Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsanspruch und Mutterschaftsurlaub
Orientierungssatz
1. Parallelsache zu BAG Urteil vom 11.8.1987 8 AZR 242/ 85.
2. Auslegung des § 12 Abs 1 Nr 10 des Manteltarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten in der chemischen Industrie idF vom 25.3.1983.
Verfahrensgang
LAG Köln (Entscheidung vom 29.01.1986; Aktenzeichen 2 Sa 976/85) |
ArbG Köln (Entscheidung vom 01.08.1985; Aktenzeichen 5 Ca 4067/85) |
Tatbestand
Die Klägerin war bei der Beklagten als Angestellte beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien war kraft vertraglicher Vereinbarung der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten in der Chemischen Industrie, zuletzt i. d. F. vom 25. März 1983 (MTV) anzuwenden.
§ 12 I Nr. 10 MTV hat folgenden Wortlaut:
"10. Der Urlaub ist spätestens bis 31. März des
folgenden Kalenderjahres zu gewähren.
Der Urlaubsanspruch erlischt, wenn er nicht
bis dahin geltend gemacht worden ist."
Die Klägerin hatte Anfang 1984 drei Wochen Urlaub erhalten. Danach hatte sie noch einen Resturlaubsanspruch von 13 Tagen. Sie war im Zusammenhang mit ihrer Schwangerschaft vom 24. Mai 1984 bis 30. Juli 1984 arbeitsunfähig krank. Sie erkrankte erneut am 31. August 1984 bis zum 27. Oktober 1984, dem Beginn der Mutterschutzfrist. Nach dem Ende der Mutterschutzfrist am 29. Januar 1985 erhielt die Klägerin Mutterschaftsurlaub, der am 5. Juni 1985 beendet war. An diesem Tag endete das Arbeitsverhältnis durch Kündigung der Klägerin.
Die Klägerin hat am 29. März 1985 von der Beklagten schriftlich den Resturlaub für 1984 gefordert. Die Beklagte hat unter dem 18. April 1985 sich geweigert, den Urlaubsanspruch zu erfüllen mit dem Hinweis, daß dieser am 31. März 1985 erloschen sei.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin Gewährung von Urlaubsabgeltung in rechnerisch unstreitiger Höhe von 1.801,43 DM.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.801,43 DM zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Klage hatte in beiden Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klagantrag weiter. Die Beklagte bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Der Klägerin stehen die von ihr begehrten Urlaubstage nicht zu. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß der Urlaubsanspruch erloschen ist.
1. Nach § 12 I Nr. 10 MTV ist der Urlaub spätestens bis 31. März des folgenden Kalenderjahres zu gewähren. Die Klägerin hat den Urlaub erst nach dem 31. März 1985 als Abgeltungsanspruch geltend gemacht. Zu diesem Zeitpunkt war der Urlaubsanspruch aus dem Jahre 1984 bereits verfallen.
2. Der Verfall des Urlaubsanspruchs ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Klägerin durch Krankheit daran gehindert gewesen wäre, den Urlaub zu nehmen.
Die Mutterschutzfrist endete am 6. Dezember 1984. Zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin unstreitig arbeitsfähig. Der Zeitraum bis zum 31. März 1985 hätte ausgereicht, den Urlaubsanspruch zu erfüllen.
Daran ändert nichts, daß die Klägerin im Anschluß an die Mutterschutzfrist den Mutterschaftsurlaub nach § 8 a MuSchG genommen hat. Der erkennende Senat hat bereits mit Urteil vom 14. Mai 1986 (- 8 AZR 498/84 - AP Nr. 3 zu § 8 d MuSchG 1968, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt) sowie in den Entscheidungen vom 25. Februar 1987 (- 8 AZR 395/85 und 8 AZR 404/85 -) dargelegt, daß die Nichtverwirklichung des Urlaubs wegen Krankheit und wegen Inanspruchnahme des Mutterschaftsurlaubs nicht miteinander gleichgesetzt werden können. Die Inanspruchnahme von Mutterschaftsurlaub i. S. von § 8 a MuSchG geschieht im Unterschied zur Erkrankung aufgrund der Entscheidung des Arbeitnehmers. Ebenfalls ist ohne Bedeutung, daß die Klägerin nach § 8 a Abs. 1 Satz 1 MuSchG den Mutterschaftsurlaub im Anschluß an die Schutzfrist antreten mußte, nachdem sie sich hierfür entschieden hatte.
3. Eine Regelung über den Fortbestand des Urlaubsanspruchs, der wegen der Gewährung von Mutterschaftsurlaub nicht hat genommen werden können, ist auch in den Vorschriften über den Mutterschaftsurlaub nicht enthalten. Aus § 8 d MuSchG muß das Gegenteil der von der Klägerin vertretenen Auffassung gefolgert werden: Diese Bestimmung, die eine Kürzungsmöglichkeit für den der Arbeitnehmerin zustehenden Urlaubsanspruch zum Inhalt hat, ist an § 4 ArbPlSchG orientiert (vgl. den Bericht des BT-Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drucks. 8/2797). Während § 4 Abs. 2 ArbPlSchG eine Regelung über die Fortdauer von Urlaub enthält, der dem Wehrpflichtigen nicht oder nicht vollständig vor der Einberufung gewährt worden ist, fehlt eine solche Bestimmung in § 8 d MuSchG, so daß es bei der Befristung des Anspruchs nach § 10 Nr. 8 MTV zu verbleiben hat (vgl. hierzu auch BAGE 45, 155 = AP Nr. 1 zu § 8 d MuSchG 1968).
4. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht daraus, daß die Klägerin am 29. März 1985 von der Beklagten den Resturlaub gefordert hat. Abgesehen davon, daß zu diesem Zeitpunkt wegen des bevorstehenden Ablaufs der Urlaubsanspruch allenfalls noch in Höhe von zwei Tagen bestanden hätte, könnte dies nur dann von Bedeutung sein, wenn die Beklagte im Zeitpunkt der Geltendmachung den Urlaubsanspruch der Klägerin hätte erfüllen können. Dies war ihr aber wegen des Mutterschaftsurlaubs der Klägerin nicht möglich (vgl. die Senatsentscheidungen vom 31. Oktober 1986 - 8 AZR 244/84 - AP Nr. 25 zu § 13 BUrlG und vom 13. November 1986 - 8 AZR 212/84 - AP Nr. 26 zu § 13 BUrlG).
Michels-Holl Dr. Leinemann Dr. Peifer
Wittendorfer Harnack
Fundstellen