Entscheidungsstichwort (Thema)

Trichinenuntersuchung durch Tierarzt. Stundenvergütung

 

Normenkette

BGB § 615

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 02.03.1990; Aktenzeichen 13 Sa 780/89)

ArbG Kassel (Urteil vom 19.04.1989; Aktenzeichen 6 Ca 223/88)

 

Tenor

1. Die Revisionen der Parteien gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 2. März 1990 – 13 Sa 780/89 – werden zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des Revisionsverfahrens tragen der Kläger 3/5 und das beklagte Land 2/5.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger ist seit dem 1. Dezember 1970 beim beklagten Land als Tierarzt beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme der Tarifvertrag über die Regelung der Rechtsverhältnisse der Fleischbeschautierärzte, Fleischbeschauer und Trichinenschauer außerhalb öffentlicher Schlachthöfe vom 1. April 1969 (TV) in seiner jeweiligen Fassung Anwendung. Im Arbeitsvertrag wurde mit Wirkung vom 1. Februar 1978 folgendes vereinbart:

„§ 2 erhält folgende Fassung:

Dem Angestellten obliegt nach näherer Weisung der zuständigen Behörde die Schlachttier- und Fleischbeschau sowie die Trichinenschau im Landkreis K.-Beschaubezirk V.

Der Kläger nahm die Trichinenschau bis zum 31. Januar 1987 nach der mikroskopischen Methode vor. Dabei wurden von ihm Proben, die er den Tieren entnahm, einzeln untersucht. Seit dem 1. Februar 1987 ist nach dem Gesetz die Trichinenuntersuchung grundsätzlich nach der Digestionsmethode durchzuführen. Dabei werden Proben von einer Vielzahl von Tieren entnommen und zu einer Sammelprobe vereinigt, die anschließend auf einen Trichinenbefund untersucht wird. Dem Kläger wurde daraufhin vom beklagten Land nur noch die Entnahme der Proben übertragen. Diese wurden in seiner Praxis abgeholt und in einer zentralen Untersuchungsstelle untersucht. Gegen dieses Verfahren erhob der Kläger Einspruch und forderte das beklagte Land auf, ihn weiterhin mit der Untersuchung der Proben zu beschäftigen. Das beklagte Land behielt das eingeführte Verfahren jedoch bei.”

Mit Wirkung vom 1. Februar 1988 erhielt der Arbeitsvertrag des Klägers folgende Fassung:

„§ 2 erhält folgende Fassung:

Dem Angestellten obliegt nach näherer Weisung der zuständigen Behörde – neben anderen Beschauern – die Schlachttier – und Fleischbeschau sowie die Trichinenschau im Bereich des Landkreises Kassel. Dem Angestellten werden dazu ein Beschaubezirk oder Teil eines Beschaubezirkes und die Vertretung in einem oder mehreren anderen Beschaubezirken als festes Aufgabengebiet übertragen. Darüber hinaus ist der Angestellte verpflichtet, zur Sicherstellung der Beschau vertretungsweise auch in anderen Beschaubezirken tätig zu werden,

§ 4 erhält folgende Fassung:

Änderungen der Beschaubezirke sowie der Regelvertretung können aus organisatorischen Gründen von der zuständigen Behörde vorgenommen werden.

…”

Auch nach der Neufassung des Arbeitsvertrages wurde die Trichinenuntersuchung in der zum 1. Februar 1987 eingeführten Form weitergeführt. Der Kläger entnahm seit diesem Zeitpunkt im Jahre 1987 1.438 Proben, die zu 57 Sammelproben vereinigt und in der zentralen Untersuchungsstelle untersucht wurden. Im Jahre 1988 wurden 145 Sammelproben von 1.440 Tieren untersucht. Die Vergütung der Trichinenuntersuchung nach der Digestionsmethode richtet sich nach § 12 Abs. 5 TV. Diese Bestimmung hatte in der ab 1. Februar 1987 geltenden Fassung folgenden Wortlaut:

(5) Für die Tätigkeiten, für die in den Anlagen 1 und 2 keine Stückvergütungen vorgesehen sind, steht dem Angestellten eine Stundenvergütung zu. Die Stundenvergütung für jede geleistete Arbeitsstunde ist für den

a)

amtlichen Tierarzt – vorbehaltlich Buchstabe c)

