Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung wegen Tätigkeit für das MfS. Fragebogenlüge
Normenkette
Einigungsvertrag Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 5 Ziff. 2; BGB § 626; KSchG § 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 15. November 1996 – 3 Sa 766/96 – wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen und einer vorsorglichen ordentlichen Kündigung, die der Beklagte mit einer Tätigkeit des Klägers für das frühere MfS und mit falschen Erklärungen des Klägers hierzu begründet.
Der im Jahre 1952 geborene Kläger war seit 1972 Lehrer mit der Lehrbefähigung für die unteren Klassen im staatlichen Schuldienst der DDR. Er leistete von November 1976 bis April 1978 Grundwehrdienst bei der NVA. Am 31. Mai 1977 unterzeichnete er eine Verpflichtungserklärung zur Unterstützung des MfS unter dem Decknamen „Erich”. Ziel der Werbung war nach Darstellung des MfS die Erarbeitung von Informationen zum Geheimnisschutz. Der Kläger war damals als Schreiber/Sachbearbeiter eingesetzt und als militärischer Geheimnisträger GVS-verpflichtet. Am 24. Juni 1977 lieferte er drei handschriftliche Berichte. Außerdem existieren fünf Treffberichte des Führungsoffiziers. Auf der Abschlußbeurteilung des MfS vom 3. Mai 1979 ist vermerkt: „IMS wird nicht übernommen, wegen unzureichender Arbeitsergebnisse, SED-Mitgliedschaft und der seit über einem Jahr fehlenden Verbindung.”
Am 1. März 1991 und am 22. Mai 1992 verneinte der in den Schuldienst des Beklagten übernommene Kläger die Fragen des Beklagten nach einer Tätigkeit für das MfS.
Der Beklagte erhielt durch eine Auskunft des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (Gauck-Auskunft) vom 8. August 1995 Kenntnis von der MfS-Tätigkeit des Klägers. Er hörte den Kläger am 24. August 1995 hierzu an. Nachdem erden Bezirkspersonalrat mit Schreiben vom 31. August 1995 über die beabsichtigte außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung unterrichtet hatte, erklärte dieser am 4. September 1995, sich zur außerordentlichen Kündigung nicht äußern zu wollen.
Mit Schreiben vom 11. September 1995, dem Kläger zugegangen am 16. September 1995, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers außerordentlich mit sofortiger Wirkung wegen der Tätigkeit für das MfS und der wahrheitswidrigen Angaben hierzu. Hilfsweise kündigte der Beklagte mit Schreiben vom 4. Oktober 1995 ordentlich zum 30. Juni 1996.
Mit der am 19. September 1995 beim Arbeitsgericht eingereichten und am 20. Oktober 1995 auf die ordentliche Kündigung erweiterten Kündigungsschutzklage hat der Kläger vorgetragen, er könne sich an eine schriftliche Verpflichtungserklärung für das MfS nicht mehr erinnern. Die Beziehung zu dem Führungsoffizier des MfS sei eine normale Dienstbeziehung im Rahmen seiner Aufgaben als VS-Schreiber gewesen. Der Führungsoffizier, Hauptmann P., sei auch sein militärischer Vorgesetzter gewesen. Die Werbung sei an seinem Geburtstag erfolgt, wobei Hauptmann P. zu Schnaps eingeladen und das „Du.” angeboten habe. Schon am 24. Juni 1977 habe er, der Kläger, das Vertrauen zu P. verloren, als dieser im Anschluß an ein Gespräch entsprechende schriftliche Berichte verlangt habe. Nach Ende seines Wehrdienstes habe er sich nicht mehr bei dem MfS gemeldet und sich neuerlichen Kontakten entzogen. Er habe dann einem lockeren Kreis kritischer Parteimitglieder angehört und den Posten eines Parteisekretärs abgelehnt. Im November 1989 sei er aus der SED ausgetreten. Er habe sich im Schuldienst bewährt, Formen des offenen Unterrichts gepflegt und weitere Verbindungen geknüpft. Schließlich sei der Personalrat vor Ausspruch der Kündigung nicht ordnungsgemäß beteiligt worden.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigungen des Beklagten vom 11. September 1995 und 4. Oktober 1995 nicht beendet worden sei,
- den Beklagten zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Grundschullehrer bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat geltend gemacht, der Kläger habe bewußt für das MfS gearbeitet. Daraus ergebe sich die Unzumutbarkeit, am Arbeitsverhältnis als Lehrer festzuhalten. Der Kläger sei zu Beginn seiner Tätigkeit für das MfS bereits 25 Jahre alt und mehrjährig als Lehrer tätig gewesen. Er habe die Fragen in dem Erklärungsbogen grob unehrlich beantwortet. Für den öffentlichen Dienst sei er deshalb nicht mehr tragbar und ungeeignet. Die Beteiligung des Bezirkspersonalrats sei ordnungsgemäß erfolgt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben.
