Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstellungsanspruch in den öffentlichen Dienst
Normenkette
GG Art. 33 Abs. 2
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Urteil vom 18.11.1988; Aktenzeichen 12 Sa 454/88) |
ArbG Oldenburg (Oldenburg) (Urteil vom 14.01.1988; Aktenzeichen 1 Ca 454/87) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 18. November 1988 – 12 Sa 454/88 – wird insoweit zurückgewiesen, als über den Hauptantrag entschieden worden ist.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das beklagte Land verpflichtet ist, die Klägerin aufgrund ihrer Bewerbung im Anstellungsverhältnis als stellvertretende Leiterin der Benutzungsabteilung der Bibliothek der Universität Oldenburg einzustellen und zu beschäftigen. Hilfsweise begehrt die Klägerin wegen Nichtberücksichtigung ihrer Bewerbung Schadenersatz und Schmerzensgeld und nochmals hilfsweise hierzu die Wiederaufnahme des Stellenbesetzungsverfahrens.
Die Klägerin arbeitet seit dem 15. August 1985 als Angestellte mit 20 Wochenstunden im Bibliotheks- und Informationssystem (BIS) der Universität Oldenburg des beklagten Landes gegen eine Vergütung nach VergGr. VI b BAT. Daneben war die Klägerin vom 1. Februar 1987 bis 30. September 1987 mit weiteren 10 Wochenstunden ebenfalls für das BIS befristet angestellt; auch hierfür erhielt sie Vergütung nach Vergütungsgruppe VI b BAT. In der Zeit vom 1. März 1987 bis 30. September 1987 hat sie im Umfang von 10 Stunden einen Teil der Aufgaben der im Streit befindlichen Stelle der stellvertretenden Leitung der Ortsleihstelle des BIS wahrgenommen; insoweit ist das Gehalt der Klägerin auch aus Mitteln dieser Stelle finanziert worden.
Diese Stelle hatte die Universität O. am 27. Februar 1987 in einer regionalen Tageszeitung ausgeschrieben. Hierbei war eine wöchentliche Arbeitszeit von 30 Stunden vorgesehen. Bewerbungsschluß war der 6. März 1987. Mit ihrem Schreiben vom 2. März 1987 bewarb sich die Klägerin um diese Stelle; daneben gingen 25 weitere Bewerbungen ein.
Die Universität O. hatte die Stelle ausgeschrieben, ohne sie zuvor dem hierfür zuständigen Niedersächsischen Minister für Wissenschaft und Kunst als freie Stelle nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) gemeldet zu haben. Der Niedersächsische Minister für Wissenschaft und Kunst teilte der Universität O. mit seinem Erlaß vom 5. März 1987 mit:
„Durchführung des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG);
hier: Unterbringung von ehemaligen Soldaten in der Laufbahn des mittleren Dienstes an wissenschaftlichen Bibliotheken des Landes Niedersachsen zum 1. Oktober 1987 Bezug: Bericht vom 04.03.1987 – V 2.10.2 – 3/03/40 –
Die mit dem Bezugsbericht gemeldete freie Stelle der Vergütungsgruppe VI b BAT wird hiermit gemäß § 9 Abs. 3 SVG zur Unterbringung eines ehemaligen Soldaten vom 1. Oktober 1987 ab gesperrt. Ich werde veranlassen, daß die freie Angestelltenstelle ab 01.10.1987 in eine entsprechende Beamtenstelle umgewandelt wird. Ich werde zu gegebener Zeit auf die Angelegenheit zurückkommen. Im übrigen bitte ich, der Meldepflicht freiwerdender Stellen unverzüglich nachzukommen.”
