Entscheidungsstichwort (Thema)
Tariflohnerhöhung und außertarifliche Zulage (ALTV 2)
Leitsatz (redaktionell)
1. Auch im Geltungsbereich des ALTV 2, wo diese Rechtsfolge zudem einzelvertraglich vereinbart wird, gilt der allgemeine Rechtsgrundsatz, daß eine Tariflohnerhöhung zur entsprechenden Verringerung übertariflicher Lohnbestandteile führt (Bestätigung von BAG, 10.3.1982, 4 AZR 540/79 = BAGE 38, 118, 123 = AP Nr 47 zu § 242 BGB Gleichbehandlung).
2. Dies gilt auch dann, wenn die Zuerkennung einer höheren tariflichen Mindestvergütung auf einer gerichtlichen Entscheidung beruht.
Normenkette
TVG § 4; BGB § 242; ALTV § 61; ALTV 2 § 61
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 18.09.1985; Aktenzeichen 3 Sa 42/85) |
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 07.11.1984; Aktenzeichen 3 Ca 480/83) |
Tatbestand
Der 64-jährige Kläger, der der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) als Mitglied angehört, war vom 2. Oktober 1951 bis 31. Oktober 1984 als Elektriker bei den US-Stationierungsstreitkräften in G beschäftigt. In der Zeit vom 1. März 1978 bis 31. Juli 1981 erhielt er Vergütung nach der Gewerbegruppe A 2 des Gewerbegruppenverzeichnisses des § 61 TVAL II zuzüglich einer außertariflichen Zulage. In einem Vorprozeß ist durch Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 9. Juni 1982 - 4 AZR 808/79 - (unveröffentlicht) rechtskräftig festgestellt worden, daß dem Kläger für die Zeit ab 1. März 1978 Vergütung nach der Gewerbegruppe A 4 zusteht. Der Differenzbetrag zwischen den Gewerbegruppen A 2 und A 4 beträgt für die Zeit vom 1. März 1978 bis 31. Juli 1981 unstreitig 4.792,10 DM brutto. Diesen Betrag hat die Beklagte an den Kläger nicht ausgezahlt, sondern auf die in diesem Zeitraum gewährte außertarifliche Zulage angerechnet, die die jeweiligen Differenzbeträge noch überstieg.
Der Kläger meint, die von der Beklagten rückwirkend vorgenommene Anrechnung des erhöhten Tariflohns nach Gewerbegruppe A 4 auf die außertarifliche Zulage sei rechtswidrig. Er hat hierzu vorgetragen, der Arbeitsvertrag der Parteien enthalte keine Anrechnungsvereinbarung. Die Beklagte habe sich die Anrechnung auch zu keiner Zeit vorbehalten. Auf Ziffer 5 der Allgemeinen Bedingungen für die Beschäftigten bei den US-Stationierungsstreitkräften könne sich die Beklagte nicht berufen, da deren Anwendung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht vereinbart worden sei. Darüber hinaus gäben auch diese Allgemeinen Bedingungen der Beklagten nicht das Recht zu einer rückwirkenden Neufestsetzung der außertariflichen Zulage, die die Beklagte im Klagezeitraum ungekürzt ausgezahlt habe. Insoweit könne die Beklagte allenfalls einen Rückforderungsanspruch geltend machen. Dieser sei aber wegen Ablaufs der tariflichen Ausschlußfristen erloschen. Den tariflichen Anspruch des Klägers auf Vergütung nach Gewerbegruppe A 4 habe die Beklagte nicht erfüllt. Die rückwirkende Anrechnung des erhöhten Tariflohns auf die außertarifliche Zulage verstoße auch gegen Treu und Glauben, da die Beklagte mit der vorbehaltslosen Gewährung der außertariflichen Zulage während des Rechtsstreits über die zutreffende Eingruppierung des Klägers einen Vertrauenstatbestand geschaffen habe. Ferner verstoße die Beklagte gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, da sie den übrigen nach den Gewerbegruppen A 2 und A 4 eingestuften Arbeitnehmern eine außertarifliche Zulage gewähre und der Kläger demgemäß bei richtiger Eingruppierung ebenfalls die ungekürzte Zulage erhalten hätte. Demgemäß hat der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger
4.792,10 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem
sich ergebenden Nettobetrag seit 15. Dezember
1982 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, mit dem Kläger sei ein schriftlicher Arbeitsvertrag abgeschlossen worden, in dem es unter Ziffer 5 heiße:
"Die außertarifliche Zulage (10 c) ist eine
freiwillige Leistung und kann anläßlich
einer allgemeinen Lohn-, Gehaltserhöhung,
einer Höher-, Herab- oder Umgruppierung
oder einer Stufensteigerung neu festge-
setzt bzw. dagegen aufgerechnet werden.
Im übrigen kann die außertarifliche Zu-
lage mit einer Ankündigungsfrist von
vier Wochen gekürzt oder entzogen werden."
