Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Voraussetzungen, unter denen sogenannte Ständige Freie Mitarbeiter einer Rundfunkanstalt - Personen, die jeweils auf Grund von Einzelverpflichtungen im Rahmen der Programme bei Sendungen im Hörfunk und im Fernsehen mitwirken - als unständig Beschäftigte iS von RVO § 441 anzusehen sind.
2. Die Rundfunkanstalt ist nicht verpflichtet, für die im Jahre 1968 bei ihr unständig beschäftigten "Freien Mitarbeiter" Beiträge zur Angestelltenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung an die Einzugsstelle zu entrichten.
Leitsatz (redaktionell)
In der Arbeitslosenversicherung ist eine Rundfunk- und Fernsehsprecherin bis zum 1969-06-30 nach AVAVG § 67 Abs 1 (und ab 1969-07-01 nach AFG § 169 Nr 7) versicherungsfrei.
Normenkette
AVG § 2 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1957-02-23, § 127 Fassung: 1957-02-23; RVO § 441 Fassung: 1945-03-17; AVAVG § 67 Abs. 1; AVG § 118 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23; AFG § 169 Nr. 7 Fassung: 1969-06-25; RVO § 1396 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23, § 1227 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1960-09-08
Tenor
Die Revisionen der beklagten Allgemeinen Ortskrankenkasse München und der beigeladenen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 4. Mai 1972 werden zurückgewiesen.
Der Kläger, die Beklagte und die beigeladene Bundesversicherungsanstalt für Angestellte haben als Gesamtschuldner der beigeladenen Frau A-F die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Im übrigen sind keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Es ist umstritten, ob die beklagte Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) vom Kläger, dem Bayerischen Rundfunk, die Entrichtung von Beiträgen zur Angestelltenversicherung und Arbeitslosenversicherung für die beigeladene A. für das Jahr 1968 verlangen kann. Es geht insbesondere darum, ob die Beigeladene selbständig erwerbstätig oder beim Kläger beschäftigt war.
Die beigeladene A. betätigt sich seit 1954 beim Kläger als ständige freie Mitarbeiterin. Im Jahre 1968 trat sie in 189 Einzeleinsätzen im Fernsehen und Hörfunk stundenweise beim Kläger auf und zwar vorwiegend in den Sendungen "M" und "B". Ferner wirkte sie einige Male bei anderen Sendungen wie "G", "W" u. a. mit. Sie sprach bei den Sendungen verbindende Texte, die ihr inhaltlich vorgegeben waren. Als Reporterin machte sie Interviews. Bei bestimmten Ereignissen filmte sie. Auch fertigte sie für Sendungen, z. B. für "G", Manuskripte; diese wurden vom Redakteur eingesehen und gegebenenfalls berichtigt. Für die jeweiligen Einsätze unterschrieb sie vorgedruckte Honorarbedingungen. Die vereinbarten Honorare betrugen 1968 insgesamt 36.000,- DM; davon wurde Lohnsteuer nicht einbehalten. Die Beigeladene wurde von der Redaktion gefragt, ob sie für einen bestimmten Einsatz zur Verfügung stehe. In 15 bis 20 v. H. der Fälle lehnte sie einen Einsatz ab.
Die Beklagte forderte mit Bescheid vom 27. November 1969 vom Kläger Beiträge für die beigeladene A. zur Angestelltenversicherung und Arbeitslosenversicherung in Höhe von 3.082,80 DM "für die Beschäftigung als Honorar-Mitarbeiter des Bayerischen Rundfunks in der Zeit vom 1.1.1968 bis 31.12.1968".
Der Widerspruch des Klägers wurde abgewiesen (Bescheid vom 13. März 1970).
