtsgedanken des § 626 Abs. 2 BGB verwirkt, weil sie die Kündigung erst drei Wochen nach Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Ereignisse ausgesprochen habe. Durch das Ladenverbot der Firma M sei seine Einsetzbarkeit nicht erheblich eingeschränkt worden. Die Beklagte habe zudem bereits bei Erteilung der Abmahnung gewußt, daß für mindestens zwei M-Filialen ein Hausverbot ausgesprochen gewesen sei.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch
die am 19. Dezember 1984 zugegangene Kündigung
nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, am 30. November 1984 habe eine Kundin in einer vom Kläger besuchten M-Filiale beobachtet, wie der Kläger gegen 11.30 Uhr zwei Flaschen in seine Tasche gepackt und ohne Bezahlung das Geschäft verlassen habe. Davon habe die Kundin die Filialleiterin unterrichtet, die sich wiederum an den für sie zuständigen Bezirksleiter gewandt habe, der den Kläger dann in einer anderen M-Filiale angetroffen und dann die Kofferraumkontrolle bei ihm durchgeführt habe. Dabei seien zwei Flaschen Wein und zwei Flaschen Berentzen Apfelkorn gefunden worden. Auf einer Flasche Wein habe sich noch ein Teil eines M-Preisetiketts befunden. Der Kläger habe die Herkunft der Flaschen damit erklärt, daß es sich um Tauschwaren handele, die er von einem anderen Reisenden erhalten habe. Das Preisschild sei durch Zufall von zurückgenommenen Kuchen auf die Weinflasche gelangt.
Sie sei zunächst davon ausgegangen, das Hausverbot beziehe sich nur auf die Filialen, die dem Bezirksleiter unterstünden, der das Hausverbot ausgesprochen habe. Mit Schreiben vom 7. Dezember 1984 habe Sie den Kläger lediglich darauf hingewiesen, wegen der langen Betriebszugehörigkeit von einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses absehen zu wollen. Nachdem das Ladenverbot auf alle Filialen der Firma M ausgedehnt worden sei, habe sie wegen der eingeschränkten Einsetzbarkeit des Klägers eine fristgemäße Kündigung ausgesprochen. Während der Kündigungsfrist sei der Kläger vorübergehend in einem anderen Gebiet eingesetzt worden, in dem lediglich drei M-Filialen gelegen hätten, die von einem anderen Reisenden betreut worden seien.
Das Arbeitsgericht hat nach Vernehmung mehrerer Zeugen die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung u.a. ausgeführt, die Kündigung sei wegen des dringenden Verdachtes gerechtfertigt, der Kläger habe bei einem von ihm besuchten Kunden zwei Flaschen Spirituosen entwendet. Die Kündigung sei auch nicht aufgrund des Schreibens der Beklagten vom 7. Dezember 1984 unter dem Gesichtspunkt des widersprüchlichen Verhaltens ausgeschlossen. Die Beklagte habe vielmehr nur zum Ausdruck gebracht, daß sie sich unter Berücksichtigung der weiteren Entwicklung arbeitsrechtliche Schritte vorbehalte. Nur deshalb, weil sie zunächst irrtümlich davon ausgegangen sei, der Kläger habe nur ein beschränktes Hausverbot erhalten, habe sie Anfang Dezember noch keine Kündigung ausgesprochen und generell wegen der Betriebszugehörigkeit des Klägers von einer fristlosen Kündigung absehen wollen.
Mit der von ihm eingelegten Berufung hat der Kläger im wesentlichen geltend gemacht, das Arbeitsgericht habe bei seiner Entscheidung übersehen, daß der zum Anlaß für die Kündigung genommene Verdacht objektiv nicht durch Tatsachen begründet und auch nicht dringend sei.
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Kündigungsschutzklage weiter, während die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat aufgrund der Würdigung der Beweisaufnahmen festgestellt, der Kläger habe in der von ihm zur Auslieferung von Waren aufgesuchten M-Filiale zwei Flaschen Apfelkorn ohne Bezahlung mitgenommen und damit entwendet.
Zur weiteren Begründung hat es ausgeführt, am 30. November 1984 seien bei der Kontrolle durch den Bezirksleiter im Kofferraum des Pkw des Klägers zwei Flaschen Berentzen Apfelkorn gefunden worden. Diese Flaschen habe der Kläger in der zuvor besuchten M-Filiale ohne Bezahlung mitgenommen, wie sich aus den Zeugenaussagen ergebe. Die Aussagen der Zeugen, auf die sich der Kläger zu seiner Entlastung berufen habe, seien nicht geeignet, die durch die Aussagen der Zeuginnen U und B geführten Beweise abzuschwächen. Beide Zeuginnen hätten lediglich bestätigt, daß sie am 27. und 28. November 1984 zwei Flaschen Apfelkorn im Fahrzeug des Klägers gesehen hätten. Aus dieser Aussage folge nicht zwingend, daß sich diese beiden Flaschen auch noch am 30. November 1984 vor dem Besuch der M-Filialen in L im Kofferraum befunden hätten.