Der Kläger habe eine Grundvergütung erhalten, die sich aus dem Tabellenlohn zuzüglich einer außertariflichen Zulage zusammengesetzt habe. Als unselbständigen Teil der Grundvergütung habe die Beklagte deshalb die außertarifliche Zulage auf die rückwirkende Tariflohnerhöhung anrechnen dürfen. Das gelte auch für eine rückwirkende Tariflohnerhöhung aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung. Auf den Gleichbehandlungsgrundsatz könne sich der Kläger nicht berufen, da es sich bei der außertariflichen Zulage um eine individuelle Zulage gehandelt habe und er überdies keine Arbeit verrichtet habe, die mit der Tätigkeit der Kollegen vergleichbar sei, deren Zulage nicht gekürzt worden sei.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen.
Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage im Ergebnis mit Recht abgewiesen. Der Kläger kann von der Beklagten nicht die Zahlung der eingeklagten 4.792,10 DM brutto nebst Zinsen aus dem Nettobetrag verlangen. Denn er hat weder einen tariflichen noch einen vertraglichen Anspruch darauf, daß ihm die Beklagte den Differenzbetrag zwischen den Gewerbegruppen A 2 und A 4 für den Klagezeitraum zahlt.
Streitgegenstand ist nach dem gesamten Klagevorbringen die Frage, ob die Beklagte aufgrund der Eingruppierung des Klägers nach Gewerbegruppe A 4 und der bisher gezahlten außertariflichen Zulage noch zur Zahlung der Differenzbeträge zwischen den Gewerbegruppen A 2 und A 4 TVAL II für den streitbefangenen Klagezeitraum verpflichtet ist. Hierzu hat der Kläger von Anfang an vorgetragen, daß die Beklagte diesen Differenzbetrag auf seinen Effektivlohn aufstocken müsse. Dementsprechend haben die Gerichte unter allen rechtlichen Gesichtspunkten unter Berücksichtigung des Tatsachenvortrags des Klägers zu prüfen, ob die Beklagte die geltend gemachten Differenzbeträge schuldet. Die Erklärung des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht, Streitgegenstand sei der tarifliche Erfüllungsanspruch auf Vergütung nach Gewerbegruppe A 4, ist lediglich die Bekundung einer Rechtsauffassung bzw. ein Hinweis auf eine mögliche Anspruchsgrundlage. Daran sind die Gerichte nicht gebunden. Die gegenteiligen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts sind verfehlt, wenn auch nicht prozeßentscheidend.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Vorschriften des Tarifvertrags für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TVAL II) kraft beiderseitiger Tarifbindung mit unmittelbarer und zwingender Wirkung Anwendung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Ein tariflicher Anspruch auf die mit der Klage geltend gemachten Differenzbeträge zwischen den Gewerbegruppen A 2 und A 4 steht dem Kläger jedoch nicht zu. Der Kläger hatte für den Klagezeitraum von der Beklagten aufgrund rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidung Lohn in Höhe der Beträge der Gewerbegruppe A 4 zu beanspruchen. Lohn in dieser Höhe hat die Beklagte dem Kläger jedoch unstreitig gezahlt. Insoweit ist unerheblich, daß die Beklagte bei der Zahlung der Vergütung einen Teil des Tariflohns, nämlich den Differenzbetrag zwischen den Gewerbegruppen A 2 und A 4, als außertarifliche Zulage deklarierte. Denn die Beklagte genügt den tariflichen Vergütungsvorschriften, wenn sie eine Vergütung zahlt, deren Höhe den tariflichen Sätzen entspricht. Es ist unstreitig und aus den Lohnabrechnungen der Beklagten ersichtlich, daß die außertarifliche Zulage, die die Beklagte zahlte, zur Vergütung des Klägers gehörte.
Auch ein vertraglicher Anspruch auf die geltend gemachten Differenzbeträge zwischen den Gewerbegruppen A 2 und A 4 steht dem Kläger nicht zu. Ein solcher vertraglicher Anspruch setzte voraus, daß die Parteien ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart hätten, die außertarifliche Zulage zum jeweiligen Tariflohn zu zahlen. Eine solche Vereinbarung haben die Parteien jedoch nicht getroffen. Die außertarifliche Zulage wurde von der Beklagten ohne besondere Zweckbestimmung gezahlt, so daß auch aus ihrem Zweck nicht geschlossen werden konnte, daß sie über den jeweiligen Tariflohn hinaus gewährt werden sollte. Infolgedessen hat sich die Eingruppierung des Klägers ab 1. März 1978 in die Gewerbegruppe A 4 nur dahin ausgewirkt, daß entgegen den vor dem Senatsurteil vom 9. Juni 1982 - 4 AZR 808/79 - von der Beklagten erteilten Abrechnungen der Anteil des unabdingbaren Tariflohns am Gesamtverdienst des Klägers höher war, sich nämlich nach der Gewerbegruppe A 4 richtete und nicht - wie die Beklagte damals meinte - nach der Gewerbegruppe A 2. Aus der irrtümlichen Berechnung der Beklagten läßt sich jedoch nicht herleiten, daß die Beklagte den in den früheren Abrechnungen ausgewiesenen Betrag der außertariflichen Zulagen zum jeweiligen Tariflohn zahlen wollte. Den früheren Abrechnungen läßt sich insoweit nur entnehmen, daß die Beklagte den Betrag der außertariflichen Zulage zum Lohn der Gewerbegruppe A 2 zahlen wollte.
