Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorübergehende Übertragung höherwertiger Tätigkeit

 

Normenkette

BAT §§ 24, 23, 22; BGB § 315

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 21.03.2001; Aktenzeichen 18 Sa 1652/00)

ArbG Gelsenkirchen (Urteil vom 16.05.2000; Aktenzeichen 2 Ca 3065/99)

 

Tenor

1. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 21. März 2001 – 18 Sa 1652/00 – aufgehoben.

2. Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 16. Mai 2000 – 2 Ca 3065/99 – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten noch darüber, ob dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Juni 1999 bis zum 30. Juni 2000 Vergütung nach VergGr. V b, hilfsweise V c BAT zusteht. Dabei geht es darum, ob das beklagte Land dem Kläger eine höherwertige Tätigkeit gem. § 24 Abs. 1 und 2 BAT nur vorübergehend bzw. vertretungsweise zuweisen durfte oder ob sie dem Kläger auf Dauer zusteht.

Der am 5. Januar 1972 geborene Kläger ist verheiratet und hat ein Kind. Er wurde in der Zeit vom 1. August 1991 bis zum 6. Juli 1994 von dem beklagten Land im Versorgungsamt G als Verwaltungsfachangestellter ausgebildet und stand bis zu seinem Ausscheiden am 30. Juni 2000 in den Diensten des beklagten Landes – Versorgungsamt G –. Nach § 2 des Arbeitsvertrages vom 7. Juli 1994 bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Arbeitgeber geltenden Fassung. In der Zeit vom 1. Januar 1995 bis zum 31. Dezember 1995 leistete der Kläger seinen Wehrdienst ab. Seit dem 5. Juni 1998 wurde der Kläger nach der VergGr. VII BAT vergütet.

In der Zeit vom 22. Februar 1996 bis zum 31. März 2000 war der Kläger als Sachbearbeiter in der Abteilung 4 (Erziehungsgeldkasse) tätig; lediglich vom 1. Oktober 1997 bis zum 5. April 1998 sowie während drei Wochen im Oktober 1996 und während zwei Wochen im Januar 1999 war der Kläger in der Abteilung 3 (Schwerbehindertengesetz) tätig. Dem lagen die folgenden Verfügungen des beklagten Landes zugrunde:

Mit Schreiben vom 21. Februar 1996 teilte das beklagte Land dem Kläger ua. mit:

„… mit Wirkung vom 22.02.1996 übertrage ich Ihnen gemäß § 24 Abs. 2 BAT vertretungsweise bis zum 31.12.1996 die Tätigkeit eines Sachbearbeiters des mittleren Dienstes in der Abteilung 4 (Erziehungsgeldkasse).

Sie vertreten die bis zum Ende des Jahres 1996 wegen einer Fortbildungsmaßnahme vorübergehend von ihren Tätigkeiten als Sachbearbeiterin des mittleren Dienstes in der Abteilung 4 freigestellte Angestellte Frau S P.

…”

Dieser Vertretungseinsatz wurde verlängert mit Verfügung vom 12. Dezember 1996 bis zum 17. Februar 1997, durch Verfügung vom 13. Februar 1997 bis zum 17. April 1997 und durch Verfügung vom 14. April 1997 bis zum 30. September 1997.

Mit Schreiben vom 19. September 1997 an den Kläger verfügte das beklagte Land:

„… Ihr vertretungsweiser Einsatz für Frau P endet, wie in dem o.a. Schreiben angekündigt, mit dem 30.09.1997.

Eine Übertragung der Tätigkeit auf Dauer ist nach wie vor nicht möglich, denn es sind keine auf Dauer freien und besetzbaren Stellen und keine auf Dauer freien Dienstposten vorhanden.