Die beim BIS der Universität O. bestehende Besetzungskommission führte daraufhin das übliche Verfahren zur Besetzung einer Stelle durch Sichtung der Bewerbungen, Vorauswahl, Vorstellung der in die engere Wahl gezogenen Bewerber und Auswahl nicht mehr durch. Der Leiter des BIS teilte der Klägerin unter dem 10. März 1987 mit:
„Sie haben sich auf die von der Bibliothek ausgeschriebene Stelle eines Bibl.-Angestellten der Verg.-Gruppe VI b BAT beworben. Leider muß ich Ihnen mitteilen, daß durch Erlaß des Niedersächsischen Ministers für Wissenschaft und Kunst die Stelle bis Oktober 1987 gesperrt ist und in eine Beamtenstelle umgewandelt werden soll. Als Bewerber kommt nur ein ehemaliger Soldat mit Eingliederungsschein nach § 10 Soldatenversorgungsgesetz in Frage. Sollten Sie diese Voraussetzungen erfüllen, bitte ich Sie, mich dies wissen zu lassen.”
Mit seinem Schreiben vom 16. März 1987 teilte der Präsident der Universität O. der Klägerin mit, bei der Universität O. sei eine derartige Planstelle zur Zeit nicht zu besetzen und reichte ihr die Bewerbungsunterlagen zurück.
Die Klägerin verlangte daraufhin vom Niedersächsischen Minister für Wissenschaft und Kunst die Freigabe der ausgeschriebenen Stelle zur Besetzung und die Fortsetzung des Auswahlverfahrens. Beides wurde abgelehnt. Ein Antrag der Klägerin beim Verwaltungsgericht auf Erlaß einer entsprechenden einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, die Freigabe der Stelle zur Besetzung zu erreichen, blieb erfolglos (OVG Lüneburg Beschluß vom 9. Oktober 1987 – 2 OVG B 83/87 –).
Mit seinem Erlaß vom 3. September 1987 teilte der Niedersächsische Minister für Wissenschaft und Kunst der Universität O. mit:
„Die mit dem Bezugserlaß vom 05.03.1987 … vorbehaltene Stelle der VergGr. VI b BAT ist mit Wirkung vom 01. Oktober 1987 in eine Stelle der BesGr. A 5 (beamtete Hilfskraft) umgewandelt worden. Sie wird mit dem ehemaligen Soldaten Horst R. besetzt werden, der inzwischen die Laufbahnprüfung für den mittleren Dienst an wissenschaftlichen Bibliotheken des Landes Niedersachsen bestanden hat. Der Entwurf des Landeshaushaltsplans 1988 sieht die Umwandlung dieser Stelle in eine Planstelle unter gleichzeitiger Hebung nach BesGr. A 6 vor. Die Niedersächsische Landesbibliothek hat eine Durchschrift vorstehenden Erlasses erhalten. Ich bitte, das Weitere zu veranlassen.”
Am 30. September 1987 schloß das beklagte Land mit dem früheren Soldaten R. einen Arbeitsvertrag, wonach er ab 1. Oktober 1987 als Zeitangestellter für die Zeit bis zur endgültigen Entscheidung über seine Ernennung zum Bibliotheksassistenten im Beamtenverhältnis auf Probe, längstens bis zum 31. Dezember 1987, eingestellt worden ist. Die von der Klägerin gegen die Stellensperrung und auf Aufhebung der Erlasse vom 5. März 1987 und vom 3. September 1987 im Verwaltungsrechtsweg erhobene Klage ist abgewiesen worden (OVG Lüneburg Urteil vom 28. August 1990 – 2 OVG A 63/88 –).
Am 28. September 1987 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Sie hat geltend gemacht: Das beklagte Land sei gemäß Art. 33 Abs. 2 GG verpflichtet, sie auf den begehrten Arbeitsplatz einzustellen und sie dort zu beschäftigen. Sie habe von allen Bewerbern die besten Aussichten gehabt, die ausgeschriebene Stelle zu erhalten und müsse demgemäß eingestellt werden. Zumindest stehe ihr Schadenersatz zu, weil die Stellensperrung rechtswidrig sei. Die Stelle sei bei ihrer Ausschreibung noch nicht gesperrt gewesen; zudem sei § 10 des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG) unwirksam, weil diese Bestimmung gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz von Mann und Frau verstoße und mit der EG-Richtlinie 76/207 unvereinbar sei. Sowohl nach Art. 3 GG als auch nach der EG-Richtlinie 76/207 sei die Nichtberücksichtigung ihrer Bewerbung allein wegen ihres Geschlechts unzulässig. Darin liege auch eine Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts. Dementsprechend hätte die Stelle nicht gesperrt werden dürfen. Daher schulde ihr das beklagte Land Schadenersatz in Höhe von drei Monatsgehältern gemäß § 611 a BGB und zusätzliche drei Monatsgehälter als Schadenersatz wegen schuldhafter Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts. Äußerstenfalls müsse das Besetzungsverfahren unter Berücksichtigung ihrer Bewerbung wieder aufgenommen werden.