37,99 DM,

b)

Fleischkontrolleur im Sinne des § 6 Abs. 5 Nr. 1 und 2 FlHG und Geflügelfleischkontrolleur – vorbehaltlich Buchstabe c) –

18,34 DM,

c)

Angestellten in der Trichinenuntersuchung nach der Digestionsmethode – ausgenommen die Aufsichtstätigkeit des amtlichen Tierarztes –

15,24 DM,

d)

Angestellten als Hilfskraft im Sinne des § 2 Nr. 1 Buchst. b) der Hilfskräfteverordnung – Frisches Fleisch –

14,19 DM.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das beklagte Land sei nicht berechtigt gewesen, ihm ab 1. Februar 1987 die Untersuchung der Proben zu entziehen. Im Arbeitsvertrag sei ihm die Trichinenuntersuchung in seinem Beschaubezirk übertragen worden. Zur Trichinenuntersuchung gehöre nicht nur die Entnahme, sondern auch die Untersuchung der Proben. Diese hätte er in einem in seiner Praxis einzurichtenden Labor auch nach der Digestionsmethode durchführen können. Die Vornahme der Probenuntersuchung in einer zentralen Untersuchungsstelle widerspreche auch den gesetzlichen Bestimmungen, da sie jedem amtlichen Tierarzt in seinem Beschaubezirk obliege. Hätte er die Untersuchung der von ihm in den Jahren 1987 und 1988 entnommenen Proben selbst durchgeführt, wäre eine Stundenvergütung nach § 12 Abs. 5 Satz 2 Buchst. a TV zu zahlen gewesen. Der Stundensatz nach § 12 Abs. 5 Satz 2 Buchst. c TV komme nicht in Betracht. Dieser gelte nur für Hilfskräfte.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, ihn auch über den 1. Februar 1987 hinaus mit der Trichinenuntersuchung einschließlich der tatsächlichen Untersuchung der von ihm entnommenen Proben zu beschäftigen,
  2. das beklagte Land zu verurteilen, ihm 11.510,98 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 17. März 1989 zu bezahlen.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das beklagte Land hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe keinen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Untersuchung der von ihm entnommenen Proben nach der Digestionsmethode. Sowohl in dem ab 1. Februar 1978 als auch in dem ab 1. Februar 1988 geltenden Arbeitsvertrag sei ihm die Trichinenschau nur nach näherer Weisung der zuständigen Behörde übertragen worden. In Ausübung dieser Weisungsbefugnis sei deshalb den ab 1. Februar 1987 geänderten gesetzlichen Bestimmungen Rechnung getragen worden. Die Einführung der Trichinenuntersuchung nach der Digestionsmethode habe organisatorisch die Einrichtung zentraler Untersuchungsstellen bedingt. Die vom Kläger für sich beanspruchte Untersuchung innerhalb seines Beschaubezirks sei schon aus Kostengründen nicht durchführbar, da die Einrichtung eines Labors einen Aufwand von 4.000,– bis 6.000,– DM erfordere und allein im Landkreis K. Arbeitsverträge mit 24 Fleischbeschautierärzten bestünden.

Den geänderten gesetzlichen Vorschriften sei auch in den tariflichen Bestimmungen ab 1. Februar 1987 durch den 20. Änderungs-TV vom 30. Juni 1987 Rechnung getragen worden. Wäre der Kläger mit der Untersuchung der Proben nach der Digestionsmethode beschäftigt worden, hätte ihm allenfalls ein Anspruch auf Stundenvergütung nach § 12 Abs. 5 Satz 2 Buchst. c TV zugestanden. Die Stundenvergütung nach § 12 Abs. 5 Satz 2 Buchst. a TV beziehe sich nur auf die Aufsichtstätigkeit des amtlichen Tierarztes. Diese sei dem Kläger weder übertragen worden noch habe eine entsprechende Verpflichtung bestanden.