Entgegen der Auffassung des Klägers liegt auch keine rückwirkende Neufestsetzung der außertariflichen Zulage oder eine rückwirkende Anrechnung der außertariflichen Zulage auf den Tariflohn durch die Beklagte vor, was der Beklagten möglicherweise verwehrt wäre. Da die Beklagte die außertarifliche Zulage nicht zum jeweiligen Tariflohn zugesagt hat, ist die von ihr gezahlte Gesamtvergütung als einheitliche Vergütung anzusehen. Diese setzte sich danach vom Beginn des Klagezeitraums an aus dem Tariflohn der Gewerbegruppe A 4 und einer außertariflichen Zulage zusammen. Wenn die Beklagte vor dem Senatsurteil vom 9. Juni 1982 - 4 AZR 808/79 - zunächst meinte, die Gesamtvergütung setze sich aus dem niedrigeren Lohn der Gewerbegruppe A 2 und einer höheren außertariflichen Zulage zusammen, kann dieser Irrtum der Beklagten nicht zu einer Minderung des höheren unabdingbaren Teils der Vergütung des Klägers führen. Daraus folgt aber nicht, daß die Beklagte nunmehr zu einer Erhöhung der außertariflichen Zulage, die bei Berücksichtigung des höheren unabdingbaren Teils der Vergütung nach Gewerbegruppe A 4 übrig bleibt, verpflichtet wäre. Hierfür fehlt eine Anspruchsgrundlage. Insoweit gilt nichts anderes als bei der Verringerung übertariflicher Lohnbestandteile infolge einer Tariflohnerhöhung (vgl. BAG Urteil vom 8. Dezember 1982 - 4 AZR 481/80 - AP Nr. 15 zu § 4 TVG Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung; BAG 38, 118, 123 = AP Nr. 47 zu § 242 BGB Gleichbehandlung).
Auch nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz steht dem Kläger die geltend gemachte Klageforderung nicht zu. Der Vortrag des Klägers, die Beklagte habe ihren nach Gewerbegruppe A 4 eingestuften Arbeitnehmern eine außertarifliche Zulage gezahlt, deshalb könne er nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz ebenfalls ab 1. März 1978 eine entsprechende Zulage verlangen, reicht nicht aus, um den Gleichbehandlungsgrundsatz zur Anwendung zu bringen. Nach dem arbeitsrechtlichen Gebot der Gleichbehandlung ist es dem Arbeitgeber verwehrt, in seinem Betrieb einzelne oder Gruppen von Arbeitnehmern ohne sachlichen Grund von allgemein begünstigenden Regelungen des Arbeitsverhältnisses auszunehmen und willkürlich schlechter zu stellen (vgl. BAG Urteil vom 17. Mai 1978 - 5 AZR 132/77 - AP Nr. 42 zu § 242 BGB Gleichbehandlung). Außertarifliche Zulagen knüpfen im Zweifel an die Tätigkeit des Arbeitnehmers an. Der Kläger hat insoweit nicht vorgetragen, daß die Beklagte anders verfährt. Demgemäß hätte die Beklagte den Gleichbehandlungsgrundsatz nur dann verletzt, wenn sie den Schlossern oder Elektrikern, die - wie der Kläger - mit Bauunterhaltungs- oder Baureparaturarbeiten befaßt sind, die außertarifliche Zulage zur Gewerbegruppe A 4 gezahlt hätte. Das trifft ersichtlich nicht zu, da die Beklagte diesen Personenkreis vor dem Senatsurteil vom 9. Juni 1982 - 4 AZR 808/79 - überhaupt nicht nach Gewerbegruppe A 4 vergütet hat. Wenn die Beklagte nunmehr zwischen Schlossern und Elektrikern einerseits und den anderen Handwerkern der Gewerbegruppe A 4 andererseits bei der Gewährung der außertariflichen Zulage differenziert, ist dies jedenfalls nicht willkürlich, da die Beklagte damit an unterschiedliche Tätigkeiten und folglich unterschiedliche Merkmale anknüpft.
Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
Dr. Feller Dr. Freitag Dr. Etzel
Heinz Pallas Dr. Kiefer
Fundstellen
Haufe-Index 439605 |
BB 1987, 684 |
BB 1987, 684-685 (LT1-2) |
NZA 1987, 281-282 (LT1-2) |
RdA 1987, 64 |
ZTR 1987, 60-61 (LT) |
AP § 61 TVAL II (LT1-2), Nr 1 |
EzA § 4 TVG Tariflohnerhöhung, Nr 9 (LT1-2) |
RiA 1987, 183-183 (T) |