Die Klägerin hat beantragt,
I. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin als Bibliotheksangestellte (Vergütungsgruppe VI b BAT) einzustellen und in der Benutzerabteilung beim Bibliotheks- und Informationssystem der Universität O. zu beschäftigen;
II. hilfsweise
- die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Schadenersatz in Höhe von drei Monatsgehältern einer Vergütung nach der Vergütungsgruppe VI b BAT für den Verlust des Arbeitsplatzes zu gewähren;
- die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Schadenersatz für den Verlust des immateriellen Schadens in Höhe von drei weiteren Monatsgehältern zu gewähren;
III. hilfsweise
die Beklagte zu verurteilen, das Besetzungsverfahren aufzunehmen und die Bewerbung der Klägerin bei der Auswahl zu berücksichtigen.
Das beklagte Land hat entgegnet, aus Art. 33 Abs. 2 GG lasse sich für die Klägerin schon deshalb kein Einstellungsanspruch herleiten, weil die Klägerin nicht dargetan habe, daß die Stelle mit ihr als der bestgeeigneten Bewerberin hätte besetzt werden müssen und deshalb alle übrigen Entscheidungen ermessensfehlerhaft gewesen wären. Tatsächlich sei eine Auswahlentscheidung überhaupt nicht mehr vorgenommen worden. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Schadenersatz in Geld. Eine Auslegung des § 611 a BGB mit dem Inhalt, daß im Lichte der EG-Richtlinie 76/207 die Beschränkung auf den Vertrauens schaden nicht zwingend sei, sei rechtlich nicht möglich. Auch sei das Persönlichkeitsrecht der Klägerin nicht verletzt. Dem beklagten Land stehe es grundsätzlich frei zu entscheiden, ob es eine Angestelltenstelle besetzen oder sie in eine Beamtenstelle umwandeln wolle. Zudem habe der Versorgungsanspruch der Berufssoldaten Verfassungsrang. Die Ansicht der Klägerin, das SVG sei verfassungswidrig oder verstoße gegen die EG-Richtlinie 76/207, sei unrichtig. Die Klägerin könne auch nicht die Wiederaufnahme des Bewerbungsverfahrens unter Berücksichtigung ihrer Bewerbung durchsetzen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit ihr verfolgt die Klägerin ihr Begehren im ursprünglichen Umfang weiter, wahrend das Beklagte Land beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Der Rechtsstreit ist hinsichtlich des Hauptantrages zur Entscheidung reif; insoweit hatte ein Teilurteil (vgl. § 301 ZPO) zu ergehen. In diesem Umfang ist die Revision unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Hauptantrag mit Recht zurückgewiesen. Dagegen konnte über die infolge der Zurückweisung des Hauptantrags zur Entscheidung angefallenen Hilfsanträge derzeit noch keine Revisionsentscheidung ergehen. Insoweit muß zunächst eine Entscheidung des Präsidiums des Bundesarbeitsgerichts darüber eingeholt werden, welcher Senat des Bundesarbeitsgerichts zuständig ist.
1. Der Hauptantrag ist trotz seines Wortlautes nicht nur auf die Beschäftigung der Klägerin auf der von ihr begehrten Stelle gerichtet, sondern auf die Einstellung der Klägerin entsprechend ihrer Bewerbung um die von der Universität O ausgeschriebenen Stelle. Hiervon sind auch die Vorinstanzen zu Recht ausgegangen.