Dieses festgestellte schuldhafte Verhalten des Klägers gegenüber einem Kunden der Beklagten lasse bei verständiger Würdigung in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile und des Betriebes die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen. Der Kläger habe zwar aufgrund seiner mehr als 16jährigen Betriebszugehörigkeit ein erhebliches Interesse an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes. Er werde zudem bei der jetzigen Lage auf dem Arbeitsmarkt erhebliche Schwierigkeiten haben, einen anderen angemessenen Arbeitsplatz zu finden. Diese Interessen des Klägers müßten jedoch hinter dem Interesse der Beklagten an einer fristgemäßen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zurücktreten. Die entwendeten zwei Flaschen Apfelkorn stellten zwar einen verhältnismäßig geringen Wert dar. Der Kläger habe aber als Außendienstmitarbeiter eine Vertrauensposition inne, die durch das Verhalten des Klägers zerstört worden sei. Der Kläger habe keine Tatsachen dafür vorgetragen, daß sein Verhalten vom 30. November 1984 nur als einmaliger Ausnahmefall zu bewerten und deswegen keine Rückschlüsse auf seine persönliche Unredlichkeit zulasse. Bei einer Weiterbeschäftigung des Klägers entstehe bei den Kunden der Eindruck, die Beklagte beschäftige unredliche Mitarbeiter.
Die fristgerechte Beendigung des Arbeitsverhältnisses stehe auch nicht in einem Mißverhältnis zur Verfehlung des Klägers. Die Beklagte habe die mildere Maßnahme der fristgerechten Kündigung gewählt und dadurch den Belangen des Klägers entsprochen. Eine weitere Nachsicht sei der Beklagten nicht möglich gewesen. Sie habe den Kläger auf Dauer nicht weiterbeschäftigen können. Es sei ihr nicht zuzumuten gewesen, für den Kläger eigens einen Bezirk zu schaffen, zu denen Filialgeschäfte der D GmbH nicht gehörten und in dem sich das dem Kläger erteilte Ladenverbot nicht auswirkte. Unabhängig davon sei wegen des fehlenden Vertrauens und der nachteiligen Auswirkungen auf das Ansehen der Beklagten eine Weiterbeschäftigung des Klägers auf Dauer schlechthin nicht vertretbar gewesen.
Die Beklagte habe das Verhalten des Klägers auch nicht bereits abschließend mit dem Schreiben vom 7. Dezember 1984 geahndet und sich damit des Rechts begeben, mit den gleichen Umständen die später am 18. Dezember 1984 ausgesprochene Kündigung zu rechtfertigen. Das Schreiben vom 7. Dezember 1984 enthalte keine Abmahnung des Klägers wegen der Entwendung von zwei Flaschen Apfelkorn. Die Beklagte habe vielmehr nur zum Ausdruck gebracht, daß sie sich wegen des Vorfalls vom 30. November 1984 weitere Schritte vorbehalte und lediglich von dem Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung absehe. Einer Wirksamkeit der Kündigung stehe auch nicht entgegen, daß die Beklagte die Kündigung erst am 18. Dezember 1984 ausgesprochen habe. Für die fristgerechte Kündigung gelte keine Ausschlußfrist. Der Rechtsgedanke von § 626 Abs. 2 BGB sei für eine ordentliche Kündigung nicht entsprechend anwendbar.
II. Diese Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist frei von Rechtsfehlern.
1. Der revisionsrechtlichen Überprüfung ist zunächst uneingeschränkt der vom Landesarbeitsgericht festgestellte Kündigungssachverhalt zugrundezulegen.
Der Kläger hat insoweit zur Begründung seiner Revision ausgeführt, es müsse davon ausgegangen werden, daß sein Verhalten den Verdacht einer strafbaren Handlung begründet habe. Nur in den später folgenden "Bemerkungen" heißt es beiläufig, die Vorinstanzen hätten die entlastenden Aussagen der vom Kläger benannten Zeugen bei ihren Entscheidungen nicht berücksichtigt. Dieser Vortrag enthält keine ordnungsgemäße Verfahrensrüge, weil der angebliche Mangel bei der Beweiswürdigung nicht konkret genug bezeichnet worden ist (vgl. § 554 Abs. 3 Nr. 2 b ZPO).
Nach den deswegen bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist der seit Anfang Dezember 1984 bei der Beklagten aufgekommene Diebstahlsverdacht gegen den Kläger durch die spätere Aufklärung des Sachverhaltes nicht nur voll bestätigt worden, sondern er hat sich zur Gewißheit verstärkt.
