Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung. Rauchverbot. Ersatzmitglied
Leitsatz (amtlich)
1. Der nachhaltige Verstoß gegen das wirksame Rauchverbot in einem feuergefährdeten Betrieb ist an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.
2. Für die Frage, ob ein Ersatzmitglied gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG gegen eine ordentliche Kündigung geschützt ist, oder aber zur außerordentlichen Kündigung die Zustimmung des Betriebsrats gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG i.V.m. § 103 Abs. 1 BetrVG erforderlich ist, ist auf den Zeitpunkt der Abgabe der Kündigungserklärung abzustellen. Es bleibt offen, ob ein an einem Freitag um 15.10 Uhr in den Briefkasten des Ersatzmitglieds eingeworfenes Schreiben noch an diesem Tag zugeht (§ 130 Abs. 1 BGB).
3. Soweit der besondere Kündigungsschutz des Ersatzmitglieds gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG für Vorbereitungszeiten für konkrete Betriebsratssitzungen gegeben ist, besteht kein Anlass, dies über die bisherige Rechtsprechung (BAG 17.01.1979 – 5 AZR 891/77, DB 1979, 888, Rn. 20 f.) hinaus allgemein auch auf Zeiten vor dem Erholungsurlaub des ordentlichen Mitglieds auszuweiten.
Normenkette
BetrVG §§ 25, 37, 102-103; BGB §§ 130, 626; KSchG § 15 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Mönchengladbach (Urteil vom 29.06.2011; Aktenzeichen 2 Ca 1188/11) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 29.06.2011 – 2 Ca 1188/11 – abgeändert und die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.
Der 53 Jahre alte und verheiratete Kläger, der vier Kindern zum Unterhalt verpflichtet ist, war seit dem 01.04.1987 bei der Beklagten als Hilfskraft im Tiefdruck beschäftigt. Sein monatliches Bruttoeinkommen betrug 3.200,00 Euro. Er war das erste Ersatzmitglied der „Alternativen Liste K. I.” des bei der Beklagten gebildeten Betriebsrats. Ordentliches Betriebsratsmitglied der Liste des Klägers war Herr I..
Bei der Beklagten handelte es sich um einen Druckereibetrieb auf einem ca. 500 m × 800 m großen Betriebsgelände mit mehreren ineinander verbundenen Industriehallen. Die bei dem Druckvorgang verwendeten Lösungsmittel waren leicht entzündbar. Bei dem Trocknungsprozess mischten sie sich mit Luft. Dieses Gemisch konnte durch einen Funken in Brand gesetzt werden, wobei die Druckmaschinen allerdings mit modernen Absaugeinrichtungen ausgerüstet waren. Zudem stellten in den nicht explosionsgefährdeten Bereichen des Betriebs u.a. der Papierstaub sowie die Papierprodukte Brandlasten dar. Im Betrieb der Beklagten waren in der Vergangenheit mehrfach Brände aufgetreten. Zweimal brannte ein Druckwerk einer Maschine und am 01.03.2010 brannte es im Papierkeller. Die Ursache der Brände konnte nicht geklärt werden. Es bestand im Betrieb ein Rauchverbot, auf das durch entsprechend Aushänge hingewiesen wurde. Zuletzt wurde dieses Rauchverbot in der „Betriebsvereinbarung 1/2009 Rauchverbot und Raucherzonen” (BV 1/2009) geregelt. In der BV 1/2009 hieß es u.a.:
„Rauchverbot
Das Rauchen ist im gesamten Bereich der TSB und auf dem o.g. Betriebsgelände untersagt, wenn es nicht im Rahmen dieser Vereinbarung in bestimmten Bereichen ausdrücklich erlaubt ist.
Bereiche mit Raucherlaubnis
1. In allen Zonen entsprechend der Anlage 1 (Liste) und der Anlage 2 (Hallen und Betriebsgeländeplan). Hierbei handelt es sich um Rauchplätze innerhalb der Produktionshallen sowie ein Raucherraum an der Kantine, die durch die Bodenmarkierung sowie ein Schild „Rauchen erlaubt” gekennzeichnet sind. …”
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichten BV 1/2009 nebst den Anlagen 1 und 2 Bezug genommen. Mit Schreiben vom 11.04.2011 erläuterte Herr C., Beauftragter für die Arbeitssicherheit, der Geschäftsleitung die Gründe für das Rauchverbot. Er wies dabei u.a. darauf hin, dass bei der Beklagten mit einer großen Menge leicht entzündlicher Stoffe gearbeitet werde. Das Rauchen könne deshalb im unmittelbaren Umfeld von Produktionsmaschinen nicht geduldet werden, denn es stelle dort eine unmittelbare Gefahr dar. Die Glut einer Zigarette könne zudem nachbrennen und Brände verursachen, die erst nach einiger Zeit entdeckt werden. Nur im Raucherbereich gebe es Aschenbecher. Dort könne der Mitarbeiter seine Zigarette in Stresssituationen richtig entsorgen. Außerhalb des Raucherbereichs sei dies nicht gewährleistet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 11.04.2011 Bezug genommen.
Die Arbeitszeit war bei der Beklagten durch die „Betriebsvereinbarung 7/2009: Ergänzung der „vorläufigen Betriebsvereinbarung 3/2008 MG: „Arbeitszeit Tiefdruck” und 2/2009 MG: „Änderung und Laufzeitverlängerung” (BV 7/2009) geregelt. In dieser hieß es u.a.:
„Gegenstand der Vereinbarung
Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 35 Stunden und ist für den einzelnen Arbeitnehmer ...