Das Sozialgericht (SG) München hat die Bescheide aufgehoben: Ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis der Beigeladenen beim Kläger habe nicht bestanden (Urteil vom 2. Februar 1971). Auch das Bayerischen Landessozialgericht (LSG) hat ein Beschäftigungsverhältnis verneint. Es hat die Berufungen der beklagten AOK und der beigeladenen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) zurückgewiesen; die Revision wurde zugelassen (Urteil vom 4. Mai 1972): Aus der Teilnahme der beigeladenen A. an der Herstellung und Darbietung von Sendungen im Fernsehen und Hörfunk sei nicht auf ihre Eingliederung in den Betrieb des Klägers zu schließen. Sie habe ihre Arbeitskraft dem Kläger nicht ständig zur Verfügung gestellt, sondern sie sei nur von Fall zu Fall aufgrund von Einzelverpflichtungen bereit gewesen, an einer Sendung mitzuwirken. Aus der hohen Zahl der Sendungen, an denen sie 1968 beteiligt gewesen sei, sei nicht auf ihre Eingliederung zu schließen, weil weder der Kläger diese Einsätze habe fordern können noch sie zur Mitwirkung in diesem Umfang verpflichtet gewesen sei. Sie habe ihre Tätigkeit beim Kläger "selbstbestimmt" ausgeübt. Sie sei bei ihren Einsätzen zum großen Teil frei gewesen, insbesondere bei ihrer Mitwirkung als Reporterin, als Team-Mitglied bei "W" und als Moderatorin. Sie habe auch bei der Herstellung der Manuskripte, z. B. für "G", eigenständig mitgearbeitet. Sie habe das Risiko des Wegfalls ihrer Publikumswirksamkeit zu tragen.
Die beklagte AOK und die beigeladene BfA haben Revision eingelegt. Beide haben beantragt, die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Beide Revisionskläger rügen eine Verletzung der §§ 2, 3 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) und des § 56 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG):
A. sei nach der Natur der Sache und aufgrund schuldrechtlicher Verpflichtungen in Gestalt der Honorarvereinbarungen weisungsgebunden. Sie müsse die Anweisungen des Klägers beachten und dürfe auch bei gewissen Freiheiten nur von ihm gebilligte Texte sprechen. Sie sei zwar nicht mit genau bestimmter täglicher Stundenzahl tätig gewesen. Es sei aber, sofern nicht ein fortlaufendes Dienstverhältnis mit betriebsbedingten Unterbrechungen der Tätigkeit angenommen werde, von regelmäßig wiederkehrenden Dienstleistungen in persönlicher Abhängigkeit auszugehen. Die Freiheit, nach Belieben Angebote anzunehmen oder abzulehnen, habe nur sehr beschränkt bestanden. Mit ihrer Wirkung auch bei anderen Unternehmen könne eine Selbständigkeit der Beigeladenen nicht begründet werden, denn auch ein Arbeitnehmer könne weitere unselbständige oder selbständige Dienstverhältnisse eingehen. A. habe kein Unternehmerrisiko in dem Sinne getragen, daß eingesetztes Kapital hätte verloren oder vermehrt werden können. Ihre Tätigkeit während eines Einsatzes habe sich nicht grundsätzlich von der anderer festangestellter Moderatoren, Sprecher oder Reporter unterschieden. Ihre Mitarbeit durch das Zurverfügungstellen ihrer künstlerischen Persönlichkeit schließe ihre Eingliederung in den Betrieb nicht aus. Sie habe sich in den Sendungen nicht selbst dargestellt; ihre Tätigkeit sei nicht Selbstzweck, sondern Teil der Sendung gewesen. Soweit sie in der Moderation frei gewesen sei, handele es sich um einen Spielraum, den jeder abhängig Beschäftigte bei der Ausführung seiner Arbeit habe und der sich bei Künstlern oder fachlich hochqualifizierten Berufen in besonderem Maße finde. Die Arbeit bleibe aber fremdbestimmt. Die von A. erbrachten Dienste hätten ihren Wert erst dadurch erhalten, daß sie in dem Betrieb des Klägers geleistet und durch die Ordnung der Rundfunkanstalt geprägt gewesen seien.
Der Kläger hat beantragt, die Revisionen der beklagten AOK und der beigeladenen BfA zurückzuweisen.
