Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliche Sonderzuwendung - Anrechnung einer betrieblichen Leistung
Orientierungssatz
1. Hinweise des Senats:
"Anrechnung der Schlußzahlung einer betrieblichen Jahresabschlußvergütung, die im folgenden Kalenderjahr fällig ist, auf die tarifliche Sonderzuwendung dieses Kalenderjahres."
2. Auslegung des § 4 Ziff 5 des Tarifvertrages über Sonderzahlung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Einzelhandel in Bayern vom 2. September 1996.
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des
Landesarbeitsgerichts München vom 24. November 1998 - 8 Sa
890/98 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung einer restlichen tariflichen Jahressonderzahlung.
Der Kläger ist bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis ist der Tarifvertrag über Sonderzahlung (Urlaubsgeld und Sonderzuwendung) für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Einzelhandel in Bayern vom 2. September 1996 (gültig ab 1. Januar 1997) (TV-Sonderzahlung) anzuwenden.
Die Beklagte gewährt ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Jahresabschlußvergütungen auf der Grundlage der Betriebsvereinbarung vom 23. Oktober 1991 (BV 1991). Mit der Verdienstabrechnung für Juni 1997 wurde dem Kläger ein Betrag in Höhe von 2.117,50 DM brutto gezahlt. Dabei handelt es sich um den zweiten Teilbetrag als Schlußzahlung der betriebsergebnisabhängigen Jahresabschlußvergütung für das Jahr 1996, welcher zusammen mit der Lohn-/Gehaltszahlung für den Monat Juni des Folgejahres fällig wurde.
Weiterhin wurde dem Kläger mit der Verdienstabrechnung November 1997 ein Betrag in Höhe von 1.498,00 DM brutto als Jahresabschlußvergütung für das Jahr 1997 gemäß einer Gesamtbetriebsvereinbarung gezahlt. Insgesamt zahlte also die Beklagte im Jahre 1997 an den Kläger 3.615,50 DM brutto als Jahresabschlußvergütung. Den gesamten Betrag hat die Beklagte auf Ansprüche des Klägers auf die tarifliche Sonderzuwendung für das Jahr 1997 in unstreitiger Höhe von 3.284,37 DM brutto angerechnet.
Der Kläger ist der Auffassung, daß ihm die im Juni 1997 gezahlte Abschlußvergütung in Höhe von 2.117,50 DM brutto nicht auf seinen Anspruch auf die tarifliche Sonderzuwendung angerechnet werden dürfe. Bereits die Zweckbestimmung als letzte Abschlagszahlung auf die Jahressondervergütung 1996 stehe der Anrechnung entgegen. Nur die für das laufende Kalenderjahr zu zahlenden Beträge seien im Sinne der Anrechnungsregelung berücksichtigungsfähig. Aus dem Wortlaut der Anrechnungsregelung in § 4 Ziff. 5 Satz 1 TV-Sonderzahlung, in der ausdrücklich sowohl auf die "erbrachten" als auch auf die "zu erbringenden" Sonderleistungen abgestellt werde, ergebe sich, daß nur die für das Kalenderjahr zu erbringenden Leistungen angerechnet werden dürften. Weiterhin verstoße die Anrechnung des zweiten Teilbetrages bezüglich des Jahres 1996 auch gegen Ziff. 7.1 der BV 1991, die die Anrechnung der Jahresabschlußvergütung 1996 nur in bezug auf die tarifliche Sonderzuwendung für das Jahr 1996 zulasse.
Die ihm noch zustehende Differenz zwischen dem tariflichen Anspruch auf Sonderzuwendung und der mit dem Novembergehalt ausbezahlten Abschlußvergütung für das Jahr 1997 hat der Kläger mit 1.786,70 DM errechnet.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte wird verurteilt, DM 1.786,70
brutto nebst 4 % Zinsen hieraus an den Kläger zu bezahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Der Anspruch des Klägers auf tarifliche Sonderzuwendung sei durch Anrechnung der betrieblichen Jahresabschlußvergütung erfüllt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Anspruch des Klägers auf die tarifliche Sonderzuwendung 1997 sei erfüllt, da er sich auch die im Juni 1997 gezahlte restliche Jahresabschlußvergütung 1996 habe anrechnen lassen müssen. Der Wortlaut von § 4 Ziff. 5 Abs. 1 TV-Sonderzahlung zeige mit den Formulierungen "im laufenden Kalenderjahr" und "erbrachte oder zu erbringende Sonderleistungen", daß das sog. Zuflußprinzip gelte, wonach es nur darauf ankomme, in welchem Zeitraum gezahlt werde. Außerdem ergebe sich aus dieser tariflichen Anrechnungsregelung, wie auch aus der entsprechenden Regelung in der Betriebsvereinbarung 1991, daß eine umfassende Anrechnung erfolgen solle.
