Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenerstattung, „nicht unwesentlicher” Teil der Arbeit, normale Arbeit, spezielle Sehhilfe, ärztliche Anordnung
Leitsatz (amtlich)
1. Wer von einem ca. 7stündigen Arbeitstag ca. 30 bis 45 Minuten am Bildschirm arbeitet, kann vom Arbeitgeber Erstattung der angemessenen Kosten einer Bildschirmbrille verlangen, wenn ihm augenärztlich eine Brille speziell für die Arbeit am Bildschirm verordnet wurde.
2. Der direkte Gang zum Augenarzt ohne vorausgegangene betriebliche Untersuchung führt nicht zum Wegfall des Erstattungsanspruches.
3. Spezielle Sehhilfen i. S. d. BildschirmarbV sind besondere, arbeitsplatzbezogene Sehhilfen, die aus medizinischer Sicht für die Arbeit am Bildschirm erforderlich sind, um beschwerdefreies, scharfes Sehen in der Mitteldistanz ohne körperliche Zwangshaltungen zu gewährleisten.
Normenkette
BildscharbV §§ 2, 6
Beteiligte
Tenor
I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 123,– DM (einhundertdreiundzwanzig) nebst 4 % Zinsen seit dem 01.04.1999 zu zahlen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
III. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 123,– DM festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger die Kosten einer Brille für Arbeiten am Bildschirm zu ersetzen.
Der Kläger ist Betriebsratsvorsitzender und freigestellt. Der Betriebsrat verfügt über einen PC. Im Hause besteht eine Vernetzung. Der PC steht nicht im Büro des Klägers, sondern im allgemeinen Betriebsratsbüro. Der Kläger arbeitet auch mit diesem PC. Der Umfang ist streitig. Dem Betriebsrat steht keine Schreibkraft zur Verfügung.
Am 30.12.1998 wurde dem Kläger folgende augenärztliche Bescheinigung ausgestellt:
„Bei dem o.g. Patient besteht eine Hyperopie sowie eine beginnende Presbyopie. Aus diesem Grund wird bei Arbeiten am Bildschirm eine spezielle Brille erforderlich, die auch ein entsprechendes Nahteil zum Lesen eingearbeitet haben muß.” (Blatt 5 der Akte)
Der Optiker fertigte dem Kläger eine Brille, die er als Bildschirmarbeitsplatzbrille im Sinne der Bildschirmarbeitsplatzverordnung bezeichnet. Es handelte sich um eine sogenannte Bifokalbrille (Blatt 6 der Akte). Die Brille kostete 253,– DM. Die Krankenkasse übernahm 130,– DM; den Restbetrag in Höhe von 123,– DM begehrt der Kläger von der Beklagten.
Der Kläger öffnet, liest, schreibt und druckt e-mails am Computer aus, erstellt Fragebögen. Protokolle; füllt Anwesenheitslisten und Protokollformblätter für Betriebsratssitzungen aus und läßt sie ausdrucken; kontrolliert Arbeitszeitkonten; verfaßt Einladungen zu Betriebsrats- und Wirtschaftsausschußsitzungen und verschickt diese; überarbeitet Terminpläne und verschickt diese; erstellt Organigramme; erstellt Faxe an Rechtsanwälte; sucht und liest Mitteilungen der IGM im PC, teilweise über Internet; entwirrt Info-Blätter und Hausmitteilungen; bereitet Sitzungen auf dem PC vor; wertet Lohntabellen aus und überarbeitet sie; pflegt die Personalliste; ruft Gleitzeitkontostände ab etc. (Blatt 46, 47 der Akte, Blatt 52 – 76 der Akte, Blatt 80 bis 90 der Akte).
Der Kläger trägt vor, er arbeite mehr als „unwesentlich” am PC. Ausweislich einer Arbeitszeitauswertung für den Zeitraum 01.11.99 bis 11.01.2000 arbeite er durchschnittlich zwischen 2,6 und rund 2 Stunden täglich am PC. Für Arbeiten am Bildschirm sei die verordnete Brille mit eingearbeitetem Nahteil notwendig. Die Augenärztin habe ihm eine solche verordnet, damit er beim Tragen lediglich einer Lesebrille körperlich ungesunde Schonhaltungen in Form von zu nahem Heranrücken an den Bildschirm vermeide.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 123,– DM nebst 4 % Zinsen seit dem 01.04.1999 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, der Kläger habe keinen Bildschirmarbeitsplatz im Sinne der Bildschirmarbeitsplatzverordnung. Er arbeite nicht zu einem nicht zu einem „nicht unwesentlichen Teil der Arbeitszeit” am Bildschirm. Ein Großteil der in den überreichten Tätigkeitsbeschreibungen angegebenen Tätigkeiten sei nicht erforderlich (Bl. 70 d.A.) Von den insgesamt für den Zeitraum 01.11.99 bis 13.12.99 angegebenen 54,03 Stunden habe er lediglich 23,45 Stunden erforderliche Tätigkeiten am Bildschirm verrichtet. Das ergebe durchschnittlich weniger als eine Stunde täglich Bildschirmarbeit. Ferner sei der Kläger nicht den gemäß § 6 Abs. 1 Bildschirmverordnung vorgesehenen Weg gegangen. Außerdem ergebe sich aus der augenärztlichen Bescheinigung nicht, daß spezielle Sehhilfen erforderlich und eine normale Sehhilfe nicht geeignet sei. Letztendlich sei ein eingearbeitetes Nahsichtteil nicht erforderlich. Der Kläger könne bei der Arbeit am PC manuell jeweils eine Nah- und eine Fernsichtbrille aufsetzen. Nach einem Kostenvoranschlag der Firma F koste eine solche Nah- oder Fernsichtbrille ohne Bifokalgläser erheblich weniger und ergäbe allenfalls einen Kostenerstattungsanspruch ihr gegenüber in Höhe von 43,60 DM.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf de...