Er weist u. a. auf die in Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verbürgte Rundfunkfreiheit hin. Der gesetzliche Programmauftrag der Rundfunkanstalten erfordere die Möglichkeit, in Verfolgung ihrer Programmfunktion jeweils die am besten geeigneten Kräfte heranzuziehen, und verlange eine gewisse Flexibilität in der Personaldisposition. Die Rundfunkanstalten verwirklichten nicht ein selbstgewähltes Ziel, sondern führten einen Verfassungsauftrag aus. Die Funktionsfreiheit nach Art. 5 GG beinhalte auch eine Organisationsfreiheit. Bei der Auslegung der sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen sei der Wertgehalt des Grundrechtes der Rundfunkfreiheit zu wahren. Bei der Vielschichtigkeit der Tätigkeitsarten von freien Mitarbeitern könne sich aus der Natur der Sache, nämlich der Eigenart der Erfüllung von Aufträgen im Gefüge einer Rundfunkanstalt, eine gewisse Einordnung in den Betrieb und eine finanzielle Abhängigkeit für eine von vornherein nicht bestimmbare Zeit ergeben, ohne daß daraus das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses entnommen werden dürfe.
Die beigeladene Bundesanstalt für Arbeit (BA) teilt die Auffassung der beklagten AOK.
Die beigeladene A. hat beantragt, die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen: Sie stimme den Ausführungen der beklagten AOK und der beigeladenen BfA und BA zu. Das Kriterium der Erwerbstätigkeit in persönlicher Abhängigkeit sei von besonderer Bedeutung. Sie habe ihr überwiegendes Einkommen vom Kläger bezogen. Durch die Häufigkeit ihrer Einsätze sei ihre Eingliederung in den Betrieb des Klägers dargetan. Die Themata für die Sendungen seien ihr vorgegeben; sie habe nur gewisse sprachliche Freiheiten.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen der beklagten AOK und der beigeladenen BfA sind zulässig, aber im Ergebnis nicht begründet. Die AOK kann vom Kläger nicht die Entrichtung der für 1968 geforderten Beiträge zur Angestelltenversicherung und Arbeitslosenversicherung für A. verlangen. A. war in diesem Jahr nicht selbständig für den Kläger tätig, sondern bei ihm gegen Entgelt "beschäftigt" im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AVG. Sie war bei ihren jeweiligen einzelnen Einsätzen "unständig beschäftigt" im Sinne des § 441 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Deshalb kann die Einzugsstelle - die beklagte AOK - die Entrichtung von Beiträgen nicht vom Arbeitgeber - dem Kläger - fordern (§§ 118, 127 AVG idF vom 23. Februar 1957). In der Arbeitslosenversicherung ist A. als unständige Beschäftigte versicherungsfrei (§ 67 AVAVG).
Die beklagte AOK hat ihrer Beitragsforderung in dem angefochtenen Bescheid die in einzelnen Honorarvereinbarungen gesondert ausgewiesenen Honorare für "Manuskripte" nicht als Einkünfte aus einem Beschäftigungsverhältnis zugrundegelegt, wie ihr Vertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erläuterte. Dies habe indes die Höhe ihrer Beitragsforderung nicht beeinflußt, weil die zugrundegelegten Honorare ohnehin schon die Beitragsbemessungsgrenze überschritten hätten (§ 112 AVG). Der Senat brauchte daher nicht darauf einzugehen, ob A. beim Anfertigen von Manuskripten selbständig tätig war oder ob diese Tätigkeit nur einen Teil ihres jeweiligen Beschäftigungsverhältnisses bildete, weil sie die Manuskripte nur für solche Sendungen herstellte, in denen sie dann auch selbst sprach.
Die Rechtsprechung hat verschiedene Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis und zur Abgrenzung von selbständiger Tätigkeit aufgrund von Werkverträgen und Dienstverträgen herausgestellt. Dabei ist immer das Gesamtbild als maßgeblich erklärt worden.
Ein wesentliches Merkmal eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ist die Eingliederung des Tätigen in den Betrieb des Arbeitgebers, die mit dessen Weisungsrecht oder der dieses ersetzenden funktionsgerechten Teilhabe am Betriebsablauf verbunden ist (vgl. Urteil des Senats vom 1. März 1972 - 12/3 RK 43/69 - mit weiteren Nachweisen; SozR Nr. 71 zu § 165 RVO).
