Leitsatz (redaktionell)
Eine Sozialarbeiterin, die in einer Beratungsstelle Eßgestörte berät, erfüllt im allgemeinen nicht die Voraussetzungen der VergGr. IV a Teil II Abschnitt G der Anlage 1 a zum BAT.
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der als Sozialpädagogin in einer Beratungsstelle des Beklagten tätigen Klägerin nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT).
Die Klägerin ist diplomierte Sozialpädagogin und seit dem 1. Oktober 1980 gemäß dem "Dienstvertrag" vom 4. September 1980 bei dem Beklagten in dessen Beratungsstelle "D " in H beschäftigt. Nach Ziff. 2 dieses Vertrages ist auf das Dienstverhältnis der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) "in der zur Zeit gültigen Fassung" anzuwenden. Nach Ziff. 2 Satz 3 des Vertrages sind Änderungen dem Mitarbeiter vorzulegen und werden nach Anerkennung durch den Mitarbeiter ebenfalls Bestandteil des Vertrages. Beide Parteien sind tarifgebunden. Die Klägerin wurde in die VergGr. IV b eingestuft. Nach dieser Vergütungsgruppe wird sie noch heute vergütet, sie erhält eine Psychiatriezulage. Der Beklagte ist Zuwendungsempfänger des Landesamtes für Rehabilitation der F .
Die Tätigkeit der Klägerin besteht im wesentlichen in der teils gruppen-, teils einzeltherapeutischen Beratung und Behandlung insbesondere von Menschen mit Eßstörungen und/oder Alkoholabhängigkeit. Nach der Stellenbeschreibung hat die Klägerin im einzelnen folgende Tätigkeiten auszuführen:
"1. Therapeutische Gruppenarbeit
Die Stelleninhaberin leitet verantwortlich und selbständig eine Therapiegruppe von bis zu 8 KlientInnen. Die Inhalte der Gruppenarbeit beziehen sich auf:
- Aufbau, Erhalt und Stabilisierung von Motivation zur ambulanten Therapie und/oder zur weiterführenden stationären Therapie - interaktionelle Beziehungsarbeit in der Gruppe - integrative psychotherapeutische Einflußnahme, Krisenintervention (u.a. bei Rückfällen und bei dem Wunsch nach Therapieabbruch) - Durchführung von Entspannungstrainings; Muskelentspannung nach Jacobsen und bioenergetische Körperübungen 20 %
2. Therapeutische Einzelarbeit/Paar- und Familientherapien
- Verhaltensanalyse im Sozialfeld - Aufbereitung anamnestischer Daten - Diagnostik der relevanten Suchtstrukturen - Therapieplanung - Rückfallprophylaxe - themenzentrierte und interaktionelle Beziehungsarbeit mit Angehörigen - psychotherapeutische Interventionen und Kriseninterventionen 32 %
3. Fallbesprechungen im therapeutischen Team
- Fallbezogene Teambesprechungen - konzeptionsbezogene Teambesprechungen - Supervision - spezieller Umgang mit nicht stoffgebundenen Süchten wie Eßstörungen und Glücksspiel - Kontaktpflege zu ambulanten und stationären Behandlungs- und Beratungseinrichtungen 16 %
4. Administrative Tätigkeiten
- Erstellung von Behandlungsplänen - Antragstellung und Korrespondenz bzgl. Kostenübernahme für stationäre Therapien - Mitarbeit bei der Erstellung und Auswertung der Jahresstatistik und dem Verfassen von Sachberichten 11 %
5. Koordinierende/leitende Tätigkeiten
- Mitarbeit im Beirat, Außenvertretung in Fachausschüssen, Kontaktpflege mit Behördenvertretern und politischen Gremien - Referententätigkeit - Fachberatung von anderen Institutionen (Schulen, Betrieben, Hochschulen etc.) - Konzeptionelle Tätigkeit, Entwicklung und Umsetzung von suchttherapeutischen Maßnahmen und Konzepten - Veröffentlichungen in Fachblättern/ Fernsehberichte - anteilige Koordination und Gestaltung des Arbeitsablaufes innerhalb der Dienststelle - Praxisanleitung für Studenten der Sozialpädagogik sowie Anleitung und Koordination von nicht festangestellten Mitarbeitern 21 % 100 %
Nach einem Vermerk auf der Stellenbeschreibung hat die Klägerin die therapeutische Arbeit mit eßgestörten Patienten aufgebaut. Danach sei es über die Einbeziehung des Schwerpunktes "Eßstörungen" gelungen, "die heimlichen, stillen und braven Süchte von Frauen in die Arbeit zu integrieren (der Anteil der mehrfach Abhängigen liegt bei ca. 60 %)".
