Entscheidungsstichwort (Thema)
Begleitende und nachgehende Fürsorge
Leitsatz (redaktionell)
Begleitende und nachgehende Fürsorge für Heiminsassen als besonders schwierige Aufgaben iS der Protokollnotiz Nr 9 besteht nicht nur in der persönlichen Betreuung von Heiminsassen sondern umfaßt auch administrative Aufgaben. Dazu zählen auch Aufgaben, die der Unterbringung vorausgehen, insbesondere die Auswahl eines geeigneten Heimes.
Normenkette
BAT Anlage 1a; BAT § 22 Fassung: 1975-03-17
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 25.02.1987; Aktenzeichen 7 Sa 1698/86E) |
ArbG Lüneburg (Entscheidung vom 05.09.1986; Aktenzeichen 1 Ca 936/85E) |
Tatbestand
Der Kläger ist Diplom-Sozialpädagoge und Mitglied der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV). Er ist seit dem 1. April 1982 bei dem beklagten Land beschäftigt und erhielt bis zum 31. Dezember 1985 Vergütung nach VergGr. V b BAT.
Dem Kläger ist als Sachbearbeiter die Durchführung der freiwilligen Erziehungshilfe (FEH), der Fürsorgeerziehung (FE) und der weiterführenden Hilfen für junge Volljährige gem. §§ 62 bis 75 a JWG übertragen. Nach den Arbeitsplatzbeschreibungen vom 17. Dezember 1982 und vom 7. Dezember 1983 obliegen ihm im einzelnen folgende Aufgaben:
- Bearbeitung von Anträgen auf Gewährung der
FEH, der Beschlüsse auf Anordnung der FE und
der Weitergewährung von Förderungsmaßnahmen
nach § 75 a JWG für junge Volljährige.
- Mitwirkung bei der Gewährung, Ablehnung oder
bei Widerspruchsbescheiden im Antragsverfahren auf
Gewährung der FEH.
- Durchführungsmaßnahmen bei der FEH/FE,
Auswahl des geeigneten Heimes, der
Familie, Pflegestelle, sozialpädagogischen
Pflegestelle, Wohngemeinschaft, eigenständigen
Wohnung usw. zum Zwecke der Sicherstellung der
entsprechenden Erziehungshilfe, Veranlassung
der Unterbringung in einer psychoanalytischen
oder psychotherapeutischen Sondereinrichtung.
- Mitwirkung bei der Festlegung des Erziehungsplanes.
Persönliche Beratung der Minderjährigen,
Eltern und Heimerzieher zwecks Regelung
herausragender Erziehungsproblematik. Regelung
von Beschulungsangelegenheiten; Bearbeitung
von versicherungs- und arbeitsrechtlichen
Fragen, Vermittlung in Ausbildungs- und Arbeitsstellen;
Gewährung von Urlaub, Arbeitsurlaub
und Ferienfreizeiten; tangierende Mitwirkung
in Angelegenheiten des Jugendstrafvollzuges,
Jugendarrest und der Bewährungshilfe,
dabei Zusammenarbeit mit den jeweils
zuständigen Justizbehörden und der Polizei,
Erstellung von Fahndungsersuchen bei Entweichungen.
Bewilligung von Kosten als unselbständige
gesetzliche Nebenfolge der Erziehungshilfe
wie Heimpflegekosten einschl. der Nebenkosten,
Pflegegeld an Pflegefamilien, Hilfe zum
Lebensunterhalt; Bearbeitung von Beihilfen zur
Anschaffung von Bekleidung, Lernmitteln, Handwerkszeug,
Fahrten zur Arbeitsstelle, Fahrten
zu Angehörigen, Elternbesuche in Heimen usw.
Bearbeitung der Heranziehung von Minderjährigen
und jungen Volljährigen mit ihrem Arbeitseinkommen
oder ihrer Ausbildungsvergütung zu den
Kosten der FEH/FE.
- Mitwirkung bei der Betreuung von Minderjährigen der
FEH/FE und jungen Volljährigen, die aus der Heimerziehung
entlassen werden oder sich außerhalb der
Heimerziehung befinden.
- Beratung von Heimen und Jugendämtern in allgemeinen
Problemen der Jugendhilfe und insbesondere bei Maßnahmen
zur Durchführung der FEH/FE.
- Entscheidung über Art und Zeitpunkt der Aufhebung
der FEH/FE und der Maßnahmen nach § 75 a JWG.