Der Beschäftigte stellt - anders als der aufgrund selbständigen Dienstvertrags Tätige, dessen Arbeit "selbstbestimmt" ist (z. B. der freiberuflich tätige Arzt, Rechtsanwalt, Architekt u. a.) - seine Arbeitskraft mit seinen beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten dem Arbeitgeber für eine gewisse Zeitdauer zur Verfügung ("fremdbestimmte Tätigkeit"). Der Arbeitgeber macht davon Gebrauch, indem er den Beschäftigten anweist, wie und wozu er seine Arbeitskraft während dieser Zeit einzusetzen hat. Der Beschäftigte schuldet die weisungsgemäße Verwendung seiner Arbeitskraft. Der durch Werkvertrag Verpflichtete schuldet hingegen den faßbaren Erfolg seiner Tätigkeit, ein zu erzielendes Ergebnis; seine Verpflichtung erschöpft sich nicht in einem Tätigsein während einer bestimmten Zeit. Sie wird erst mit dem gelungenen Ergebnis seiner Tätigkeit erfüllt. Dabei ist für die Beurteilung der Tätigkeit auch von Bedeutung, ob der Verpflichtete in Ausübung eines freien Berufs mit eigenem Betrieb seine Dienste oder sein Arbeitsergebnis verschiedenen Interessenten anbietet. Ein wesentliches Merkmal für eine Eingliederung ist hingegen der Umstand, daß der Verpflichtete seine Tätigkeit nicht ausführen kann, ohne die betrieblichen Einrichtungen des Beschäftigungsgebers, d. h. dessen personalen und sächlichen Apparat zu benutzen. Die wirtschaftliche Abhängigkeit des Verpflichteten von einem Auftrag- oder Arbeitgeber ist kein brauchbares Abgrenzungsmerkmal; denn bei den vielfältigen Verflechtungen im Berufs- und Wirtschaftsleben ist auch der Freischaffende vom Auftraggeber wirtschaftlich abhängig.
Bei der Mitwirkung in einer bestimmten Sendung war A. beim Kläger abhängig beschäftigt. Es macht keinen Unterschied, ob sie in der Sendung Reportagen gebracht, Interviews durchgeführt, moderiert hat oder Teammitglied war. Sie hat jedenfalls bei diesen Sendungen für die Vorbereitung und Sendedauer dem Kläger ihre Arbeitskraft mit ihren beruflichen Fähigkeiten zur Verfügung gestellt und der Kläger hat bestimmt, was und wie gesendet wurde. A. war, nachdem sie ihre Mitwirkung in einer Sendung mit dem Kläger vereinbart hatte, verpflichtet, bei dem vom Kläger vorgesehenen Inhalt der jeweiligen Sendung in der Weise tätig zu werden, wie der Kläger, handelnd durch seine Regisseure, es bestimmte. Damit hat der Kläger über ihre Arbeitskraft verfügt. Freiheiten, die ihr bei Interviews, Reportagen und beim Moderieren gewährt waren, ließen ihr einen Spielraum nur in dem Rahmen, der ihren beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten auf diesem Gebiet von Sendungen entsprach, und die beim Abschluß einer Vereinbarung über ihre Tätigkeit in einer bestimmten Sendung vorausgesetzt werden. A. konnte Thema und Inhalt der jeweiligen Sendungen in ihren wesentlichen Teilen und in ihrem wesentlichen Ablauf nicht nach eigenem Willen gestalten, sondern war darin an die Weisungen des Klägers gebunden. Sie konnte ihre Tätigkeit nur unter Benutzung der Einrichtungen des Klägers verrichten. Ihre Tätigkeit hatte keinen von der Sendung unabhängigen Wert an sich. Mit der Beendigung der jeweiligen Sendungen, für die sie sich zum Tätigwerden verpflichtet hatte, war ihre Beschäftigung beendet. Darüber hinaus war weder der Kläger berechtigt, ihren Einsatz in anderen Sendungen oder in weiteren Sendungen desselben Programms zu verlangen, noch war sie verpflichtet, ihre Arbeitskraft auch in späteren Sendungen zur Verfügung zu stellen. Vielmehr entstand jeweils mit einer neuen frei vereinbarten Mitwirkung in einer Sendung ein neues, auf diese Sendung begrenztes Beschäftigungsverhältnis. Bei dieser Sach- und Rechtslage bestand kein einheitliches, fortdauerndes, durchgehendes Beschäftigungsverhältnis - sozusagen "dem Grunde nach" - (vgl. SozR Nr. 1 zu § 441 RVO).
