Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsatzbeschwerde
Leitsatz (amtlich)
- Bei einem Rechtsstreit über die Auslegung eines Tarifvertrages, der zwischen den Tarifvertragsparteien geführt wird, ist die Revision auf die Nichtzulassungsbeschwerde auch dann zuzulassen, wenn der Geltungsbereich des Tarifvertrags nicht über den Bezirk eines Landesarbeitsgerichts hinausgeht (§ 72a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG).
- Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergibt sich bereits aus der Bindungswirkung der rechtskräftigen Entscheidung für die Gerichte und Schiedsgerichte (§ 9 TVG).
Normenkette
ArbGG § 72a Abs. 1; TVG § 9
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird die Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 9. Januar 1997 – 7 Sa 58/96 – zugelassen.
Tatbestand
I. Der Kläger und die Beklagte streiten als Tarifvertragsparteien über die Auslegung des § 13 des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer des Gas- und Wasserinstallateur- und Klempnerhandwerks im Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg vom 3. Februar 1989 in der Fassung vom 12. April 1995.
Die Berechnung des Durchschnittslohnes bei einer Tariflohnerhöhung wird in den Hamburger Betrieben unterschiedlich gehandhabt: entweder wird der entsprechende Zuschlag nach dem sich ergebenden DM-Differenzbetrag zwischen dem alten und dem sich nach der vereinbarten Tariflohnerhöhung ergebenden neuen Tariflohn bemessen oder der ermittelte Durchschnittslohn wird entsprechend der prozentualen Tariflohnerhöhung erhöht. Der Kläger hat an seine Mitglieder in den letzten 30 Jahren in Abstimmung mit der Beklagten Durchschnittsberechnungsbögen verteilt, aus denen sich im Regelfall die prozentuale Erhöhung ergibt.
Der Kläger vertritt die Auffassung, § 13 MTV sei dahin auszulegen, daß sich der entsprechende Zuschlag vom Tag der Lohnerhöhung ab nach dem DM-Differenzbetrag zwischen dem alten und dem neu verhandelten Tariflohn bemesse. Er hat beantragt, die Richtigkeit seines Auslegungsergebnisses festzustellen.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Nichtzulassungsbeschwerde.
Entscheidungsgründe
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet.
1. Die Begründetheit der Beschwerde ergibt sich aus § 72a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG i.V.m. § 72 Abs. 2 ArbGG.
Die Revision ist von dem Bundesarbeitsgericht zuzulassen, wenn der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt und sie eine Rechtsstreitigkeit zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen betrifft. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Zu den Rechtsstreitigkeiten “aus Tarifverträgen” gehören auch Verbandsklagen, mit denen die Wirksamkeit oder der Inhalt einer einzelnen Norm geklärt werden soll (BAG Urteil vom 25. September 1987 – 7 AZR 315/86 – AP Nr. 1 zu § 1 BeschFG 1985).
Maßgebend für die Privilegierung der Verbandsklage ist die Bindungswirkung der rechtskräftigen Entscheidung der Gerichte für Arbeitssachen nach § 9 TVG für alle Tarifgebundenen. Daraus ergibt sich zugleich deren grundsätzliche Bedeutung. Hier ist die authentische Auslegung des § 13 MTV verbindlich für die Mitgliedsfirmen des Klägers und deren rund 4500 bis 5000 Arbeitnehmer. Deshalb kommt es anders als im Fall des Auslegungsstreits zwischen Nichttarifvertragsparteien (§ 72a Abs. 1 Nr. 2 ArbGG) auf den räumlichen Geltungsbereich des umstrittenen Tarifvertrags nicht an.
Unterschriften
Düwell, Reinecke, Schmidt, Gaber, Hammer
Fundstellen
Haufe-Index 893932 |
BAGE, 125 |
NZA 1998, 500 |
SAE 1998, 233 |