I. Die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 11. September 1995 ist unwirksam. Der Beklagte hat einen ausreichenden Kündigungsgrund nicht dargelegt.
1. Soweit der Beklagte die Kündigung auf die Tätigkeit des Klägers für das frühere MfS stützt, ist Prüfungsmaßstab Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 5 Ziff. 2 der Anlage 1 zum Einigungsvertrag (künftig: Abs. 5 Ziff. 2 EV). Denn nach Art. 20 Abs. 1 Einigungsvertrag gelten für die Arbeitsverhältnisse der Angehörigen des öffentlichen Dienstes zum Zeitpunkt des Beitritts die in der Anlage 1 zum Einigungsvertrag vereinbarten Kündigungsregelungen. Unstreitig hat das im Jahre 1972 begründete Arbeitsverhältnis des Klägers beim Zugang der Kündigungserklärung mit dem Beklagten fortbestanden.
2. Das Landesarbeitsgericht hat seiner Entscheidung zutreffend die ständige Rechtsprechung des Senats zu den Voraussetzungen einer Kündigung wegen Tätigkeit für das frühere MfS zugrunde gelegt.
Nach Abs. 5 Ziff. 2 EV liegt ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung dann vor, wenn der Arbeitnehmer für das frühere MfS bzw. Amt für Nationale Sicherheit tätig war und deshalb ein Festhalten am Arbeitsverhältnis unzumutbar erscheint. Abs. 5 Ziff. 2 EV unterscheidet nicht zwischen hauptamtlichen und inoffiziellen Mitarbeitern der Staatssicherheit. Damit gilt auch für inoffizielle Mitarbeiter, daß eine außerordentliche Kündigung nur gerechtfertigt ist, wenn eine bewußte, finale Mitarbeit für das MfS/AfNS vorliegt (vgl. BAG Urteil vom 26. August 1993 – 8 AZR 561/92 – BAGE 74, 120 = AP Nr. 8 zu Art. 20 Einigungsvertrag; BAG Urteil vom 23. September 1993 – 8 AZR 484/92 – BAGE 74, 257 = AP Nr. 19 zu Einigungsvertrag Anlage 1 Kap. XIX).
Die außerordentliche Kündigung nach Abs. 5 Ziff. 2 EV setzt weiter voraus, daß wegen der Tätigkeit für das MfS ein Festhalten am Arbeitsverhältnis unzumutbar erscheint. Ob dies der Fall ist, muß in einer Einzelfallprüfung festgestellt werden. Abs. 5 Ziff. 2 EV ist keine „Mußbestimmung”. Nicht jedem, der für das MfS tätig war, ist zu kündigen. Das individuelle Maß der Verstrickung bestimmt über die außerordentliche Auflösbarkeit des Arbeitsverhältnisses. Je größer das Maß der Verstrikkung, desto unwahrscheinlicher ist die Annahme, dieser Beschäftigte sei als Angehöriger des öffentlichen Dienstes der Bevölkerung noch zumutbar (vgl. BAG Urteil vom 11. Juni 1992 – 8 AZR 474/91 – BAGE 70, 309, 320 = AP Nr. 4, a.a.O., zu B II 1 c der Gründe). Beim inoffiziellen Mitarbeiter wird sich der Grad der persönlichen Verstrickung vor allem aus Art, Dauer und Intensität der Tätigkeit sowie aus Zeitpunkt und Grund der Aufnahme und der Beendigung der Tätigkeit für das MfS ergeben.