Das Arbeitsgericht hat der Klage hinsichtlich des Feststellungsantrages in vollem Umfange und hinsichtlich des Zahlungsantrages in Höhe von 4.667,07 DM entsprechend einer Stundenvergütung nach § 12 Abs. 5 Satz 2 Buchst. c TV stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufungen beider Parteien zurückgewiesen. In der Revisionsinstanz hat der Kläger den Feststellungsantrag zurückgenommen und mit der Revision nur noch den weitergehenden Zahlungsantrag verfolgt. Das beklagte Land hat mit seiner Revision beantragt, die Klage in vollem Umfange abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des beklagten Landes ist zulässig, aber unbegründet. Dem Kläger steht aus Annahmeverzug ein Anspruch auf Stundenvergütung nach § 12 Abs. 5 Satz 2 Buchst. c TV zu (§ 615 Satz 1 BGB).

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Er hat keinen Anspruch auf Stundenvergütung nach § 12 Abs. 5 Satz 2 Buchst. a TV.

I. Die Revision des beklagten Landes ist zulässig. Zwar hat das beklagte Land die Revisionsbegründungsfrist, die am 21. August 1990 ablief, versäumt, da die Revisionsbegründung erst am 22. August 1990 bei Gericht einging. Dem beklagten Land ist jedoch antragsgemäß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 233 ZPO).

Der Prozeßbevollmächtigte des beklagten Landes hat mit Schriftsatz vom 23. August 1990 glaubhaft gemacht, daß er seine erfahrene und bisher zuverlässige Büroangestellte am 21. August 1990 angewiesen habe, die Revisionsbegründungsschrift auf ihrem Heimweg in den Nachtbriefkasten des Bundesarbeitsgerichts einzuwerfen. Dies habe sie vergessen. Damit hat der Prozeßbevollmächtigte ausreichend Vorsorge für einen fristgerechten Eingang des Schriftsatzes beim Bundesarbeitsgericht getroffen. Dies schließt sein Verschulden an der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist aus (vgl. BAG Urteil vom 9. Januar 1990 – 3 AZR 528/89 – AP Nr. 16 zu § 233 ZPO 1977).

II. Die Revisionen beider Parteien sind unbegründet. Dem Kläger steht aus Annahmeverzug ein Anspruch auf Vergütung für die Arbeitszeit zu, die er für die Trichinenuntersuchung bei den von ihm im Anspruchszeitraum entnommenen Proben nach der Digestionsmethode auf gewendet hätte (§ 615 Satz 1 BGB). Der Anspruch ist aber nur in Höhe der Stundenvergütung nach § 12 Abs. 5 Satz 2 Buchst. c TV begründet.

1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, das beklagte Land habe dem Kläger nicht durch einseitige Weisung die Untersuchung der von ihm entnommenen Proben entziehen dürfen. Damit habe es sein Direktionsrecht überschritten. Die Trichinenschau, zu der neben der Entnahme der Proben auch deren Untersuchung gehöre, sei dem Kläger arbeitsvertraglich übertragen worden. Soweit sie einer näheren Weisung der zuständigen Behörde unterliege, sei ein Weisungsrecht nur hinsichtlich der Art und Weise der Aufgabenerfüllung, nicht aber hinsichtlich der Arbeitsaufgabe, eingeräumt worden. Eine Erweiterung des Direktionsrechts ergebe sich auch weder aus den am 1. Februar 1987 in Kraft getretenen gesetzlichen noch aus den zu diesem Zeitpunkt geänderten tariflichen Bestimmungen. Dem Kläger stehe deshalb aus dem rechtlichen Gesichtspunkt des Annahmeverzuges die Vergütung zu, die er erhalten hätte, wenn er die im Anspruchs Zeitraum vom ihm entnommenen Proben nach der Digestionsmethode selbst untersucht hätte. Insoweit sei das beklagte Land verpflichtet. Stundenvergütung nach § 12 Abs. 5 Satz 2 Buchst. c TV in Höhe von 4.667,07 DM zu zahlen. Ein Anspruch auf Stundenvergütung nach § 12 Abs. 5 Satz 2 Buchst. a TV stehe dem Kläger nicht zu, da dieser nur für die Aufsichtstätigkeit des amtlichen Tierarztes vorgesehen sei und der Kläger nicht geltend mache, daß ihm eine solche ab 1. Februar 1987 zu übertragen gewesen wäre.

2. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist zuzustimmen. Der Kläger kann vom beklagten Land aus Annahmeverzug Vergütung für die Untersuchung der von ihm entnommenen Proben verlangen, die er nach der Digestionsmethode hätte durchführen können. Das beklagte Land befand sich hinsichtlich der vom Kläger für die Zeit ab 1. Februar 1987 angebotenen Durchführung der Trichinenuntersuchung nach der Digestionsmethode in Annahme Verzug. Die Untersuchung der Proben auf Trichinenbefall gehörte weiterhin zu den arbeitsvertraglichen Aufgaben des Klägers, die das beklagte Land ihm durch einseitige Weisung nicht entziehen konnte.

a) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht § 2 des Arbeitsvertrages dahingehend ausgelegt, daß auch die Untersuchung der Proben auf Trichinenbefall zu den arbeitsvertraglich vereinbarten Aufgaben des Klägers gehörte. Nach § 2 des Arbeitsvertrages in der ab 1. Februar 1978 geltenden Fassung oblag dem Kläger die Schlachttier- und Fleischbeschau sowie die Trichinenschau im Bereich des Landkreises K. im Beschaubezirk V. Zur Trichinenschau gehörte nach dem Fleischbeschaugesetz vom 28. September 1981 (BGBl. I S. 1045) die Entnahme der Proben und deren Untersuchung (§ 1 Abs. 1 Satz 3, § 3 b Abs. 2 Nr. 3). Daraus hat das Landesarbeitsgericht mit Recht gefolgert, daß dem Kläger ein arbeitsvertraglicher Anspruch auf Durchführung der Probenentnahme und der Untersuchung der Proben in seinem Beschaubezirk zustand.

b) Das beklagte Land war aufgrund seines Direktionsrechts nicht berechtigt, dem Kläger ab 1. Februar 1987 die Untersuchung der Proben zu entziehen.

Das auf dem Arbeitsvertrag beruhende Weisungsrecht des Arbeitgebers gehört zum wesentlichen Inhalt eines jeden Arbeitsverhältnisses. Aufgrund des Weisungsrechts kann der Arbeitgeber die im Arbeitsvertrag umschriebene Arbeitspflicht im einzelnen nach Zeit, Ort und Art bestimmen. Dabei hat das allgemeine Weisungsrecht des Arbeitgebers stets nur eine Konkretisierungsfunktion hinsichtlich der im Arbeitsvertrag enthaltenen Rahmenbedingungen. Der Umfang der beiderseitigen Hauptpflichten (Vergütungs- und Arbeitspflicht) unterliegt dagegen nicht dem Weisungsrecht des Arbeitgebers. Die Regelung der beiderseitigen Hauptleistungspflichten gehört zum Kernbereich des Arbeitsvertrages mit der Folge, daß diese Arbeitsbedingungen lediglich durch Gesetz, Kollektiv- oder Einzelarbeitsvertrag gestaltbar sind (BAGE 47, 314, 321 = AP Nr. 6 zu § 2 KSchG 1969, zu II 3 b der Gründe). Die Grenzen seines Weisungsrechts hat das beklagte Land überschritten.

aa) Mit Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, aus den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen ergebe sich nicht die Befugnis des beklagten Landes, dem Kläger die Untersuchung der Proben zu entziehen. Nach § 2 des Arbeitsvertrages in der Fassung vom 1. Februar 1978 oblag dem Kläger die Schlachttier- und Fleischbeschau sowie die Trichinenschau „nach näherer Weisung der zuständigen Behörde”. Daraus folgt, daß die zuständige Behörde die Durchführung der genannten Aufgaben und damit auch die Art und Weise der Durchführung der Trichinenschau im einzelnen regeln konnte. Damit hätte das beklagte Land dem Kläger nach Inkrafttreten der gesetzlichen Vorschriften des Fleischhygienegesetzes am 1. Februar 1987 (BGBl. I S. 649) die Trichinenschau nach der Digestionsmethode übertragen können. Aus der arbeitsvertraglichen Bindung an nähere Weisungen ergab sich aber nicht, daß das beklagte Land dem Kläger die Untersuchung der Proben und damit einen wesentlichen Teil der ihm übertragenen Aufgaben ganz entziehen durfte. Insoweit hätte es eines eindeutigen Vorbehalts im Arbeitsvertrag bedurft.

