Entscheidungsstichwort (Thema)
Freistellung nach dem Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz Nordrhein-Westfalen. Weigerung der Lohnfortzahlung
Normenkette
AWbG NW § 1 Abs. 1, § 5 Abs. 4, § 7
Verfahrensgang
LAG Hamm (Urteil vom 06.06.1991; Aktenzeichen 4 Sa 322/91) |
ArbG Gelsenkirchen (Urteil vom 04.02.1991; Aktenzeichen 3 Ca 2921/90) |
Tenor
Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers nach dem Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz Nordrhein-Westfalen (AWbG).
Der Kläger ist seit 1957 bei der Beklagten als kaufmännischer Angestellter beschäftigt. Auf seinen Antrag vom 2. Mai 1990, ihn für die Zeit vom 16.–28. September 1990 zum Besuch einer Veranstaltung mit dem Thema „Arbeitnehmer in Betrieb, Wirtschaft und Gesellschaft II” freizustellen, antwortete die Beklagte ihm am 26. Juni 1990 schriftlich:
„Auf Ihren Antrag vom 2. Mai 1990 teilen wir Ihnen mit, daß wir Sie für die Zeit vom 16. bis 28. September 1990 zum Besuch der Veranstaltung „Arbeitnehmer in Betrieb, Wirtschaft und Gesellschaft II” ohne Anerkennung einer Rechtspflicht von der Arbeit freistellen.
Entgelt für die Zeit der Freistellung wird von uns nicht geleistet, da die Veranstaltung nicht den gesetzlichen Voraussetzungen des Arbeitnehmerweiterbildungsgesetzes NRW entspricht.
Nach Beendigung der Veranstaltung legen Sie uns bitte eine Teilnahmebescheinigung vor.”
Nach dem Besuch der Veranstaltung hat der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.746,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 6. November 1990 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision verlangt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte nach § 1 Abs. 1, § 7 AWbG einen Anspruch auf Lohnfortzahlung i. H. von 1.746,00 DM brutto.
1. Nach § 1 Abs. 1 AWbG erfolgt Arbeitnehmerweiterbildung über die Freistellung von der Arbeit zum Zwecke der beruflichen und politischen Weiterbildung in anerkannten Bildungsveranstaltungen bei Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Nach § 7 hat der Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitnehmerweiterbildung das Arbeitsentgelt entsprechend den Bestimmungen des Gesetzes zur Regelung der Lohnzahlung an Feiertagen fortzuzahlen.
2. Die Beklagte hat den Kläger von der Arbeit zu Arbeitnehmerweiterbildungszwecken freigestellt, auch wenn sie erklärte, kein Entgelt für die Zeit der Freistellung zu leisten. Die Beklagte hat damit die nach dem Gesetz geschilderte Erfüllungshandlung vorgenommen und keine einseitige Freistellung anderer Art außerhalb des Arbeitnehmerweiterbildungsgesetzes erklärt, deren Rechtswirksamkeit ohnehin fraglich wäre. Sie hat auch kein Angebot auf Gewährung unbezahlten Sonderurlaubs abgegeben. Das ergibt die nach den §§ 133, 157 BGB vorzunehmende Auslegung ihres Antwortschreibens vom 26. Juni 1990, in dem sie dem Antrag des Klägers auf Freistellung nach dem Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz entspricht und den Kläger an seine Pflicht aus § 5 Abs. 4 AWbG erinnert.
3. Nachdem der Kläger der Arbeit ferngeblieben ist und die Veranstaltung besucht hat, ist der Erfüllungserfolg eingetreten. Damit schuldet die Beklagte das der Höhe nach unstreitige Arbeitsentgelt nach § 7 AWbG. Die Freistellungserklärung nach dem AWbG und die Teilnahme des Arbeitnehmers an der Bildungsveranstaltung bedingen notwendig den Lohnfortzahlungsanspruch. Demgegenüber sind die schriftlichen Vorbehalte der Beklagten unbeachtlich (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. die Urteile vom 11. Mai 1993 – 9 AZR 231/89 –, vom 21. September 1993 – 9 AZR 335/91 – und vom 19. Oktober 1993 – 9 AZR 499/91 –). Ggf. bestehende Leistungsverweigerungsrechte hätte die Beklagte gegenüber dem Freistellungsverlangen des Klägers geltend machen müssen.
4. Auf die Frage, ob die Veranstaltung allgemeinzugänglich war und der politischen oder der beruflichen Weiterbildung diente, kommt es somit nicht an.
5. Die Zinsentscheidung folgt aus §§ 284 Abs. 2, 288 BGB. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Leinemann, Düwell, Dörner, Schodde, Brückmann
Fundstellen