Zwar gingen der Kläger und A. übereinstimmend davon aus, daß sie eine "ständige" freie Mitarbeiterin war und daß sie sich deshalb öfters zu Einsätzen in Sendungen zur Verfügung stellte. Sie war aber nicht deshalb, weil sie sich als "ständige" freie Mitarbeiterin betätigte, generell verpflichtet, jeweilige Angebote des Klägers zur Mitwirkung in einer bestimmten Sendung anzunehmen. Ihre Einsätze hingen vielmehr stets von einer neu und frei zu treffenden Vereinbarung - auch hinsichtlich des Honorars - mit dem Kläger ab. Der Status einer "ständigen" freien Mitarbeiterin bedeutet nur, daß der Kläger ihre Tätigkeit in den Betrieb seines Unternehmens - die Darbietung von Informationen und Unterhaltung in Hörfunk und Fernsehen - allgemein, aber nicht schon endgültig für bestimmte Sendungen, einplanen konnte. Verwirklicht wurde ihre Eingliederung in den Betrieb des Klägers jeweils nur bei ihrem Einsatz in den im einzelnen jeweils vereinbarten Sendungen. Die so bestehende Eigenschaft einer "ständigen" freien Mitarbeiterin und die allgemeine Einplanung ihrer Tätigkeit genügen nicht, um ein fortdauerndes Beschäftigungsverhältnis anzunehmen, weil das wesentliche Merkmal eines solchen Beschäftigungsverhältnisses - eine ununterbrochen anhaltende Verfügungsmacht des Klägers über ihre Arbeitskraft - nicht gegeben war.
Zu Recht haben die Revisionskläger auch darauf hingewiesen, daß A. kein Unternehmerrisiko getragen hat; sie hatte nicht eigenes Kapital mit der Möglichkeit, es durch ihre Tätigkeit zu vermehren oder es dabei zu verlieren, einzusetzen. Das Risiko, daß die Arbeit nicht mehr den Erwartungen entspricht und daß der Tätige deshalb nicht mehr beschäftigt wird, trägt jeder Beschäftigte; dies ist kein Unternehmerrisiko.
Bei A. liegt somit im Jahre 1968 eine der Zahl ihrer Einsätze entsprechende Anzahl einzelner Beschäftigungsverhältnisse vor. Sie ist dabei "unständig beschäftigt" im Sinne der § 441 RVO. Unständig ist die Beschäftigung, die auf weniger als eine Woche entweder nach der Natur der Sache beschränkt zu sein pflegt oder im voraus durch den Arbeitsvertrag beschränkt ist. Zu dieser Vorschrift wurde im Entwurf der RVO gesagt: Bei der unständigen Beschäftigung handelt es sich um Personen, deren Hauptberuf die Lohnarbeit bildet, die aber ohne festes Arbeitsverhältnis bald hier, bald dort, heute mit dieser, morgen mit jener Arbeit beschäftigt sind. § 441 RVO verlangt nicht, daß die unständige Beschäftigung bei stets wechselnden Arbeitgebern ausgeübt wird. Sie kann auch bei demselben Arbeitgeber vorliegen und dies kann sich häufig wiederholen. Dies ist bereits in der Rechtsprechung dargelegt worden (vgl. AN 1932, 22; SozR Nr. 1 zu § 441 RVO; Urteil des Senats vom 31. Januar 1973 - 12/3 RK 16/70 -).
