keine Angaben zur Rechtskraft
Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichteinstellung. Schwerbehinderter. Entschädigungsanspruch
Leitsatz (amtlich)
1. Ein schwerbehinderter Stellenbewerber hat Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung, wenn aufgrund der fehlenden Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung von seiner eingegangenen Bewerbung eine Benachteiligung vermutet wird und der Arbeitgeber die Vermutung nicht widerlegen kann.
2. Dem Arbeitgeber ist es im Rahmen einer gerichtlichen Prüfung grundsätzlich verwehrt, sich auf sachliche Gründe für die Ablehnung zu berufen, die er dem betroffenen Bewerber bei seiner Unterrichtung nach § 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX nicht mitgeteilt hat (im Anschluss an Hess. LAG vom 07.11.2005 – 7 Sa 473/05)
Normenkette
SGB IX § 81 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Marburg vom 29. Juli 2005 – 2 Ca 65/05 – wird zurückgewiesen.
Das beklagte Land hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug weiterhin um einen Entschädigungsanspruch des Klägers im Zusammenhang mit einer Bewerbung als schwerbehinderter Mensch.
Der am 8. September 1959 geborene Kläger verfügt über eine Ausbildung als Steuerfachangestellter und ist als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 50 anerkannt (Bl. 9 d.A.). An der A in X wurde unter dem 28. Oktober 2004 für den Fachbereich fremdsprachige Philologie ein Stellenangebot für eine halbe Stelle eines Verwaltungsangestellten der Vergütungsgruppe VII BAT ausgehängt, für die Schwerbehinderte bei gleicher Eignung bevorzugt eingestellt werden sollten (Bl. 21 d.A.). Die Bewerbungsfrist in der Stellenausschreibung lief bis zum 16. November 2004. Der Kläger bewarb sich mit Schreiben vom 8. November 2004 für diese Stelle (Bl. 4 d.A.). Mit Schreiben von diesem Tag beantragte der Institutsleiter des Institutes für Romanische Philologie am Fachbereich Fremdsprachige Philologien B auf die ausgeschriebene Stelle die Mitarbeiterin C vom Informationszentrum für Fremdsprachenforschung umzusetzen. Diese Mitarbeiterin war auf der Sekretariatsstelle des Institut beschäftigt. Diese Stelle der Mitarbeiterin C wurde durch Schreiben des Präsidenten der A vom 5. Oktober 2004 freigegeben und die Mitarbeiterin C der Personalvermittlungsstelle (PVS) des Landes Hessen gemeldet. Nach einem Vorstellungsgespräch hielt der Institutsleiter B die als freigesetzt gemeldete Mitarbeiterin C für geeignet, die unter dem 28. Oktober 2004 ausgeschriebene Stelle zu besetzen. Außerdem hatte sie sich bereits erklärt, ihre Arbeitszeiten den Anforderungen der neuen Stelle anzupassen. Mit Schreiben vom 25. November 2004 hörte der Universitätspräsident den Personalrat wegen der Umsetzung der Mitarbeiterin C an. Mit Schreiben vom 30. November 2004 verfügte er die Umsetzung dieser Mitarbeiterin auf die freie Halbtagsstelle einer Verwaltungsangestellten mit Wirkung vom 11. Dezember 2004. Mit Schreiben des Dekans des Fachbereichs fremdsprachige Philologie vom 10. Dezember 2004 – wegen dessen genauen Inhalt auf Bl. 10 d.A. Bezug genommen wird – erhielt der Kläger folgende Mitteilung:
Leider haben sich die zuständigen Gremien für eine andere Bewerberin entschieden. Ich wünsche Ihnen für die Zukunft alles Gute. …
Der Kläger war weder zu einem Vorstellungsgespräch geladen noch war die Schwerbehindertenvertretung von seiner Bewerbung durch die Personalverwaltung informiert worden. Der Kläger forderte mit Schreiben vom 12. Dezember 2004 den Dekan des Fachbereich fremdsprachige Philologie der A in X auf, ihm eine qualifizierte und begründete Ablehnung seiner Bewerbung zukommen zu lassen. Mit Schreiben vom 23. Dezember 2004 erhielt er folgende Stellungnahme (Bl. 12 d.A.):
Im von Ihnen genannten Verfahren, hat man sich intern für eine Umsetzung entschieden. Dies bedeutet, es ist zu keinem Bewerbungsverfahren gekommen. Die Stelle dieser Dame wurde in dem Institut nicht mehr benötigt und somit dem Institut für Romanische Philologie angeboten. Da wir gehalten sind, im Zuge der Einsparungen im Öffentlichen Dienst, wenn möglich, keine Stellen mehr neu zu besetzen, haben wir dieses Angebot angenommen.
Mit Schreiben vom 2. Januar 2005 forderte der Kläger von dem Dekan des Fachbereich fremdsprachige Philologie der A in X Schadenersatz in Höhe von EUR 10.000,00 wegen vorsätzlicher Diskriminierung als Schwerbehinderter.
Mit einem am 21. Januar 2005 beim Verwaltungsgericht Gießen eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger Klage auf Zahlung einer Entschädigung erhoben. Er hat die Ansicht vertreten, er sei vorsätzlich diskriminiert und in seiner Bewerbung als Schwerbehinderter benachteiligt worden. Dies folge daraus, dass bei der Bewerbung eines behinderten Menschen gemäß § 82 Satz 2 SGB IX stets ein Bewerbungsgespräch mit diesem geführt werden müsse, unabhängig davon, ob das Bewerbungsverfahren später abgebrochen werde oder nicht. Auße...