Eine Erweiterung des Direktionsrechts des beklagten Landes ergab sich auch nicht aus der ab 1. Februar 1988 geltenden Fassung des § 2 des Arbeitsvertrages. Auch nach dieser nach Inkrafttreten der gesetzlichen Vorschriften des Fleischhygienegesetzes am 1. Februar 1987 vereinbarten Fassung des Arbeitsvertrages oblag dem Kläger die Durchführung der Trichinenschau. Diese umfaßt neben der Entnahme der Proben auch deren Untersuchung (§ 1 Abs. 3, § 6 Abs. 4 Nr. 2 FlHG). Damit gehörte auch nach diesem Zeitpunkt die Untersuchung der Proben zu den arbeitsvertraglichen Aufgaben des Klägers.

bb) Das beklagte Land war auch aufgrund der Vorschriften des Fleischhygienegesetzes nicht berechtigt, im Rahmen seines Direktionsrechts einseitig den Inhalt des Arbeitsvertrages zu gestalten. Zwar ist durch die gesetzlichen Bestimmungen für die Trichinenuntersuchung grundsätzlich die Anwendung der Digestionsmethode vorgeschrieben worden. Dies bedingte, worauf das beklagte Land mit Recht hinweist, organisatorische Veränderungen. Soweit diese nur durch Anpassung der mit den Tierärzten und Fleischbeschauern getroffenen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen zu bewirken waren, hätte es jedoch entsprechender arbeitsvertraglicher Maßnahmen bedurft. Die gesetzlichen Vorschriften enthalten jedenfalls keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Gesetzgeber die zuständigen Behörden ermächtigt hat, einseitig in arbeitsvertraglich begründete Rechte und Pflichten einzugreifen.

cc) Eine solche Befugnis des beklagten Landes folgt auch nicht aus den zum 1. Februar 1987 durch den 20. Änderungs-TV vom 30. Juni 1987 geänderten tariflichen Bestimmungen. Diese gelten sowohl für amtliche Tierärzte und Fleischkontrolleure, die gegen Stückvergütung in der Trichinenschau nach der mikroskopischen und trichinoskopischen Methode tätig sind (§ 1 Abs. 1 Buchst. a TV) als auch für solche, die gegen Stundenvergütung in der Trichinenuntersuchung nach der Digestionsmethode beschäftigt werden (§ 1 Abs. 1 Buchst. b aa TV). Die Tarifvertragsparteien berücksichtigen damit, daß nach den gesetzlichen Vorschriften neben der Trichinenuntersuchung nach der Digestionsmethode auch die nach der mikroskopischen und trichinoskopischen Methode zulässig ist. Daraus ergibt sich aber nicht die Befugnis des beklagten Landes, den Kläger von der Untersuchung der Proben völlig auszuschließen.

Zutreffend führt das Landesarbeitsgericht auch aus, daß eine entsprechende Erweiterung des Direktionsrechts sich nicht aus § 12 Abs. 1 und 5 TV herleiten läßt. Diese tarifliche Bestimmung regelt nur die Vergütung je nach Art der ausgeübten Tätigkeit (vgl. BAG Urteil vom 12. März 1992 – 6 AZR 392/91 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Für Tätigkeiten, für die in den Anlagen 1 und 2 Stückvergütung vorgesehen ist, ist nach § 12 Abs. 1 TV Stückvergütung zu zahlen. Ist, wie für die Trichinenuntersuchung nach der Digestionsmethode, keine Stückvergütung vorgesehen, besteht nach Maßgabe des § 12 Abs. 5 TV ein Anspruch auf Stundenvergütung. Welche Tätigkeit der Angestellte auszuüben hat, folgt damit nicht aus den tariflichen Bestimmungen. Maßgebend ist insoweit allein der Inhalt des Arbeitsvertrages.

3. Für die Arbeitszeit, die der Kläger für die Untersuchung der Proben nach der Digestionsmethode im Anspruchs Zeitraum auf gewendet hätte, kann er Stundenvergütung nach § 12 Abs. 5 Satz 2 Buchst. c TV verlangen. Ein Anspruch auf Stundenvergütung nach § 12 Abs. 5 Satz 2 Buchst. a TV steht ihm nicht zu.