2. Entgegen der Auffassung der Revision hat die Beklagte auf ihr Recht, den Kläger wegen des Vorfalls am 30. November 1984 ordentlich zu kündigen, nicht verzichtet. Auch eine Verzeihung hinsichtlich des Kündigungsgrundes oder ein widersprüchliches Verhalten der Beklagten, das den Einwand des Rechtsmißbrauches begründen könnte, liegt nicht vor.
a) Der Kündigungsberechtigte kann sowohl bei der ordentlichen wie bei der außerordentlichen Kündigung auf ein auf bestimmte Gründe gestütztes und konkret bestehendes Kündigungsrecht verzichten (KR-Wolf, 2. Aufl., Grunds. Rz 343 f.; KR-Hillebrecht, 2. Aufl., § 626 BGB Rz 38, 39; Staudinger/Neumann, BGB, 12. Aufl., § 626 Rz 64). Der Verzicht auf ein entstandenes Kündigungsrecht ist ausdrücklich oder konkludent durch eine empfangsbedürftige Willenserklärung des Kündigungsberechtigten möglich. Vor Ablauf der Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist ein Verzicht nur dann anzunehmen, wenn der Kündigungsberechtigte eindeutig seine Bereitschaft zu erkennen gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen (Staudinger/Neumann, aaO, Rz 38; KR-Hillebrecht, aaO, Rz 39). Das ist hinsichtlich des Rechts zur außerordentlichen Kündigung z.B. dann anzunehmen, wenn der Kündigungsberechtigte vor Ablauf der Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB eine ordentliche Kündigung ausspricht (Staudinger/Neumann, aaO, Rz 64; KR-Hillebrecht, aaO; einschränkend: MünchKomm-Schwerdtner, § 626 BGB Rz 53, 54). Dagegen erlischt das Kündigungsrecht durch Verzicht insgesamt, wenn der Kündigungsberechtigte wegen des ihm bekannten Kündigungssachverhaltes eine Ermahnung oder Abmahnung ausspricht, sofern sich die für die Kündigung maßgebenden Umstände später nicht noch ändern (Staudinger/Neumann; MünchKomm-Schwerdtner und KR-Hillebrecht, jeweils aaO).
b) Nach der Auslegung durch das Landesarbeitsgericht hat die Beklagte in ihrem Schreiben vom 7. Dezember 1984 wegen des Vorfalls vom 30. November 1984 lediglich auf den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung verzichtet und sich im übrigen "weitere Schritte" und damit auch das Recht zur ordentlichen Kündigung vorbehalten.
Diese Auslegung einer individuellen Willenserklärung ist für den Senat bindend, weil sie nicht gegen Auslegungsgrundsätze (§§ 133, 157 BGB) verstößt. Sie ist nicht nur möglich, sondern auch naheliegend, weil sie alle für die Auslegung maßgebenden Umstände vollständig und widerspruchsfrei berücksichtigt.
aa) Das Schreiben vom 7. Dezember 1984 enthält zunächst entgegen der Auffassung der Revision nicht nur eine Abmahnung. Eine Abmahnung liegt dann vor, wenn ein konkretes Verhalten des Vertragspartners beanstandet und ihm deutlich gemacht wird, daß es künftig nicht mehr ohne Konsequenzen hingenommen werden soll, sondern Inhalt oder Bestand des Arbeitsverhältnisses im Wiederholungsfalle gefährdet ist (BAG Urteil vom 18. Januar 1980 - 7 AZR 75/78 - AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung). Die Beklagte hat sich jedoch in ihrem Schreiben vom 7. Dezember 1984 nicht darauf beschränkt, das Verhalten des Klägers als groben Verstoß gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten zu rügen und ihm für den Wiederholungsfall Konsequenzen anzudrohen. Sie hat sich vielmehr darüber hinaus bei einer "Erhärtung der Anschuldigung" gegen den Kläger sogar das Recht zur außerordentlichen Kündigung vorbehalten und im übrigen darauf verwiesen, das Vertrauensverhältnis mit dem Kläger und diesem und der Kundschaft sei so einschneidend gestört worden, daß sie die Aufklärung der Angelegenheit sehr aufmerksam beobachten werde. Mit dieser Selbstbindung der Beklagten ist es durchaus zu vereinbaren, daß das Landesarbeitsgericht weiter angenommen hat, die Beklagte sei wegen der gleichen, ihr am 7. Dezember 1984 bekannten Umstände berechtigt gewesen, später noch eine ordentliche Kündigung auszusprechen. Der Vorbehalt, bei einer Erhärtung der Anschuldigungen werde die Beklagte die "erwähnte arbeitsrechtliche Konsequenz ziehen", bezieht sich eindeutig nur auf die zuvor erwogene fristlose Kündigung.
bb) Ebenso wie ein beschränkter Verzicht auf die außerordentliche Kündigung sich aus den vorstehenden Gründen nicht auf die später erklärte ordentliche Kündigung auswirkt, fehlt es auch an einer vorbehaltlosen Verzeihung hinsichtlich des Kündigungsgrundes oder einem widersprüchlichen Verhalten der Beklagten.