2. Der Hauptantrag ist zu Recht als unbegründet abgewiesen worden. Dabei kann dahinstehen, ob es – wie das Landesarbeitsgericht gemeint hat – bereits an einer mit der Klägerin besetzbaren Stelle fehle, weil schon bei der Ausschreibung der umstrittenen Stelle eine Besetzungssperre nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) vorgelegen habe, oder ob die Sperrung der Stelle erst durch einen der Ausschreibung nachfolgenden Erlaß vorgenommen worden sei, wie die Klägerin meint. Denn der Klägerin steht ein Anspruch auf Einstellung als Angestellte für die umstrittene Stelle schon deshalb nicht zu, weil sich das Auswahlermessen des beklagten Landes entsprechend Art. 33 Abs. 2 GG nicht derart verdichtet hat, daß die Auswahl der Klägerin aus den 26 Stellenbewerbern die einzig mögliche ermessensfehlerfreie Entscheidung wäre, und weil es für einen Anspruch der Klägerin auf Einstellung auch keine sonstige gesetzliche oder vertragliche Rechtsgrundlage gibt.
a) Gemäß Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Grundsätzlich kann der Bewerber nur verlangen, daß die Behörde seine Einstellungsbewerbung nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung prüft und insbesondere nach den genannten Merkmalen differenziert. Ausnahmsweise kann sich ein Anspruch auf Einstellung dann aus Art. 33 Abs. 2 GG ergeben, wenn sich nach den Verhältnissen des Einzelfalles jede andere Entscheidung als rechtswidrig oder ermessensfehlerhaft erweist und mithin die Einstellung die einzig rechtmäßige Entscheidung der Behörde über die Bewerbung darstellt (Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung, vgl. statt vieler: BAGE 28, 62, 66 = AP Nr. 2 zu Art. 33 Abs. 2 GG, zu II der Gründe; BAGE 40, 1, 7 = AP Nr. 18 zu Art. 33 Abs. 2 GG, zu II 2 der Gründe; BAGE 53, 137, 149 = AP Nr. 26 zu Art. 33 Abs. 2 GG, zu II 4 a der Gründe).
Gemessen hieran erweist sich der Einstellungsantrag schon deshalb als unbegründet, weil unstreitig eine Prüfung und Entscheidung, ob die Klägerin unter den insgesamt 26 Bewerbern und Bewerberinnen diejenige ist, auf die die Auswahl bei Anwendung der in Art. 33 Abs. 2 GG vorgegebenen Kriterien hätte fallen müssen, nicht stattgefunden hat. Die Ansicht der Klägerin, bei Durchführung des Verfahrens hätte die Besetzungskommission die Klägerin als am besten geeignet erachtet, ist unerheblich. Die Kommission hat eine solche Auswahl gerade nicht vollzogen. Der hierzu allein befugte Präsident der Universität O. hat keine Auswahlentscheidung getroffen.
b) Die EG-Richtlinie 76/207 enthält keinen Rechtsanspruch auf Einstellung auf eine bestimmte Stelle. Als Richtlinie wendet sich diese Norm ohnehin nur an die Mitgliedstaaten und überläßt ihnen die Wahl der Form und der Mittel zur Erreichung des verbindlich vorgegebenen Ziels (vgl. Art. 189 Abs. 3 EWG-Vertrag). Sie schreibt auch keinen Anspruch auf Einstellung als Sanktion vor (vgl. EuGH Urteile vom 10. April 1984 – Rechtssachen 14/83 und 79/83 – AP Nr. 1 und 2 zu § 611 a BGB.
c) Auch § 611 a BGB normiert keinen Einstellungsanspruch, sondern nur einen Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens (vgl. BAG Urteile vom 14. März 1989, BAGE 61, 209 und 219 = AP Nr. 5 und 6 zu § 611 a BGB).
d) Auf eine vertragliche Grundlage läßt sich der Hauptantrag nicht stützen. Hierfür ist nichts vorgetragen worden.
3. Insgesamt ist der Hauptantrag unbegründet, so daß die Revision insoweit zurückzuweisen war.
Unterschriften
Dr. Seidensticker, Dr. Steckhan, Schliemann, Dr. Gentz, Dr. Zachert
Fundstellen