Die Tätigkeit eines inoffiziellen Mitarbeiters ist häufig nach außen nicht erkennbar geworden. Ein inoffizieller Mitarbeiter arbeitete typischerweise verdeckt. Dennoch kann es nicht darauf ankommen, ob er nicht entdeckt wurde und deshalb seine Tätigkeit für das MfS nicht bekannt ist. Maßgebend ist, ob das Vertrauen der Bürger in die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung bei Bekanntwerden der Tätigkeit für das MfS in einer Weise beeinträchtigt würde, die das Festhalten am Arbeitsverhältnis unzumutbar macht. Eine glaubwürdige rechtsstaatliche Verwaltung kann nicht auf der Annahme aufgebaut werden, die Belastung eines Mitarbeiters werde schon nicht bekanntwerden.
Bei der Prüfung der Zumutbarkeit zu beachten ist ferner die Art der Tätigkeit, die der Arbeitnehmer in dem in Frage stehenden Arbeitsverhältnis ausübt. Ob das Vertrauen in die Verwaltung durch die Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers erschüttert wird, hängt nicht nur von der Verstrickung des Arbeitnehmers mit dem MfS ab, sondern auch davon, welche Wirkungsmöglichkeiten und Befugnisse der Arbeitnehmer in seinem jetzigen Arbeitsverhältnis hat (BVerfG Urteil vom 8. Juli 1997 –1 BvR 1934/93 – BVerfGE 96, 189, 199 ff. = AP Nr. 67 zu Einigungsvertrag Anlage 1 Kap. XIX, zu C I 2 b der Gründe). Die Beschäftigung eines belasteten Arbeitnehmers mit rein vollziehender Sachbearbeitertätigkeit oder handwerklicher Tätigkeit wird das Vertrauen in die Verwaltung weniger beeinträchtigen als die Ausübung von Entscheidungs- und Schlüsselfunktionen durch einen ebenso belasteten Arbeitnehmer.
3. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Tätigkeit des Klägers für das MfS rechtfertige die Kündigung nicht, hält der revisionsgerichtlichen Überprüfung stand.
a) Der Kläger ist bewußt und gewollt als inoffizieller Mitarbeiter für das MfS tätig geworden. Das steht zwischen den Parteien außer Streit.
b) Zur Unzumutbarkeit des Festhaltens am Arbeitsverhältnis hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt: Bei Abwägung aller Umstände erscheine eine Fortbeschäftigung des Klägers in der Position als Lehrer nicht unzumutbar. Es seien Umstände vorhanden, die die Bedeutung seiner MfS-Tätigkeit für das heutige Arbeitsverhältnis zurücktreten ließen. So sei zugunsten des Klägers insbesondere zu berücksichtigen, daß er ausschließlich während seines Wehrdienstes bei der NVA für das MfS tätig gewesen sei, daß sein militärischer Vorgesetzter gleichzeitig als sein Führungsoffizier aufgetreten sei, daß es eines besonderen Mutes bedurft hätte, sich gerade dem militärischen Vorgesetzten zu verweigern, und daß die Spitzeltätigkeit auch nach Einschätzung des MfS unbedeutend gewesen sei und „unzureichende Arbeitsergebnisse” erbracht habe. Dies sei auch einer der Gründe für den Abbruch der Beziehungen zwischen dem MfS und dem Kläger gewesen. Zwar habe der Kläger in den drei handschriftlichen Berichten über kritische Äußerungen namentlich genannter Kameraden, so insbesondere über Möglichkeiten des illegalen Grenzübertritts, über Kaufmöglichkeiten im Intershop und wie man an Westgeld herankomme, sowie über Äußerungen aus einer Zusammenkunft des „Zirkels Junger Sozialisten”, also einer Parteiveranstaltung nicht vertraulichen und persönlichen Charakters, berichtet. Doch seien sämtliche Berichte an einem Tag, dem 24. Juni 1977, verfaßt worden. Ihre geringe Bedeutung für das MfS sei einsichtig. Es sei um Gespräche gegangen, wie sie allgemein bekanntermaßen unter Soldaten der NVA geführt würden. Eine sonstige Spitzeltätigkeit des Klägers betreffend Äußerungen und Verhaltensweisen von Kameraden sei nicht ersichtlich. Die Kontakte des Klägers zum MfS hätten nur ein knappes Jahr gedauert und bei Ausspruch der Kündigung etwa 18 Jahre zurückgelegen.