Zuzustimmen ist der Auffassung des Landesarbeitsgerichts, eine entsprechende Anwendung des § 626 Abs. 2 BGB auf die ordentliche Kündigung komme nicht in Betracht. Diese Ansicht entspricht der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 4. März 1980 - 1 AZR 1151/78 - AP Nr. 4 zu Art. 140 GG) und der herrschenden Lehre (MünchKomm-Schwerdtner, § 626 BGB Rz 161 f.; Stahlhacke, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 4. Aufl., Rz 345; KR-Hillebrecht, aaO, § 626 BGB Rz 219 a). Die Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB gilt nur für außerordentliche Kündigungen. Sie will im Interesse der Rechtssicherheit verhindern, daß der Kündigungsberechtigte den Kündigungsgegner längere Zeit im Ungewissen darüber läßt, ob er sein Recht zur außerordentlichen Kündigung ausüben will oder nicht. Der Kündigungsgegner soll darauf vertrauen dürfen, jedenfalls nicht mit dem äußersten Mittel einer außerordentlichen Kündigung rechnen zu müssen, wenn der Kündigungsberechtigte sein außerordentliches Kündigungsrecht nicht fristgebunden ausübt. Wegen der fehlenden Vergleichbarkeit der Sach- und Interessenlage ist hingegen eine entsprechende Anwendung des § 626 Abs. 2 BGB auf ordentliche Kündigungen nicht möglich.
Der Kläger konnte demgemäß nicht allein deswegen, weil die Beklagte nicht innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB gekündigt hat, darauf vertrauen, sie werde auch von einer ordentlichen Kündigung absehen. Widersprüchlich hat sich die Beklagte im übrigen schon deswegen nicht verhalten, weil die Kündigungsgründe nach dem Schreiben vom 7. Dezember 1984 durch den erst später deutlich gewordenen Umfang des dem Kläger erteilten Hausverbotes noch an Gewicht gewonnen haben.
3. Das Landesarbeitsgericht hat auch ohne Rechtsfehler angenommen, die ordentliche Kündigung sei wegen des Verhaltens des Klägers nach § 1 KSchG sozial gerechtfertigt.
a) Die Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts ist im Revisionsverfahren nur beschränkt nachprüfbar. Bei der Frage der Sozialwidrigkeit geht es um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden kann, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhaltes unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat und ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatrichter ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob seine Begründung in sich widerspruchsfrei ist (ständige Rechtsprechung des BAG; vgl. das Urteil des Senates vom 22. Juli 1982 - 2 AZR 30/81 - AP Nr. 5 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung).
b) Bei Anlegung dieses beschränkten Prüfungsrahmens ist die Interessenabwägung durch das Landesarbeitsgericht nicht zu beanstanden. Es hat alle dafür wesentlichen Umstände gesehen und bei seiner Entscheidung berücksichtigt. Wenn es dabei zu dem Ergebnis gelangt ist, das Interesse der Beklagten an der Zuverlässigkeit des Klägers begründe deren überwiegendes Interesse an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses, dann hält sich das im Rahmen des tatrichterlichen Beurteilungsspielraumes. Der Kläger rügt zu Unrecht, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei nicht gewahrt. Mit dem Landesarbeitsgericht ist zunächst darauf hinzuweisen, daß die Beklagte gerade wegen der längeren Betriebszugehörigkeit des Klägers auf dessen Interessen Rücksicht genommen und von einer außerordentlichen Kündigung abgesehen hat. Zum anderen ist der Senat mangels durchgreifender Revisionsrügen an die Feststellung des Landesarbeitsgerichts gebunden, es spreche nichts dafür, daß es sich bei dem Verhalten des Klägers am 30. November 1984 um einen einmaligen Ausnahmefall gehandelt habe. Schließlich ist auch die dem Kläger nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nachgewiesene Verfehlung wegen anhaltenden Vertrauensverlustes geeignet, die Würdigung des Landesarbeitsgerichts zu stützten, eine Weiterbeschäftigung des Klägers wäre auf Dauer belastet gewesen.
III. Die Revision war demgemäß mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
Hillebrecht - zugleich für den Triebfürst
durch Urlaub an der Unterschrift
verhinderten Richter Dr. Weller
Peter Jansen Mauer
Fundstellen