Die ambulante Suchtbetreuungseinrichtung des Beklagten "D " wurde am 27. Juni 1994 von der Landesversicherungsanstalt F als Einrichtung zur Durchführung ambulanter Leistungen zur Rehabilitation im Sinne der Empfehlungsvereinbarung "Ambulante Rehabilitation Sucht" anerkannt.
In der Zeit von März 1979 bis August 1981 nahm die Klägerin an einer berufsbegleitenden Weiterbildung für systemische Familientherapie im Umfang von insgesamt 200 Stunden teil. Ziel der Weiterbildung war die Vermittlung von systemorientierter Diagnostik und das Training von familientherapeutisch orientierten Interventionen. Besonderheiten der Familientherapie bei Erwachsenen als Suchtkranken fanden dabei eine spezielle Berücksichtigung. Des weiteren besuchte die Klägerin von September 1979 bis Oktober 1981 eine zweijährige berufsbegleitende Fortbildungsveranstaltung der Fortbildungsstelle im psychotherapeutischen Zentrum Stuttgart. Diese Fortbildung hatte zum Ziel, "Mitarbeitern von Drogenberatungsstellen Kompetenzen für eine innerbetriebliche Supervision ihrer Praxis zu vermitteln".
Anfang 1992 verlangte die Klägerin von dem Beklagten Vergütung nach VergGr. IV a BAT. Zur Begründung führte sie aus, sie habe in der Beratungs- und Behandlungsstelle "B " in B Klienten zu betreuen, die zu über 70 % Symptome aufwiesen, die einer mittel- oder längerfristigen therapeutischen Behandlung bedürften. Die "B " arbeite ohne einen ausgewiesenen Leiter. Kontrollierende und beratende Funktionen nehme ein paritätisch besetzter Beirat wahr, in dem sie mitwirke. Der Beklagte leitete diesen Antrag mit Schreiben vom 8. Mai 1992 an die Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales der F weiter. Diese lehnte den Antrag der Klägerin mit Schreiben vom 16. September 1993 ab.
Nach der übereinstimmenden Erklärung der Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 25. Mai 1994 hat der Beklagte hinsichtlich Entgeltansprüchen aus dem am 1. Januar 1991 in Kraft getretenen Änderungstarifvertrag vom 24. April 1991 auf die Geltendmachung der Ausschlußfrist bis zum 31. Dezember 1992 verzichtet, so daß die Ausschlußfrist des § 70 BAT erst ab dem 1. Januar 1993 zu laufen begonnen hat.
Die Klägerin hat mit ihrer am 21. Dezember 1993 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen, dem Beklagten am 7. Januar 1994 zugestellten Klage die Auffassung vertreten, die von ihr ausgeübte Tätigkeit hebe sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der VergGr. IV b Fallgruppe 16 BAT heraus. Die besondere Schwierigkeit ihrer Tätigkeit ergebe sich schon daraus, daß sie zur Ausübung ihrer Tätigkeit eine besondere zusätzliche therapeutische Ausbildung benötige. Die Bedeutung ihrer Tätigkeit ergebe sich aus den Mitteilungen des Senats der F an die Bürgerschaft vom 21. Februar 1978 wegen der Einrichtung einer ambulanten Beratungs- und Behandlungsstelle für alkoholabhängige und alkoholgefährdete Jungerwachsene durch den Beklagten. Danach bestehe gerade auf dem Sektor der Hilfen für jungerwachsene Alkoholabhängige und Alkoholgefährdete im Bereich der Früherfassung, Früherkennung und der ambulanten Versorgung in der F ein erheblicher Nachholbedarf. Darüber hinaus ergebe sich die Bedeutung der Beratungsstelle insbesondere aus ihrer Tätigkeit und der von ihr aufgebauten Einbeziehung der Beratung und Behandlung von Eßgestörten.