Ab 01.10.1997 werden Sie allerdings erneut gemäß § 24 Abs. 2 BAT vertretungsweise als Sachbearbeiter des mittleren Dienstes eingesetzt, und zwar je nach Bedarf in der Abteilung 3 oder in der Abteilung 4. Vertretungsgrund ist der voraussichtlich bis zum 07.09.1998 notwendige vorübergehende Einsatz des Sachbearbeiters des mittleren Dienstes Herrn N im gehobenen Dienst. Sie vertreten Herrn N bis zum 07.09.1998.”

Diese vertretungsweise Übertragung wurde verlängert durch die Verfügung vom 4. August 1998 bis zum 9. August 1999 und mit Verfügung vom 5. August 1999 bis zum 8. Mai 2000. Das beklagte Land widerrief die zuletzt verfügte Übertragung mit Wirkung zum 31. März 2000. Danach wurde er bis zu der Verkündung des Urteils I. Instanz wieder in der Registratur beschäftigt und zwar unter Zahlung der Vergütung nach VergGr. VII BAT.

Mit Schreiben vom 13. September 1999 machte der Kläger die Eingruppierung in der VergGr. V c BAT geltend. Das beklagte Land lehnte das Höhergruppierungsbegehren mit Schreiben vom 8. November 1999 ab.

Mit seiner Klage erstrebt der Kläger insbesondere die Feststellung der Verpflichtung des beklagten Landes, ihn nach der VergGr. V b BAT zu vergüten. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das beklagte Land könne sich zur Rechtfertigung der vorübergehenden Übertragungen nicht mit Erfolg auf § 24 BAT berufen. Er habe in der Zeit von Februar 1996 bis März 2000 Daueraufgaben erledigt. Er erfülle seit dem 22. Februar 1996 die Voraussetzungen der VergGr. V c Fallgr. 1 a BAT; somit stehe ihm auf Grund des Bewährungsaufstiegs die Vergütung nach der VergGr. V b BAT zu.

Der Kläger hat zunächst beantragt

festzustellen, daß er in der VergGr. V b Fallgr. 1 c BAT einzugruppieren ist, und weiterhin festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, an ihn ab Juni 1999 eine Vergütung nach der VergGr. V b BAT, Allgemeiner Teil Bund/Länder, zu zahlen und diese im Arbeitsvertrag festzuschreiben.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat vorgetragen, eine rechtsmißbräuchliche Ausnutzung der Gestaltungsmöglichkeit des § 24 BAT liege nicht vor. Die Nichtübertragung der höherwertigen Tätigkeit auf Dauer sei nicht von der Absicht getragen gewesen, dem Kläger die Möglichkeit des Fallgruppenaufstiegs vorzuenthalten, sondern habe auf dem allen Beteiligten bekannten Umstand beruht, daß insoweit kein dauerhafter Vertretungsbedarf bestanden habe.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Gegen dieses Urteil hat das beklagte Land Berufung eingelegt. Der Kläger hat in der Berufungsinstanz die Klage beschränkt auf die Feststellung der Verpflichtung des beklagten Landes, ihn für die Zeit vom 1. Juni 1999 bis zum 30. Juni 2000 nach der VergGr. V b, hilfsweise V c BAT zu vergüten. Das Landesarbeitsgericht hat unter Zurückweisung der Berufung des beklagten Landes nach dem eingeschränkten Hauptantrag des Klägers erkannt. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt das beklagte Land die Abweisung der Klage. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des beklagten Landes ist begründet. Sie führt zur Abweisung der Klage.

I. Die Klage ist hinsichtlich des in die Revisionsinstanz gelangten Antrags zulässig. Es handelt sich um eine im öffentlichen Dienst allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage, gegen die keine prozeßrechtlichen Bedenken nach § 256 ZPO bestehen (zB Senat 19. März 1986 – 4 AZR 470/84 – AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 114).

II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat für den Zeitraum vom 1. Juni 1999 bis zum 30. Juni 2000 keinen Anspruch auf Zahlung der Vergütung nach VergGr. V b BAT bzw. entsprechend dem Hilfsantrag nach VergGr. V c BAT.

1. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft vertraglicher Vereinbarung der BAT nebst dessen Anlage 1 a in seiner jeweils geltenden Fassung Anwendung.

2. Der Klage kann daher nur stattgegeben werden, wenn in der Gesamtarbeitszeit des Klägers zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die im streitigen Anspruchszeitraum die Anforderungen mindestens eines Tätigkeitsmerkmals der vom Kläger begehrten Vergütungsgruppe erfüllen (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT). Dabei kommt es auf die von dem Kläger nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit an (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 1 BAT).

Die dem Kläger übertragene Sachbearbeitertätigkeit entspricht den Anforderungen der VergGr. V c Fallgr. 1 a des Allgemeinen Teils der Anlage 1 a zum BAT. Diese Bewertung ist zwischen den Parteien ebensowenig umstritten wie die Bewährung des Klägers in dieser Tätigkeit, die nach dreijähriger Dauer zur Vergütung nach VergGr. V b BAT (Fallgr. 1 c) führt. Diese Bewertung war entsprechend den Grundsätzen zur Überprüfung einer Eingruppierung bei korrigierender Rückgruppierung (vgl. BAG 16. Februar 2000 – 4 AZR 62/99BAGE 93, 340 ff., 356 f.) zugrunde zu legen.

3. Das Landesarbeitsgericht hat erkannt, daß schon die vertretungsweisen Übertragungen der höherwertigen Tätigkeit in der Zeit vom 22. Februar 1996 bis zum 30. September 1997 nicht durch § 24 BAT gedeckt seien. Bei den während der Vertretung von Frau P anfallenden Tätigkeiten handele es sich um Daueraufgaben. Das beklagte Land bilde dauernd Angestellte und Beamte sowohl für den Einsatz im gehobenen Dienst als auch im mittleren Dienst aus. Soweit die sich in Ausbildung befindlichen Beamtenanwärter bzw. Angestellten vertreten werden müßten, handele es sich nicht um vorübergehende Tätigkeiten. Im übrigen habe das beklagte Land nicht überzeugend dargelegt, daß es notwendig gewesen sei, die Angestellte P nach Abschluß des Fortbildungslehrgangs im Dezember 1996 noch neun Monate lang einzuarbeiten und zu erproben. Dies hält der Revision nicht stand.

a) Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, das beklagte Land habe dem Kläger die Tätigkeit als Sachbearbeiter in der Abteilung 4 (Erziehungsgeldkasse) zur Vertretung von Frau P ausdrücklich jeweils nicht auf Dauer, sondern nur zur Vertretung übertragen.

b) Das Landesarbeitsgericht ist bei der Überprüfung der Wirksamkeit der vertretungsweisen Übertragungen höherwertiger Tätigkeiten auf den Kläger – auch – von der bisherigen Rechtsprechung des Senats ausgegangen. Danach galt eine vorübergehend übertragene Tätigkeit als auf Dauer übertragen, wenn die Gestaltungsmöglichkeit des § 24 BAT rechtsmißbräuchlich verwendet worden sei. Rechtsmißbrauch lag nach dieser Rechtsprechung vor, wenn die vorübergehende Übertragung nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sei. Fehle es an einer sachlichen Rechtfertigung, sei der Angestellte vom Beginn der Übertragung der höherwertigen Tätigkeit an so zu behandeln, als sei ihm diese auf Dauer zugewiesen (vgl. zuletzt Senat 26. März 1997 – 4 AZR 604/95 – ZTR 1997, 413).

c) Diese Rechtsprechung zur Rechtsmißbrauchskontrolle bei der Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit für einen vorübergehenden Zeitraum hat der Senat nach nochmaliger Prüfung in mehreren Entscheidungen vom 17. April 2002 aufgegeben. Danach muß der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung, ob er kraft seines Direktionsrechts die Übertragung der höherwertigen Tätigkeit nur vorübergehend vornimmt, entsprechend § 315 BGB billiges Ermessen walten lassen. Der Senat hat diese Rechtsprechungsänderung und die Grundsätze für die Ermessensprüfung bei der Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit nach § 24 BAT in der Entscheidung in der Sache – 4 AZR 174/01 – (zur Veröffentlichung vorgesehen ≪zVv.≫) ausführlich begründet. Darauf nimmt er Bezug.