Üblicherweise ist dem Kläger die Betreuung von ca. 150 Personen übertragen. Überwiegend beziehen sich die ihm obliegenden Aufgaben auf Heiminsassen. So befanden sich im August 1985 von den 154 von ihm zu betreuenden Personen 113 Personen in der Heimerziehung. 14 Personen wurden nach Entlassung aus dem Heim betreut.
Mit Schreiben vom 21. September 1983 hat der Kläger seinen Anspruch auf Zahlung der Differenz zwischen der Vergütung nach VergGr. V b BAT und der Vergütung nach VergGr. IV b BAT für die Zeit ab 1. Oktober 1982 geltend gemacht.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, daß seine Tätigkeit das Tätigkeitsmerkmal der VergGr. IV b Fallgruppe 7, Teil II, Abschnitt G, Unterabschnitt I (Angestellte im Sozialdienst) der Anlage 1 a zum BAT erfülle. Ihm seien als Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung besonders schwierige Aufgaben übertragen. Als besonders schwierige Aufgabe sei in der Protokollnotiz Nr. 9 c) die begleitende und die nachgehende Fürsorge für Heiminsassen genannt. Diese Tätigkeit nehme er zu 80 % seiner Gesamtarbeitszeit wahr. Dabei oblägen ihm nicht nur administrative Aufgaben. Er führe in mehr als der Hälfte aller Fälle Erziehungsberatungsgespräche. Seine Tätigkeit sei auch wegen der großen Anzahl, der Vielfalt und der unterschiedlichen Struktur der Fälle, der Größe des Betreuungsgebietes, der Notwendigkeit der Koordination aller beteiligten Personen, Dienststellen, Einrichtungen und Institutionen, der notwendigen Kenntnisse vieler und sich ständig ändernder Gesetze und der hohen Verantwortung für die Betroffenen besonders schwierig.
Der Kläger hat beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, an ihn
12.612,89 DM zu zahlen.
Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, daß der Kläger tarifgerecht vergütet werde. Die überwiegende Tätigkeit des Klägers bestehe nicht in der begleitenden und nachgehenden Fürsorge für Heiminsassen. Die begleitende und nachgehende Fürsorge für Heiminsassen im Tarifsinne beziehe sich nicht auf Maßnahmen, die der Kläger vor Aufnahme in ein Heim treffe. Sie umfasse außerdem nur die Fälle, in denen ein Heiminsasse sowohl während des Heimaufenthaltes als auch danach betreut werde. Diese Tätigkeit nehme nur zwischen 20 und 30 % der Gesamtarbeitszeit des Klägers in Anspruch. Außerdem erfordere eine fürsorgerische Tätigkeit eine persönliche Betreuung der Betroffenen. Eine solche werde vom Kläger nicht überwiegend wahrgenommen. Das Schwergewicht seiner Tätigkeit liege vielmehr im administrativen Bereich und nicht in der individuellen Fürsorge für die Heiminsassen. Der dem Kläger übertragene Aufgabenbereich entspreche im übrigen seiner beruflichen Qualifikation und sei nicht als besonders schwierig anzusehen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Dabei hat er seinen Klageantrag um 1693,91 DM auf 10.918,98 DM ermäßigt, weil die auf den Zeitraum von Oktober 1982 bis März 1983 entfallenden Vergütungsdifferenzbeträge nicht innerhalb der Ausschlußfrist nach § 70 BAT geltend gemacht worden sind. Außerdem hat der Kläger klargestellt, daß er die Zahlung eines Bruttobetrages begehrt. Das beklagte Land beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des berufungsgerichtlichen Urteils und im Umfange des ermäßigten Klageantrags zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Dem Kläger steht der Differenzbetrag zwischen der Vergütung nach VergGr. V b BAT und der Vergütung nach VergGr. IV b BAT für die Zeit vom 1. April 1983 bis zum 31. Dezember 1985 in der unstreitigen Höhe von 10.918,98 DM brutto zu.
Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der BAT unmittelbar und zwingend Anwendung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Damit hängt die Entscheidung des Rechtsstreits davon ab, ob die Hälfte der Gesamtarbeitszeit des Klägers ausfüllende Arbeitsvorgänge den Tätigkeitsmerkmalen der vom Kläger für sich beanspruchten Vergütungsgruppe IV b BAT entsprechen (§ 22 Abs. 1, Abs. 2 Unterabsatz 1 und Unterabsatz 2 Satz 1 BAT). Dabei ist von dem von der Senatsrechtsprechung entwickelten Begriff des Arbeitsvorganges auszugehen, wonach darunter eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten und bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten zu verstehen ist (vgl. BAG Urteil vom 29. Januar 1986 - 4 AZR 465/84 - AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975, zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt, m.w.N.).
Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, daß die gesamte Tätigkeit des Klägers bei der Durchführung der freiwilligen Erziehungshilfe und der Fürsorgeerziehung sowie der weiterführenden Hilfen für junge Volljährige gem. §§ 62 bis 75 a JWG als ein großer Arbeitsvorgang anzusehen sei, da alle Einzeltätigkeiten auf das Arbeitsergebnis der Durchführung der gesetzlichen Maßnahmen nach §§ 62 ff. JWG gerichtet seien.
Dem ist im wesentlichen zuzustimmen. Das Arbeitsergebnis der dem Kläger insgesamt übertragenen Aufgaben ist die Durchführung der freiwilligen Erziehungshilfe und Fürsorgeerziehung nach Abschnitt VI, Unterabschnitt 2 des Gesetzes für Jugendwohlfahrt (§§ 62 bis 77 JWG). Dieser gesetzlich bestimmte Aufgabenkreis ist dem Kläger für eine nach den Anfangsbuchstaben der Namen bestimmte Gruppe Minderjähriger und junger Volljähriger allein übertragen. Alle Maßnahmen, die er zur Erfüllung dieses Auftrags im einzelnen trifft, beginnend mit den Anträgen auf freiwillige Erziehungshilfe oder der Anordnung der Fürsorgeerziehung bis zu deren Aufhebung, stehen in einem tatsächlichen und durch den gesetzlichen Auftrag bestimmten rechtlichen Zusammenhang. Demgemäß zählen ebenso die Auswahl des geeigneten Heims oder der Familie zur Unterbringung wie die Mitwirkung bei der Festlegung des Erziehungsplans, die Regelung von Schulangelegenheiten und finanziellen Belangen, die entsprechende Beratung der Heime und die Betreuung nach Verlassen des Heimes wie durch die Vermittlung von Arbeitsstellen zu diesem Arbeitsvorgang.
Eine Abgrenzung hinsichtlich der vom Kläger wahrgenommenen Arbeitsvorgänge ist allerdings im Hinblick auf die selbständige tarifliche Bewertbarkeit eines Arbeitsvorganges insoweit vorzunehmen, als der Kläger Jugendliche betreut, die in Heimen untergebracht sind oder aus diesen entlassen wurden, und solche, die sich außerhalb der Heimerziehung, ohne diese durchlaufen zu haben, befinden. Die begleitende und die nachgehende Fürsorge für Heiminsassen unterliegt einer gesonderten tariflichen Bewertung im Hinblick auf die Protokollnotiz Nr. 9 c) zu Abschnitt G, Unterabschnitt I des Teils II der Anlage 1 a zum BAT. Sie ist deshalb tariflich selbständig zu bewerten und kann nicht mit Tätigkeiten, die sich auf Jugendliche beziehen, die sich ständig außerhalb der Heimerziehung befinden, zu einem Arbeitsvorgang zusammengefaßt werden.
Entgegen der Auffassung des beklagten Landes folgt aus dem Wortlaut der Protokollnotiz Nr. 9 c) jedoch nicht, daß die begleitende und die nachgehende Fürsorge im tariflichen Sinne sich auf denselben Heiminsassen beziehen müssen, so daß im Hinblick auf die tariflich selbständige Bewertbarkeit eines Arbeitsvorganges unterschiedliche Arbeitsvorgänge anzunehmen wären, je nachdem, ob ein Heiminsasse nur begleitend oder nur nachgehend oder begleitend und nachgehend betreut wird. Im Wortlaut der tariflichen Bestimmung ist insbesondere durch die zweimalige Verwendung des Artikels "die" zum Ausdruck gekommen, daß die Tarifvertragsparteien sowohl die begleitende als auch die nachgehende Fürsorge als Beispielstätigkeit für besonders schwierige Aufgaben im Sinne der VergGr. IV b Fallgruppe 7 kennzeichnen wollen, so daß es im Hinblick auf die tarifliche Bewertung keinen Unterschied macht, ob sich die Fürsorgemaßnahmen auf denselben Heiminsassen oder auf verschiedene Heiminsassen beziehen.