Die Klägerin hat beantragt,
1. es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin ab 1. Januar 1991 nach VergGr. IV a BAT und ab 1. Juli 1993 nach VergGr. III BAT zu entlohnen,
2. es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die monatliche Differenz zwischen VergGr. IV b BAT plus Zulage und VergGr. IV a BAT bzw. VergGr. III BAT nachzuzahlen und den Differenzbetrag mit 4 % seit Rechtshängigkeit zu verzinsen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Klägerin sei weder in leitender Funktion tätig noch lenke sie verantwortlich die Ausgestaltung von Hilfeangeboten oder plane und konzipiere richtungweisend neue Therapien oder Hilfeangebote. Der Vortrag der Klägerin zur Frage der Bedeutung bezöge sich im wesentlichen auf die Bedeutung der von ihm, dem Beklagten, betriebenen Einrichtung "D " im Spektrum der Suchteinrichtungen in H . Daraus ergebe sich jedoch noch nichts für die von der Klägerin für sich in Anspruch genommene herausgehobene Bedeutung ihrer Tätigkeit.
Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen. Die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht Hamburg zurückgewiesen und die Revision gegen sein Urteil zugelassen. Mit dieser erstrebt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung nach den VergGr. IV a/III BAT, denn ihre Tätigkeit hebt sich jedenfalls nicht durch ihre Bedeutung aus den nach der VergGr. IV b BAT zu vergütenden Tätigkeiten heraus.
I. Die Klage ist zulässig. Es handelt sich um eine Eingruppierungsfeststellungsklage, die im öffentlichen Dienst allgemein üblich ist und gegen deren Zulässigkeit nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Bedenken bestehen (vgl. z.B. Senatsurteil vom 25. September 1996 - 4 AZR 195/95 - AP Nr. 31 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter, m.w.N.). Das gilt auch, soweit die Klägerin die gerichtliche Feststellung anstrebt, die fälligen monatlichen Differenzbeträge seit Rechtshängigkeit mit 4 % zu verzinsen. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind Anträge, rückständige Differenzbeträge zu verzinsen, prozessual nicht zu beanstanden (vgl. BAG Urteil vom 14. Juni 1995 - 4 AZR 246/94 - AP Nr. 202 zu §§ 22, 23 BAT 1975, mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
II. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IV a der Vergütungsgruppen für Angestellte im Sozial-/Erziehungsdienst der Anlage 1 a zum BAT.
1. Auf das Arbeitsverhältnis ist kraft Tarifbindung der BAT nebst Anlage 1 a dazu anwendbar.
2. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt mithin davon ab, ob mindestens die Hälfte der die Gesamtarbeitszeit der Klägerin ausfüllenden Arbeitsvorgänge den Tätigkeitsmerkmalen der von ihr in Anspruch genommenen VergGr. IV a/III des Teils II Abschn. G (Angestellte im Sozial-/Erziehungsdienst) der Anlage 1 a zum BAT in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 24. April 1991, gültig ab 1. Januar 1991 entspricht (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT).
a) Damit ist von dem von der Senatsrechtsprechung entwickelten Begriff des Arbeitsvorgangs auszugehen. Diesen hat der Senat verstanden als eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. BAG Urteil vom 14. Juni 1995, aaO). Dabei ist es zwar rechtlich möglich, daß die gesamte Tätigkeit des Angestellten nur einen Arbeitsvorgang bildet, wenn der Aufgabenkreis nicht weiter aufteilbar und nur einer einheitlichen rechtlichen Bewertung zugänglich ist. Tatsächlich trennbare Tätigkeiten mit unterschiedlicher Wertigkeit können jedoch nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefaßt werden (BAG, aaO, m.w.N.).
b) Das Landesarbeitsgericht hat ausgehend von dieser Rechtsprechung angenommen, 68 % der von der Klägerin ausgeübten Gesamttätigkeit stellten einen einheitlichen Arbeitsvorgang dar. Nach der Stellenbeschreibung stellten zumindest die therapeutische Gruppen- und Einzelarbeit sowie die Fallbesprechungen im therapeutischen Team einen einheitlichen Arbeitsvorgang dar. Zu diesem Arbeitsvorgang zählten aber auch die unter Ziff. 4 der Stellenbeschreibung zusammengefaßten administrativen Tätigkeiten. Der Arbeitsvorgang diene im Kernbereich dazu, die Patienten von der jeweiligen Suchtkrankheit zu heilen und zu einem zufriedenen, suchtfreien Leben zurückzuführen.