Die vertretungsweise Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit für einen befristeten Zeitraum ist in § 24 Abs. 2 BAT als Sonderfall der „vorübergehenden Ausübung einer höherwertigen Tätigkeit” speziell geregelt. Die Billigkeit einer solchen Vertretungsanordnung für die Dauer der Verhinderung des Vertretenen folgt schon aus dem Übertragungsgrund. Denn nach Rückkehr des vertretenen Mitarbeiters auf seinen Arbeitsplatz besteht kein Bedürfnis für die Beschäftigung des Vertreters auf diesem Arbeitsplatz. Die vertretungsweise Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit entspricht daher regelmäßig billigem Ermessen (Senat 17. April 2002 – 4 AZR 174/01 – zVv.).

d) Danach entsprechen die Übertragungen der Sachbearbeitertätigkeit in dem Zeitraum vom 22. Februar 1996 bis zum 30. September 1997 zur Vertretung der Angestellten P billigem Ermessen. Frau P war ihrerseits befristet höherwertig zur Einarbeitung und Erprobung eingesetzt worden, so daß das beklagte Land damit rechnen mußte, daß sie auf ihren von dem Kläger vertretungsweise eingenommenen Arbeitsplatz wieder zurückkehren werde.

Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts steht dem nicht entgegen, daß das beklagte Land ständig Angestellte und Beamte sowohl für den Einsatz im gehobenen wie auch für den Einsatz im mittleren Dienst ausbildet. Bei Abwägung der beiderseitigen Interessen ist es dem beklagten Land rechtlich nicht verwehrt, die jeweils konkret durch die Ausbildung, die Einarbeitung oder die Erprobung entstehende Vakanz vorübergehend durch einen vertretungsweisen Einsatz zu überbrücken. Ob die Dauer der Einarbeitungs- bzw. Erprobungszeit der von dem Kläger vertretenen Angestellten P ihrerseits gem. § 24 BAT zulässig war, ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts unerheblich. Einen diesbezüglichen Ermessensfehler zu beanstanden, ist Sache der vertretenen Angestellten P, nicht diejenige des vertretenden Klägers.

e) Auch die weiteren Übertragungen der höherwertigen Tätigkeit an den Kläger in dem Zeitraum vom 1. Oktober 1997 bis zum 31. März 2000 entsprechen billigem Ermessen. Die Übertragungen erfolgten jeweils zur Vertretung des Mitarbeiters N, dem seinerseits vertretungsweise eine höherwertige Tätigkeit übertragen worden war. Unerheblich wiederum ist, ob bezogen auf den vertretenen Mitarbeiter N die vorübergehenden Übertragungen nach § 24 BAT zulässig waren.

4. Somit sind die vorübergehenden Übertragungen der höherwertigen Tätigkeiten auf den Kläger in dem Zeitraum vom 22. Februar 1996 bis zum 31. März 2000 jeweils wirksam erfolgt. Die Voraussetzungen für die von dem Kläger begehrte Eingruppierung in der VergGr. V c BAT bzw. auf Grund der Bewährung in der VergGr. V b BAT sind danach für den streitbefangenen Zeitraum nicht gegeben.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

 

Unterschriften

Bott, Friedrich, Wolter, Die ehrenamtliche Richterin Pflügner-Wax ist infolge Ausscheidens aus dem Amt an der Unterschrift verhindert. Bott, Weßelkock

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1134488

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