Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütung Fluggastkontrolleur bei Verweisung auf BAT. Vergütung Fluggastkontrolleur bei vertraglicher Verweisung auf BAT. Eingruppierung öffentlicher Dienst. Tarifrecht öffentlicher Dienst. Arbeitvertragsrecht
Leitsatz (amtlich)
Fluggastkontrolleure sind, wenn mit ihnen die Anwendbarkeit des BAT anstelle der einschlägigen Tarifregelungen für Arbeiter vereinbart worden ist, regelmäßig nicht in die VergGr. VII des Teils I der Anlage 1a zum BAT eingruppiert.
Orientierungssatz
- Fluggastkontrolleure (Fluggastkontrollkräfte/Luftsicherheitsassistenten), die nach den jeweiligen Bestimmungen des Luftverkehrsgesetzes (LuftVG) an Flughäfen die Fluggastkontrolle durchführen, sind gewerbliche Arbeitnehmer (Arbeiter).
- Arbeitsvertragsparteien können fingieren, daß ein gewerblicher Arbeitnehmer (Arbeiter) vergütungsrechtlich Angestellter iSd. BAT ist.
- Wird die Anforderung “Angestellter” der Tätigkeitsmerkmale der Vergütungsordnung zum BAT von den Vertragsparteien als erfüllt angesehen, muß der Arbeitnehmer gleichwohl die übrigen Voraussetzungen der von ihm in Anspruch genommenen Vergütungsgruppe erfüllen.
- Ein Fluggastkontrolleur (eine Fluggastkontrollkraft, ein Luftsicherheitsassistent) erfüllt in der Regel nicht die Voraussetzungen der VergGr. VII Fallgr. 1b des Teils I der Anlage 1a zum BAT.
Normenkette
BAT 1975 §§ 22-23; Anlage 1a zum BAT VergGr. VII; Anlage 1a zum BAT VergGr. VI b; LuftVG § 27 Abs. 4, § 29c; LuftVZO § 76 ff.
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch darüber, ob der Kläger Anspruch auf Vergütung nach VergGr. VIb im Wege des Bewährungsaufstiegs aus der VergGr. VII in die VergGr. VIb BAT ab 1. August 1996 hat.
Der am 16. Juni 1953 geborene Kläger war seit dem 1. August 1981 beim Land Baden-Württemberg angestellt und im Passagier-Kontrolldienst Flughafen Stuttgart eingesetzt. Im Arbeitsvertrag war die Geltung des BAT vereinbart und außerdem, der Kläger werde übertariflich in “VergGr. VII BAT (ohne Bewährungsaufstieg nach VergGr. VIb BAT)” eingruppiert.
Mit Wirkung vom 1. Januar 1994 übernahm die Bundesrepublik Deutschland auf Grund des Verwaltungsabkommens mit dem Land Baden-Württemberg vom 29. März/3. Juni/1. Juli 1994 “am Flughafen Stuttgart die Luftsicherheitsaufgaben gem. § 29c LuftVG”, mit deren Wahrnehmung der Bundesgrenzschutz befaßt ist (vgl. § 4 BGSG). Hinsichtlich der im Kontrolldienst Beschäftigten bestimmte das Verwaltungsabkommen die Übernahme in ein Beschäftigungsverhältnis mit der Beklagten, wobei ggf. übertariflich eine persönliche Zulage in Höhe der etwaigen Differenz zu der vom Land Baden-Württemberg gewährten Vergütung zu zahlen sei (Bl. 5 des Verwaltungsabkommens). Die Parteien schlossen mit Wirkung zum 1. Januar 1995 den “Arbeitsvertrag” vom 21. November 1994. Nach dessen § 2 bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifvertrag in der für den Arbeitgeber geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge Anwendung. § 4 lautet:
“Die/Der Angestellte im Fluggastkontrolldienst ist übertariflich in der Vergütungsgruppe VIII FG 1b des Teils I der Anlage 1a zum BAT eingruppiert.
Die/Der Angestellte hat bereits am zweijährigen Bewährungsaufstieg nach Vergütungsgruppe VII FG 1c des Teils I der Anlage 1a zum BAT teilgenommen.”