Es spricht viel dafür, daß die Bildung dieses Arbeitsvorgangs zutreffend ist. Das kann jedoch dahinstehen. Die Klägerin erfüllt bei jedem denkbaren Zuschnitt der Arbeitsvorgänge nach ihrem eigenen Vorbringen nicht die Merkmale der von ihr in Anspruch genommenen VergGr. IV a BAT.
3.a) Für die Eingruppierung der Klägerin sind die speziellen Tätigkeitsmerkmale für Angestellte im Sozial-/Erziehungsdienst der Anlage 1 a Teil II Abschn. G zum BAT maßgebend. Diese haben, soweit sie für den Rechtsstreit von Bedeutung sind, folgenden Wortlaut:
"VergGr. V b Fallgruppe 10
Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben.
...
VergGr. IV b Fallgruppe 16
Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben,
mit schwierigen Tätigkeiten. ...
(Hierzu Protokollnotizen Nr. ... 5)
Protokollnotiz Nr. 5:
Schwierige Tätigkeiten sind z.B. die
a) Beratung von Suchtmittel-Abhängigen, b) Beratung von HIV-Infizierten oder an AIDS erkrankten Personen, c) begleitende Fürsorge für Heimbewohner und nachgehende Fürsorge für ehemalige Heimbewohner, d) begleitende Fürsorge für Strafgefangene und nachgehende Fürsorge für ehemalige Strafgefangene, e) Koordinierung der Arbeiten mehrerer Angestellter mindestens der VergGr. V b.
VergGr. IV a Fallgruppe 15
Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben,
deren Tätigkeit sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der VergGr. IV b Fallgruppe 16 heraushebt.
VergGr. IV a Fallgruppe 16
Sozialarbeiter/Sozialpädagogen ..., deren Tätigkeit sich mindestens zu einem Drittel durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der VergGr. IV b Fallgruppe 16 heraushebt.
VergGr. III Fallgruppe 7
Sozialarbeiter/Sozialpädagogen ..., deren Tätigkeit sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der VergGr. IV b Fallgruppe 16 heraushebt, nach vierjähriger Bewährung in VergGr. IV a Fallgruppe 15.
... "
b) Die von der Klägerin in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmale der VergGr. IV a Fallgruppe 15 und der VergGr. III Fallgruppe 7 BAT bauen auf der VergGr. IV b Fallgruppe 16 BAT auf, die ihrerseits die Erfüllung der Anforderungen der VergGr. V b Fallgruppe 10 BAT voraussetzt.
Insoweit ist zunächst festzustellen, daß die Voraussetzungen der VergGr. V b Fallgruppe 10 BAT erfüllt sind. Die Klägerin ist Diplom-Sozialpädagogin mit staatlicher Anerkennung. Ihre Tätigkeit entspricht auch dem Berufsbild eines solchen, denn sie soll den ihr anvertrauten Suchtkranken Hilfe zur besseren Lebensbewältigung in ihrer besonderen Situation leisten und auf diese Weise mit dazu beitragen, daß diese im Rahmen des Möglichen ihre Sucht überwinden, zur Entfaltung ihrer Persönlichkeit gelangen und in Zukunft ein suchtfreies Leben in der Gesellschaft führen können.
Auch die Voraussetzungen der VergGr. IV b Fallgruppe 16 BAT liegen vor. Denn die Tätigkeit der Klägerin hebt sich durch ihre Schwierigkeit aus der VergGr. V b Fallgruppe 10 BAT heraus. Dies ergibt sich aus der Protokollnotiz Nr. 5 Buchst. a, da es Aufgabe der Klägerin ist, Suchtmittelabhängige zu beraten und zu betreuen. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob auch die Betreuung von allein Eßgestörten unter diese Protokollnotiz fällt. Zwar ist die "Eßstörung" eine psychosomatische Erkrankung mit Suchtcharakter, doch beruht sie nicht auf dem Konsum von "Suchtmitteln". Die Betreuung von Patienten, die allein an dieser Erkrankung leiden, entspricht aber dem Schwierigkeitsgrad der in der Protokollnotiz genannten Tätigkeiten.