Nach den Feststellungen des Arbeitsgerichts, auf die das Landesarbeitsgericht Bezug genommen hat, und denen das beklagte Land nicht widersprochen hat, betreut der Kläger üblicherweise ca. 150 Personen. Von den 154 von ihm im August 1985 betreuten Personen befanden sich 113 in Heimen und 14 wurden betreut, nachdem sie das Heim verlassen hatten. Es handelt sich insoweit um Durchschnittszahlen, die vom beklagten Land nicht bestritten worden sind. Daraus ergibt sich, daß der Arbeitsvorgang "Durchführung von Maßnahmen der Freiwilligen Erziehungshilfe und der Fürsorgeerziehung bei Heiminsassen und Jugendlichen nach Verlassen des Heimes" nach §§ 62 ff. JWG ca. 80 % der Gesamtarbeitszeit des Klägers in Anspruch nimmt.
Für die tarifliche Bewertung dieses Arbeitsvorganges sind folgende Tätigkeitsmerkmale des Teils II, Abschnitt G, Unterabschnitt I (Angestellte im Sozialdienst) der Anlage 1 a zum BAT heranzuziehen:
VergGr. V b
1. Sozialarbeiter/Sozialpädagoge mit staatlicher
Anerkennung und entsprechender Tätigkeit
......
VergGr. IV b
.....
7. Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher
Anerkennung, denen besonders schwierige Aufgaben
übertragen sind.
(Hierzu Protokollnotizen Nrn. 1, 2, 3, 4 und 9)
Protokollnotiz Nr. 9
Besonders schwierige Aufgaben sind z. B.
....
c) die begleitende und die nachgehende Fürsorge
für Heiminsassen.
Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, daß die Tätigkeit des Klägers das Tätigkeitsmerkmal der VergGr. V b Fallgruppe 1 erfülle, da er staatlich anerkannter Sozialpädagoge sei und eine entsprechende Tätigkeit ausübe. Seine Tätigkeit erfülle jedoch nicht das Tätigkeitsmerkmal der VergGr. IV b Fallgruppe 7, da er keine besonders schwierigen Aufgaben wahrnehme. Seine Tätigkeit entspreche nicht der in der Protokollnotiz Nr. 9 c) genannten Beispielstätigkeit der begleitenden und der nachgehenden Fürsorge für Heiminsassen, weil der administrative Teil überwiege. Begleitende und nachgehende Fürsorge für Heiminsassen im tariflichen Sinne beziehe sich nur auf die individuelle Fürsorge, wie sie z.B. durch Erziehungsberatungsgespräche geleistet werde. Bilde die administrative Tätigkeit nicht nur den Rahmen für die individuelle Fürsorge, sondern überwiege sie, so fehle es an der begleitenden und nachgehenden Fürsorge im tariflichen Sinne. Auch im übrigen könne nicht festgestellt werden, daß dem Kläger besonders schwierige Aufgaben übertragen seien.
Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts vermag der Senat nicht zu folgen. Der der tariflichen Bewertung zugrunde zu legende Arbeitsvorgang erfüllt vielmehr das Tätigkeitsmerkmal der VergGr. IV b Fallgruppe 7, da der Kläger die als Beispielstätigkeit für besonders schwierige Aufgaben in der Protokollnotiz Nr. 9 c) genannte Tätigkeit der begleitenden und der nachgehenden Fürsorge für Heiminsassen zu mehr als der Hälfte seiner Gesamtarbeitszeit ausübt. Der Aufgabenbereich eines Sozialarbeiters und eines Sozialpädagogen, die in den tariflichen Bestimmungen jeweils einheitlich behandelt werden, ist nach ihrem Berufsbild und ihrer Ausbildung auf Hilfeleistung in sozialen Problemfällen ausgerichtet (Blätter für Berufskunde, Band 2 - IV A 31, S. 10). Das Berufsziel eines Sozialarbeiters oder Sozialpädagogen ist es, Menschen verschiedener Altersstufen in entwicklungs-, reife-, konflikt- oder notbedingten Situationen so zu helfen, daß sie möglichst zur vollen Entfaltung ihrer Persönlichkeit und all ihrer Kräfte und Möglichkeiten kommen, daß sie sich aus unnötiger Abhängigkeit lösen und Sozialisationsdefizite wie Benachteiligungen und Unterprivilegierungen überwinden können. Damit sollen Selbstbestimmung, Mündigkeit und ein der Würde des Menschen entsprechendes Leben ermöglicht werden (BAG Urteil vom 18. Mai 1983 - 4 AZR 552/80 - AP Nr. 2 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter). Wie der Senat im Urteil vom 5. November 1986 - 4 AZR 639/85 - (zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen) ausgeführt hat, gehört zu dieser Arbeit notwendigerweise auch die Erledigung administrativer, verwaltungsmäßiger Aufgaben, die zunehmend im Hinblick auf die Intensivierung der rechtlichen Bezugspunkte des Aufgabenkreises größere Bedeutung gewinnen. Dies gilt gleichermaßen für den Bereich der Jugendhilfe, der Sozialhilfe und der Gesundheitshilfe. Demgemäß gehört die Erledigung von Aufgaben administrativen und rechtlichen Charakters auch dann zum Aufgabenbereich eines Sozialarbeiters bzw. Sozialpädagogen, wenn sie sich auf Heiminsassen und Heimentlassene bezieht. Aus dem Wortlaut der tariflichen Bestimmungen und dem tariflichen Gesamtzusammenhang, die bei der Tarifauslegung maßgeblich zu berücksichtigen sind (BAGE 46, 308 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung) folgt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts, daß die Tarifvertragsparteien unter begleitender und nachgehender Fürsorge für Heiminsassen auch Aufgaben administrativen und rechtlichen Charakters und nicht nur Maßnahmen persönlicher Betreuung verstehen wollen.