In der “Tätigkeitsdarstellung und –bewertung Angestellte Stand Oktober 1995” sind die Tätigkeiten einer “Durchsuchungskraft” mit der “Aufgabenbeschreibung Durchführen von Personen–, Handgepäck–, Reisegepäck– und Frachtkontrollen” in der “Grenzschutzstelle Flughafen Stuttgart”, ”… die eine Bewertung als Arbeitsvorgänge ermöglichen …”, mit beigesetztem Anteil der regelmäßigen Arbeitszeit wie folgt beschrieben:
5.1 |
Kontrolle von Personen mittels Handsonde oder Abtasten der Bekleidung des Körpers: |
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Identifizierung/Klassifizierung aller am Körper befindlichen Gegenstände |
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– |
Bewertung aufgefundener Gegenstände als gefährlich/ungefährlich |
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– |
Trennung gefährlicher Gegenstände vom Passagier |
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– |
Zuführung nicht abschließend bewertbarer Gegenstände zu weiteren Kontrollverfahren |
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– |
Vermeidung des Zugriffs des Passagiers zu aufgefundenen Waffen und Sprengmitteln durch körperlichen Einsatz |
36,5 % |
5.2 |
Kontrolle von Hand/Reisegepäck, Frachtgut, Fundsachen sowie herrenlosen Gegenständen und Gepäckstücken mittels Röntgengerät; Untersuchung technischer Geräte einschl. Funktionsprüfung |
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– |
Identifizierung/Klassifizierung von Inhaltsteilen/üblicher Reisegebrauchsgegenstände anhand ihrer abgebildeten inneren Struktur durch Vergleich mit Erfahrungswerten |
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– |
Bewerten der aufgefundenen Gegenstände/Strukturen als gefährlich/ungefährlich |
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– |
Zuführung nicht abschließend bewertbarer Gepäckstücke zu weiteren Kontrollverfahren |
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– |
Strukturanalyse technischer Geräte (Bewertung technischer Geräte oder Behältnisse hinsichtlich des Einbaus von Bauelementen, welche in Spreng– und Brandvorrichtungen verwandt werden) |
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– |
Inhaltskontrolle verschlossener Behältnisse oder schwer zugänglicher Hohlräume mittels GPA |
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– |
Gewichtsvergleich von technischen Geräten und Lehrgepäckstücken |
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– |
Manuelle Datenerfassung von Vergleichsgewichten |
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– |
Funktionsproben hoch integrierter elektronischer Geräte (zB Laptop, Camcorder, Funktelefon) |
24,5 % |
5.3 |
Manuelle Nachkontrolle von Hand– und Reisegepäck entsprechend den vorgegebenen Quoten des Rahmenplans Luftsicherheit |
31 % |
5.4 |
Untersuchung technischer Geräte, verdächtiger Substanzen und Gepäckstücke mittels Sprengstoffspürgerät (EGIS-Gerät) |
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– |
Probenentnahme und Durchführung der Analyse am Sprengstoffspürgerät EGIS |
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– |
Bewertung der Kontrollergebnisse hinsichtlich des Vorliegens von Sprengstoff durch |
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* Vergleich mit Erfahrungswerten |
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* Vergleich mit Vergleichsdiagrammen |
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– |
Durchführung der täglichen technischen Wartung des Analysegerätes |
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Durchführung von Einstellungen/Eichungen am Analysegerät |
4 % |
5.5 |
Untersuchung von Frachtgut |
4 %. |
Die Beschreibung sieht diese Tätigkeiten als Arbeitsvorgänge und bewertet sie sämtlich als die Voraussetzungen der VergGr. VIII Fallgr. 1a des Teils I der Anlage 1a zum BAT/BL erfüllend.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, seine Tätigkeit sei nach VergGr. VIb Fallgr. 1b bewertet. Sie erfordere gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und – wenigstens – zu 1/5 selbständige Leistungen. Er benötige Kenntnisse des Grundgesetzes, Luftverkehrsgesetzes, des Gesetzes über den Bundesgrenzschutz, des Waffengesetzes, des Sprengstoffgesetzes, des Strafgesetzbuches sowie solche aus dem Gebiet des Verwaltungsrechts und des öffentlichen Dienstrechts wie – schon – aus dem Fortbildungsplan für die Einweisungsfortbildung von Fluggastkontrollkräften (EWF/FGK) vom 30. Juni 1994 folge. Ferner habe er die umfangreiche Dienstanweisung für Fluggastkontrollkräfte anzuwenden und müsse die Kontrollgeräte, insbesondere das Sprengstoffspürgerät (EGIS–Gerät) handhaben können. Außer dem insoweit erforderlichen technischen Wissens müsse er den Grundaufbau aller zur Abfertigung gelangenden technischen Geräte kennen, was regelmäßig im Wege der Erfahrung (learning by doing) geschehe.