c) Die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Zumutbarkeit des Festhaltens am Arbeitsverhältnis ist in der Revisionsinstanz nur beschränkt nachprüfbar. Es handelt sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden kann, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des Abs. 5 Ziff. 2 EV Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob das Urteil in sich widerspruchsfrei ist (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. zu § 1 KSchG u.a. Urteil vom 21. Mai 1992 – 2 AZR 10/92 – BAGE 70, 262, 268 f. = AP Nr. 29 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, zu II 2 a der Gründe, m.w.N.; zu Abs. 5 Ziff. 2 EV zuletzt Senatsurteil vom 19. März 1998 – 8 AZR 560/96 –, n.v., zu II 3 b der Gründe). Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das angefochtene Urteil stand.
aa) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht die Stellung des Klägers in einem „besonderen Gewaltverhältnis” bei der NVA als einen wesentlichen Gesichtspunkt gewürdigt. Für die Zumutbarkeit des Festhaltens am Arbeitsverhältnis kommt es in erheblichem Maße darauf an, in welchem Zusammenhang die Tätigkeit für das MfS stand. Das Landesarbeitsgericht hat unangefochten festgestellt, der MfS-Offizier sei dem Wehrpflichtigen als Vorgesetzter in Uniform der NVA gegenübergetreten. Durch diese starke Einflußnahme war die Entschließungsfreiheit des Soldaten erheblich gemindert. Der Beklagte hat auch den vom Landesarbeitsgericht herausgestellten spezifischen Zusammenhang der Berichtstätigkeit des Klägers mit dem Wehrdienst nicht in Abrede gestellt. Zwar rechtfertigt auch eine Art von soldatischer Verpflichtung und damit ein nahezu dienstlicher Charakter nicht die Verletzung der Persönlichkeitssphäre anderer Soldaten. Doch erscheint die persönliche Verstrickung geringer, wenn ausschließlich interne Vorgänge zum Zwecke der (angeblichen) militärischen Absicherung der NVA berührt werden (Senatsurteil vom 16. Oktober 1997 – 8 AZR 762/95, n.v., zu 1 der Gründe; Senatsurteil vom 19. März 1998, a.a.O., zu II 3 b aa der Gründe).
bb) Die Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht verharmlose die handschriftlichen Berichte des Klägers vom 24. Juni 1977, ist nicht begründet. Der Inhalt der Berichte ist weder unbedeutend noch besonders verwerflich. Die Wertung des Landesarbeitsgerichts erscheint vertretbar. Rechtsfehler hierzu zeigt die Revision nicht auf. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, abgesehen von dem 24. Juni 1977 sei eine Spitzeltätigkeit des Klägers nicht ersichtlich, ist nicht zu beanstanden. Die vorgelegten Treffberichte enthalten nichts (zusätzlich) Wesentliches.
cc) Das Landesarbeitsgericht hat auch die Stellung des Klägers als Lehrer an einer Grundschule ausreichend berücksichtigt. Zwar handelt es sich hierbei um eine Position mit besonderen Wirkungsmöglichkeiten, die persönliche Integrität voraussetzt. Dennoch führt die gebotene Einzelabwägung nicht in jedem Falle zur Unzumutbarkeit des Festhaltens am Arbeitsverhältnis des Lehrers, wenn dieser nur verhältnismäßig gering belastet ist. Das Landesarbeitsgericht hat die wesentlichen Umstände berücksichtigt und widerspruchsfrei abgewogen. Das Abwägungsergebnis des Landesarbeitsgerichts ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die Revision hält dem lediglich ihre Auffassung entgegen, angesichts der Belastung des Klägers erscheine ein Festhalten am Arbeitsverhältnis nicht mehr zumutbar.