Die Tarifvertragsparteien haben in § 12 Abs. 5 TV für die Tätigkeiten, für die in den Anlagen 1 und 2 keine Stückvergütungen vorgesehen sind, für die in § 12 Abs. 5 Satz 2 TV genannten Personengruppen Stundenvergütungen in unterschiedlicher Höhe festgelegt. Da für Trichinenuntersuchungen nach der Digestionsmethode eine Stückvergütung in den Anlagen 1 und 2 nicht vorgesehen ist, ist eine Stundenvergütung nach § 12 Abs. 5 Satz 2 TV zu zahlen. Entgegen der Auffassung des Klägers kommt für die Untersuchung der Proben, auch wenn sie von einem amtlichen Tierarzt vorgenommen wird, jedoch nur eine Stundenvergütung nach § 12 Abs. 5 Satz 2 Buchst. c TV in Betracht.

Dies folgt aus dem Tarifwortlaut und dem tariflichen Gesamtzusammenhang, die bei der Tarifauslegung maßgebend zu berücksichtigen sind (vgl. BAGE 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung). Die Durchführung der Trichinenuntersuchung obliegt nach den gesetzlichen Bestimmungen dem amtlichen Tierarzt. Dabei können fachlich ausgebildete Personen (Fleischkontrolleure) nach Weisung der zuständigen Behörde und unter der fachlichen Aufsicht des amtlichen Tierarztes eingesetzt werden (§ 6 Abs. 1 FlHG). Dieser Aufgabenverteilung haben die Tarifvertragsparteien in § 12 Abs. 5 Satz 2 TV Rechnung getragen.

Für Angestellte in der Trichinenuntersuchung nach der Digestionsmethode haben sie eine Stundenvergütung nach § 12 Abs. 5 Satz 2 Buchst. c TV vorgesehen. Nach dem eindeutigen Wortlaut der tariflichen Bestimmung wird davon jedoch die Aufsichtstätigkeit des amtlichen Tierarztes ausgenommen. Für diese Tätigkeit kommt demgemäß eine Stundenvergütung nach § 12 Abs. 5 Buchst. c TV nicht in Betracht. Für Tätigkeiten, die von einem amtlichen Tierarzt ausgeführt werden und für die Stundenvergütung vorgesehen ist, bemißt sich diese nach § 12 Abs. 5 Satz 2 Buchst. a TV. Dies gilt nach dem Wortlaut dieser tariflichen Bestimmung aber nur vorbehaltlich einer Tätigkeit nach Buchstabe c. Aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang folgt somit, daß ein amtlicher Tierarzt für eine Tätigkeit in der Trichinenuntersuchung nach der Digestionsmethode nur dann einen Anspruch auf Stundenvergütung nach § 12 Abs. 5 Satz 2 Buchst. a TV hat, wenn ihm eine Aufsichtstätigkeit übertragen ist. Nimmt er selbst die Untersuchung der Proben vor, ist diese Tätigkeit nach § 12 Abs. 5 Satz 2 Buchst. c TV zu vergüten. Ob diese Vergütung angemessen ist, wie der Kläger unter Bezugnahme auf eine Niederschrift über die Tarifverhandlungen vom 10. Oktober 1988 in Zweifel zieht, kann dahinstehen. In den tariflichen Bestimmungen kommt nur zum Ausdruck, daß die Art und die Höhe der Vergütung von der auszuübenden Tätigkeit, nicht aber von der Funktion des Angestellten abhängen soll (vgl. BAG Urteil vom 12. März 1992 – 6 AZR 392/91 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Es ist nicht Aufgabe der Gerichte zu prüfen, ob die Tarifvertragsparteien die sachgerechteste und zweckmäßigste Regelung getroffen haben (BAG Urteil vom 27. November 1991 – 4 AZR 533/89 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, zu II 5 der Gründe).

Da der Kläger nicht geltend macht, das beklagte Land hätte ihm eine Aufsichtstätigkeit in der Trichinenuntersuchung nach der Digestionsmethode übertragen müssen, sondern Vergütung für die Untersuchung der Proben begehrt, die er selbst hätte durchführen können, ist sein Anspruch nur in Höhe der Stundenvergütung nach § 12 Abs. 5 Satz 2 Buchst. c TV begründet. Diese betrug nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts im Anspruchs Zeitraum 4.667,07 DM. Einwendungen dagegen hat das beklagte Land in der Revisionsinstanz nicht mehr erhoben.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Peifer, Dr. Jobs, Dr. Freitag, Hilgenberg, Spiegelhalter

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1074052

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