Der Kläger wurde am 24. November 1988 und am 16. Dezember 1989 abgemahnt sowie am 29. April 1997 ermahnt. Am 17. Juli 1997 und am 23. November 1998 wurde er belobigt.
Mit Schreiben vom 7. Februar 1997 beanspruchte der Kläger Höhergruppierung nach “VergGr. VII Fallgr. 1 b”. Das wurde unter dem 10. Dezember 1997 abgelehnt.
Mit der am 30. Dezember 1998 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger – sinngemäß – die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten begehrt, ihn nach VergGr. VII BAT zu vergüten. Mit am 8. März 1999 zugestellter Klageerweiterung hat er Feststellung begehrt, daß er in der VergGr. VIb Fallgr. 1a eingruppiert sei.
Nach Klagerücknahme im übrigen hat der Kläger zuletzt beantragt:
Es wird festgestellt, daß die beklagte Bundesrepublik verpflichtet ist, den Kläger ab 1. Januar 1996 nach der VergGr. VIb der Anlage 1a zum BAT zu vergüten.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, der Kläger müsse zwar sorgfältig arbeiten und zuverlässig sein, jedoch erfordere seine Tätigkeit keine (Fach–)Kenntnisse, die über das hinausgingen, was mit dem Merkmal schwierigerer Tätigkeit verbunden sei. Die Tätigkeit könne als “vorwiegend mechanisch” bewertet werden. Die Kontrollvorgänge seien ihm im einzelnen vorbeschrieben und vorgegeben, weshalb der gedankliche Aufwand ausgesprochen gering sei. Die rein feststellende Aufgabe erfordere keine – gar rechtliche – Subsumtion. Der Kläger benötige eine gewisse Grundvorstellung hinsichtlich der Bestimmungen nach §§ 27 und 29c LuftVG, von § 76 Luftverkehrszulassungsordnung sowie der Dienstanweisung für Fluggastkontrollkräfte und Rahmenplan Luftsicherheit. Bereits der Umstand, daß für die Tätigkeit des Klägers eine wie immer geartete Aus– oder Vorbildung nicht erforderlich sei, sondern ein (betriebsinternes) Anlernen stattfinde, zeige iVm. den inhaltlichen und zeitlichen Vorgaben und Zielen des “Fortbildungsplans”, daß gründliche Fachkenntnisse nicht erforderlich seien. Das gelte ebenso im Hinblick auf die Bedienung der Kontrollgeräte. Von Erfahrungswissen im Tarifsinne könne nicht gesprochen werden. Dem Kläger zuwachsende Routine erlaube es, die jeweiligen Kontrollvorgänge zügig abzuwickeln. Stelle der Kläger etwa einen als möglicherweise gefährlich zu qualifizierenden Gegenstand fest, habe er den anwesenden Polizeivollzugsdienst hinzuzuziehen, der das Weitere veranlasse.
Das Arbeitsgericht hat für die Zeit ab 1. August 1996 der Klage entsprochen und sie im übrigen abgewiesen. Der Kläger benötige zwar keine vielseitigen, wohl aber gründliche Fachkenntnisse. Da er sich bewährt habe, sei er nach Ablauf von neun Jahren in die VergGr. VIb aufgestiegen. Die Ausschlußfrist nach § 70 BAT sei nur für die Zeit ab 1. August 1996 gewahrt. Gegen dieses Urteil hat nur die beklagte Bundesrepublik Berufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen, soweit das Arbeitsgericht ihr entsprochen hatte. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Die beklagte Bundesrepublik beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Unterschriften
Schliemann, Wolter, Friedrich, Fieberg, E. Wehner
Fundstellen
Haufe-Index 855575 |
BAGE 2004, 89 |
BB 2003, 428 |
DB 2003, 944 |
NZA 2003, 1151 |
ZTR 2003, 129 |
AP, 0 |
AUR 2002, 477 |
Tarif aktuell 2003, 2 |