4. Soweit der Beklagte die Kündigung auf die wahrheitswidrigen Angaben des Klägers vom 1. März 1991 und 22. Mai 1992 stützt, hat das Landesarbeitsgericht zutreffend § 626 BGB/§ 54 BAT-O herangezogen. Abs. 5 Ziff. 2 EV betrifft nur die aus der früheren MfS-Tätigkeit resultierende Unzumutbarkeit (vgl. Senatsurteil vom 18. Juli 1996 – 8 AZR 523/95 –, n.v., zu B II 2 b der Gründe; Senatsurteil vom 19. März 1998, a.a.O., zu II 4 a der Gründe). Zwar kann die falsche Beantwortung der Frage nach einer Tätigkeit für das MfS einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen. Wie das Landesarbeitsgericht aber zu Recht ausgeführt hat, hat der Beklagte die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB/§ 54 Abs. 2 BAT-O nicht eingehalten. Hierzu erhebt die Revision keine Einwendungen.
II. Die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 4. Oktober 1995 ist mangels eines rechtfertigenden Grundes ebenfalls unwirksam.
1. Der Beklagte begründet auch diese Kündigung mit der Tätigkeit des Klägers für das MfS im Sinne von Abs. 5 Ziff. 2 EV.
a) Das Landesarbeitsgericht hat die Wirksamkeit der Kündigung unter diesem Gesichtspunkt nach dem Maßstab des Abs. 5 Ziff. 2 EV geprüft. Das entspricht nicht der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Der Senat hat nur bis zum 31. Dezember 1993 (Außerkrafttreten von Abs. 4 Ziff. 1 EV) zugegangene ordentliche Kündigungen nach Abs. 5 Ziff. 2 EV beurteilt (vgl. BAG Urteil vom 26. August 1993 – 8 AZR 561/92 – BAGE 74, 120, 123 = AP Nr. 8 zu Art. 20 Einigungsvertrag, zu B II 2 der Gründe). Für spätere Kündigungen ist allein § 1 KSchG anwendbar (vgl. BAG Urteil vom 13. März 1997 – 2 AZR 506/96 –, n.v., zu II 1 der Gründe; BAG Urteil vom 20. August 1997 – 2 AZR 42/97 –, n.v.; BAG Urteil vom 4. Dezember 1997 – 2 AZR 750/96 – AP Nr. 37 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; Senatsurteil vom 19. März 1998 – 8 AZR 596/96 –, n.v.). Das Landesarbeitsgericht hat deshalb bei der Beurteilung der ordentlichen Kündigung fälschlich allein auf die Ausführungen zur fehlenden Unzumutbarkeit nach Abs. 5 Ziff. 2 EV verwiesen.
b) Dieser Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts zwingt aber nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Vielmehr erweist sich die Entscheidung aus anderen Gründen als richtig (§ 563 ZPO). Die ordentliche Kündigung ist nicht wegen der Tätigkeit des Klägers für das MfS nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt. Das kann der Senat abschließend entscheiden, da der entscheidungserhebliche Sachverhalt festgestellt ist und eine weitere Sachaufklärung nach einer Zurückverweisung nicht zu erwarten ist.
Der Sache nach tragen die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts auch die Annahme einer fehlenden sozialen Rechtfertigung. Der Beklagte hat nicht schlüssig dargelegt, aus der MfS-Tätigkeit des Klägers habe sich noch zum Kündigungszeitpunkt dessen fehlende Eignung für den Lehrerberuf ergeben. Die Ausführungen des Beklagten sind ohne jede Substanz. Insbesondere hat der Beklagte auch nicht vorgetragen, welche Auswirkungen im Arbeitsverhältnis das festgestellte Verhalten des Klägers zum Kündigungszeitpunkt noch haben konnte (vgl. auch BAG Urteil vom 20. August 1997, a.a.O., zu II 3 a der Gründe; Senatsurteil vom 16. Oktober 1997, a.a.O., zu 1 der Gründe).
