Nachgehend

LAG Niedersachsen (Urteil vom 02.06.2004; Aktenzeichen 7 Sa 819/04)

 

Tenor

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Verfügungsklägerin.

3. Der Streitwert wird auf 108.000,00 Euro festgesetzt.

4. Die Berufung wird nicht besonders zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Unterlassung von Arbeitskampfmaßnahmen.

Die Antragstellerin und Verfügungsklägerin, die Mitglied im Verband der Metallindustriellen Niedersachsen e.V. ist, produziert in ihrer Niederlassung in Stadthagen mit 360 Arbeitnehmern Fahrtreppen. Bereits im Interessenausgleich von 1999 hatte sich die Verfügungsklägerin zum Erhalt des Standortes Stadthagen bis zum 31.12.2005 verpflichtet. Die Geschäftsleitung hat den Entschluss gefasst, das Werk Stadthagen nunmehr bereits zum 31.12.2004 stillzulegen und sämtliche Arbeitnehmer zu entlassen. Die Produktion soll ins Ausland verlegt werden.

Die Verfügungsklägerin hat am 4. März 2004 den Wirtschaftsausschuss und den Betriebsrat hiervon informiert. Mit Schreiben vom 29. März 2004 förderte die Verfügungsbeklagte zu 2) den Verband der Metallindustriellen Niedersachsen e.V. auf, ein auf den Betrieb Stadthagen bezogenen Ergänzungstarifvertrag zu vereinbaren und erhob hierbei folgende Forderungen:

  1. Beschäftigte, die betriebsbedingt gekündigt werden, haben Anspruch auf Qualifizierungsmaßnahmen für bis zu 36 Monate nach Ablauf der Kündigungsfrist unter Fortzahlung eines Entgeltes in Höhe der bisherigen Vergütung. Die Firma trägt die Kosten der Qualifizierungsmaßnahmen.

    Der Firma bleibt es unbenommen, sämtliche Förderungsmöglichkeiten zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit nach dem SGB III in Anspruch zu nehmen.

  2. Zur Milderung der mit dem Verlust des Arbeitsplatz verbundenen Nachteile erhalten die aus Anlass der Betriebsänderung ausscheidenden Beschäftigten eine Abfindung in Höhe von zwei Monatseinkommen pro Beschäftigungsjahr.

    Außerdem wird ein Fonds für Fälle besonderer Härte eingerichtet.

    Die Aufstellung weiterer Forderungen behalten wird uns vor.”

Am 6. April 2004 lehnte die große Tarifkommission die Tarifverhandlungen ab. Dies wurde der Verfügungsbeklagten zu 2) am 7. April 2004 mitgeteilt. Ebenfalls mit Schreiben vom 7. April 2004 forderte die Verfügungsbeklagte zu 2) nunmehr die Verfügunsklägerin selbst auf, mit ihr einen ergänzenden Firmentarifvertrag mit den oben genannten Forderungen zu vereinbaren. Die Aufnahme von Tarifverhandlungen lehnte die Verfügungsklägerin mit Schreiben vom 19. April 2004 ab, weil sie die erhobenen Tarifforderungen für rechtswidrig hält und signalisierte lediglich Gesprächsbereitschaft.

In einem Gespräch der Verfügungsklägerin mit den Verfügungsbeklagten zu 1) und 2) am 28. April 2004 versuchte die Verfügungsklägerin eine außertarifliche Regelung nahe zu legen und lehnte erneut Verhandlungen über die Tarifforderungen ab. Die Verfügungsklägerin ermittelte auf der Basis eines durchschnittlichen Arbeitnehmerverdienstes von 3.300,00 Euro monatlich ein Volumen der Forderungen der Verfügungsbeklagten von 97,3 Millionen Euro.

Noch am gleichen Tag riefen die Verfügungsbeklagten zu 1) und 2) die Arbeitnehmer zu Warnstreiks und einer Kundgebung vor den Werkstoren für den 29. April 2004, 9.30 Uhr, auf. Die Kundgebung dauerte bis 11.00 Uhr. Im Anschluss daran kehrten nur wenige Arbeitnehmer an ihren Arbeitsplatz zurück, so dass 1.080 Arbeitsstunden entfielen.

Ebenfalls am 28.04.2004 forderte die Verfügungsklägerin den Betriebsrat auf, mit ihr am 30. April 2004 Verhandlungen über einen Interessenausgleich zu führen und wies daraufhin, dass sie im Fall einer Weigerung des Betriebsrates die tarifliche Schlichtungsstelle anrufen werde. Hierauf bat der Betriebsrat um Verschiebung der Beratungen, um die Frage der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates zu prüfen.

Bei nicht zeitgerechter Ausführung der Aufträge drohen der Verfügungsklägerin Vertragsstrafen. Auf die Eidesstattliche Versicherung und e-mail vom 27. April 2004 wird Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 30. April 2004 forderte die Verfügungsbeklagte zu 2) die Verfügungsklägerin erneut zur Verhandlung zum Tarifvertrag auf und drohte für den Fall der Weigerung mit der Einleitung weiterer Maßnahmen.

Die Verfügungsklägerin hält sämtliche Arbeitskampfmaßnahmen für rechtswidrig und behauptet, dass das eigentliche Ziel der Verfügungsbeklagten die Verhinderung der Standortverlagerung sei. Bei Festsetzung der Streiks drohten erhebliche wirtschaftliche Schäden.

Die Verfügungsklägerin meint:

Die Friedenspflicht sei verletzt. Darüberhinaus sei ihre Koalitionsfreiheit und diejenige des Arbeitgeberverbandes verletzt, der seine Funktion verliere, wenn er seine Mitgliedsunternehmen nicht durch Abschluss eines Flächentarifvertrages schützen könne. Die abschließenden betriebsverfassungsrechtlichen Normen zur Betriebsänderung hätten unbedingten Vorrang, so dass die Tarifvertragsparteien zu sozialplangleichen Regelungen nicht befugt seien. Würde man den Gewerkschaften die Befugnis einrä...

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