Diese Ausführungen sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
II. Die Klage ist nicht begründet.
1. Der gem. § 4 Ziff. 1, 2 TV-Sonderzahlung gegebene Anspruch des Klägers auf die Sonderzuwendung 1997 in unstreitiger Höhe von 3.284,37 DM brutto ist durch Anrechnung erfüllt. Der Kläger hat im Kalenderjahr 1997 insgesamt 3.615,50 DM brutto anrechenbarer betrieblicher Jahresabschlußvergütung, und zwar einen Betrag für das Kalenderjahr 1997 in Höhe von 1.498,00 DM brutto sowie mit der Verdienstabrechnung für den Monat Juni 1997 den fälligen und gezahlten - hier hinsichtlich der Anrechnung streitigen Restbetrag - für das Kalenderjahr 1996 in Höhe von 2.117,50 DM brutto erhalten.
2. Entgegen der Auffassung des Klägers durfte die Beklagte die restliche Jahresabschlußvergütung für das Kalenderjahr 1996, die mit der Verdienstabrechnung für Juni 1997 geleistet wurde, auf den tariflichen Anspruch für das Jahr 1997 anrechnen. Dies ergibt die Auslegung des § 4 Ziff. 5 TV-Sonderzahlung. Danach gelten die im laufenden Kalenderjahr erbrachten oder zu erbringenden Sonderleistungen des Arbeitgebers, wie Jahresabschlußvergütungen, Weihnachtsgeld, Gratifikationen, Jahresergebnisbeteiligungen, Jahresprämien und ähnliche, als Sonderzuwendungen im Sinne dieses Tarifvertrages und erfüllen den tariflichen Anspruch, soweit sie die Höhe der tariflich zu erbringenden Leistung erreichen.
a) Nach dieser Tarifnorm ist eine im laufenden Kalenderjahr erbrachte oder zu erbringende Sonderleistung des Arbeitgebers in Form einer betrieblichen Jahresabschlußvergütung als anzurechnende Sonderzuwendung im Sinne des TV-Sonderzahlung zu werten. Im laufenden Kalenderjahr "erbrachte" Sonderleistungen sind solche, die in diesem Zeitraum dem Arbeitnehmer zugeflossen sind. Es kommt damit nur darauf an, in welchem Zeitraum die Sonderleistung gezahlt worden ist, nicht jedoch, für welchen Zeitraum die Zahlung erfolgte (sog. Zuflußprinzip). Darüber hinaus ist die vom Arbeitgeber im laufenden Kalenderjahr "zu erbringende" Sonderleistung anzurechnen. Das sind Leistungen, die in einem davor liegenden Zeitraum entstanden, jedoch erst im laufenden Kalenderjahr fällig werden und damit zu erbringen sind (vgl. BAG 8. März 1995 - 10 AZR 368/94 - nv.). Für diese Auslegung spricht auch die, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, korrespondierende Betriebsvereinbarung 1991. Nach Ziff. 6.2 BV 1991 wird nach Feststehen der operativen Umsatzrendite zusammen mit der Lohn-/Gehaltszahlung für den Monat Juni des auf das Bemessungsjahr folgenden Jahres (Auszahlungsjahr) der Gesamtbetrag der Jahresabschlußvergütung unter Anrechnung der November-Teilzahlung fällig.
Nach Ziff. 7.1 der Betriebsvereinbarung ist die Jahresabschlußvergütung auf die tarifliche Sonderzuwendung anzurechnen.
Sowohl aus dieser tariflichen wie auch aus der betrieblichen Regelung ist zu entnehmen, daß die Tarifvertragsparteien bzw. die Betriebsparteien von einer vollständigen Anrechnung einer betrieblichen Jahresabschlußvergütung auf eine tarifliche Sonderzahlung im laufenden Kalenderjahr ausgegangen sind. Entgegen der Auffassung des Klägers wäre diese umfassende Anrechnung aber nicht möglich, wenn ein Teilbetrag der im Vorjahr entstandenen, aber erst im folgenden Jahr (Auszahlungsjahr) fälligen Jahressondervergütung nicht auf den tariflichen Anspruch auf eine Sonderzuwendung im gleichen Jahr anrechenbar wäre. Denn im Entstehungsjahr kann die betriebliche Jahresabschlußvergütung nicht angerechnet werden, weil sie weder erbracht noch fällig ist. Damit wäre dieser Teilbetrag grundsätzlich nicht anrechenbar. Dies widerspricht jedoch dem Sinn und Zweck einer generellen Anrechnung der betrieblichen Jahresabschlußvergütung auf die tarifliche Sonderzahlung.
b) Damit war die restliche Jahresabschlußvergütung für das Kalenderjahr 1996 im laufenden Kalenderjahr 1997 fällig und zu erbringen. Da sie auch nach der Kündigung der BV 91 zum 31. Dezember 1996 im Kalenderjahr 1997 erbracht wurde, konnte sie sowohl nach § 4 Ziff. 5 TV-Sonderzahlung wie auch nach der insoweit inhaltsgleichen Regelung der Ziff. 7.1 der Betriebsvereinbarung 1991 angerechnet werden.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Dr.
Freitag
Dr. JobsMarquardt Hromadka
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