2. Der Beklagte stützt die ordentliche Kündigung vornehmlich auf die vorsätzlich falschen Angaben des Klägers zur MfS-Tätigkeit.
a) Das Landesarbeitsgericht ist insoweit zutreffend von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ausgegangen (vgl. nur Senatsurteil vom 26. August 1993, a.a.O.; BAG Urteil vom 13. September 1995 – 2 AZR 862/94 – AP Nr. 53 zu Einigungsvertrag Anlage 1 Kap. XIX; vgl. zuletzt BAG Urteil vom 4. Dezember 1997, a.a.O., zu II 2, 3 der Gründe). Es hat dann ausgeführt, da eine Kündigung wegen der MfS- Tätigkeit nicht in Betracht gekommen sei, wiege die Falschbeantwortung bei Abwägung aller Umstände weniger schwer. Der dennoch bleibende Vorwurf der Unwahrheit trete bei Berücksichtigung der vom Kläger vorgetragenen entlastenden Umstände (Ablehnung des ihm angetragenen Amtes eines Parteisekretärs, Austritt aus der SED im November 1989, Bewährung als Lehrer im Schuldienst des Beklagten) zurück.
b) Die Angriffe der Revision hiergegen bleiben ohne Erfolg.
Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend berücksichtigt, daß die MfS-Tätigkeit des Klägers für eine Kündigung nicht ausreichte, weil der Kläger unter besonderen Umständen, nicht sonderlich intensiv und vor längerer Zeit tätig wurde. Diese Gesichtspunkte waren dem Kläger bekannt, der deshalb von einer geringeren Belastung und minderen Bedeutung für die Beurteilung des Arbeitgebers ausgehen durfte. Die Falschbeantwortung wiegt infolgedessen weniger schwer als bei höherer Belastung durch die MfS-Tätigkeit (vgl. BAG Urteile vom 16. Oktober 1997, a.a.O., zu 2 der Gründe; vom 4. Dezember 1997, a.a.O., zu II 3 der Gründe).
Die Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts ist auch im übrigen nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht hat das Verhalten des Klägers im Anschluß an seinen Grundwehrdienst zu Recht mitberücksichtigt. Dabei kommt es nicht einmal darauf an, aus welchen Gründen der Kläger das Amt des Parteisekretärs nicht bekleidet hat, ob er es etwa unter Inkaufnahme von Risiken abgelehnt hat. Jedenfalls ist der Kläger bis zur Wende nicht in irgendeiner Weise im Sinne der SED hervorgetreten. Er hat sich auch danach im Schuldienst des Beklagten unstreitig bewährt. Gegenteiliges hierzu hat der Beklagte nicht vorgetragen. Wenn das Landesarbeitsgericht angesichts der angeführten Umstände von einem „situationsbedingten Fehlverhalten” des Klägers spricht und dieses in seiner Bedeutung für das weitere Arbeitsverhältnis zurücktreten läßt, ist das revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
III. Demnach kommt es nicht darauf an, ob die Kündigungen auch gem. § 108 Abs. 2 BPersVG unwirksam sind. Freilich kann mit dem Landesarbeitsgericht eine ordnungsgemäße Beteiligung des Bezirkspersonalrats angenommen werden. Der Kläger erhebt in der Revisionsinstanz auch keine entsprechenden Rügen mehr.
IV. Über den Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung ist nicht mehr zu entscheiden, da der Rechtsstreit durch das vorliegende Urteil rechtskräftig abgeschlossen wird.
V. Der Beklagte hat die Kosten seiner erfolglosen Revision gem. § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Unterschriften
Ascheid, Müller-Glöge, Mikosch, P. Knospe, Scholz
Fundstellen