Die unständige Beschäftigung begründet Versicherungspflicht. Sie ist nur dann nicht versicherungspflichtig, wenn es sich um eine versicherungsfreie Nebenbeschäftigung handelt. Versicherungsfrei ist nach § 4 Abs. 1 AVG eine Nebenbeschäftigung, wenn sie neben einer regelmäßigen, die Versicherungspflicht begründenden Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber ausgeübt wird (Nr. 4 aaO) oder wenn eine Person, die nur berufsmäßig eine die Versicherungspflicht begründende Beschäftigung nicht ausübt, eine solche als Nebenbeschäftigung übernimmt (Nr. 5 aaO; vgl. auch § 442 Abs. 1 RVO; SozR Nr. 11 zu § 1228 RVO). Beide Fälle liegen bei A. nicht vor. Es ist seit langem ihr der Bestreitung des Lebensunterhalts dienender Hauptberuf, in häufiger Wiederkehr kurzfristige Beschäftigungsverhältnisse beim Kläger einzugehen. Die Beschränkung der Beschäftigungen auf die jeweiligen einzelnen Einsätze liegt hier in der Natur der Sache. Diese ist durch die Besonderheiten bedingt, die der Betrieb des Klägers als Rundfunkanstalt bei der Darbietung von Sendungen mit sich bringt. Sie ergeben sich aus dem Grundsatz der Rundfunkfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Der Rundfunk ist eines der mächtigsten Massenkommunikationsmittel (BVerfG 12, 260); er ist der Allgemeinheit verpflichtet (BVerfG 31, 325, 327 f); er ist ein eminenter Faktor der öffentlichen Meinungsbildung (BVerfG 12, 260) und ein kulturelles Phänomen (BVerfG 12, 229). Seine Mitwirkung an der öffentlichen Meinungsbildung beschränkt sich nicht auf Nachrichtensendungen und politische Kommentare; Meinungsbildung geschieht ebenso in Hörspielen, musikalischen Darbietungen, kabarettistischen Programmen bis hinein in die szenische Gestaltung einer Darbietung (BVerfG 12, 260). So wie die kollegialen Organe des Rundfunks in angemessenem Verhältnis aus Repräsentanten aller bedeutsamen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Gruppen zusammengesetzt sind (BVerfG 12, 261 f), müssen alle diese Kräfte im Gesamtprogramm zu Wort kommen können. Das Anliegen des Klägers, daß diese Aufgaben wegen der notwendigen Vielfalt und Abwechslung in den Darbietungen nicht allein mit einem festbegrenzten Kreis von Dauerbeschäftigten erfüllt werden können, muß von der Rechtsprechung als berechtigt anerkannt werden. Es ist dem Kläger zuzugeben, daß er imstande sein muß, "mal diese, mal jene" Mitarbeiter oder den einzelnen Mitarbeiter "mal jetzt, mal später" zur Gestaltung und Mitwirkung in Programmen heranzuziehen, und daß die Freiheit in der Programmgestaltung und die Notwendigkeit der Abwechslung es nicht zulassen, Mitarbeiter in einem Umfang und einer Häufigkeit und Dauer zu beschäftigen, die nicht von der Programmgestaltung her bestimmt wären, sondern sich aus rechtlichen Gründen eines Dauerbeschäftigungsverhältnisses ergeben würden. Die Stellung des Rundfunks ist insofern verschieden von der gewerblicher Produktionsbetriebe oder anderer Dienstleistungsbetriebe; denn diese können ihre Aufgaben mit einem festen Bestand von Beschäftigten erfüllen.
A. ist somit als Beschäftigte in der Angestelltenversicherung versicherungspflichtig.
Nach § 118 Abs. 2, § 127 AVG in der für 1968 geltenden Fassung (vor der Neufassung durch Art. 1 § 2 Nr. 13 des 3. Rentenversicherungsänderungsgesetzes vom 28. Juli 1969) haben unständig Beschäftigte ihre Pflichtbeiträge zur Angestelltenversicherung selbst zu entrichten und der Arbeitgeber hat seinen Beitragsanteil dem unständig Beschäftigten zu zahlen (§ 127 Abs. 4 AVG). Die Beklagte kann daher die Entrichtung der im angefochtenen Bescheid geforderten Beiträge zur Angestelltenversicherung für A. nicht vom Kläger fordern.
In der Arbeitslosenversicherung sind unständig Beschäftigte nach § 67 Abs. 1 AVAVG, der für das Jahr 1968 noch in Kraft war, versicherungsfrei. Die Beklagte kann daher vom Kläger auch keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung für A. verlangen.
Das LSG hat somit im Ergebnis zu Recht das Urteil des SG bestätigt, mit dem der Beitragsbescheid der Beklagten aufgehoben wurde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Die Kostenverteilung erscheint im Hinblick darauf angebracht, daß die sachliche Grundlage des angefochtenen Bescheides, nämlich die Versicherungspflicht der A., zu bestätigen ist; lediglich die Besonderheiten der Beitragsentrichtung bei unständiger Beschäftigung haben zu dem Urteilsausspruch in der Entscheidung des Senats geführt.
Fundstellen
Haufe-Index 1455796 |
BSGE, 262 |