Die Tarifvertragsparteien haben die Protokollnotiz Nr. 9 c) in den Teil II, Abschnitt G, Unterabschnitt I ("Angestellte im Sozialdienst") der Anlage 1 zum BAT aufgenommen. Die allgemeine Aufgabe des Sozialdienstes ist Fürsorge, die im Bereich der Jugendhilfe, der Gesundheitshilfe und der Sozialhilfe geleistet wird. Insoweit haben die Tarifvertragsparteien mit der Verwendung des Begriffes der Fürsorge für Heiminsassen einen Bereich der Jugendhilfe angesprochen, der in der Rechtsterminologie gerade zur Kennzeichnung des dem Kläger übertragenen Wirkungskreises nach §§ 62 ff. JWG verwendet wird. Die Maßnahmen nach §§ 62 ff. JWG beziehen sich in erster Linie auf die Heimunterbringung nach den Voraussetzungen für die Fürsorgeerziehung (Unterbringung von Amts wegen) oder der freiwilligen Erziehungshilfe (Unterbringung auf Antrag). Die Maßnahmen der Fürsorge im Bereich der Heimunterbringung umfassen damit gerade auch die entsprechenden Verwaltungstätigkeiten (vgl. Claus, Lexikon der Eingruppierung, Stichwort: Sozialdienst), die die Heimunterbringung begleiten (§§ 69, 71 JWG) und die der Heimunterbringung sogar über die Volljährigkeitsgrenze hinaus (§ 75 a JWG) nachfolgen. Fürsorge für Heiminsassen im tariflichen Sinne umfaßt damit alle Maßnahmen, die zur Ausführung der Heimunterbringung nach §§ 62 ff. JWG notwendig sind.
Entgegen der Auffassung des beklagten Landes gehören im Hinblick auf den unmittelbaren tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang auch diejenigen Tätigkeiten dazu, die der Heimunterbringung vorangehen. Gerade die Auswahl eines geeigneten Heims nach § 71 JWG kann für die weitere Entwicklung des Jugendlichen entscheidend sein. Unter begleitender und nachgehender Fürsorge für Heiminsassen sind demgemäß sowohl Aufgaben administrativen und rechtlichen Charakters als auch Maßnahmen der persönlichen Betreuung zu verstehen, die der Heimunterbringung vorangehen, sie begleiten und ihr nachgehen. In der tariflichen Bestimmung kommt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht zum Ausdruck, daß der Bereich der persönlichen Betreuung zeitlich überwiegen müsse. Ob für einen Heiminsassen ein höheres Maß an persönlicher Betreuung erforderlich ist oder in größerem Umfange verwaltungsmäßige Aufgaben zu erledigen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalles und der persönlichen Arbeitsweise des betreffenden Sozialarbeiters oder Sozialpädagogen ab. Der jeweilige zeitliche Anteil dieser Aufgabenbereiche an der Gesamtarbeitszeit hat jedoch auf die tarifliche Bewertung der Tätigkeit nach VergGr. IV b Fallgruppe 7 keinen Einfluß.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO.
Dr. Neumann Dr. Etzel Dr. Freitag
Dr. Börner E. Wehner
Fundstellen
Haufe-Index 439205 |
RdA 1988, 187 |
RdA 1988, 63 |
ZTR 1988, 54-56 (LT) |
AP Nr 5 zu §§ 22, Sozialarbeiter (LT1) |
AR-Blattei, Öffentlicher Dienst IIIA Entsch 317 (LT1) |
PersV 1991, 138 (K) |
VR 1988, 333 (S) |