4. Die Tätigkeit der Klägerin erfüllt aber im Gegensatz zur Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht die Voraussetzungen der VergGr. IV a Fallgruppe 15 BAT, denn sie hebt sich nicht durch ihre Bedeutung aus der VergGr. IV b Fallgruppe 16 BAT heraus.
a) Die Tatbestandsmerkmale "besondere Schwierigkeit und Bedeutung" sind als unbestimmte Rechtsbegriffe formuliert. Bei der Anwendung eines solchen unbestimmten Rechtsbegriffes ist den Tatsachengerichten ein weiter Beurteilungsspielraum eröffnet. Insoweit ist daher die revisionsgerichtliche Überprüfung darauf beschränkt zu prüfen, ob das Landesarbeitsgericht vom zutreffenden Rechtsbegriff ausgegangen ist, ob es diesen bei der Subsumtion beibehalten hat, ob ihm bei seiner Anwendung Verstöße gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze unterlaufen sind und ob es alle entscheidungserheblichen Tatumstände berücksichtigt hat (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BAGE 51, 59, 85 f. = AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975, m.w.N.; BAG Urteile vom 9. März 1994 - 4 AZR 288/93 - und vom 26. Oktober 1994 - 4 AZR 842/93 - beide n.v.). Auch unter Zugrundelegung dieses eingeschränkten Überprüfungsmaßstabes hält das angefochtene Urteil der revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht stand.
b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 20. März 1991 - 4 AZR 471/90 - AP Nr. 156 zu §§ 22, 23 BAT 1975; Urteil vom 29. September 1993 - 4 AZR 690/92 - AP Nr. 7 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter = ZTR 1994, 291, 292) bezieht sich das Tatbestandsmerkmal der "besonders schwierigen Tätigkeit" auf die fachliche Qualifikation des Angestellten. Sie verlangt ein Wissen und Können, das die Anforderungen der VergGr. IV b Fallgruppe 16 in beträchtlicher und gewichtiger Weise übersteigt. Diese erhöhte Qualifikation kann sich im Einzelfall aus der Breite und Tiefe des geforderten fachlichen Wissens und Könnens ergeben, aber auch aus außergewöhnlichen Erfahrungen oder einer sonstigen gleichwertigen Qualifikation, etwa Spezialkenntnissen. Dabei muß sich die Schwierigkeit unmittelbar und aus der Tätigkeit selbst ergeben, so daß diese nicht etwa deswegen als besonders schwierig im Tarifsinne angesehen werden kann, weil sie unter belastenden Bedingungen geleistet werden muß.
c) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, es sei unerheblich, daß die Klägerin weder leitend, lenkend oder planend tätig sei. Durch die Tätigkeit der Klägerin und ihre dafür erforderliche Zusatzausbildung sei eine beträchtliche und gewichtige Heraushebung hinsichtlich der fachlichen Anforderungen gegeben. Denn die Klägerin übe eine Tätigkeit aus, die verglichen mit den Anforderungen der VergGr. IV b BAT nur mit einem breiteren und vertieften Fachwissen verrichtet werden könne. So gehe die Behandlungstätigkeit der Klägerin über die Beratungstätigkeit eines Drogenberaters hinaus. Schwerpunkt der Behandlung sei die tiefenpsychologisch orientierte Psychotherapie unter Heranziehung von suchtund familientherapeutischen Verfahren. Dies folge auch daraus, daß die Landesversicherungsanstalt die Einrichtung des Beklagten als Einrichtung zur Durchführung ambulanter Leistungen zur Rehabilitation anerkannt habe und die Behandlungstätigkeit der Klägerin nach den Vorschriften des Sozialversicherungsrechts abrechne.
d) Ob der Klägerin über die Tätigkeit eines Sozialpädagogen mit schwieriger Tätigkeit im Sinne der VergGr. IV b Fallgruppe 16 BAT hinaus auch Aufgaben übertragen worden sind, die ihre Arbeit als besonders schwierig erscheinen lassen, ist zwar zweifelhaft, kann jedoch dahingestellt bleiben.
e) Die Klägerin hat nämlich in keinem Falle etwas dafür dargetan, daß sich ihre Tätigkeit auch durch ihre Bedeutung aus der eines Sozialpädagogen mit schwierigen Tätigkeiten im Sinne der VergGr. IV b Fallgruppe 16 BAT heraushebt.
f) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts genügt für die Bedeutung der Tätigkeit eine deutlich wahrnehmbare Heraushebung. Diese muß sich auf die Auswirkungen der Tätigkeit beziehen und kann sich aus der Bedeutung oder der Größe des Aufgabengebietes sowie der Tragweite für den innerdienstlichen Bereich und für die Allgemeinheit ergeben (vgl. BAGE 51, 59, 94 = AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975; Urteil vom 29. September 1993 - 4 AZR 690/92 - AP Nr. 7 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter = ZTR, aaO; Urteil vom 10. Juli 1996 - 4 AZR 139/95 - AP Nr. 29 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter).
g) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die gesteigerte Bedeutung der Tätigkeit liege in ihrem therapeutischen Erfolg für das weitere Leben der Suchtmittelabhängigen und den mit diesen in Verbindung stehenden Personen, insbesondere den Familienangehörigen. Zu berücksichtigen seien die Qualität der betroffenen Rechtsgüter der Abhängigen, auf welche die Tätigkeit sich auswirke, nämlich Leben, Gesundheit und Menschenwürde und die Zahl der im weiteren betroffenen Personen. Zusätzlich seien die Kosten bei Fortbestehen der Suchtmittelabhängigkeit und die sozialethische Bedeutung für die Gesellschaft im allgemeinen maßgeblich. Darüber hinaus sei die Therapie in ihrer Bedeutung höher zu bewerten als die bloße Beratung. Erst die erfolgreiche Therapie führe für die Abhängigen zu einer Abstinenz und damit besseren Lebensqualität sowie zu verringerten Kosten im Gesundheitswesen. Auch die öffentliche Förderung durch die Stadt H spreche für die gesteigerte Bedeutung der Tätigkeit der Klägerin, die der Einrichtung erst ihre Bedeutung gebe. Schließlich verfüge die Klägerin durch den Aufbau und die Anwendung der speziellen Therapie für Eßgestörte über außergewöhnliche Erfahrungen.
Damit hat das Landesarbeitsgericht den unbestimmten Rechtsbegriff der Bedeutung verkannt. Es hat nicht dargelegt, inwiefern sich die Bedeutung der Tätigkeit der Klägerin aus den in der VergGr. IV b Fallgruppe 16 BAT Protokollnotiz Nr. 5 genannten Tätigkeiten heraushebt. Dazu hätte es der Darlegungen seitens der Klägerin und der entsprechenden Erkenntnis des Landesarbeitsgerichts bedurft, daß die Tätigkeit der Klägerin bedeutungsvoller ist als die eines Sozialpädagogen, der in einer Strafanstalt oder einem Heim tätig ist oder der HIV-Infizierte, an AIDS erkrankte oder suchtmittelabhängige Personen berät und behandelt. Denn auch bei diesen in der VergGr. IV b Fallgruppe 16 BAT genannten Tätigkeiten sollen die dort betreuten Personen auf ein suchtmittelunabhängiges Leben vorbereitet werden und soll die Allgemeinheit dementsprechend vor Rückfällen und den damit verbundenen Gefahren und Kosten geschützt werden. Eine gegenüber diesen Tätigkeiten gesteigerte Bedeutung der Tätigkeit der Klägerin ist auch sonst nicht erkennbar. Insbesondere läßt sich diese auch nicht aus der häufig lebensbedrohenden Eßstörung herleiten, denn auch an HIV Infizierte oder bereits an AIDS Erkrankte sehen ständig einem sicheren Tod ins Auge.
Insbesondere ist kein wertender Gesichtspunkt vorgetragen oder erkennbar, warum die Tätigkeit der Klägerin in einem Vergleich mit den in der Protokollnotiz Nr. 5 genannten Tätigkeiten von herausgehobener Bedeutung sein sollte, auch wenn die Klägerin darauf hinweist, daß die Tragweite der von ihr zu bewältigenden Aufgaben offensichtlich sei, weil sich ihre Entscheidungen auf die Fremd- und Selbstgefährdung der Beratenen und das Leben der Betroffenen selbst sowie auf das unmittelbare Umfeld, die Familie und auch auf die Gefährdung Außenstehender, somit auf die Allgemeinheit auswirke. Dies alles ist auch bei den in der Protokollnotiz Nr. 5 unter Buchst. a - d aufgeführten Tätigkeiten der Fall, kennzeichnet also keine darüber hinausgehende Bedeutung der Tätigkeit der Klägerin.
5. Nachdem die Klägerin schon nicht die Voraussetzungen einer Eingruppierung in die VergGr. IV a BAT erfüllt, hat sie auch keinen Anspruch auf Vergütung nach VergGr. III Fallgruppe 7.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 439035 |
BB 1998, 596 |
RdA 1998, 188 |
ZTR 1998, 223 |
RiA 1998, 289 |